Portrait: Zwergameisenbär

Überordnung: Nebengelenktiere (Xenarthra)
Ordnung: Zahnarme (Pilosa)
Unterordnung: Ameisenbären (Vermilingua)
Familie: Cyclopedidae
Gattung: Zwergameisenbären (Cyclopes)
Art: (Gemeiner) Zwergameisenbär (Cyclopes didactylus)
Zwergameisenbär (Hessisches Landesmuseum Darmstadt)

Zwergameisenbär (Hessisches Landesmuseum Darmstadt)

Der Zwergameisenbär besitzt eine Kopf-Rumpf-Länge von 18 bis 21 cm und eine Schwanzlänge von 18 bis 24 cm. Dabei erreicht der Schwanz immer mindestens die Länge des übrigen Körpers, meist ist er aber deutlich länger. Die Schulterhöhe liegt im Durchschnitt bei 9,3 cm. Das Gewicht beträgt 175 bis 400 g. Das seidige Fell weist eine gelblich-braune bis graue Färbung auf und ist bei einigen Unterarten an den Beinen oft heller. Vereinzelt finden sich auf der Bauch- und Rückenseite kleinere, dunkle Streifen. Teilweise tritt ein schokoladenfarbener Aalstrich auf, der vor allem bei Tieren im Amazonasbecken deutlicher ausgeprägt ist als bei mittelamerikanischen Vertretern. Der Kopf wird rund 5 cm lang, die Ohren sind sehr klein und erreichen nur rund 0,7 bis 1,3 cm Länge. Im Gegensatz zu den anderen Ameisenbärenarten ist die Schnauze markant kürzer und deutlich dicker. Weiterhin weist der Kopf eine charakteristische gebogene Stirnlinie auf. Wie alle Ameisenbären hat auch der Zwergameisenbär keine Zähne. Bei den Händen ist die zweite und dritte Zehe am längsten, die erste und vierte sind verkümmert und die fünfte fehlt ganz, daher auch das Artepithet didactylus – der Zweizehige. Die beiden langen Zehen der Hände sind mit starken Krallen versehen, bei den Füßen, die vier Zehen aufweisen, sind die Krallen verkürzt. Der Hinterfuß ist etwa 3,5 cm lang.
Der Schädel wird 4,7 bis 5,3 cm lang und am Gehirnschädel bis zu 2,3 cm breit. Die Schädelbasis besitzt eine deutlich nach oben verlaufende Wölbung, was bei anderen Ameisenbären so nicht auftritt. Charakteristisch sind die stark zurückentwickelten Jochbeine. Ein herausragendes Merkmal ist das vergleichsweise sehr kurze Rostrum, das nur rund 25 % der Gesamtschädellänge erreicht. Weiterhin ist es vorn deutlich zugespitzter. Der Unterkiefer besitzt eine Länge von 3 bis 3,3 cm.

Zwergameisenbär ( Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig)

Zwergameisenbär ( Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig)

Der Zwergameisenbär lebt in Mittel- und Südamerika. In Mittelamerika kommt er vom südlichen Mexiko (in den Bundesstaaten Oaxaca und Veracruz) bis nach Panama vor, allerdings ist die Art nicht aus El Salvador berichtet worden. Das gesamte nördliche Verbreitungsgebiet weitet sich aber noch bis nach Kolumbien westlich der Anden und in einem schmalen Streifen in die Küstentiefländer Ecuadors aus. Ein weitaus größeres Verbreitungsgebiet findet sich im nördlichen Südamerika östlich der Anden und ist von dem nördlicheren durch den Hochgebirgszug getrennt. Dieses Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Venezuela bis Suriname über den Nord- und Zentralteil Brasiliens, den Osten Kolumbiens und den Westen Ecuadors und Perus bis hin zum Norden Boliviens. Vor der Nordküste hat sich eine Population auf der Insel Trinidad angesiedelt. Ein drittes, durch eine 1000 km breite Lücke deutlich abgetrenntes Verbreitungsgebiet befindet sich in den nördlichen Atlantischen Wäldern (Mata Atlântica) der brasilianischen Ostküste von den Bundesstaaten Rio Grande do Norte bis Alagoas, wobei jüngeren Studien zufolge eine deutlich größere Ausdehnung ermittelt werden konnte. Die beiden Hauptverbreitungsgebiete erstrecken sich dabei über eine Fläche von 7,6 Millionen Quadratkilometer, die kleinere dagegen auf rund 25.000 km², die Größe des tatsächlich bewohnten Fläche ist aber unbekannt. Als bevorzugter Lebensraum dienen teils laubabwerfende Wälder, tropische Tieflandregenwälder, Galeriewälder oder Mangrovenwälder. Die Ameisenbärenart kommt dabei von Meeresspiegelhöhe bis etwa 1500 m vor. In einigen Regionen lebt sie zudem sympatrisch mit den Tamanduas.

