Der (Rotfuß)Seriema in Brehms Tierleben

Rotfuß-Seriema (Brehms Tierleben)

Das Gefieder der Seriema (Dicholophus cristatus, saurophagus und Margravii, Cariama cristata und saurophaga, Palamedea und Sariama cristata, Microdactylus und Lophorhynchus cristatus) ist grau, jede Feder mit feineren, helleren und dunkleren Querzickzackwellenlinien gezeichnet, welche auf der Vorderbrust die Schaftgegend frei- und daher einen Schaftstreifen hervortreten lassen; die des Unterbauches haben keine Zeichnung; die verlängerten des Kopfes und Halses sind schwarzbraun, die Schwingen braun, an der Innenfahne abwechselnd weißlich quer gebändert, die Handschwingen auch weiß an der Spitze, die beiden mittleren Schwanzfedern einfarbig graubraun, die übrigen auf der Mitte schwarzbraun, an der Wurzel und am Ende weiß. Das Auge ist hell schwefelgelb, der Zügel graulich fleischfarben, der nackte Augenring bläulich, der Schnabel korallroth, der Fuß vorn röthlichbraun, seitlich ziegelroth. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männchen durch das kürzere Nackengefieder und gelbgrauen Grundton seiner Färbung. Das Junge ähnelt dem Weibchen in allen wesentlichen Punkten. Die Länge beträgt zweiundachtzig, die Fittiglänge siebenunddreißig, die Schwanzlänge einunddreißig Centimeter.

Ueber die Lebensweise der Seriema haben uns der Prinz von Wied und Burmeister sehr ausführlich unterrichtet, und ihre Mittheilungen sind neuerdings durch Alexander von Homeyer, welcher einen gefangenen Vogel beobachten konnte und dessen Leben mit gewohnter Meisterschaft beschrieb, wesentlich bereichert worden, so daß wir uns gegenwärtig einer genügenden Kunde des sonderbaren und vielen Forschern räthselhaft erscheinenden Geschöpfes rühmen dürfen. Die Seriema ist über einen großen Theil Südamerikas verbreitet und lebt in den großen, offenen Triften des inneren Brasilien, wo sanfte, mit Gras bewachsene Höhen oder Ebenen mit einzelnen Gesträuchen abwechseln. Man beobachtet sie paar- oder nach der Brutzeit familienweise zu drei oder vier zusammen, bekommt sie aber nur da zu sehen, wo sie sich nicht im Grase verstecken kann. Ihre Färbung kommt, laut Burmeister, in den dürren Steppen ihr sehr zu statten. Sie duckt sich, wenn sie Geräusch hört, hebt nur dann und wann den Kopf ein wenig und läuft hierauf rasch zwischen den Halmen fort, ohne sich zu zeigen. »Obgleich ich den Vogel täglich in den Campos gehört habe und namentlich auf meinem Lager in früher Morgendämmerung, habe ich ihn doch nie zu Gesichte bekommen. Dicht neben mir hörte ich oftmals einen Ton, und wenn ich heranritt, war alles still, kein Halm, viel weniger ein Vogel regte sich.« Auch der argentinische Verwandte, Tschunja genannt, läßt sich öfter hören als sehen; doch gelang es Burmeister, seiner zweimal ansichtig zu werden. Der Prinz sagt, daß der Lauf dem eines Truthahnes ähnele; Burmeister fügt dem hinzu, daß er schneller dahinrenne, als ein Pferd zu traben vermöge, und nur im Galopp eingeholt werden könne. Homeyer bemerkt, daß der laufende Vogel sich vorn sehr überbiegt, und daß der Leib wie der zusammengelegte Schwanz eine wagerechte Haltung annehmen. Die Flügel werden dabei dicht angelegt, nicht gelockert. In der Ruhe ist der Hals eingezogen, der Vordertheil des Leibes erhoben und der Schwanz geneigt. Während des Tages sieht man die Seriema selten ruhig; sie steht, geht oder läuft beständig umher und gibt sich niemals einer Träumerei hin, wie der Kranich es oft thut. Die Brasilianer erzählten dem Prinzen, daß man die Vögel zuweilen auch auf der Spitze eines Strauches oder eines mäßig hohen Baumes sitzen sähe, sie sich jedoch, sobald Gefahr nahe, sofort auf die Erde herabbegäben, daß sie sich nur durch Laufen, nicht durch Fliegen vor einem Verfolger zu retten suchten. Homeyer beobachtete, daß die Seriema die Nacht stets auf einem Baume, niemals auf der Erde zubrachte, beim Bäumen sich ungeschickt zeigte und oft lange Zeit brauchte bevor sie ihren bestimmten Platz erreicht hatte.

