Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

27.05.2019, Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung
Wie Sprache entstanden ist: Erst verstehen, dann reden
Warnrufe der Grünmeerkatzen erlauben Rückschlüsse auf die Evolution von Sprache
Die Sprach- und Kommunikationsfähigkeit des Menschen ist einzigartig im Tierreich. Wie sie im Laufe der Evolution entstanden ist, wird unter anderem anhand des Alarmrufsystems der Grünmeerkatzen erforscht. Die im südlichen Afrika lebenden Grünmeerkatzen warnen ihre Artgenossen vor Raubfeinden mit speziellen Warnrufen, die „Leopard“, „Adler“ oder „Schlange“ bedeuten. In einer jetzt veröffentlichten Studie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung untersucht, wie Westliche Grünmeerkatzen auf unbekannte Geräusche reagieren. Dazu haben sie eine Drohne über eine Gruppe Westlicher Grünmeerkatzen hinwegfliegen lassen und ihnen später eine Tonaufnahme der Drohnengeräusche vorgespielt. Aus den Reaktionen der Tiere konnten die Forscher schließen, dass die Tiere sehr schnell lernen, was das Drohnengeräusch bedeutet. Die Affen haben jedoch keinen neuen Warnruf kreiert, sondern einen Ruf verwendet, den die verwandten Südlichen Grünmeerkatzen für Raubfeinde aus der Luft verwenden. Dies legt nahe, dass die Art der Lautäußerungen schon vor langer Zeit im Laufe der Evolution festgelegt wurden (Nature Ecology & Evolution).
Südliche Grünmeerkatzen haben drei große Raubfeinde: Leoparden, Adler und Schlangen. Für jeden dieser Räuber haben sie spezielle Warnrufe entwickelt, auf die die Tiere mit entsprechenden Strategien reagieren: Beim Ruf „Leopard“ klettern sie auf einen Baum, beim Ruf für „Adler“ suchen sie den Himmel ab und verstecken sich, beim Ruf „Schlange“ stellen sie sich auf zwei Beine und verharren reglos. Die nah verwandten Westlichen Grünmeerkatzen verwenden ebenfalls Warnrufe für Leoparden und Schlangen, jedoch keinen für Raubfeinde aus der Luft. Mit diesen Tieren hat das Team um Verhaltensforscherin Julia Fischer vom Deutschen Primatenzentrum nun einen Playback-Versuch durchgeführt, um die Evolution des Alarmrufsystems zu untersuchen und letztlich Rückschlüsse auf die Entstehung von Sprache zu erlangen.
Das Drohnen-Experiment
Westliche Grünmeerkatzen leben unter anderem in der Nähe der DPZ-Forschungsstation Simenti im Senegal. Julia Fischer und ihr Team haben diese Tiere mit einer neuen, potentiellen Gefahr aus der Luft konfrontiert: einer Drohne, die sie in 60 Metern Höhe über die Tiere hinwegfliegen ließen. Die Geräusche der Drohne wurden dabei aufgezeichnet und den Tieren später vorgespielt. So wollten die Forscher überprüfen, wie schnell die Tiere lernen, welche Bedeutung die Töne haben. Im Playback-Experiment reagierten die Tiere auf die Drohnengeräusche mit Warnrufen, einige suchten den Himmel ab und versteckten sich. Diese Warnrufe unterschieden sich deutlich von den Lauten, die die Tiere in Gegenwart von Schlangen und Leoparden ausstoßen. Die Rufe ähnelten jedoch den Warnrufen, die Südliche Grünmeerkatzen ausstoßen, wenn sich ein Adler aus der Luft nähert.
