Portrait: Europäischer Aal

Teilklasse: Echte Knochenfische (Teleostei)
Kohorte: Elopomorpha
Ordnung: Aalartige (Anguilliformes)
Familie: Anguillidae
Gattung: Aale (Anguilla)
Art: Europäischer Aal (Anguilla anguilla)
Aal (Brehms Tierleben)

Aal (Brehms Tierleben)

Der Europäische Aal ist in ganz Europa, Kleinasien und Nordafrika beheimatet. Er hat einen schlangenförmigen, langgestreckten, drehrunden Körper. Die Rücken-, Schwanz- und Afterflosse bilden einen durchgängigen Flossensaum. In der dicken Haut sind sehr kleine Rundschuppen eingebettet. Der europäische Aal hat ein oberständiges Maul, das heißt, der Unterkiefer ist etwas länger als der Oberkiefer. Die Färbung der Oberseite kann zwischen schwarz und dunkelgrün, die der Unterseite zwischen gelb (junger, sog. Gelbaal) und weiß (erwachsener, sog. Blankaal) variieren.
Erwachsene Weibchen können bis zu 150 cm lang und 6 kg schwer werden, Männchen erreichen nur 60 cm Länge. Solche Größen werden aber extrem selten erreicht, und schon ein Weibchen von einem Meter Länge ist ausgesprochen groß. Vom Amerikanischen Aal ist der Europäische Aal äußerlich kaum zu unterscheiden.

Lebenslauf des Aals (Salvor Gissurardottir, 2006)

Lebenslauf des Aals (Salvor Gissurardottir, 2006)

Aale schlüpfen im Atlantik, in der Sargassosee (in der Nähe der Bahamas). Wegen ihrer Form heißen die Aallarven Weidenblattlarven (Leptocephalus-Larve). Etwa drei Jahre brauchen diese Larven, um von der Sargassosee an die europäischen Küsten zu gelangen. Während man früher annahm, dass sie sich dabei passiv vom Golfstrom tragen lassen, weiß man heute, dass die Larven aktiv schwimmen.
Etwa 100 km vor der europäischen Küste beginnt die Metamorphose der Weidenblattlarven zu den ca. 7 cm langen Glasaalen. Im Frühjahr schwimmen sie in zum Teil großen Schwärmen von den europäischen Küsten flussaufwärts in die Binnengewässer des Landesinneren. Während dieser Zeit heißen sie „Steigaale“, wegen ihrer gelblichen Bauchfärbung auch „Gelbaale“. In ihren Heimatgewässern wachsen sie die nächsten Jahre zur vollen Größe heran. Weibliche Tiere werden mit 12 bis 15 Jahren geschlechtsreif, männliche in einem Alter von 6 bis 9 Jahren. Zum Ablaichen wandern die Tiere im September/Oktober aus den Gewässern des Landesinneren über die Flüsse dahin zurück, wo sie geschlüpft waren: in die Sargassosee. Dabei werden innerhalb eines Jahres teilweise Strecken von über 5000 Kilometern ohne Nahrungsaufnahme gegen den Golfstrom zurückgelegt. Ergebnisse, die per Satellitentelemetrie an Aalen gewonnen wurden, denen satellitenerkennbare Markierungen angebracht wurden, zeigten, dass die Tiere sich während der Wanderung tagsüber in kühlen Wässern zwischen 200 und 1000 Metern Tiefe aufhalten und nachts in wärmeren Oberflächenbereichen schwimmen. Dabei legen sie zwischen Irland und den Bahamas auf den ersten 1300 Kilometern nur 5–25 Kilometer pro Tag zurück, viel weniger als die 35 Kilometer, die nötig wären, um innerhalb eines Jahres die Strecke von 5000 km zu bewältigen. Daraus folgert man, dass die Aale später Wasserströmungen ausnutzen, die ihnen dann eine höhere Tagesgeschwindigkeit ermöglichen – eine Weile nahm man daher auch an, europäische Aale erreichten das Laichgebiet gar nicht und alle Jungaale stammten von amerikanischen Eltern und schwärmten nach beiden Richtungen aus.
Während der letzten Zeit in den Binnengewässern und auf dem Weg zurück zum Meer verändern sich die Körpermerkmale der Tiere: Ihre ursprüngliche Färbung wechselt von grün-braun zu silbrig-grau, der After zieht sich ein und die Augen vergrößern sich – der Aal wird zum „Blankaal“ bzw. „Silberaal“. Dieser Umwandlungsprozess dauert ca. vier Wochen. In dieser Zeit wird die Nahrungsaufnahme immer weiter eingeschränkt und schließlich ganz eingestellt, denn der Verdauungstrakt bildet sich komplett zurück. Stattdessen entwickeln sich die Geschlechtsorgane, die später die gesamte Leibeshöhle einnehmen. Die Energie für den „Umbau“ des Körpers und für die lange Reise zum Laichort entnehmen die Aale ausschließlich ihren Fettreserven, die sie sich im Laufe der Jahre angefressen haben. Das Fettreservoir wird in den Eingeweiden und unter der Haut gebildet: Aale gehören zu den so genannten „Fettfischen“, denn ihre Körpermasse kann bis zu 30 % aus Fett bestehen.
Das Umfärben ist vermutlich eine Anpassung an die Gegebenheiten des offenen Meeres – dort ist ein silbrig-glänzender Unterbauch weniger auffällig als ein gelber. Auch die vergrößerten Augen der Tiere könnten eine weitere Anpassung an die Gegebenheiten des Meeres sein.
Während der Wanderung müssen sich die Aale den erheblichen Änderungen in der Umgebungsosmolarität anpassen. Dabei kommt es zu Umwandlungen in den Kiemenepithelien der Tiere. Dieser Prozess wird vor allem durch Prolaktin gesteuert, ein Hormon, das beim Menschen vor allem aufgrund seiner Wirkung auf die Milchdrüsensekretion bekannt ist.
In der Sargassosee laichen die Tiere ab und sterben.
Aale sind in der Lage, beachtliche Strecken über feuchtes Land zurückzulegen, denn sie können den lebensnotwendigen Sauerstoff über die Haut aufnehmen.

