Ausgestorbene Sperlingsvögel seit 1500 – Mohoidae (Archiv)

(Erstveröffentlichung am 12. März 2012)

Reihe: Wirbeltiere (Vertebrata)
Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Sperlingsvögel (Passeriformes)
Unterordnung: Singvögel (Passeres)
Familie: Mohoidae
Arten: Schmalfederhonigfresser (Chaetoptila angustipluma),Krausschwanzmoho (Moho apicalis), Ohrbüschelmoho (Moho bishopi), Prachtmoho (Moho nobilis), Schuppenkehlmoho (Moho braccatus)

Die Mohoidae sind eine erst 2008 aufgestellte Familie der Singvögel, zu der fünf erst in der Neuzeit ausgestorbene nektarfressende Vogelarten gehören, die endemisch auf Hawaii lebten. Sie wurden vorher zu den Honigfressern gestellt.
In einer phylogenetischen Untersuchung, in der man DNA-Sequenzen von Museumsexemplaren untersucht hat, wurde festgestellt, dass die Mohoidae nicht mit den Honigfressern verwandt sind, sondern mit den Seidenschwänzen, den Seidenschnäppern und dem Palmschwätzer.
Die Mohoidae trennten sich evolutionär mit ihrer Ankunft auf Hawaii vor 14 bis 17 Millionen Jahren von ihren Verwandten. Die Verwandtschaft mit den Seidenschwänzen und den zwei anderen Taxa bedeutet auch, das sie holarktischen oder neotropischen Ursprungs sind und nicht aus dem südlichen Pazifik stammen.
Die Ähnlichkeit mit den Honigfressern hat sich in Anpassung an die Ernährung konvergent entwickelt. Zu diesen Anpassungen zählen ein langer, gebogener Schnabel, eine lange Zunge mit pinselartiger Spitze, um Nektar aufzunehmen und kräftige Beine und Füße, um sich bei der Nahrungsaufnahme festzuhalten.
Mohoidae ist die einzige neuzeitlich komplett ausgestorbene Vogelfamilie.

Schmalfederhonigfresser (John Gerrard Keulemans)

Schmalfederhonigfresser (John Gerrard Keulemans)

Die Länge des Schmalfederhonigfressers betrug 33 Zentimeter. Die Oberseite war zum überwiegenden Teil grünlichbraun, die Unterseite wies eine schmutzige Weißfärbung auf. Die dunkelbraunen Augen waren von einem maskenartigen Augenstreif umgeben. Sein Name kioea bedeutet in der hawaiischen Sprache „langbeinig“.
Seine Verbreitung war vermutlich auf das Gebiet des Kīlauea-Vulkans auf der größten Insel Hawaiis (Big Island) beschränkt. Hier bewohnte er Bergwälder. Angaben, dass er auch auf Moloka’i vorkam, beruhen vermutlich auf einer Verwechslung mit dem Borstenbrachvogel, der ebenfalls als Kioea bezeichnet wird. 1978 entdeckte der Paläontologe Yosihiko H. Sinoto in einer Höhle bei Barbers Point, Oʻahu, die fossilen Überreste eines Vogels, dessen Knochen große Ähnlichkeit mit denen des Schmalfederhonigfressers hatte. Deshalb wird vermutet, dass zumindest eine Unterart auch auf der Insel Oʻahu vorkam.
Über die Lebensweise des Vogels fast nichts bekannt. Wie die anderen ausgestorbenen hawaiischen Honigfresser, die Krausschwänze, lebte er in den Baumkronen und ernährte sich von Nektar, Insekten und Raupen.
1840 erhielten die beiden amerikanischen Naturforscher Charles Pickering und Titian Ramsay Peale das Typusexemplar des Schmalfederhonigfressers. 1859 erbrachte der Vogelsammler James D. Mills den letzten gesicherten Nachweis über diese Art und erlegte bei Hilo eine größere Anzahl von Individuen. Über die Gründe seines Aussterbens ist nur wenig bekannt. Da er aber schon vor der Ankunft der Europäer als sehr selten galt, wird vermutet, dass es überwiegend natürliche Ursachen gewesen sein könnten. Insgesamt gibt es nur vier Museumsexemplare, die sich in Cambridge, im Bishop Museum in Honolulu, Hawaii, im Smithsonian Institution in Washington D. C. und im American Museum of Natural History in New York City befinden.