Schnelles auditives Lernen
„Die Tiere haben schnell gelernt, was die zuvor unbekannten Geräusche bedeuten und sich diese Information gemerkt“, sagt Julia Fischer, Leiterin der Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum und Hauptautorin der Studie. „Dies zeigt ihre Fähigkeit zu auditivem Lernen.“
Lautgebung tief in der Evolution verankert
Die Westlichen Grünmeerkatzen haben ihre Artgenossen vor der neuen Gefahr aus der Luft mit einem Ruf gewarnt, der sehr ähnlich klingt wie der Ruf, den die nah verwandten Südlichen Grünmeerkatzen bei Gefahr durch einen Adler ausstoßen. „Die Rufstruktur scheint früh in der Evolutionsgeschichte der Meerkatzen angelegt worden zu sein“, so Julia Fischer.
Originalpublikation:
Wegdell F, Hammerschmidt K, Fischer J (2019): Conserved alarm calls but rapid auditory learning in monkey responses to novel flying objects. Nature Ecology & Evolution, DOI: 10.1038/s41559-019-0903-5, http://dx.doi.org/10.1038/s41559-019-0903-5

28.05.2019, Helmholtz-Zentrum Geesthacht – Zentrum für Material- und Küstenforschung
Bernsteinfossil im Röntgenblick – Teilchenbeschleuniger enträtselt Parasitenlarve
Als der Jenaer Biologe Dr. Hans Pohl auf eBay ein in Bernstein eingeschlossenes Insektenfossil aufspürte, war die Entdeckerfreude groß: Es handelte sich um ein besonderes Exemplar – die 50 Millionen Jahre alte Larve eines Fächerflüglers. Doch um sie detailliert untersuchen zu können, brauchte er die Schützenhilfe von Materialforschern des Helmholtz-Zentrums Geesthacht. Die Resultate nebst spektakulären Bildern veröffentlichte das Team jetzt in der Fachzeitschrift „Arthropod Systematics & Phylogeny”.
Fächerflügler (Strepsiptera) sind Parasiten, die andere Insekten befallen, zum Beispiel Bienen und Wespen, aber auch Silberfischchen. „Bei den meisten der ca. 600 bekannten Arten bleiben die Weibchen zeitlebens in ihrem Wirt“, sagt Pohl, Biologe an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Nur die Männchen verlassen ihn für den Hochzeitsflug, leben dann aber nur noch einige Stunden.“ Doch es gibt Ausnahmen: Bei Arten, die Silberfischchen befallen, entfernen sich auch die flügellosen Weibchen von ihrem Wirt.
Vor einiger Zeit glückte den Jenaer Forschern eine bemerkenswerte Entdeckung: Sie konnten ein nahezu 100 Millionen Jahre altes Fossil einer Fächerflügler-Larve im ersten Entwicklungsstadium identifizieren, eingeschlossen in einem Bernstein. Mit ihrer Größe von gerade mal 0,2 Millimetern zählen solche Larven zu den kleinsten Mehrzellern überhaupt.
Dann gelang Pohl ein Glücksfund im Internet, als ein Händler über eBay einen baltischen Bernstein mit einem Insekteneinschluss anbot. „Ich habe sofort gemerkt, dass es sich um ein einzigartiges Fossil handelte“, erzählt der Biologe. Nach hartnäckigem Verhandeln konnte er sich das gute Stück für einen Preis von 1000 Euro sichern. Das 4,4 Millimeter große Tierchen wurde vor schätzungsweise 50 Millionen Jahren vom Baumharz eingeschlossen und versiegelt. Es ist das erste bekannte Larvenfossil eines Fächerflüglers, das sich in einem späteren als dem ersten Larvenstadium befindet.
Das Problem: „Unterm Lichtmikroskop waren wesentliche Details nicht zu erkennen“, sagt Pohl. „Man konnte weder sehen, ob die Larve Fühler hat, noch wie Mundwerkzeuge und Augen beschaffen sind und ob es sich um eine weibliche oder eine männliche Larve handelt.“ Also nahm sein Team das Objekt mit einem hochauflösenden Röntgenverfahren ins Visier – der Mikrotomographie mit Synchrotronstrahlung.