Auf diesem zog sie dann die Beine und den Hals ein und verbrachte so die Nacht in kauernder Lage. Auch Burmeister sagt, daß sie die Nacht in den Kronen mäßig hoher Bäume verbringe. In der Freiheit wie in der Gefangenschaft vernimmt man oft die laute, weithinschallende Stimme. Sie klingt, nach Burmeisters Meinung, wie das Gebelfer und Gekläff eines jungen Hundes, nach Homeyers Angabe raubvogelstimmig und ungemein kreischend. Auch der schreiende Vogel sitzt am liebsten etwas erhöht, schreit wenigstens, so lange er auf dem Boden umherläuft, minder laut und anhaltend. »Springt die Seriema auf einen ihrer Baumstümpfe, so mögen sich alle Nervenschwache möglichst weit entfernen; denn es beginnt jetzt im wahren Sinne des Wortes ein Schreikonzert. Beim ersten Theile desselben nimmt der Musiker eine aufrechte Haltung an, sieht gen Himmel und schreit mit sehr heller, gellender Stimme überraschend laut: ›Ha, hahahahi, hihihi, hiel, hiel, hi, el‹, worauf eine kleine Pause von vier bis fünf Sekunden eintritt und sodann ein kurzer Nachruf, ungefähr wie ›Hak‹ klingend, erfolgt. Beim Ausstoßen jeder einzelnen Silbe wird der Kopf wechselseitig eingezogen und gehoben, wodurch eine eigenthümliche Bewegung des Vordertheiles entsteht; dann wird der Kopf vollkommen hintergeworfen und der zweite Theil herausgeschrieen. Dieser beginnt noch viel lauter als der erste, klingt ungefähr: ›Hahiel, hahiel, hiel, il, ilk, ilk, ilk, ack‹ und endet, nach und nach schwächer werdend. Zuweilen schreit der Vogel eine halbe Stunde lang.«

Die Nahrung besteht vorzüglich in den Kerbthieren des Campo; doch vertilgt die Seriema auch viele Schlangen, Eidechsen und dergleichen. In den Augen der Brasilianer ist sie deshalb ein allgemein geachtetes Thier, und das Gesetz verbietet, sie zu tödten. Der Prinz fand ihren Magen gänzlich mit Heuschrecken vollgepfropft; Burmeister gibt auch noch saftige Beeren als Futter an. Gefangene fressen Fleischstücke, Brod, Kerbthiere und dergleichen, bekunden übrigens wirkliche Raubgelüste, so oft sie können. »Sperlinge, junge Ratten und Mäuse«, sagt Homeyer, »welche sich dem Futterkasten nähern, werden oft, indem sich der Vogel im schnellsten Laufe auf sie stürzt, mit unendlicher Geschicklichkeit gefangen und, nachdem sie erst im Wasser vollkommen eingeweicht und mundgerecht gemacht worden sind, mit Haut und Haaren verschluckt. Das Einweichen geschieht vorzugsweise bei größeren Arten, wie Ratten und Sperlingen, seltener bei kleineren, den Mäusen zum Beispiel.« Eine, welche Burmeister beobachtete, nahm nur kleine Fleischstückchen auf, ließ aber größere Bissen, Gedärme des Hausfederviehes, liegen, sammelte dagegen Knochen oder selbst aus Knochen gearbeitete Gegenstände und schlug sie so lange auf einen Stein, bis sie zersprangen, unzweifelhaft in der Absicht, Kerbthiere, Maden oder Würmer, welche im Inneren der Markröhre leben, oder das leckere Mark selbst zu erbeuten. In der Paarzeit streiten sich die männlichen Seriemas heftig um die Weibchen. Hiervon war der Prinz im Monate Februar Augenzeuge. »Sie verfolgten sich in dem dichten Nebel des Morgens und kamen uns dann zufällig so nahe, daß wir sie im schnellen Laufe mit weitgeöffnetem Schnabel erblickten.« Auch Homeyer gedenkt der Rauflust des Vogels und beschreibt die Kampfstellungen, welche er annimmt. »Kommt die Seriema in Streit«, sagt er, »so macht sie tolle Sprünge, sträubt das Halsgefieder, bläht sich raubvogelartig auf und breitet den Schwanz während eines Sprunges in der Luft fächerförmig aus, nebenbei auch vielleicht, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, den einen oder den anderen Flügel. So wird bald springend, bald laufend der Gegner unter den drolligsten Geberden angegriffen und verfolgt. Der Schnabel ist als die eigentliche Waffe zu betrachten, indem die Seriema mit ihm einen glücklichen Griff thut und dem Gegner viele Federn ausrupft, während der oft vorgeschnellte Fuß nie krallt, sondern nur Stöße und Fußtritte gibt. Uebrigens sind diese Zwistigkeiten zwischen den Seriemas oder ihnen und anderen Vögeln überhaupt nie von langer Dauer, nehmen auch nie einen bösartigen Charakter an.«

