Der (Grüne) Leguan in Brehms Tierleben

Grüner Leguan (Brehms Tierleben)

Mit diesen Worten schildert Schomburgk eine Begegnung mit dem Leguan (Iguana tuberculata, delicatissima, coerulea, viridis, squamosa, emarginata und lophyroides, Lacerta und Hypsilophus Iguana), der bekanntesten Art und gewissermaßen dem Urbilde seiner gesammten Familie und der gleichnamigen Unterfamilie (Iguanina) insbesondere. Die Merkmale der Sippe der Guanen (Iguana), welche er vertritt, sind zu finden in dem gestreckten, seitlich zusammengedrückten Leibe, dem großen, vierseitigen Kopfe, kurzen Halse, den kräftigen Beinen, sehr langzehigen Füßen und dem sehr langen, am Grunde etwas zusammengedrückten, platten oder mit dornigen Wirtelschuppen besetzten Schwanze, einem großen hängenden Kehlsacke mit Stachelkamme am Vordertheile desselben und dem vom Nacken bis zur Schwanzspitze verlaufenden Rückenkamme, den vielseitigen, platten, hinsichtlich der Größe sehr verschieden gewölbten, höckerigen und gekielten Kopfschildern, den schwach gekielten Schuppen der Leibesseiten, den dreikieligen Schildern an der Unterseite der Zehen, den Schenkeldrüsen, dem sehr großen, runden, freiliegenden Trommelfelle, den weiten Nasenlöchern und dem Gebisse, in welchem die Vorderzähne rundlich, spitzig und etwas nach hinten gekrümmt, die übrigen dreieckigen zusammengedrückt, an der Schneide gezähnelt sind. Außer den Kinnladen trägt auch der Gaumen jederseits noch eine doppelte Reihe von kleinen Zähnen, deren Anzahl wie die der Kinnladen je nach dem Alter schwankt.

Der Leguan erreicht 1,6 Meter an Länge, wovon fast ein Meter auf den Schwanz kommt. Die Grundfärbung der Haut ist ein schönes Blattgrün, welches hier und da in Blau, Dunkelgrün, Braun und Grau übergeht; Unterseite und Beine sind gestreift; den Schwanz umgeben mehrere deutliche, breite Binden. Die Gesammtfärbung ist übrigens vielfachem Wechsel unterworfen, um so mehr als auch der Leguan die Fähigkeit besitzt, seine Farben zu verändern.

Die Lebensweise der verschiedenen Leguane, von denen man ungefähr ein halbes Dutzend Arten aufgestellt hat, scheint in allem wesentlichen so übereinstimmend zu sein, daß es gestattet sein darf, das von verschiedenen Arten bekannte zusammenzustellen.

Alle Leguane bewohnen den nördlichen Theil Brasiliens und die Länder um und in dem Meerbusen von Mejiko, also auch die Antillen, und alle leben auf Bäumen, am liebsten auf solchen, welche an den Ufern von Gewässern stehen. Hier bewegen sie sich mit großer Gewandtheit, von Zweig zu Zweig kletternd und springend, wissen sich auch geschickt im Gelaube zu verstecken und dem ungeübten Auge unsichtbar zu machen. Gegen Abend steigen sie nicht selten zum Boden herab, um auch hier Nahrung zu gewinnen, bei Gefahr aber flüchten sie, falls es ihnen irgend möglich, wieder zu den hohen Wipfeln der Bäume empor oder, wie wir bereits wissen, in die Tiefe des Wassers hinab. In letzterem sind sie ebenso gut zu Hause als der Waran, und ihr kräftiger Schwanz, welcher als Ruder gebraucht wird, fördert sie mit überraschender Schnelligkeit und Sicherheit. Sie schwimmen, wie Tyler hervorhebt, anders als alle übrigen Echsen, insofern sie ihre vier Beine dicht an die Seite des Leibes legen und ausschließlich den Schwanz benutzen. Dessen ungeachtet beherrschen sie das Wasser vollkommen, tauchen ebenso geschickt wie sie schwimmen, verweilen sehr lange Zeit in der Tiefe, ermüden nicht und mögen durch ihre Gewandtheit allen sie in dem ihnen eigentlich fremden Elemente bedrohenden Feinden entgehen, kümmern sich mindestens nicht im geringsten um Krokodile oder Alligatoren, welche in den von ihnen besuchten Flüssen hausen; in die See hinausscheinen sie sich jedoch nicht zu wagen.

