Der Habichtskauz in Brehms Tierleben

Habichtskauz (Brehms Tierleben)

Die Habichtseule, Uraleule oder Habergeis (Syrnium uralense und macroce phalum, Strix uralensis, liturata, macrura und macrocephala, Ptynx uralensis und liturata, Ulula liturata, Surnia, Noctua und Scotiaptex uralensis) ist einer der größten aller Käuze. Die Länge beträgt fünfundsechzig bis achtundsechzig, die Breite etwa einhundertundzwanzig, die Fittiglänge vierzig, die Schwanzlänge zweiunddreißig Centimeter. Von der Grundfärbung, einem düsteren Grauweiß, heben sich auf der Oberseite dunkelbraune Längsstreifen ab, indem alle Federn in der Mitte braune, nach unten sich verbreiternde, durch die schwarzbraunen Schaftstriche noch gehobene Längsflecken zeigen. Letztere sind schmäler in der Schultergegend, ausgedehnter auf den Flügeldecken, und auf den größten derselben leichter braun gesperbert, die braunweiß gespitzten Schwingen dagegen durch lichtbraune, außen graulichweiße Fleckenquerbänder gezeichnet, die Oberschwanzdecken blaßbraun, unregelmäßig grau gefleckt und gesperbert, die Schwanzfedern düsterbraun, durch sechs durchgehende, breite, bräunlichgraue Binden geziert. Das von dem Schleier umrahmte Gesicht zeigt auf graulichweißem Grunde äußerst feine, schwärzliche, vom Auge aus speichenartig verlaufende Striche; der Schleier wird durch weiße, an der äußersten Spitze schwarze Federn hergestellt und erscheint deshalb weiß und schwarz gefleckt. Die Unterseite ist auf gelblichweißem Grunde durch schmale braune Schaftflecke längsgezeichnet, die Befiederung der Füße endlich gleichmäßig schmutzigweiß. Zwischen Männchen und Weibchen waltet kein bemerkenswerther Unterschied ob; dagegen kommen dunkle, bald hell-, bald schwarzbraune Spielarten vor, und die sibirischen Vögel pflegen merklich lichter gefärbt zu sein. Das verhältnismäßig große Auge ist tief dunkelbraun, das Augenlid dunkel kirschroth, der Schnabel wachsgelb.

Pallas entdeckte die Habichtseule im Ural; spätere Forscher fanden sie in beinahe ganz Osteuropa und ebenso in Mittelasien, vom Ural bis zum Stillen Weltmeere. In Deutschland ist sie wiederholt, am vierten April des Jahres 1878 im Reviere Kranichbruch in Ostpreußen sogar mit starkem Brutflecke, also wahrscheinlich am Nistplatze, erlegt worden. Da sie erwiesenermaßen in allen Kronländern Oesterreich-Ungarns, unseren Grenzen zunächst im Böhmerwalde und auf den Karpathen als Brutvogel lebt, außerdem aber in Polen und Rußland mehr oder minder regelmäßig gefunden wird, kann die letztere Angabe nicht befremden, umsomehr, als in Ostpreußen allwinterlich Habichtseulen erlegt oder doch gesehen werden. Wahrscheinlich tritt sie überhaupt nicht so selten auf, als man bisher annehmen zu müssen glaubte, mag vielmehr in den ausgedehnten Forsten unweit der angegebenen Grenzen unseres Vaterlandes entweder still und verborgen ihr Wesen treiben oder mit dem Waldkauze verwechselt und somit verkannt werden. In Oesterreich, Ungarn, Polen, Rußland, Finnland ist sie geeigneten Ortes nicht allzu selten, auch in Siebenbürgen eine so regelmäßige Erscheinung, daß kundige Jäger sie recht oft im Walde treffen.