Die Lebensweise des Zwergameisenbären ist nur wenig erforscht. Er ist ein reiner Baumbewohner, wo er sich als ausgezeichneter Kletterer vorwiegend im Geäst der Bäume aufhält. Zum Klettern dienen vor allem die beweglichen Vorder- und Hinterfüße, aber auch der Greifschwanz, die Bewegungen sind dabei behäbig und langsam. Der Zwergameisenbär ist nachtaktiv, tagsüber legt er sich zum Schlafen auf einer Astgabel im Geäst zusammen, indem er sich mit den Füßen festkrallt und den Schwanz um den Ast rollt; in dieser Position schläft er durchschnittlich 12 Stunden am Tag. Die Tiere unterhalten Territorien, die bei den Männchen etwa 5 bis 11 ha umfassen, bei den Weibchen durchschnittlich 2,8 ha. Dabei überschneiden sich die Territorien der männlichen Tiere nicht, aber mit jenen der Weibchen. Während ihrer nächtlichen Nahrungssuche legen sie bis zu 300 m zurück, im Durchschnitt sind es meist aber um die 74 m. Bei der Fortbewegung auf ebenem Grund werden die langen Krallen der Vorderfüße nach unten geklappt, so dass das Tier auf den Zehenspitzen läuft. Bei heraufziehender Gefahr, die meist durch ein Wackeln der Äste angedeutet wird, klammert sich der Zwergameisenbär mit Hinterbeinen und Schwanz am Geäst fest und hebt die Vorderbeine hoch, so dass die nackten Unterflächen sichtbar sind und die langen Krallen neben der Schnauze zum Liegen kommen. Einem direkten Angriff wird dann mit kräftigen Schlägen und Hieben mit den Krallen begegnet.

Zwergameisenbär (Naturhistorisches Museum Wien)

Zwergameisenbär (Naturhistorisches Museum Wien)

Die Nahrung des Zwergameisenbären besteht ausschließlich aus Insekten, vorzugsweise Ameisen und Termiten. Hauptsächlich werden dabei Vertreter der Gattungen Camponotus, Crematogaster, Dolichoderus oder Pheidole verspeist, wobei Larven etwa 10 % ausmachen. In einigen Regionen, so in Panama, ist dabei Dolichoderus besonders häufig vertreten und kann einen Anteil von bis zu 26 % der Nahrungsmenge erreichen. Im Amazonasbecken wiederum ist unter anderem Crematogaster eine häufige Nahrungsquelle und machte bei vier untersuchten Kotresten bis zu 72,4 % der Gesamtmenge aus. Die meisten Ameisenvertreter aus dem Nahrungsspektrum des Zwergameisenbären leben an den Bäumen oder Büschen und bauen ihre Nester in Baumhöhlen. Gelegentlich nimmt ein Tier auch Käfer und andere Insekten zu sich. Insgesamt werden pro Tag 700 bis 5000 Insekten vertilgt, durchschnittlich 2200. Ein jahreszeitlicher Wechsel in der Ernährungsweise ist nicht bekannt. Mit ihren kräftigen Krallen reißt der Zwergameisenbär bei der Nahrungssuche die Baue auf und leckt mit seiner langen, klebrigen Zunge die Beute auf.

Ein Weibchen bringt pro Wurf ein Junges zur Welt, möglicherweise kommt es über das Jahr zu zwei Würfen. Das Jungtier, welches nach der Geburt schon ein Fellkleid besitzt, wird in einem Blätternest oder in einer Baumhöhle verborgen und beide Elternteile beteiligen sich an der Aufzucht. Zunächst nimmt ein Jungtier Muttermilch zu sich, mit dem Erreichen von etwa einem Drittel des Gewichtes der erwachsenen Tiere erfolgt die Aufnahme fester Nahrung. Die Entwöhnung erfolgt, wenn das Junge ungefähr halb so viel wiegt wie eines der Elterntiere. Manchmal trägt das Männchen das Jungtier auf dem Rücken. Fressende Muttertiere verlassen ihr Junges bis zu einer Dauer von acht Stunden.