Aale können in freier Wildbahn ein Alter von bis zu 50 Jahren erreichen. In Gefangenschaft können sie 80 Jahre alt werden, in Einzelfällen auch deutlich über 100 Jahre.

Aale sind insbesondere in der Dämmerung und in der Nacht aktiv. Sie ernähren sich vorwiegend von Würmern, (Klein-)Krebsen, Insektenlarven etc., aber auch von Fischlaich und Fischen. Kleinfische werden aktiv im Mittelwasser und an der Wasseroberfläche gejagt. Dabei erweist sich der Aal als geschickter Jäger.

Der Europäische Aal kommt in unseren Gewässern in zwei Ernährungsvarianten vor: Die eine ist der Spitzkopfaal, mit schmalem Kopf und spitz zulaufender Schnauze, der sich vorwiegend von Krebsen und anderen Wirbellosen ernährt. Die andere Variante ist der Breitkopfaal, mit breitem Kopf und breiter Schnauze, ein Fischjäger.
Beide Formen existieren auch nebeneinander in den gleichen Gewässern, wobei die prozentuale Verteilung auf die beiden Formen ausschließlich von dem vorherrschenden Nahrungsangebot abhängt. So wird man in Gewässern mit großem Bestand an kleinen Fischen und geringem Bestand an Krebsen bis zu 90 % Breitmaulaale im Verhältnis zu Spitzmaulaalen finden und umgekehrt.

Die oft verbreitete Aussage, Aale seien Aasfresser, resultiert aus ihrem Versteckverhalten, das früher durch das Auslegen von Tierschädeln zum Fang genutzt wurde. Diese Fangmethode wurde in der Blechtrommel von Günter Grass literarisch zwar schön, fachlich aber falsch beschrieben. Fischer wissen, dass Aale bestenfalls frisch getötete Köder fressen, niemals aber verweste. Der Grund liegt nicht zuletzt in dem extrem fein ausgebildeten Geruchssinn des Aales begründet. Er ist in der Lage, einzelne Geruchs- oder Geschmacksmoleküle wahrzunehmen. Seine röhrenartig ausgebildeten Nasenlöcher befähigen ihn zudem, eine Geruchsspur in allen drei Dimensionen wahrzunehmen und zu verfolgen (stereoskopisches Riechen).