Entsprechend der geringen Kenntnis unserer Eule läßt sich ein erschöpfendes Lebensbild gegenwärtig noch nicht zeichnen. Man weiß, daß sie ebensowohl auf Felsen als in alten, hochstämmigen Waldungen ihren Wohnsitz nimmt und hier, trotz ihrer großen und weittönenden Stimme, ein ziemlich verstecktes Leben führt, im Spätherbste jedoch öfter in den Ebenen, entweder in kleinen Gehölzen oder sogar im freien Felde, beobachtet wird; es ist ferner bekannt, daß sie auch bei Tage vortrefflich sieht und im Gegensatze zu dem verwandten Waldkauze um diese Zeit zuweilen ihrer Jagd obliegt; man hat ebenso erfahren, daß sie gegen Störung höchst empfindlich ist und, wenn sie Gefahr vermuthet, sofort ihren Stand verläßt; eine Beobachtung endlich, welche von dem Bruder Naumanns herrührt, läßt glauben, daß sie an Kühnheit den Tageulen kaum nachsteht. Letztere Eigenschaft bewies diejenige, welche der eben genannte im Jahre 1819 in Anhalt fliegen sah, in auffallender Weise. Sie verfolgte anfänglich einen Mäusebussard und stieß unablässig nach ihm, bis beide im Walde sich verloren. Bald darauf sah sie der Beobachter vom Walde aus wieder aufs freie Feld streichen und einen Fischreiher anfallen.

Letzterer suchte unter kläglichem Geschrei sein Heil in der Flucht, wehrte aber ihre heftigen, schnell wiederholten Stöße mit dem Schnabel glücklich ab. Sie stieß stets in einer Höhe von etwa drei Metern in schiefer Richtung nach dem Reiher herab und trieb ihn so wohl eine Viertelstunde weit weg. Ihr Benehmen glich in gewisser Beziehung dem des Bussards, mit welchem sie auch darin übereinstimmt, daß sie rauschend fliegt und mitunter schwebt. Der Kampf zwischen ihr und dem Reiher fand statt, als eben die Sonne untergegangen war. Beide Kämpfer verloren sich endlich in weiter Ferne; aber noch lange nachher konnte der Beobachter die krächzenden Töne des Reihers vernehmen. Hieraus läßt sich schließen, daß die Habichtseule ihre Jagd nicht auf Mäuse und andere kleine Nagethiere beschränken dürfte, vielmehr auch auf größere Säugethiere und Vögel, als da sind Hasen, Kaninchen, Birk- und Schneehühner, ausdehnen wird.

An ihren Brutplätzen, zerklüfteten Felswänden oder hochgelegenen Buchenwaldungen, findet sie sich, laut Tschusi, welcher sich um Feststellung ihres Vorkommens in Oesterreich sehr verdient gemacht hat, spätestens im April ein. Die Liebe erregt auch sie und man vernimmt jetzt ihren weithin hörbaren Ruf, welcher von einzelnen mit dem Meckern einer Ziege verglichen wird und ihr den Namen »Habergeis« eingetragen hat, nach anderen, namentlich Wodzicki, dagegen ein lautes Heulen und zwar ein Gemisch des Geschreies vom Uhu und Waldkauz, welches dann und wann an das Rucksen der Ringeltaube erinnert. Der letztgenannte Forscher fand im Frühjahre zwei Nester, das eine zwei längliche, weiße Eier, das andere zwei mit grauen Dunen bekleidete Junge enthaltend. Als einer der Waldheger des Grafen die Jungen tief in einer Baumhöhle liegend entdeckte, begann er unten am Stamme mit der Axt einzuschlagen, um die Jungen herauszunehmen, ging, bevor dies geschah, einige Schritte zurück und wurde sofort von einem kleinen ihn begleitenden Hunde abgelöst. Da stürzte sich eine der Habichtseulen auf den Hund herab, packte denselben und trug ihn bis zur halben Baumeshöhe, etwa sechs Meter hoch, empor, würde ihn auch unzweifelhaft fortgetragen haben, hätte der Jäger sie nicht daran verhindert.

In Gefangenschaft habe ich die Habichtseule nur einmal, und zwar im Berliner Thiergarten gesehen, an den beiden hier vertretenen Vögeln aber irgendwie bemerkenswerthe Beobachtungen nicht gemacht. Nordmann, welcher sie selbst gepflegt hat, bemerkt, daß sie in Gefangenschaft ebenso erheiternde Stellungen wie die Zwergeule annimmt, die hingereichte Nahrung immer mit einem heftigen Sprunge ergreift und in allen Bewegungen größere Thatkraft zeigt als eine gleichzeitig in Gefangenschaft sich befindende Schneeeule.

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