Dazu mussten sie an ein wissenschaftliches Großgerät ziehen – den Speicherring PETRA III am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg. Hier unterhält das Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG) eine Außenstelle, die sich für gewöhnlich mit Materialforschung befasst. „Die Methode ähnelt einem CT-Scanner im Krankenhaus“ sagt HZG-Forscher Dr. Jörg Hammel. „Das ist ein Röntgenapparat, der dreidimensionale Bilder aus dem Körperinneren liefert.“
Doch während in der Klinik herkömmliche Röntgenröhren für die Bildaufnahme genügen, fungiert an der HZG-Außenstelle ein gut zwei Kilometer großer Teilchenbeschleuniger als Lichtquelle. „Die Röntgenstrahlung von PETRA III ist extrem intensiv“, erläutert Hammel. „Dadurch können wir sehr scharfe Bilder selbst von sehr kleinen Proben machen.“ Bei der Bildaufnahme wird die Probe im Strahl rotiert, um sie von allen Seiten ablichten zu können. Jedes Einzelbild sieht aus wie eine normale Röntgenaufnahme. Der Computer setzt die vielen Aufnahmen dann zu einem 3D-Bild zusammen.
Von der Fächerflügler-Larve lieferte die Methode gestochen scharfe Bilder mit einer Auflösung von 1,3 Mikrometern. „Darauf lassen sich alle wichtigen Details sehen“, freut sich Hans Pohl. „Unter anderem konnten wir erkennen, dass sich das Tier vermutlich im dritten Larvenstadium befand und dass es sich sehr wahrscheinlich um eine weibliche Larve von Mengea handelt, einer heute ausgestorbenen Gattung.“ Das Besondere: Dieses Weibchen hatte seinen Wirt verlassen – ein für heutige Arten nur von den Parasiten der Silberfischchen bekanntes Verhalten. Und: „Manche Indizien deuten darauf hin, dass der Wirt womöglich eine Schabe war“, vermutet Pohl. „Um Gewissheit zu erhalten, müssten wir allerdings noch weitere Fossilien aufspüren und analysieren.“
Gut möglich, dass diese Analysen dann wieder am Speicherring erfolgen. „In den letzten Jahren scheint sich die HZG-Außenstelle unter Biologen zu einem Geheimtipp entwickelt zu haben“, sagt Jörg Hammel. „Mittlerweile sind wir offenbar so gut im Analysieren von Bernstein-Fossilien, dass wir immer mehr Anfragen aus der Fachwelt bekommen.“
Originalpublikation:
Hans Pohl, Jörg U. Hammel, Adrian Richter, Rolf G. Beutel: „The first fossil free-living late instar larva of Strepsiptera (Insecta)“, in Arthropod Systematics & Phylogeny, 2019, DOI: 10.26049/ASP77-1-2019-06

28.05.2019, Universität Zürich
Dominoeffekt beim Artensterben gefährdet Biodiversität zusätzlich
Die Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Pflanzenarten und ihren Bestäubern verstärken die negativen Effekte des Klimawandels. Wie UZH-Forschende zeigen, liegt die Gesamtzahl der vom Aussterben bedrohten Arten dadurch deutlich höher, als in bisherigen Modellen vorausgesagt.
Der weltweite Klimawandel bedroht die Biodiversität. Um das Schicksal der Arten vorauszusagen, nutzen Ökologen Klimamodelle, die einzelne Spezies unabhängig voneinander betrachten. Dabei wird vernachlässigt, dass Arten in ein riesiges Netzwerk gegenseitiger Abhängigkeiten eingebunden sind: So brauchen Pflanzen Insekten, um ihre Pollen zu verbreiten, und dienen ihnen zugleich als Nahrungsquelle.