Das Nest wird auf einem niederen oder mäßig hohen Baume angelegt. Eines, welches der Prinz fand, konnte mit der Hand erreicht werden. Es bestand aus dürren Reisern, welche unordentlich quer über die Zweige gelegt waren, und einer Schicht von Letten oder Kuhmist, welche die Mulde bildete. In ihr findet man zwei weiße, spärlich rostroth getüpfelte Eier, welche Pfaueneiern in der Größe ungefähr gleichkommen, und später die in dichte, rostgelbe, grauschwarzbraun gewellte Dunen gekleideten Jungen, welche einige Zeit im Neste zubringen, dann aber von den Alten ausgetrieben werden sollen. Ihrer leichten Zähmbarkeit halber hebt man sie, wenn sie halbwüchsig sind, aus, um sie im Gehöfte aufzuziehen. Sie gewöhnen sich, laut Burmeister, schon nach zweitägiger Pflege so an den Menschen, daß sie auf seinen Ruf herbeieilen, um ihre Nahrung von ihm zu empfangen. »Ich sah zwei solcher Vögel, welche frühmorgens zusammengekauert um das Feuer standen und sich wärmten, unbekümmert um eine Anzahl von Kindern und Erwachsenen, die aus demselben Grunde dicht neben ihnen lagerten. Angestoßen und von der Stelle vertrieben, gaben sie einen kurzen Laut des Unmuthes von sich und nahmen sogleich dieselbe Stellung an der anderen Seite des Feuers wieder ein.« Nachdem sie erwachsen, spielen die Jungen den Meister des übrigen Geflügels auf dem Hühnerhofe, leben jedoch mit diesem ziemlich in Frieden. Nachts schlafen sie stets auf erhabenen Standpunkten, am liebsten auf den aus Reisern geflochtenen Dächern der Sonnenschauer. Man gewährt ihnen vollkommene Freiheit; sie laufen weit umher, kehren aber immer wieder zu dem Gehöfte zurück und benehmen sich schließlich ganz wie Hausthiere.

»Obgleich das Fleisch dieser Vögel weiß und wohlschmeckend wie Hühnerfleisch ist«, fährt der Prinz fort, »so werden sie doch nur selten gejagt. Da sie sehr schüchtern sind, ist es nicht leicht, ihnen mit der Flinte beizukommen; selbst meine bei den Nestern verfolgenden Jäger waren nicht so glücklich, die Alten zu überlisten. Sobald die Seriema etwas fremdartiges bemerkt, verstummt ihre Stimme sogleich, und im nächsten Augenblicke hört man sie schon in weiter Entfernung; alsdann pflegt sie sich auch in dem Gebüsche zu verbergen. Die beste Art, diesen Vogel zu jagen, ist, wenn man ihn zu Pferde im Trabe verfolgt und nicht aus dem Auge läßt; denn, anhaltend in weitem Kreise von dem Gebüsche abgeschnitten und immer schneller laufend, ermüdet er endlich. Sowie der Jäger dies bemerkt, reitet er auf den Vogel zu, welcher jetzt kleine Wendungen macht, und man wirft ihm nun entweder eine Schlinge um den Hals oder schießt ihn von einem Baume herab, auf welchen er sich nach kurzem, niedrigem Fluge gesetzt hatte. Gewöhnlich drückt er sich übrigens auf den Boden nieder, und man ergreift ihn lebend mit der Hand. Ich hatte lange vergebens mit meinen Jägern nach diesen Vögeln das Campo durchstrichen, bis ein rüstiger Pflanzer aus der Nachbarschaft sich zufällig auf seinem raschen Hengste bei mir einfand. Er versprach, mir sogleich den Anblick einer Seriemajagd zu verschaffen, ritt nach dem Vogel, dessen Stimme man eben hörte, hin und jagte ihn auf. Mit Vergnügen sahen wir, wie der Reiter in raschem Trabe unausgesetzt dem schnellen Vogel über Höhen und Rücken, durch sanfte Thäler und Ebenen folgte, ihn höchst geschickt vom Gebüsche abschnitt und endlich die schöne Beute uns lebend überbrachte.«

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