Dumeril bemerkt, daß er in dem Magen aller von ihm untersuchten Leguane nur Pflanzenstoffe gefunden habe, und auch Tyler und Sumichrast stimmen hierin mit ihm überein. Letzterer fand in den Eingeweiden der von ihm zergliederten Stücke nur weiche Beeren, welche zuweilen auch den Darm außerordentlich ausdehnten; Tyler bemerkt, daß man unter den halbverdauten Blättern zuweilen unzählbare Mengen kleiner Würmer finde, welche, wie er annimmt, an den vom Leguan verzehrten Blättern gesessen haben und mit letzteren verschluckt worden sind. Doch bezeichnen alle Indianer die Leguane auch als Raubthiere, welche nicht bloß Käfer, sondern ebenso kleine Eidechsen und ähnliche Thiere jagen und verzehren. Belcher versichert, auf der Insel Isabella Schwärme von Leguanen gesehen zu haben, welche als wahre Allesfresser Eier, Kerbthiere und weggeworfene Eingeweide von Vögeln gierig aufzehrten, und Liebmann beobachtete eine Art der Familie, welche abends regelmäßig in der Steppe auf Heuschrecken jagte: Schomburgks Angabe steht also keineswegs vereinzelt da.

Das Wesen der Leguane hat wenig anziehendes. Viel Verstand scheinen sie nicht zu besitzen, wohl aber Bosheit und Tücke. Gewöhnlich entfliehen sie beim Anblicke des Menschen, weil sie gelernt haben, in diesem ihren gefährlichsten Feind zu sehen; in die Enge getrieben aber stellen sie sich muthig zur Wehre, blasen sich zunächst auf und dehnen den Halskamm aus, um sich ein furchteinflößendes Ansehen zu geben, zischen, fauchen, springen auf ihren Gegner zu, versuchen, an ihm sich festzubeißen und lassen das einmal mit dem kräftigen Gebisse erfaßte so leicht nicht wieder los, theilen auch mit dem kräftigen Schwanze heftige und schmerzhafte, ja selbst gefährliche Schläge aus. Während der Paarungszeit sollen sie sehr erregt und noch viel boshafter sein als sonst, das erwählte Weibchen nicht verlassen und auf jedes diesem sich nähernde Thier wüthend losstürzen, auch unter sich grimmig um den Besitz der Weibchen kämpfen. Geraume Zeit nach der Paarung erscheinen letztere in der Nähe von Sandbänken, um hier ihre Eier abzulegen, und dies ist die Zeit, in welcher man die sonst sehr versteckt lebenden Thiere am häufigsten beobachtet. Auf Santa Lucia findet das Eierlegen in den Monaten Februar, März und April statt. Die Eier haben ungefähr die Größe der Taubeneier, sind weichschalig und von weißer oder licht strohgelber Färbung, hinsichtlich der Beschaffenheit ihrer Schale feinem Handschuhleder ähnlich, fallen dem Neuling auch, wie die meisten Kriechthiereier, dadurch auf, daß der Inhalt fast nur aus Dotter besteht. Die Weibchen legen sie in ein Loch im Sande und decken dasselbe sorgfältig wieder zu, bekümmern sich dann aber nicht mehr um die Brut. Aeltere Berichterstatter geben als Anzahl der Eier sechzig bis siebzig an; Schomburgk hingegen bemerkt, daß er in den Eierstöcken der von ihm erlegten Weibchen nur achtzehn bis vierundzwanzig befruchtete Keime fand. Nach Tylers Untersuchungen legen alte Weibchen beträchtlich mehr Eier als junge. Ein von ihm gefangen gehaltenes z.B. brachte an einem Tage deren fünf und fünf Tage später zweiunddreißig zur Welt. In dem Leibe der zergliederten Weibchen fanden sich, je nach der Größe des Thieres, acht, vierzehn und siebzehn Eier, welche in zwei Reihen zu jeder Seite des Leibes gelagert und alle von gleicher Größe waren. Nach Sumichrasts Erfahrungen kommt es jedoch sehr häufig vor, daß mehrere Leguanweibchen gemeinschaftlich in eine und dieselbe Grube legen, so daß man zuweilen bis zehn Dutzend Eier in einer und derselben Bruthöhle finden kann. Viele Eier werden nicht allein von den Ameisen, sondern auch von Mäusen, insbesondere der auf Lucia vorkommenden sogenannten Moschusratte, zerstört. Es erscheint daher glaublich, daß die Leguanweibchen absichtlich die Seeküste aufsuchen, deren Sand den erwähnten Feinden minder zugänglich ist als die Bänke an Flüssen. Die ausgeschlüpften Jungen scheinen längere Zeit zusammen zu bleiben, da Humboldt erwähnt, daß ihm von seinem Führer ein Nest junger, zehn Centimeter langer Leguane gezeigt wurde. »Diese Thiere waren kaum von einer gemeinen Eidechse zu unterscheiden; die Rückenstacheln, die großen, aufgerichteten Schuppen, alle die Anhängsel, welche dem Leguan, wenn er ein bis anderthalb Meter lang ist, ein so ungeheuerliches Ansehen geben, waren kaum in ihren ersten Anfängen vorhanden.«

