Portrait: Walross

Ordnung: Raubtiere (Carnivora)
Überfamilie: Hundeartige (Canoidea)
Familie: Walrosse (Odobenidae)
Gattung: Odobenus
Art: Walross (Odobenus rosmarus)
Walross (Tierpark Hagenbeck)

Walross (Tierpark Hagenbeck)

Walrossbullen werden etwa dreieinhalb Meter lang, die Kühe hingegen drei Meter; das Gewicht eines Männchens kann 1200 Kilogramm übertreffen, Weibchen wiegen je nach Unterart zwischen 600 und 800 Kilogramm. Walrosse können bis zu 40 Jahre alt werden.
Der plumpe Körper der Walrosse wirkt aus der Entfernung kahl, ist aber in Wahrheit von einem etwa einen Zentimeter kurzen, stoppeligen Haarkleid bedeckt, das mit zunehmendem Alter dünner wird. Die Haut ist mit etwa vier Zentimetern extrem dick und faltig; darunter befindet sich eine fünf bis acht Zentimeter dicke Fettschicht. Sie schützt die Tiere vor Kälte und Verletzungen durch scharfe Eiskanten oder spitze Steine. Bei erwachsenen Männchen ist sie an Nacken und Schultern nochmals verstärkt und dient hier wohl zusätzlich dem Schutz vor Verletzungen bei Rangkämpfen unter den Männchen. Bei der Geburt haben Walrosse eine kräftig rotbraune Farbe, im Alter werden sie immer blasser und sind schließlich gelblich-braun. An der Farbe eines Walrosses kann man daher sein Alter abschätzen. Brust- und Bauchregion sind in der Regel dunkler als die Rückengegend; die Flossen sind bei den Neugeborenen dunkelgrau, nehmen aber mit der Zeit eine bleichere Farbe an.

Das auffälligste Merkmal des Walrosses sind die zu langen Stoßzähnen ausgebildeten oberen Eckzähne, die auch als Hauer bezeichnet werden. Sie sind bei beiden Geschlechtern vorhanden, bei den Männchen aber in der Regel länger, stämmiger, von eckigerem Querschnitt und auch geradliniger, während die Stoßzähne der Weibchen meist im Querschnitt rund sind und eine stärkere Krümmung aufweisen. Im Schnitt werden sie 50 Zentimeter lang; ausnahmsweise werden Rekordlängen von 1 Meter beobachtet. Bei jungen Walrossen sind die Eckzähne noch nicht entwickelt, sie brechen erst im Alter von sechs bis acht Monaten durch und sind wegen der voluminösen, in Falten geworfenen Lippe meist erst nach anderthalb Jahren sichtbar. Der zunächst noch vorhandene Zahnschmelz nutzt sich bei den erwachsenen Tieren mit der Zeit ab und geht früher oder später ganz verloren. Bei älteren Tieren sind die Hauer oft vom langen Gebrauch stark abgestumpft und gelegentlich sogar gebrochen.
Die wichtigste Funktion der Stoßzähne neben zahlreichen anderen Funktionen, etwa zur Verteidigung gegen Fressfeinde, als Kopfstütze, zum Aufbrechen von Atemlöchern im Eis oder als Hilfsmittel beim Verlassen des Wassers, besteht darin, Geschlecht, Alter und sozialen Status ihrer Träger zu demonstrieren. Durch einfaches Vorzeigen ihrer imposanten Hauer sind dominante Tiere beiderlei Geschlechts zum Beispiel regelmäßig in der Lage, untergeordnete Individuen von günstigen Ruheplätzen zu verdrängen. Dadurch kommt es nur dann zum Kampf, wenn zwei Träger annähernd gleich langer Hauer aufeinandertreffen.

Während Jungtiere zunächst noch eine vollständige Bezahnung haben, fallen ihre unteren Schneidezähne aus, sobald die beiden Stoßzähne durchbrechen; die hinter den 3 bis 4 Vormahlzähnen gelegenen Backenzähne sind ohnehin verkümmert. Die Gesamtzahl der Zähne variiert zwischen 18 und 24 und kann durch die Zahnformel 1-2/0 1/1 3-4/3-4 0/0 ausgedrückt werden.