Sieben Bestäubungsnetzwerke in Europa untersucht
Diese positiven wechselseitigen Interaktionen waren bei der Entstehung der Vielfalt des Lebens auf der Erde entscheidend. Zum Knackpunkt werden sie allerdings, wenn das Aussterben einer Art dominoartig weitere, von ihr abhängige Arten auslöscht und es zu einer sogenannten Ko-Extinktion kommt. Evolutionsbiologen der Universität Zürich haben nun mit Ökologen aus Spanien, Grossbritannien und Chile quantifiziert, wie viel folgenreicher sich der Klimawandel auf die Biodiversität auswirkt, wenn man diese gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den Arten berücksichtigt. Zu diesem Zweck analysierte das Forscherteam die Netzwerke zwischen blühenden Pflanzen und ihren Insektenbestäubern in sieben unterschiedlichen Regionen Europas.
Aussterben der Felsenrose bedroht Existenz der Myrte
Erstautor Jordi Bascompte bricht die Resultate der Studie zur Veranschaulichung auf ein konkretes Beispiel herunter: «Die Wahrscheinlichkeit etwa, dass die salbeiblättrige Felsenrose in einem Netzwerk in Südspanien bis ins Jahr 2080 klimabedingt ausstirbt beträgt 52 Prozent. Bewahrheitet sich die Prognose, fällt für die kleine Holzbiene – einen ihrer Bestäuber – eine wichtige Nahrungsgrundlage weg, womit auch sie vom Aussterben bedroht ist. Da die kleine Holzbiene ihrerseits wiederum die Myrte bestäubt, ist deren Existenz ebenfalls gefährdet.» Während also die Myrte, für sich allein betrachtet, eine geschätzte Aussterbenswahrscheinlichkeit von 38 Prozent hat, steigt diese unter Berücksichtigung ihres Netzwerks auf rund 62 Prozent.
«Werden die Interaktionen zwischen den einzelnen Arten berücksichtigt, steigt die Gesamtzahl der Spezies, die vom Aussterben bedroht sind», fasst Bascompte zusammen. «Einige Arten mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit, klimabedingt auszusterben, zeigen unter diesem Blickwinkel signifikante Wahrscheinlichkeiten, aufgrund ihrer Abhängigkeiten ausgelöscht zu werden.»
Biodiversität im Mittelmeerraum besonders gefährdet
Die Autoren beobachteten zudem, dass das Artensterben aufgrund von Ko-Extinktion in den Mittelmeerregion besonders stark ins Gewicht fällt. Werden die gegenseitigen Abhängigkeiten berücksichtigt, verschwinden innerhalb eines Netzwerks in Griechenland bis 2080 voraussichtlich zwei- bis dreimal mehr Pflanzen als bei der isolierten Betrachtung einzelner Arten. Die Wissenschaftler sehen dafür zwei Gründe: Einerseits ist die Mittelmeerregion stärker vom Klimawandel betroffen als der mittel- und nordeuropäische Raum. Andererseits haben die im Süden anzutreffenden Arten ein kleineres Verbreitungsgebiet, was ihre Wahrscheinlichkeit auszusterben, ebenfalls erhöht. Der hohe Anteil von Arten und Interaktionen, die vom Aussterben bedroht sind, macht das verbleibende Netzwerk fragiler und so anfällig für ganze Ko-Extinktions-Kaskaden.
Originalpublikation:
Jordi Bascompte, María B. García, Raúl Ortega, Enrico L. Rezende, and Samuel Pironon. Mutualistic interactions reshuffle the effects of climate change on plants across the tree of life. Scientific Advances. 15 May 2019. DOI: 10.1126/sciadv.aav2539

28.05.2019, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
Ursachen der Wilderei von Elefanten
Studie zeigt Zusammenhang illegaler Jagd in Afrika mit Armut, Korruption und Nachfrage nach Elfenbein
Elefanten sind essenziell für die Savannen- und Waldökosysteme und spielen eine wichtige Rolle für den Ökotourismus in Afrika – jedoch hat die Wilderei in den vergangenen Jahrzehnten zu einem raschen Rückgang der Elefantenpopulationen beigetragen. Ein internationales Forscherteam präsentiert nun eine positivere Bilanz: Severin Hauenstein und Prof. Dr. Carsten Dormann von der Abteilung für Biometrie und Umweltsystemanalyse der Universität Freiburg zeigen zusammen mit Dr. Colin Beale von der Universität York/England sowie Dr. Mrigesh Kshatriya and Dr. Julian Blanc von dem Elefanten-Monitoring-Programm MIKE in Kenia/Afrika mit statistischen Verfahren auf, dass die Intensität der Wilderei auf Afrikanische Elefanten seit 2011 verhältnismäßig stark gesunken ist. In einer Studie, die sie in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Nature Communications“ veröffentlichen, stellen die Forschenden die illegale Jagd auf Elefanten in Zusammenhang mit lokaler Armut, regionaler Korruption sowie der globalen Nachfrage nach Elfenbein.