Krausschwanzmoho (John Gerrard Keulemans)

Krausschwanzmoho (John Gerrard Keulemans)

Die Männchen des Kraussschwanzmohos erreichten eine Länge von 30,5 Zentimeter. Die Flügellänge betrug 10,5 bis 11,4 Zentimeter, der Schnabel war zwischen 3,5 und 3,8 Zentimeter lang und die Länge des Laufes betrug 3,4 bis 3,8 Zentimeter. Die Weibchen waren kleiner. Das Gefieder war überwiegend rußschwarz. Die Schwanzfedern waren braun und besaßen, mit Ausnahme der beiden mittleren, weiße Spitzen. Weitere Charakteristika waren die büscheligen weißen Achselfedern und die beiden schmalen mittleren Schwanzfedern, die in feine haarförmige oder faserige Spitzen übergingen. An den Flanken und den Unterschwanzdecken war er tiefgelb gefärbt. Schnabel und Lauf waren schwarz. Über seine Lebens- und Verhaltensweise ist nichts bekannt.
Sein Lebensraum waren die Bergwälder Oahus.
Als John Gould den Krausschwanzmoho im Jahre 1860 erstmals wissenschaftlich beschrieb, galt er bereits als verschollen. 1837 sammelte der deutsche Naturforscher Ferdinand Deppe drei Exemplare dieser Art in den Hügeln hinter der Hauptstadt Honolulu. Dies war der letzte Nachweis. Nach gescheiterten Expeditionen zwischen den Jahren 1880 und 1890 unter der Leitung des Ornithologen Robert Cyril Leighton Perkins wurde der Krausschwanzmoho für ausgestorben erklärt. Heute befinden sich sieben Exemplare in den Museumssammlungen von Berlin, New York City, London und Cambridge (Massachusetts). Die Gründe für sein Aussterben waren vermutlich Vogelkrankheiten durch eingeschleppte Moskitos, Waldrodungen, eingeschleppte Ratten,

Ohrbüschelmoho (John Gerrard Keulemans)

Ohrbüschelmoho (John Gerrard Keulemans)

Vegetationszerstörung durch Hausrinder und Hausziegen sowie die Jagd.

Der Ohrbüschelmoho erreichte eine Länge von 29 cm. Der Schwanz war etwa 10 cm lang. Das Gefieder war überwiegend schwarz, am Kinn, unter den Flügeln und den Unterschwanzdecken befanden sich gelbe Federbüschel.
Er war endemisch in den Bergwäldern im Osten der hawaiischen Insel Molokaʻi. Subfossile Knochenfunde gibt es auch von der Insel Maui.
Über seine Lebensweise ist nur wenig bekannt. Soviel man weiß, ernährte er sich von Nektar und bevorzugte Blüten der Glockenblumengewächse.
Die Gründe für sein Aussterben waren Lebensraumzerstörung durch Waldrodung, die Nachstellung durch eingeführte Säugetiere sowie Seuchen, die durch Moskitos eingeschleppt wurden. Eine untergeordnete Rolle mag die Bejagung wegen der begehrten gelben Federn gespielt haben, die für die Herstellung der Umhänge für die Adelsstände benutzt wurden. Hierzu wurden tausende von Vögeln gefangen. Viele wurden zwar nach dem Ausrupfen der Federn wieder freigelassen, viele andere landeten allerdings auch in den Kochtöpfen, weil das Fleisch dieser Vögel als Delikatesse galt. 1904 wurde er zuletzt durch den Ornithologen George Campbell Munro nachgewiesen. 1915 ging Munro einzelnen Berichten aus der Gegend des Wailau Trails nach, er konnte jedoch kein Exemplar mehr finden. 1981 soll es eine Sichtung auf Maui gegeben haben, die allerdings nie bestätigt wurde.

Prachtmoho-John-Gerrard-Keulemans

Prachtmoho-John-Gerrard-Keulemans

Der Prachtmoho wurde 1786 von Blasius Merrem erstbeschrieben. Die Männchen erreichten eine Länge von 32 cm, die Weibchen waren etwa 24 cm lang. Die Flügellänge betrug zwischen 11,0 und 11,5 Zentimeter. Der Schwanz war 19 cm lang. Das Gefieder war überwiegend glänzend schwarz mit einer bräunlichen Schattierung am Bauch. Charakteristisch waren die büschligen tiefgelben Achselfedern, die weißen äußeren Schwanzfedern und die stark verlängerten und spiralig gedrehten mittleren Schwanzfedern. Bei den Weibchen waren die mittleren Schwanzfedern insgesamt kürzer und weniger gedreht. Die Iris war dunkelbraun, Schnabel und Füße waren schwarz. Bei den Jungvögeln fehlten die gelben Federbüschel.
Sein Lebensraum waren die oberen Baumregionen der Bergwälder auf der größten Insel von Hawaiʻi.
Der Prachtmoho war ein scheuer, lebhafter Vogel, der in kleinen Trupps die Baumkronen bewohnte. Im Flug war ein schnelles, summendes Geräusch zu hören. Er ernährte sich überwiegend vom Blütenhonig der baumschmarotzenden hawaiischen Lobeliengewächse der Gattung Lobelia und des Metrosideros polymorpha. Sein Lockruf war ein tiefes tuck-tuck. Da Eier und Nester nie beschrieben wurden, ist über sein Brutverhalten fast nichts bekannt.
Der Prachtmoho gehörte zu den Vogelarten, die intensiv wegen ihres Gefieders gejagt wurden. Gerade die gelben Achselfedern wurden ihnen zum Verhängnis, weil sie für die Herstellung der kostbaren Roben der Adelsstände verwendet wurden. 1891 und 1892 war er oberhalb der Kawoola- und Kona-Distrikte noch häufig zu beobachten, 1894 konnte er hier nicht mehr nachgewiesen werden. In anderen Regionen überlebte er länger. Zum letzten mal wurde er 1934 an den Hängen des Mauna Loa gehört.