In Westindien ist die Ansicht, daß das Fleisch der Leguane ungesund sei, in gewissen Krankheiten insbesondere die Zufälle vermehre, ziemlich allgemein verbreitet; gleichwohl kehrt sich niemand an diese Meinung, sucht vielmehr, fast mit demselben Eifer wie die Begleiter Schomburgks, ein so leckeres Gericht für die Küche sich zu verschaffen. Catesby sagt, daß die Leguane als gewöhnlicher und einträglicher Handelsgegenstand, gefangen von Hand zu Hand gingen und auf dem Festlande endlich zu hohem Preise für die Tafel reicher Leute gekauft würden. Das Fleisch gilt für leicht verdaulich, nährend und schmackhaft und wird gebraten, häufiger aber noch gekocht gegessen. Die Eier, in denen sich fast kein Eiweiß findet, und welche beim Kochen nicht erhärten, werden gewöhnlich zur Herstellung der Brühen benutzt. Eigene Fänger beschäftigen sich mit der Aufsuchung dieses sonderbaren Wildes und wenden verschiedene Fangarten an, um sich in Besitz desselben zu setzen. Eine mit den Schomburgk’schen Angaben im entschiedensten Widerspruche stehende Fangart wird von mehreren Berichterstattern erwähnt. Man soll den Thieren pfeifend nahen und sie dadurch so erfreuen, daß sie den Kopf hervorstrecken und sich mit einer Gerte streicheln lassen, bis man ihnen die an letzterer befestigte Schlinge an den Hals geworfen hat. Mit dieser werden sie gewaltsam vom Baume herabgezerrt, geberden sich anfänglich allerdings wie unsinnig, versuchen sich zu befreien, sperren den Rachen auf, fauchen und zischen, werden aber doch leicht bewältigt, durch Zusammenschnüren der Schnauze unschädlich gemacht und in dieser hülflosen Lage auf den Markt gebracht. Wieviel oder ob überhaupt wahres an diesen Geschichten ist, wage ich nicht zu entscheiden; möglich erscheint es mir, daß die unklugen Geschöpfe da, wo sie noch nicht oft gejagt wurden, im Vertrauen auf ihre Wehrhaftigkeit den Fänger nahe an sich herankommen lassen. Gewöhnlich wendet man zur Jagd abgerichtete Hunde an, da es ohne deren Hülfe schwer hält, ja fast unmöglich ist, die den Blättern so ähnlichen Echsen wahrzunehmen. Liebmann berichtet, daß man an der Westküste Mittelamerikas den Leguanen auflauert, wenn sie abends von den Bäumen herabkommen, und sie durch Hunde stellen läßt, und Tyler fügt ergänzend hinzu, daß man die Hunde zu ihrer Jagd förmlich abrichtet. Geübte Hunde finden wahrscheinlich durch den Geruch die Leguane leicht auf und geben Standlaut, wenn das Wild auf den Bäumen sich befindet oder stellen es, wenn sie dasselbe am Boden antreffen. Einzelne von ihnen packen einen Leguan auch wohl ohne weiteres am Rücken und beißen ihn todt. Doch gibt es deren wenige, weil die durch Erfahrung gewitzigten und nicht besonders scharfen Hunde ebenso die kräftigen Schwanzschläge wie die Krallen und Zähne des wüthend sich vertheidigenden Leguans fürchten. Vermag letzterer noch zu flüchten, so wendet er sich zunächst einem Baume, in Ermangelung eines solchen aber einer Höhle zu und ist in beiden Fällen in der Regel verloren, da er sich ziemlich leicht von den Aesten abschütteln oder durch Abschneiden des Astes gewinnen läßt und andererseits sich verborgen wähnt, wenn er eine Höhlung findet, in welcher er eben seinen Kopf verbergen kann. Den glücklich überwältigten Gefangenen stößt man, um sie am Beißen zu verhindern, einen zähen Halm durch die Haut der Unterkinnlade und durch ein Nasenloch, bindet ihnen so das Maul zu, zieht ihnen alsdann die Sehnen der langen Mittelzehen heraus, benutzt dieselben, um ihnen beide Fußpaare auf dem Rücken zusammenzuschnüren und bringt am folgenden Morgen die so gequälten Opfer auf den Markt. Da die Lebenszähigkeit der Leguane, welche selbst mit einem starken Schrotschusse im Leibe oft noch entrinnen, den Mejikanern bekannt ist, nehmen diese keinen Anstand, so gefesselte Gefangene monatelang aufzubewahren und gelegentlich zu verkaufen. Das geschieht namentlich vor der Fastenzeit, während welcher Leguane gern gekauft, in Maisteig eingebacken und als Leckerbissen verzehrt, auch als werthvolle Geschenke gesendet werden.