Metamorphose der Aallarve vom Leptocephalus-Stadium zum Glasaal

Metamorphose der Aallarve vom Leptocephalus-Stadium zum Glasaal

Aale sind katadrome Wanderfische, was bedeutet, dass sie zum Laichen vom Süßwasser ins Meer ziehen. Die Reise in die Sargassosee dauert ein bis anderthalb Jahre, und sie beginnt in den Wohngewässern der Aale. Zwischen Oktober und November, bei mildem Wetter auch noch im Dezember, werden die Aale unruhig und ziehen los. Die Zugzeit liegt in den Abend- und Nachtstunden. Vor allem bei sehr schlechtem Wetter, wenn es stürmt und regnet, scheint sich die „Reiselust“ der Aale zu erhöhen. Anfangs ziehen sie noch sehr aktiv, schlängeln sich aus den kleinsten Gräben in größere Bäche oder auch aus stehenden, abgeschlossenen Gewässern durch feuchtes Gras in den nächsten Bach oder Fluss. In den großen Strömen wie Rhein, Weser, Ems, Elbe und Oder aber lassen sie sich dann energiesparend weitgehend von der Strömung treiben. Dabei schweben sie, S-förmig gekrümmt, im Mittelwasser. In der Mündung angekommen, schwimmen sie wieder aktiv und gehen sofort auf Tiefe.

Während ihrer Wanderung im Meer führen die Blankaale tagesperiodische Vertikalwanderungen aus, d. h. tagsüber schwimmen sie in Tiefen bis zu 1000 m und steigen nachts fast bis an die Wasseroberfläche.[3] Im folgenden Jahr treffen sie dann in der Sargassosee ein, wo sie vermutlich in Tiefen bis zu 2000 m laichen. Dieser letzte Lebensakt raubt ihnen dann auch die allerletzten Energiereserven – nach der Paarung und Abgabe der Geschlechtsprodukte sterben sie.

Der Lebenszyklus des Europäischen Aales gab den Menschen über viele Jahrhunderte Rätsel auf. Aristoteles war noch davon überzeugt, dass Aale entweder spontan im Schlamm entstünden, sich aus Staub bildeten oder von Erdwürmern geboren werden. Auch die lebendgebärende Aalmutter (Zoarces viviparus), ein kleiner bis mittelgroßer Meeresfisch mit langgestrecktem Körper, erhielt ihren Namen, weil ihr nachgesagt wurde, sie gebäre kleine Aale. Im Mittelalter wurde der Aal häufig den Schlangen zugeordnet oder zumindest behauptet, dass Aale und Schlangen sich paaren würden. Zahlreichen Bestandteilen des Aals wurden in der Volksmedizin heilende Kräfte zugesprochen.
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts erkannte man die durchsichtigen und weidenblattähnlich geformten Fischchen, die bis dahin als Leptocephalus brevirostris wissenschaftlich beschrieben worden waren, als Larvenform der Aale. 1922 entdeckte der dänische Zoologe Johannes Schmidt die bis heute kleinsten Larven nördlich der Bermudas. Der genaue Paarungsprozess konnte bisher nie in freier Wildbahn beobachtet werden.
Der Europäische und der Amerikanische Aal laichen in der Sargassosee südlich der Bermuda-Inseln zwischen 20° und 30° nördlicher Breite und 80° und 50° westlicher Länge, der Japanische Aal im westlichen Nordpazifik südlich von Japan nahe Guam und der australische Kurzflossen-Aal und der Neuseeland-Aal im zentralen Pazifik zwischen dem Bismarck-Archipel und Fidschi.
2013 und 2017 wurden experimentelle Nachweise publiziert, denen zufolge Europäische Aale sich im Erdmagnetfeld orientieren können und folglich einen Magnetsinn besitzen.

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