Der Sattelstorch (Mycteria senegalensis und ephippiorhyncha, Ciconia senegalensis und ephippiorhyncha, Ephippiorhynchus senegalensis) ist ein gewaltiger und prachtvoller Vogel. Die Federn des Kopfes und Halses, des Oberflügels, der Schultern und des Schwanzes sind schwarz, metallisch glänzend, die übrigen, einschließlich der Schwingen, blendend weiß. Das Auge ist königsgelb, der Schnabel an der Wurzel roth, hierauf schwarz und an der Spitze blutroth, der nackte Theil des Gesichtes röthlich, der Augenring gelb; die breite Wachshaut, welche wie ein Sattel auf dem Schnabel liegt, nach allen Seiten hin beweglich ist und von einem schwarzen, schmalen Federsaume eingefaßt wird, und die Klunkern sind königsgelb, die Läufe graubraun, die Fersen und Zehengelenke unrein karminroth. Die Länge des Männchens beträgt einhundertundsechsundvierzig, die Breite zweihundertundvierzig, die Fittiglänge fünfundsechzig, die Schwanzlänge sechsundzwanzig Centimeter. Das Weibchen ist merklich kleiner. Beim jüngeren Vogel sind alle dunklen Theile des Gefieders bräunlichgrau, die weißen Federn schmutzig graugelb und die Klunkern noch nicht entwickelt. Das Auge sieht braun und der Schnabel dunkelroth, fast schwärzlich aus.
Man muß einen Sattelstorch im Freien, lebend, sich bewegend, fliegend, über dem dunkeln Walde seine Kreise ziehend gesehen haben, um den Eindruck, welchen der gewaltige Vogel hervorruft, verstehen, um seine volle Schönheit würdigen zu können. Im Gehen hält sich dieser Riese sehr stolz und aufrecht, erscheint aber wegen der langen Beine noch größer, als er wirklich ist. Im Fluge nimmt er sich prachtvoll aus; denn die weißen Schwingen stechen von den schwarzen Deckfedern der Flügel herrlich ab. Leider ist der Sattelstorch unter allen Umständen so scheu und dabei in den von mir bereisten Gebieten so selten, daß ich nicht viel über das Freileben zu sagen weiß. Er lebt paarweise am Weißen und Blauen Nile vom vierzehnten Grade nördlicher Breite an nach Süden hin, findet sich auch im Westen und Süden des Erdtheiles, bewohnt das Ufer der Ströme, die Sandinseln und die nahe am Ufer gelegenen Seen, Regenteiche und Sümpfe und entfernt sich nur während der Regenzeit zuweilen von der Flußniederung; doch sah man ihn ausnahmsweise auch in seichten Meerbusen. Unter andere Sumpfvögel mischt er sich nicht selten; das Paar bleibt aber stets beisammen.
In dem Betragen spricht sich Selbstbewußtsein und Würde aus. Der Marabu ist mindestens ebenso groß und steht auch an Klugheit hinter ihm nicht zurück, läßt sich aber doch mit ihm nicht vergleichen. Jede Bewegung des Sattelstorches, jede Stellung ist zierlich und anmuthig, der Schönheit des Gefieders voll kommen entsprechend. Er schreitet mit gemessenen Schritten unhörbar dahin und trägt dabei den Hals sanft gebogen und den Schnabel so nach abwärts gekehrt, daß die untere Lade fast auf den Federn des Halses ruht. Zuweilen steht er hoch aufgerichtet auf einem Beine; oft ruht er auf den eingeknickten Fersen; manchmal legt er sich auch mit doppelt zusammengebogenen Füßen platt auf den Boden. Lustige oder tanzartige Sprünge, wie sie Kraniche ausführen, beobachtet man nicht; doch rennt er gelegentlich einmal mit ausgebreiteten Flügeln im schnellen Laufe dahin. Den ungeheueren Schnabel weiß er mit überraschendem Geschicke zu handhaben; er ist im Stande, den kleinsten Gegenstand mit der Spitze aufzunehmen, ihn wiederholt hin- und herzudrehen und dann, nachdem er ihn vorher aufgeworfen, zu verschlingen, ebenso beim Federputzen einen kleinen Schmarotzer zu fangen und umzubringen. Außerdem benutzt er den Schnabel wie der Storch, um seine Gefühle auszudrücken.
Hinsichtlich der Nahrung wird sich der Sattelstorch wohl wenig von seinen deutschen Verwandten unterscheiden. In dem Magen der von uns getödteten fanden wir Fische, Lurche und Käfer; andere Beobachter lernten den Vogel als Vertilger der Heuschrecken kennen; Rüppells Jäger erlegten einen am Aase, und auch Heuglin erbeutete einen, welcher sich mit Geiern und Kropfstörchen um die Ueberreste eines gefallenen Kameles balgte. Fliegende Heuschrecken und andere Kerfe fängt er ebenso geschickt aus der Luft weg, wie er sie vom Boden aufliest. Den Bissen, einen großen, nachdem er ihn vorher kauend gequetscht hat, wirft er vor dem Verschlingen in die Höhe, fängt ihn geschickt auf und läßt ihn in den Schnabel gleiten. Er bedarf etwa ein Kilogramm Fleisch oder das gleichwerthige an Fischen, um sich zu sättigen.
Ueber die Fortpflanzung wissen wir wenig. Im allgemeinen mag sie dem Brutgeschäfte des Storches ähneln. Beide Gatten eines Paares sind sehr zärtlich gegen einander, begrüßen sich, nach kurzer Trennung, durch Geklapper, schnäbeln sich auch gegenseitig und führen zu ihrer Unterhaltung besondere Tänze auf. Einen Horst, in welchem ein Sattelstorch, offenbar brütend, mit eingeknickten Fußwurzeln saß, sah Heuglin mitten in einem unzugänglichen Sumpfwalde auf dem Wipfel einer schirmförmigen Akazie stehen; derselbe war sehr umfangreich, aus dürren Aesten und Reisern zusammengefügt und oben platt. Eier, welche in Ostafrika eingesammelt wurden, ähneln in Gestalt und Färbung denen des Storches, sind aber bedeutend größer; denn ihr Längsdurchmesser beträgt achtundsiebzig, ihr Querdurchmesser dreiundfunfzig Millimeter.
Gefangene Sattelstörche gelangen neuerdings nicht allzu selten in unsere Thiergärten. Sie halten sich bei Fleisch- und Fischnahrung sehr gut, werden bald ebenso zahm wie irgend ein anderer Storch, lernen ihren Pfleger kennen und von anderen Leuten unterscheiden, begrüßen ihn durch Schnabelgeklapper, sobald sie seiner ansichtig werden, folgen auch seinem Rufe und gestatten, daß er sie berührt. Um andere Thiere bekümmern sie sich nicht, lassen sich aber auch nichts gefallen und erwerben sich daher bald volle Hochachtung aller Mitbewohner ihrer Gehege. Jede ihrer Bewegungen und Handlungen fesselt; denn ihr Betragen ist eben so anziehend wie ihre Gestalt.