Das bezeichnendste Merkmal des grob quaderförmigen Schädels ist der große Warzenvorsprung (Processus mastoideus) jedes Schläfenbeins (Os temporale), an dem die kräftige Nackenmuskulatur ansetzt. Im Gegensatz zu den Ohrenrobben besitzen Walrosse an ihrem Stirnbein (Os frontale) keine Vorsprünge an den Augenhöhlen (Orbita) und weisen auch keinen Scheitelkamm auf. Das Rostrum, die Schnauze, ist stumpf; die Haut der Oberseite stark verhornt.
Charakteristisch ist der aus bis zu 450 Tasthaaren bestehende Borstenbart, der reusenartig von der Oberlippe herabhängt und zur Erkennung und Unterscheidung verschiedener Beutearten dient. Jedoch wird er in freier Wildbahn weitgehend abgenutzt und ist nur bei im Zoo gehaltenen Tieren so prominent.
Die Augen der Walrosse sind im Vergleich zur Schädelgröße sehr klein; äußerlich sichtbare Ohren besitzen sie, anders als die Ohrenrobben, nicht. Die Mittelohrknochen sind vergleichsweise dünn.
Wie die wahrscheinlich verwandten Ohrenrobben haben Walrosse sehr bewegliche Flossen, mit denen sie nahezu jeden Punkt ihres Körpers erreichen können. Sie ermöglichen an Land eine größere Behändigkeit als beispielsweise die Gliedmaßen der Seehunde, auch wenn Walrosse nicht so geschickt sind wie Ohrenrobben. Die Flossen sind meist dreieckig geformt, wobei die obere Flossenseite leicht behaart ist, während die Unterseite keine Behaarung aufweist. Die je fünf Zehen laufen in knorpeligen Spitzen aus, auf denen sich etwas von den Zehenenden entfernt die eigentlichen Nägel befinden.

Männchen besitzen zwei Luftsäcke im Rachen, die sie aufblasen können, um damit verschiedene Laute hervorzubringen. Diese besitzen wahrscheinlich eine zweite Funktion als Luftkissen, mit dem im Wasser das spezifische Gewicht herabgesetzt wird, so dass die Tiere ohne größeren Aufwand an der Oberfläche schwimmen können.
Über die gesamte Körperoberfläche sind arteriovenöse Anastomosen verteilt, Querverbindungen zwischen Arterien und Venen, die einen schnellen Wärmeaustausch ermöglichen. Walrosse ähneln darin den Hundsrobben.
Der Penisknochen des Bullen ist mit einer Länge von über 60 Zentimetern der längste im Tierreich, sowohl in absoluter Länge als auch in Relation zur Körpergröße; die Hoden liegen im Körperinneren. Die Weibchen besitzen zweimal vier Milchdrüsen.

Walross (Naturkundemuseum Wien)

Walross (Naturkundemuseum Wien)

Meistens leben Walrosse auf dem Treibeis der Arktis. Im Winter ziehen sie südwärts, um dem Packeis auszuweichen, verlassen aber die polaren Breiten in der Regel nicht. Es gibt vier voneinander getrennte Populationen:
Das Pazifische Walross hält sich im Winter im Beringmeer auf; im Sommer durchqueren die Populationen die Beringstraße in Richtung Norden und suchen den Packeisrand in der Tschuktschensee auf.
Die westlichen Populationen des Atlantischen Walrosses leben zwischen der Hudson Bay und der Westküste Grönlands.
Die östlichen Populationen des Atlantischen Walrosses leben an der Ostküste Grönlands sowie im Bereich zwischen Spitzbergen und der Nordwestküste Sibiriens. Seltener finden sich die Tiere weiter südwärts; aus historischer Zeit sind allerdings mehr als 20 Aufzeichnungen von Walross-Fängen vor den Küsten der britischen Inseln bekannt; auch vor den Niederlanden sowie an der französischen und spanischen Küste wurden schon Walrosse gesichtet.
An der Nordküste Sibiriens lebt eine weitere Population, die gelegentlich als eine dritte Unterart (Laptewsee-Walross, O. r. laptevi) eingestuft wird.
Die atlantischen Walrosse zeichnen sich durch kürzere Stoßzähne und einen etwas anders proportionierten Kopf mit breiterem Hinterhaupt und schmalerem Gesichtsschädel aus.
Fast immer bleiben die Tiere in flachen Küstengewässern, nahe an den Kontinentalabhängen oder an Packeisflächen. Obwohl sie sich meist nicht tiefer als etwa 80 Meter begeben, sind in Einzelfällen Tauchtiefen von bis zu 180 Metern nachgewiesen.

