Sabrina Imbler: So weit das Licht reicht (Rezension)

NATURBUCH, POETISCHES MEMOIR UND COMING-OF-AGE-GESCHICHTE IN EINEM
Eine besondere Faszination geht von den geheimnisvollsten Kreaturen der Tiefsee aus, die verborgen vor den Augen der Welt ein Dasein fernab vom Sonnenlicht fristen. Weißhaarige Yeti-Krabben, unsterbliche Quallen, wilde Goldfische, hungernde Tiefseekraken und hybride Schmetterlingsfische – in jedem Kapitel verbindet Sabrina Imbler naturkundliche Beobachtungen mit Geschichten aus dem eigenen Leben und reflektiert über das Erwachsenwerden, Anpassung, fluide Sexualität, Migration, Gemeinschaft und Umweltzerstörung. Dabei entsteht ein dichtes Geflecht aus meeresbiologischen Fakten und persönlichen Erfahrungen, das einen unwiderstehlichen Sog entwickelt. «So weit das Licht reicht» ist ein faszinierender Tauchgang von der Oberfläche bis zum Meeresgrund und nicht zuletzt ein Plädoyer für neue Visionen unserer Welt und der erstaunlichen Kreaturen, die sie beherbergt.

Ich gebe zu, dass ich mit diesem Buch ein kleines Problem habe. Anhand des Untertitels „Die Kreaturen der Tiefsee und was sie mir über das Leben erzählen“ bin ich davon ausgegangen, dass es sich um ein Buch über Tiefseekreaturen handelt, die zwar fremdartig sind, aber dem Menschen doch etwas über das leben zeigen können. Wobei ich natürlich dachte, dass ein Großteil des Buchs sich mit diesen Tiefseeorganismen beschäftigt. Irgendwo habe ich dann gesehen, dass das Buch auch unter LGBTQIA+ einzuordnen ist. Das macht dann natürlich sehr neugierig, denn was haben Kreaturen aus der Tiefsee mit der Queer Community zu tun? Ist das ein Versuch Zusammenhänge zu finden? Zumindest das kann ich verneinen: SO WEIT DASS LICHT REICHT ist nicht der Versuch einer queeren Person der Tiefsee einen queeren Stempel aufzudrücken. Allerdings muss ich auch sagen, dass der deutsche Buchtitel etwas irreführend ist. Passender und aussagekräftiger ist der Originaltitel: How Far the Light Reaches: A Life in Ten Sea Creatures. Von Tiefsee keine Rede und der Titel impliziert schon ein etwas persönlicheren Bezug. Und so ist es auch. Auch wenn Sabine Imbler von Goldfischen berichtet, die ewig weiterwachsen (wie viele Tiere, allerdings extrem langsam), von Tintenfischen, die sich nur einmal im Leben fortpflanzen oder vom Sterben der Wale, die „wichtige“ Materialien für den Menschen lieferten.
Es geht aber auch um Sabine Imbler, und dem „Problem“ ihrer Identität (im Buch werden die Bezeichnungen they/them verwendet, da es meines Wissens noch kein anerkanntes Pronomen für nicht binäre Personen gibt). Sie gibt ebenso viele Einblicke in ihr Leben wie das des Wassers (denn Goldfische sind weder Tiefsee- noch Meeresbewohner). Und da liegt für mich das Problem, das ich mit dem Buch habe. Ich hätte mir wirklich ein Buch über Meereskreaturen gewünscht… andererseits ist das Leben des Schreibenden nicht weniger interessant, aber so ganz passt für mich beides nicht zusammen. Und doch ist das Buch wichtig, vor allem für die LGBTQIA+ Gemeinschaft.
SO WEIT DAS LICHT REICHT informiert nicht nur über das Leben im Wasser, sondern verdeutlicht auch die Lebensweise (mit all seinen Problemen), die eine Nonbinäre Person (mit Migrationshintergrund) erlebt. Dabei gibt Sabrina Imbler tiefe Einblicke in ihre eigene Gedankenwelt und alleine das wäre es wert gewesen ein eigenes Buch zu füllen, ganz ohne Goldfische oder Tintenfische. Lesenswert? Irgendwie schon, aber man muss wissen auf was man sich einlässt. Ich wusste es nicht und so war das Buch für mich eine Enttäuschung. Hätte ich es anders „gelesen“ wenn der Titel EIN LEBEN IN ZEHN MEERESORGANISMEN gewesen wäre? Ich würde gerne JA sagen, aber ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Aber trotz meiner eigenen Probleme würde ich sagen, dass es ein Buch für binäre und nicht binäre Personen ist, egal in wie weit sie sich mit dem Leben des Meeres auseinandersetzen wollen.

(Rezensionsexemplar)

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