Während fast alle Elefantenpopulationen nach dem Jahr 2000 drastische Rückgänge verzeichneten, sind einige Populationen mittlerweile seit ein paar Jahren stabil oder nehmen wieder zu, wie zum Beispiel die Tiere im Krüger-Nationalpark in Südafrika. Die Analyse der Forschenden zeigt, dass die Zahl der Elefanten, die durch Wilderei sterben, von einem geschätzten Höchstwert von mehr als zehn Prozent der Afrikanischen Elefantenpopulation im Jahr 2011 auf weniger als vier Prozent im Jahr 2017 gesunken ist. „Diese Entwicklung ist positiv zu bewerten, bedeutet aber noch keine Entwarnung“, erklärt Hauenstein. „Nach einigen Veränderungen im politischen Umfeld scheint die Gesamtzahl der illegal getöteten Elefanten in Afrika zu sinken, aber um mögliche Schutzmaßnahmen zu bewerten, müssen wir die lokalen und globalen Prozesse verstehen, die die illegale Jagd auf Elefanten antreiben.“
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass im regionalen Vergleich vor allem Korruption und Armut in der lokalen Bevölkerung die Wilderei begünstigen. Die Wissenschaftler heben hervor, dass die Bemühungen, die Nachfrage von Elfenbein auf asiatischen Märkten einzudämmen sowie regionale Korruption und Armut zu reduzieren, im Kampf gegen Wilderei erfolgreicher sein könnten als lediglich die Strafverfolgung zu verstärken: die erfassten jährlichen Raten der Wilderei korrelieren stark mit Angaben zur Elfenbeinnachfrage in Ostasien und insbesondere in China, dem traditionellen Markt für Elfenbein. Zudem unterscheiden sich die Quoten der illegalen Tötungen zwischen den 29 afrikanischen Ländern stark. Diese seien vor allem vom Grad der Korruption und Armut in dem jeweiligen Land abhängig.
Im Schutzprogramm „Monitoring the Illegal Killing of Elephants“ (MIKE), das die Europäische Union mitfinanziert, erfassen Wildtierhüterinnen und Wildtierhüter jährlich in 53 überwachten Stellen in 29 afrikanischen Ländern die sterblichen Überreste von Elefanten und untersuchen sie auf die Todesursache. Zwischen 2002 und 2017 haben sie 18.007 Kadaver registriert, von denen 8.860 als illegale Tötungen identifiziert wurden. MIKE wurde durch das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten frei lebenden Tieren und Pflanzen (CITES) gegründet, um die weltweit 181 Vertragsparteien bei Entscheidungen zum Handel mit Elefantenprodukten zu beraten. Zudem soll das Programm den Schutz und das Management von Elefanten in den betreffenden Staaten unterstützen.
Originalveröffentlichung:
Hauenstein, S., Kshatriya, M., Blanc, J., Dormann, C. F., Beale, C. M. (2019): „African elephant poaching rates correlate with local poverty national corruption and global ivory price.” In: Nature Communications.