Walrosse ernähren sich unter Wasser und können bis zu 30 Minuten lang tauchen. Sie fangen gelegentlich Fische, leben aber vorwiegend von Muscheln, besonders der Gattungen Mya, Cardium und Clinocardium, von Schnecken, Krebstieren wie Garnelen oder Krabben, Tintenfischen, Seegurken, Manteltieren und Würmern wie Vielborstern (Polychaeta) oder Priapswürmern (Priapulida). Bei der Suche nach im Meeresboden lebenden Organismen müssen sie diesen aufwühlen. Dazu setzen sie hauptsächlich ihre rechte Flosse ein (66 %), die linke weitaus seltener (4 %). Sie machen auch von ihrer Schnauze (29 %) und in manchen Fällen von einem selbsterzeugten Wasserstrahl, den sie auf den Meeresboden richten, Gebrauch (1 %). Die Stoßzähne kommen bei der Nahrungssuche nicht zum Einsatz.
Muscheln und Schnecken werden entweder zwischen den Vorderflossen oder durch festes Aufeinanderdrücken der Lippen geknackt. Aus Mageninhalten lässt sich schließen, dass ein Walross mehr als 50 Kilogramm Nahrung zu sich nehmen kann.
Obwohl Kleintiere die Hauptnahrung ausmachen, überwältigt das Walross manchmal auch sehr große Beute. Vor allem andere Robben fallen gelegentlich einem Walross zum Opfer, aber auch Angriffe auf Seevögel wurden schon in seltenen Fällen beobachtet, dazu kommt frisches Aas. Jagd auf Robben machen fast ausschließlich männliche Tiere, die einzelgängerisch leben. In manchen Fällen kam es auch zu Kannibalismus, wobei ein altes Tier neugeborene Walrosse fraß.

Im Wasser nutzen Walrosse ihre muskulösen Hinterflossen zum Vortrieb, während die Vorderflossen als Ruder eingesetzt werden. An Land bewegen sie sich oft mit allen vier Gliedmaßen voran. Das Gewicht ruht dabei auf den „Handflächen“ der Vorderflossen und den „Hacken“ der Hinterflossen. Sowohl „Finger“ als auch Zehen sind nach außen gerichtet; erstere zeigen nach hinten, letztere nach vorne. Manchmal werden aber auch nur die Vorderflossen eingesetzt, während die Hinterflossen wie bei den Hundsrobben nachgezogen werden.

Feinde hat das Walross kaum zu fürchten. Der Eisbär versucht gelegentlich eine Herde in Flucht zu versetzen, um zurückbleibende Einzel- oder Jungtiere zu erbeuten, wird sich aber hüten, ein ausgewachsenes Tier anzugreifen, das sich mit Hilfe seiner Stoßzähne gut verteidigen kann. Gelegentlich werden Angriffe von Schwertwalen auf Walrosse gemeldet.
Die Haut der Walrosse ist ein vielfältiger Lebensraum für zahlreiche Arten blutsaugender Läuse (Anoplura); Kratz- (Acanthocephala) und Fadenwürmer (Nematoda) sind die am häufigsten auftretenden inneren Parasiten.
Gebrochene Stoßzähne und bakterielle Infektionen der Flossen oder Augen führen schnell zu Gewichtsverlust und Tod; häufig nachgewiesen ist besonders die Gattung Brucella. Die Auswirkungen viraler Infektionen durch Caliciviren und Morbilliviren sind noch weitgehend unerforscht.

Die Hälfte ihres Lebens halten sich Walrosse an Küsten arktischer Inseln oder am Packeisrand auf, wo sie sich in großen Herden versammeln. Außerhalb der Paarungszeit sind diese Herden meist nach Geschlechtern getrennt; Ausnahmen von dieser Regel existieren in einigen nordkanadischen Populationen, in denen Männchen und Weibchen das ganze Jahr über zusammenbleiben.

Zur Kommunikation innerhalb der Gruppen steht Walrossen ein großes Repertoire zur Verfügung, das Grunz-, Brüll- und Kreischlaute umfasst. Oft liegen die Tiere dicht bei- oder sogar aufeinander und reiben ihre Körper aneinander oder kratzen sich, ein Verhalten, das vermutlich dazu dient, Parasiten zu entfernen. Es gibt eine feste Rangordnung, die sich nach der Größe der Stoßzähne und der Körpergröße richtet. Vor allem zwischen den Bullen kommt es auch außerhalb der Paarungszeit zu Auseinandersetzungen, deren Grund ein bevorzugter Ruheplatz an Land sein kann. Haben Drohgebärden keinen Erfolg, kommt es zu Kämpfen, bei denen die Stoßzähne eingesetzt werden und die mit blutigen Wunden enden können.

