Samantha Weinberg: Der Quastenflosser (Rezension)

Am 22. Dezember 1938 entdeckte Marjorie Courtenay-Latimer, Leiterin des Städtischen Meeresmuseums im südafrikanischen East London, in einem großen Fischfang einen stahlblauen, 1,50 Meter langen und 52 Kilogramm schweren Fisch. Das Tier war von einem Fischdampfer unter dem Kommando von Hendrik Goosen in den Gewässern des Indischen Ozeans vor der südafrikanischen Küste nahe der Mündung des Chalumna gefangen worden. Da Courtenay-Latimer sich mit Kapitän Goosen angefreundet hatte, wurde sie regelmäßig über die Einfahrt des Schiffes in den Hafen informiert und hatte die Erlaubnis, interessante Einzelstücke aus dem Fang für ihr Museum auszuwählen. Auffallend an dem Fisch waren neben den großen Schuppen die fleischigen Flossen, die wie Gliedmaßen abstanden, und der mächtige Unterkiefer. Das Exemplar war wegen der Druckverringerung (Dekompression) beim Einholen des Netzes bereits tot. Courtenay-Latimer schickte eine Skizze des Fisches an den Chemiker James L. B. Smith, einen bekannten Amateur-Fischkundler an der Rhodes-Universität in Grahamstown, Südafrika. „Ich wäre kaum erstaunter gewesen, wenn ich auf der Straße einem Dinosaurier begegnet wäre“, schrieb er in seiner ersten Reaktion. Quastenflosser kannte man bis dahin nur als Fossilien und nahm an, dass sie vor über 350 Millionen Jahren im Devon entstanden waren und gegen Ende der Kreidezeit ausstarben. Smith untersuchte den Fund genauer und identifizierte ihn als Nachfahren der fossilen Quastenflosser. Smith benannte den Komoren-Quastenflosser nach seiner Entdeckerin und dem Fluss Chalumna, in dessen Nähe er ins Schleppnetz gegangen war, als Latimeria chalumnae.
Erst 14 Jahre später, im Jahr 1952, wurde in der Gegend zwischen den Komoreninseln und Madagaskar, 3000 km von der ersten Fundstelle entfernt, ein zweiter Quastenflosser gefangen. Hier war der Fisch den Einheimischen unter dem Namen Kombessa bekannt und wurde als wenig begehrter Fisch verzehrt. Seine rauen Schuppen verwendete man als Ersatz für Sandpapier. Es konnten dann noch weitere Exemplare gefangen werden, einmal sogar ein lebendes.
Erst 1987 gelang es einer deutschen Forschergruppe des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie unter Leitung von Hans Fricke erstmals, den Quastenflosser in seinem natürlichen Lebensraum vor den Komoren zu beobachten. Dabei entdeckten der Tauchbootpilot Jürgen Schauer und der Münchner Biologiestudent Olaf Reinicke am 17. Januar 1987 vom Tauchboot Geo aus in 198 Metern Tauchtiefe den ersten Quastenflosser in seinem natürlichen Lebensraum. Damals entstanden auch die ersten Fotos und Filmaufnahmen von lebenden Quastenflossern. Die Bilder gingen damals um die Welt. Von 1989 an wurde mit Unterstützung der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt ein langjähriges Projekt zur Erforschung der Quastenflosser durchgeführt. Bei diesem und weiteren Projekten wurde auch erstmals das neu gebaute Tauchboot Jago eingesetzt. Das Boot erreicht eine Tiefe von 400 Metern und so konnte fast der gesamte Lebensraum dieser seltenen Tiere untersucht werden.
Eine erneute Sensation gab es, als das amerikanische Studentenehepaar Erdmann 1997 und 1998 tote Quastenflosser auf dem Fischmarkt von Manado Tua (Sulawesi) in Indonesien entdeckte – rund 10.000 Kilometer von den Komoren entfernt. Inzwischen fand das Fricke Forscherteam mit dem Tauchboot Jago auch dort lebende Quastenflosser, die als Manado-Quastenflosser (Latimeria menadoensis) bezeichnet werden.

Samantha Weinberg beschreibt in ihrem Buch Der Quastenflosser genau das: Die Entdeckungsgeschichte der beiden bisher bekannten rezenten Latimeria-Arten.
Dabei liest sich das Sachbuch spannend wie ein Roman, die beteiligten Personen werden sehr lebendig beschrieben und durch verschiedene Quellenauszüge entsteht ein ausführliches Bild über die Quastenflosser und die Personen, die an ihrer Entdeckung beteiligt waren.
Absolut empfehlenswert für diejenigen, die mehr über diese „lebenden Fossilien“ erfahren möchten.
Spannend und informativ bis zur letzten Seite.

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