29.05.2019, Universität Zürich
Schimpansen fischen und fressen Krabben
Schimpansen ernähren sich vor allem vegetarisch, manchmal fressen sie Fleisch. Forschende der Universität Zürich zeigen nun zum ersten Mal, dass Schimpansen auch Krabben fressen. Sie beobachteten in Guinea, wie Schimpansen regelmässig nach Krabben fischen.
«Unsere Studie ist der erstmalige Beweis, dass nichtmenschliche Affen regelmässig im Wasser vorkommende Lebewesen fischen und fressen», sagt Kathelijne Koops, die am Anthropologischen Institut der Universität Zürich forscht. Sie und ihr Team entdeckten, dass Schimpansen im Regenwald des Nimba-Gebirges in Guinea das ganze Jahr über Süsswasserkrabben konsumieren. Die Schimpansen suchen in den flachen Wasserläufen in diesem gebirgigen Regenwald nach Krabben, indem sie mit den Fingern das Bachbett aufkratzen und aufwühlen.
Die Schimpansen frassen Krabben unabhängig davon, ob als Alternative reife Früchte als Nah-rung verfügbar waren. Überraschenderweise gab es keinen Zusammenhang zwischen dem Krab-benfang und der monatlichen Niederschlagsmenge. Auch die Fangraten zwischen Trocken- und Regenzeit unterschieden sich nicht: Selbst in der Trockenzeit hatten die Bäche genügend Was-ser für Krabben. Die Schimpansen gingen allerdings häufiger auf Krabbenfang, wenn sie weniger Ameisen frassen, was auf einen ähnlichen Stellenwert von Krabben und Ameisen für ihre Ernährung hinweist.
«Weibliche Schimpansen mit ihren Jungen fischten häufiger und länger nach Krabben, was wir so nicht erwartet haben», sagt die Anthropologin Koops. Als Erklärung dafür liegt nahe, dass Krabben Fettsäuren und Mikronährstoffe wie Natrium und Kalzium liefern, die für die Gesundheit von Mutter und Kind entscheidend sind.
Wichtig für das sich entwickelnde Hirn
Die Forschung an Schimpansen, unseren engsten lebenden Verwandten, kann Aufschluss dar-über geben, warum die im Wasser lebende Fauna im Laufe der menschlichen Evolution mehr und mehr als Nahrung genutzt wurde. Schon vor 1,95 Millionen Jahren sollen Hominini, Vorfahren des homo sapiens, Schildkröten, Krokodile und Fische verzehrt haben. Man nimmt an, dass der re-gemässige Verzehr solcher Wasserfauna das sich entwickelnde Hirnwachstum des frühen Homo begünstigt hat. Diese Tiere beinhalten nämlich mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die für ein optimales Wachstum und eine optimal Gehirnfunktion erforderlich sind.
«Die heutige lebenden Schimpansen sind also ein nützlicher Indikator, um neue Erkenntnisse über die Ernährung von Homininen zu gewinnen», sagt Kathelijne Koops. So zeigt sich erstens, dass auch im Wald und nicht nur an Seen, Flüssen oder Küsten lebende Schimpansen nach Krabben fischen. Zweitens könnte die Wasserfauna ein regelmässiger Nahrungsbestandteil von Homininen gewesen sein und nicht nur eine saisonale Ergänzung zur normalen Nahrung. Und drittens ist möglicherweise der Verzehr von nährstoffhaltigen Krabben und ähnlichen Wassertie-ren für weibliche Hominine und ihre Jungen besonders wichtig gewesen.