Die Sozialstruktur der Herden zur Paarungszeit und das Fortpflanzungssystem selbst unterscheidet sich etwas zwischen den Unterarten. Walrosse der pazifischen Unterart sammeln sich zu mittelgroßen Gruppen, die aus zahlreichen Weibchen mitsamt ihrem Nachwuchs und einigen begleitenden Bullen bestehen. Diese können sich, wo die Bejagung durch den Menschen noch keine gravierenden Folgen hatte, zeitweilig oder beständig zu noch größeren Herden vereinigen, die dann mehrere tausend Tiere umfassen. Küstenlinien von 100 Kilometern und mehr werden dann von den Kolonien eingenommen. Die Männchen verbringen den größten Teil der Zeit im Wasser und stehen in starker Konkurrenz zueinander. Anders als bei der atlantischen Unterart sind sie jedoch nicht in der Lage, individuelle Weibchen zu verteidigen oder einen Harem zu führen. Als Folge haben sich aufwendige Rituale der Partnerwerbung herausgebildet: Die Männchen erzeugen unter Wasser Folgen von Klicks und glockenähnlichen Lauten, die sie durch Aufblasen ihrer Luftsäcke hervorrufen, an der Oberfläche dagegen diverse Pfeiftöne; insbesondere die Glockenlaute werden nur während der Paarungszeit dargeboten. Man geht heute davon aus, dass diese reiche Lautpalette und ihre unaufhörliche Darbietung in der Funktion dem Vogelgesang entspricht, also die Aufmerksamkeit von Konkurrenten und möglichen Partnerinnen erringen soll. Eine wichtige Grundlage dieses Systems ist die von den Weibchen ausgehende Partnerwahl. Bullen, die noch nicht die Geschlechtsreife erreicht haben, sammeln sich meist außerhalb der Paarungsgebiete in separaten eingeschlechtlichen Gruppen.

Die stabileren Verhältnisse im Atlantik und die im Allgemeinen kleineren Gruppen haben vermutlich dazu geführt, dass die dortige Unterart stattdessen ein Haremssystem hat. Auch wenn sich ähnliche Lautäußerungen registrieren lassen, spielen sie vermutlich bei der Partnerwahl nur eine untergeordnete Rolle: Anders als bei den pazifischen Walrossen sind die Männchen hier durch die Herausbildung stabiler Hierarchien in der Lage, größere Gruppen von Weibchen zu monopolisieren. So kommt in manchen Kolonien auf zwanzig Kühe ein kräftiger Bulle, während jüngere und schwächere Männchen im Konkurrenzkampf keine Chance haben und an Randplätze der Kolonie gedrängt werden. Zwischen etwa gleich starken Bullen kann es dagegen zu heftigen Kämpfen kommen.

Walross (Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig)

Walross (Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig)

Die Paarung findet zwischen Januar und Februar wahrscheinlich im Wasser statt. Nach der Befruchtung bleibt das Ei zuerst über vier bis fünf Monate dormant (entwickelt sich nicht weiter), bevor die elfmonatige eigentliche Tragzeit beginnt. Die Geburt findet in der Regel also im Mai des darauf folgenden Jahres statt, so dass sich ein zweijähriger Fortpflanzungsrhythmus ergibt, der sich bei älteren Kühen zunehmend verlängern kann. Jede trächtige Kuh bringt nur ein Kalb zur Welt; Zwillingsgeburten sind extrem selten. Die geringe Geburten- und Nachkommenzahl führt dazu, dass Walrosse eine selbst für Säugetiere extrem niedrige Fortpflanzungsrate haben und daher Populationsrückgänge nur über lange Zeiträume hinweg wieder ausgleichen können.
Die Kälber sind bei der Geburt knapp einen Meter lang, wiegen etwa 50 Kilogramm und können sofort schwimmen. Die ersten sechs Monate werden sie nur durch die Muttermilch ernährt, danach wird die Nahrung zunehmend durch andere Bestandteile ergänzt. Nach zwei Jahren werden die Jungtiere entwöhnt, bleiben aber noch ein bis drei weitere Jahre bei dem Muttertier. Weibchen werden mit vier bis zehn, durchschnittlich aber etwa sechs Jahren geschlechtsreif, Männchen erreichen die physiologische Geschlechtsreife mit neun bis zehn Jahren. Sie sind aber erst mit etwa fünfzehn Jahren in der Lage, sich im Konkurrenzkampf gegen Artgenossen durchzusetzen und tatsächlich Zugang zu Weibchen zu erhalten, ein Zustand, den man als soziale Geschlechtsreife bezeichnet.

Die Veröffentlichung des Walrossbildes geschieht mit freundlicher Genehmigung des Tierpark Hagenbeck.
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