In ihren Eingeweiden findet man zuweilen Bezoare von der Gestalt eines halben Eies, welche früher, hier und da vielleicht auch heutigentages noch, als kräftige Arzneimittel angesehen werden.

Gefangene Leguane benehmen sich anfänglich wild und zeigen sich ungemein tückisch, beißen nach ihrem Herrn und bedrohen jedes sich ihnen nähernde Thier, tödten wohl auch schwächere Hausthiere, welche in ihr Bereich kommen oder ihre Mitgefangenen. Allgemach mildert sich ihre Wuth, und nach Verlauf mehrerer Wochen werden sie so zahm, daß sie sich behandeln lassen. Um sie zum Fressen zu bringen, beobachtete Tyler das stets erfolgreiche Mittel, sie so lange zu reizen, bis sie wüthend zum Beißen sich anschickten, dabei selbstverständlich das Maul öffneten und anstatt des Fingers in die ihnen vorgehaltene Nahrung bissen. Letztere pflegten sie dann anstandslos hinabzuwürgen, und so gewöhnten sie sich nach und nach an Futter. Doch gelang es auch unserem Gewährsmanne nicht, alle längere Zeit am Leben zu erhalten. Einzelne starben nach dem Genusse von Blättern, welche ihnen nicht zusagen mochten, und andere gingen ein, nachdem sie Körner gefressen hatten. In ihrem Vaterlande hält man sie zuweilen frei in den Gärten oder in den Häusern, wo sie sich durch Wegfangen von schädlichen Kerbthieren nützlich machen sollen; in Europa sieht man sie hier und da in Thiergärten oder in Sammlungen von Liebhabern. Diejenigen, welche ich beobachten konnte, haben mich nicht angezogen. Sie waren zwar so zahm, daß sie die ihnen vorgehaltene Nahrung, Salatblätter, Kraut, Blumen, Blüten und dergleichen ihrem Pfleger aus der Hand nahmen, thaten übrigens jedoch nichts, was geeignet gewesen wäre, die Aufmerksamkeit zu erregen, saßen stundenlang langweilig auf einer und derselben Stelle und bekundeten die größte Gleichgültigkeit gegen ihre Umgebung. Ziemlich hohe und gleichmäßige Wärme ist zu ihrem Wohlbefinden unumgängliche Bedingung: schon bei geringer Abnahme der Wärme werden sie traurig, verschmähen fortan Nahrung zu nehmen und gehen bald darauf ein.

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