Originalpublikation:
Kathelijne Koops, Richard W. Wrangham, Neil Cumberlidge, Maegan A. Fitzgerald, Kelly L. van Leeuwen, Jessica M. Rothman and Tetsuro Matsuzawa. Crab-fishing by chimpanzees in the Nim-ba Mountains, Guinea. Journal of Human Evolution. Doi: 10.1016/j.jhevol.2019.05.002

29.05.2019, Universität Greifswald
Verbundprojekt mit Greifswalder Zoologen zum Schutz der Mopsfledermaus gestartet
Zoologen der Universität Greifswald sind Verbundpartner in einem neuen Projekt zum Schutz der Mopsfledermaus. Zusammen mit der Stiftung FLEDERMAUS (Projektkoordination), der Naturstiftung David und den NABU Landesverbänden Baden-Württemberg und Niedersachsen verfolgen sie das Ziel, die Verbreitung der Mopsfledermaus bundesweit zu analysieren und anhand ausgewählter Modellregionen konkrete Schutzmaßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen. Das im Mai 2019 gestartete Verbundvorhaben hat ein Gesamtvolumen von 5,44 Millionen Euro. 4,3 Millionen davon stellt das Bundesamt für Naturschutz (BfN) im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt zur Verfügung.
Die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) ist schwerpunktmäßig in den Wäldern von Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Thüringen sowie teilweise in Niedersachsen, Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern verbreitet. Sie trägt ihren Namen aufgrund ihrer mopsartigen Schnauze. In den 1950er bis 1970er Jahren führten Quartiersverluste zu dramatischen Bestandseinbrüchen der Fledermausart. Außerdem bewirkte der zunehmende Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft einen erheblichen Rückgang des Nahrungsangebots für die Mopsfledermaus, deren Nahrungsspektrum stark begrenzt ist. Sie überlebte in Deutschland und Westeuropa nur in wenigen Reliktgebieten. Weitere Faktoren, wie eine intensive forstwirtschaftliche Waldnutzung, der Verlust von Vernetzungsstrukturen und die Zerschneidung durch Verkehrstrassen kamen hinzu. Der bundesweite Erhaltungszustand der Art ist daher als „ungünstig“ eingestuft worden.
Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt die Mopsfledermaus und ihren Lebensraum zukünftig besser zu schützen und zu fördern. Dazu werden Wälder in Thüringen, Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und auf Flächen des Nationalen Naturerbes wieder naturnäher bewirtschaftet, alte Bäume gesichert und Kernflächen geschaffen, die nicht länger forstwirtschaftlich genutzt werden.
Zoologen der Universität Greifswald werden im Rahmen des Projekts die Wiederausbreitung der Mopsfledermaus in Deutschland mit Hilfe von populationsgenetischen Methoden untersuchen. Dazu wird die DNA der Tiere aus im Rahmen des Projekts gesammelten Haut- und Kotproben isoliert und mit Hilfe genetischer Marker untersucht. Auf diese Weise soll herausgefunden werden, ob die genetische Vielfalt in Mopsfledermaus-Populationen, die außerhalb der Reliktgebiete leben, geringer ist als in Gebieten, in denen die Art nie verschwunden war. Zudem soll ermittelt werden, wie die Wiederbesiedlung Deutschlands durch die Mopsfledermaus aus den verbliebenen Reliktpopulationen heraus abläuft.
Diese Medieninfo enthält Auszüge aus einer Medieninfo des Bundesamtes für Naturschutz zum Projektstart.

31.05.2019, Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft
Schmerzfrei dank Evolution
Afrikanische Mulle sind gegen viele Schmerzen unempfindlich. Wie ein internationales Team um den MDC-Forscher Gary Lewin in „Science“ berichtet, eröffnen sich ihnen dadurch sogar neue Lebensräume. So lebt der Highveld-Mull dank eines mutierten Gens mit Ameisen zusammen, die von anderen Mullen gemieden werden.
Vor gut zehn Jahren wurden die Nacktmulle des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) quasi über Nacht berühmt. Zu verdanken hatten sie das Gary Lewin (Berlin) und Thomas Park (Chicago), die gemeinsam die seltsame Sinneswelt der Nacktmulle untersuchen. Lewin, Park und ihre Teams konnten zeigen, dass die aus Afrika stammenden Nager gegen Schmerzen erstaunlich resistent sind: Wie sie 2008 im Fachblatt „PLOS Biology“ berichteten, konnten weder Säure noch Capsaicin – die Substanz, die Chilischoten scharf macht – den unterirdisch lebenden Tieren etwas anhaben. Die Experimente stießen weltweit auf großes Interesse.
