Rainer Schöller: Eine Kulturgeschichte des Wolfs

Dieses Buch ist keine zoologische oder ethologische Abhandlung über den Wolf und schon gar keine weitere Jagdgeschichte aus feudaler Sicht. Es schildert vielmehr die Schutzmaßnahmen der vom großen Beutegreifer am allermeisten Betroffenen, nämlich die der Bauern und Hirten. Die Anstrengungen dieser ehemals bei weitem größten Bevölkerungsschicht, dem Wolf mehr schlecht als recht Herr zu werden, sind in solchem Umfang bislang nicht wissenschaftlich aufgearbeitet worden. Das Werk dürfte die erste Kulturgeschichte des Wolfs darstellen, zum großen Teil auf besonderen Quellen beruhend, die bis dato noch nicht ausgewertet wurden (zum Beispiel Dorfordnungen). Aufgezeigt werden anhand glaubwürdig überlieferter Texte die spannungsreichen Beziehungen zwischen Tier und Mensch. Mangels effektiver realer Waffen und Methoden, dem Wolf den Garaus zu machen, versuchte man vorrangig mit magisch-religiösen und kirchlichen Konstrukten (Riten, Anrufungen, Gegenständen, Substanzen) der Intervention und Prävention, den Wolf von den Nutztieren und sich selbst fern zu halten. Der Wolf war vor der Erfindung der Schusswaffe als gleichsam ebenbürtiger Gegner schlecht zu beherrschen, so dass auch der Mensch selbst nachweislich, wenn auch selten, Opfer von Wolfsattacken wurde. Wie entstand im Geltungsbereich des christlichen Glaubens die schrille und panische Angst vor dem Wolf, welche sich bis in die heutige Zeit erhalten hat? Was wurde und wird dem Wolf nicht alles nach anthropologischer Sichtweise angedichtet? Diesen Fragen wurde mit Eifer nachgespürt. Die durchgehend negative Wertung des Wolfs wird anhand vieler Beispiele aus der deutschen Sprache und Literatur nachgewiesen. Als sich die theologische Disziplin Dämonologie in der Frühen Neuzeit etablierte, hatte unter anderem der Bann- und Werwolfglaube eine tödliche Konsequenz für Viele.

Der Wolf im Schafspelz (Holzschnitt von Francis Barlow; 1687)

Der Wolf im Schafspelz (Holzschnitt von Francis Barlow; 1687)

Ich weiß, dass ich mich wiederhole. Denselben Text findet man bereits hier, aber da es sich hierbei auch um den Klappentext zum Buch handelt, findet man ihn auch an anderen Stellen im Internet. Der Klappentext gibt aber sehr gut wieder, um was für ein Buch es sich handelt.
In Eine Kulturgeschichte des Wolfs wird eine sehr menschliche Sicht auf den Wolf gegeben. Der Wolf als Mörder, als Schädling, Menschen- und Nutztierfresser, magisches Wesen und Diener des Teufels. Zahlreiche Quellen belegen die Bösartigkeit des Tiers und die Maßnahmen, die gegen ihn ergriffen wurden und zu seiner Dezimierung geführt haben.
Aber nicht alles, was dem Wolf angelastet wird, kann den Tieren angelastet werden. Auch verwilderte Hunde könnten zum schlechten Ruf des Wolfs beigetragen haben. Nicht unbedingt gesetzestreue Menschen rauben Vieh und lasten es dem Wolf an und auch der Brauch des Wolfssegnen wird wohl eher von Scharlatanen ausgeübt, als dass er wirklich hilfreich war.
Wolfssegen gibt es zahlreiche im Buch, ein ganzer Anhang befasst sich damit. Diese Segen sollen Hunde, Menschen und natürlich Nutztiere vor den Übergriffen von Wölfen schützen. Viele dieser Segen waren nur hilfreich, weil es kaum mehr Wölfe in den betroffenen Gegenden gab.
Eine Kulturgeschichte des Wolfs ist eine der umfangreichsten (und bisher die einzige dieser Art) Sammlungen, die mir untergekommen sind. Der Wolf wird aus sehr menschlicher Sicht dargestellt und alle zoologischen Kenntnisse über den Wolf werden größtenteils ignoriert. Es sind die Menschen die zu Wort kommen und man wird in Wort und Bild in vergangene Zeiten zurückversetzt, als der Wolf wirklich eine Bedrohung für die Menschen und ihre Nutztiere darstellten.
Die deutschen Wölfe der Neuzeit finden nur in den Schlussbemerkungen Erwähnung.

Leider liest sich das Buch nicht sehr einfach. Und das liegt nicht ausschließlich an den Quellen aus dem 16. – 18. Jahrhundert. Manche Sätze sind sehr sperrig und lang und man muss sie mehrmals lesen um ihre Bedeutung zu verstehen.
Eine Kulturgeschichte des Wolfs stellt den Wolf dar, wie er früher wahrgenommen wurde. Die Zeiten haben sich geändert, aber wenn man einen Blick in die Tagespresse sieht, findet man Parallelen zu bereits vergangenen Zeiten. So aufgeklärt, wie wir gerne wären sind wir wohl nicht, zumindest wenn es um Wölfe geht.
So ist Eine Kulturgeschichte des Wolfs eine Art Spiegel, die zeigt wie wenig sich die Menschen verändert haben, auch wenn man heute weniger mit Gruben und Zauber gegen die Wölfe vorgeht.

Vermutlich wird es das Buch aber schwer haben, sich außerhalb einer kleinen verschworenen Gemeinde zu behaupten, denn zusätzlich zur schwer verständlichen Schreibweise kommt der stattliche Preis von 48 Euro hinzu.
Aber ich gehe davon aus, dass sich Leser finden werden.

(Rezensionsexemplar)

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