Schuppenkehlmoho (Walter Rothschild)

Schuppenkehlmoho (Walter Rothschild)

Der Schuppenkehlmoho erreichte eine Länge von 20 Zentimetern. Der Kopf war schwarz mit ein paar weißen Längslinien. Der Schwanz war schwarz, die mittleren Steuerfedern waren verlängert. Die Flügel waren schwarz mit einem weißen Feld an den Rändern. Die hellen Achselfedern waren unscheinbar grau-lohfarbenen. Die restliche Oberseite war schieferbraun. Flanken und Bürzel waren rostrot. Die Brust- und Kehlfedern waren schwarz und zeigten jeweils ein weißes Subterminalband, wodurch der Brust- und Kehlbereich ein schuppenartiges Aussehen hatte. Dies war beim Weibchen intensiver ausgeprägt als beim Männchen. Die übrige Unterseite war schieferbraun. Die Oberschenkel waren gelb befiedert. Die Iris war hellgelb. Schnabel und Füße waren schwarz.
Bei Jungvögeln waren die Unterseite, der Schnabel und die Beine heller gefärbt als bei den adulten Vögeln. Auf den Flügeln fehlte das weiße Feld und die Beine waren unbefiedert. Die Iris war blaugrau.
Der Schuppenkehlmoho war ein lebhafter Vogel, der sich bei der Nahrungssuche pfeilschnell durchs Laubwerk oder Unterholz bewegte, aber nicht so hoch über den Bäumen zu beobachten war wie der Prachtmoho. Seine Nahrung bestand aus Schaben, Spinnen, Hundertfüßern, Grillen, anderen Insekten und Raupen, die er aus der lockeren Rinde pickte. Blütennektar von Eisenhölzer und Lobelien sowie die fleischigen Hüllblätter der Ieie-Rebe ergänzten das Nahrungsspektrum. Der Ruf, der sich wie ein took took anhörte, wurde als der lauteste von allen Waldvögeln auf Kauaʻi beschrieben. Sein Gesang bestand aus flötenartigen Tönen. Im Mai 1971 wurde das erste Nest des Schuppenkehlmohos entdeckt. Es befand sich in einer Baumhöhle und war mit kleinen Zweigen und Gras gepolstert. Der Jungvogel war etwa 10 Tage alt.
Der Schuppenkehlmoho wurde noch 1899 als ziemlich häufig beschrieben, aber bei Expeditionen in den Jahren 1928 und 1936 konnte der Ornithologe George Campbell Munro kein Exemplar nachweisen. 1940 hörte der Ornithologe Walter Raymond Donaghho einen Gesang, der vermutlich der des Schuppenkehlmohos gewesen sein könnte. Er war sich anschließend aber nicht mehr sicher. Erst 1960 wurde eine kleine Population von etwa 34 Individuen im dichten Alaka’i-Sumpfwald am Mount Wai’ale’ale auf Kauaʻi in einer Höhenlage von 1000 m wiederentdeckt. 1975 besuchten die Ornithologen Harold Douglas Pratt und Robert Shallenberger den Alaka’i-Sumpf und waren in der Lage, ein Männchen zu fotografieren und zu filmen. Bei der nächsten Expedition im Jahre 1981 wurde ein Pärchen entdeckt. Nach dem Hurrikan Iwa im Jahre 1982 war das Weibchen verschwunden. Das Männchen wurde 1985 zuletzt beobachtet und 1987 zuletzt gehört. Nach fehlgeschlagenen Suchexpeditionen in den Jahren 1989 und nach dem Hurrikan Iniki im Jahre 1993 wurde die Art im Jahre 2000 in die Liste der ausgestorbenen Vogelarten der IUCN aufgenommen. Als mögliche Ursachen für das Aussterben des Schuppenkehlmohos werden Lebensraumzerstörung, eingeschleppte Hausratten und Schweine, sowie ebenfalls eingeschleppte Moskitos vermutet, die die Vogelmalaria und Vogelpocken auf Hawaii verbreiteten und unter der endemischen Avifauna ein Artensterben verursachten. Mit dem Schuppenkehlmoho wurde innerhalb von 150 Jahren die letzte Art aus der Gattung der Krausschwänze ausgerottet.

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