Ursprünglich war innerhalb der Gattung Cyclopes mit Cyclopes didactylus nur eine einzige Art bekannt (der Zwergameisenbär), benannt nach den Händen mit den zwei Krallen tragenden Fingern. Innerhalb dieser Art wurden sieben Unterarten ausgewiesen, deren Unterscheidung auf morphologischen Merkmalen beruhte:
C. d. catellus Thomas, 1928
C. d. didactylus (Linnaeus, 1758)
C. d. dorsalis (Gray, 1865)
C. d. eva Thomas, 1902
C. d. ida Thomas, 1900
C. d. melini Lönnberg, 1928
C. d. mexicanus Hollister, 1914
Dieser klassischen Untergliederung nach äußerlichen Merkmalen standen aber genetische Analysen des Zwergameisenbären aus dem Jahr 2017 gegenüber, die Individuen aus seinem gesamten südamerikanischen Verbreitungsgebiet berücksichtigten. In der Region wurden insgesamt fünf Unterarten unterschieden, die dortige Population setzt sich den Untersuchungen zufolge aber aus sieben Haplotypgruppen zusammen, die jeweils monophyletische Linien bilden. Die beiden stammesgeschichtlich ältesten Haplotypgruppen fanden sich dabei im Süden und Südwesten des heutigen Verbreitungsgebietes. Sie trennten sich bereits im Mittleren Miozän vor 13,5 Millionen Jahren von den weiteren Linien ab, wobei möglicherweise klimatische Veränderungen in Folge einer stärkeren Anhebung der zentralen und nördlichen Anden eine entscheidende Rolle spielten. Die weitere Diversifizierung des Zwergameisenbären fand dann im Verlauf des Pliozäns statt. Die Ergebnisse der genetischen Untersuchungen führten zur Überlegung einer Revision der klassischen Einteilung in die bekannten Unterarten.
Eine erneute genetische Untersuchung, kombiniert mit morphologischen Studien ebenfalls aus dem Jahr 2017, schloss insgesamt über 280 Individuen aus dem gesamten mittel- und südamerikanischen Verbreitungsgebiet ein. Die Analysen konnten aus genetischer Sicht das vorherige Ergebnis bestätigen. Demnach lassen sich genetisch sechs verschiedene Populationen unterscheiden, die nur bedingt mit den Unterarten übereinstimmen. Morphologische und anatomische Abweichungen fanden sich unter anderem in der variablen Ausbildung des Rücken- und Bauchstreifens, in der Struktur der Haare sowie in einzelnen Schädelmerkmalen. Für eine weitere siebente Population aus dem südwestlichen Verbreitungsgebiet (Bolivien) konnte keine DNA gewonnen werden, sie zeigt aber ebenfalls markante äußerliche Auffälligkeiten. Diese sieben Gruppen wurden von den Bearbeitern in den Artstatus gehoben, sie setzen sich aus vier ehemaligen Unterarten sowie drei neu beschriebenen Arten zusammen. Somit besteht die Gattung der Zwergameisenbären nun aus folgenden Arten:
Bolivien-Zwergameisenbär (Cyclopes catellus Thomas, 1928); Bolivien
Gemeiner Zwergameisenbär (Cyclopes didactylus (Linnaeus, 1758)); östliches Brasilien, Venezuela bis Suriname
Mittelamerika-Zwergameisenbär (Cyclopes dorsalis (J. E. Gray, 1865)); Mittelamerika bis Kolumbien und nördliches Ecuador
Rio-Negro-Zwergameisenbär (Cyclopes ida Thomas, 1900); westliches Brasilien, östliches Ecuador, östliches Peru, südliches Kolumbien
Rötlicher Zwergameisenbär (Cyclopes rufus Miranda, Casali, Perini, Machado & Santos, 2017); südwestliches Brasilien
Thomas-Zwergameisenbär (Cyclopes thomasi Miranda, Casali, Perini, Machado & Santos, 2017); südwestliches Brasilien, zentrales Peru
Xingu-Zwergameisenbär (Cyclopes xinguensis Miranda, Casali, Perini, Machado & Santos, 2017); zentrales und östliches Brasilien
Der erste Vertreter der Zwergameisenbären wurde im Jahr 1758 von Linnaeus als Myrmecophaga didactyla eingeführt. Er trennte diesen vom Großen Ameisenbär (Myrmecophaga tridactyla) und vom Südlichen Tamandua (Tamandua tetradactyla) anhand der Anzahl der krallenbewehrten Vorderfußzehen ab. Als Typoslokalität gab Linnaeus „America australi“ an. Der Gattungsname Cyclopes wurde von John Edward Gray im Jahr 1821 eingeführt, der diesen aber nur indirekt mit der Art didactylus in Verbindung brachte („Anteater; Cyclopes, G. Myrmecophaga didactyla. Lin.“).[18] Die erste, heute korrekte Namensverwendung als Cyclopes didactylus erfolgte durch Oldfield Thomas im Jahr 1900. Dabei setzt sich der Gattungsname Cyclopes aus den griechischen Wörtern κυκλῶ (cyclo, „Kreis“) und πούς (poús, „Fuß“) zusammen und bezieht sich auf die Fähigkeit der Tiere, ihre Füße rund um einen Ast schließen zu können. Von Gray stammt ebenfalls die Bezeichnung Cyclothurus, die er 1825 als Nomen nudum etablierte. Erst René Primevère Lesson brachte sie 1842 als Cyclothurus didactyla mit dem Zwergameisenbären in Verbindung.[21] Cyclothurus wurde vor allem im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts als wissenschaftliche Bezeichnung für den Zwergameisenbären verwendet. Von ihr leitet sich auch der von Theodore Gill 1872 geprägte Name der Unterfamilie Cyclothurinae ab,[22] die später auf die Ebene der Familie gehoben wurde. Der heute gültige Familienname Cyclopedidae geht auf Reginald Innes Pocock aus dem Jahr 1924 zurück

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