Für seine neueste in „Science“ veröffentlichte Studie haben sie sich mit Kolleginnen und Kollegen aus Südafrika und Tansania zusammengetan, um die ungewöhnliche Schmerzresistenz der afrikanischen Nager weiter zu ergründen. „Die Erkenntnisse, die wir an den Tieren gewinnen, sollen unter anderem bei der Entwicklung neuer Schmerzmedikamente helfen“, erklärt der Leiter der MDC-Arbeitsgruppe „Molekulare Physiologie der somatosensorischen Wahrnehmung“.
In enger Zusammenarbeit mit einem weltweit führenden Experten für Mulle, Nigel Bennett von der Universität Pretoria in Südafrika, haben Lewin, Park und ihre Kolleginnen und Kollegen daher untersucht, wie der Nacktmull und acht weitere, mit ihm verwandte Arten auf drei Substanzen reagieren, die bei Menschen und anderen Säugetieren auf der Haut gewöhnlich für kurze Zeit einen brennenden Schmerz auslösen: verdünnte Salzsäure, Capsaicin und Allylisothiocyanat, kurz AITC. AITC verleiht dem vom Sushi-Essen bekannten Wasabi seine extreme Schärfe. Solchen und ähnlichen Substanzen sind die Mulle auch in der Natur ausgesetzt.
Nur der Highveld-Mull ist von der Wasabi-Schärfe unbeeindruckt
Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um die beiden Erstautoren der Studie, Ole Eigenbrod und Karlien Debus, in „Science“ schreiben, waren insgesamt drei Mullarten unempfindlich gegen Säure. Sie sind evolutionär nicht sehr eng miteinander verwandt. Zwei Spezies zeigten keinerlei Reaktion, wenn sie eine Lösung mit Capsaicin in die Pfote injiziert bekamen. „Die anderen hoben ihre Pfote kurz an oder leckten sie ab – was uns zeigte, dass die Tiere einen kurzzeitigen Schmerzreiz empfanden“, erläutert Lewin.
Nur eine einzige Mullart erwies sich als resistent gegen AITC. Und dabei handelte es sich nicht um den Nacktmull, sondern um den ebenfalls in unterirdischen Gängen lebenden Highveld-Mull – benannt nach der gleichnamigen Region im östlichen Südafrika, in der die Tiere ausschließlich vorkommen. „Diese Beobachtung war für uns äußerst spannend“, sagt Lewin. „Denn AITC kann im Körper Aminosäuren und somit auch ganze Proteine zerstören. Deswegen vermeiden es alle anderen Tierarten, die wir kennen, mit der Substanz in Kontakt zu kommen.“ Lediglich der Highveld-Mull zeigte sich von AITC in den Experimenten völlig unbeeindruckt.
Der Grund für die Schmerzresistenz sind veränderte Ionenkanäle
Um den molekularen Gründen für die ungewöhnliche Schmerzresistenz der Mulle auf die Spur zu kommen, isolierten die Forscherinnen und Forscher von allen neun untersuchten Arten sensorisches Gewebe aus dem Rückenmark sowie Spinalganglien. Dabei handelt es sich um Ansammlungen von Nervenzellkörpern, die Schmerzsignale an das Rückenmark weiterleiten. „Mithilfe moderner Sequenziertechniken haben wir dann in den Geweben die Aktivität von rund 7000 Genen miteinander verglichen“, berichtet Lewin.
Zunächst konnte das Team feststellen, dass bei den schmerzunempfindlichen Tieren insbesondere die Aktivität von zwei Genen verändert war, die den Bauplan für die Ionenkanäle TRPA1 und NaV1.7 enthalten. Von beiden Kanälen ist bekannt, dass sie an der Schmerzwahrnehmung beteiligt sind.
„AITC und viele andere ätzende Substanzen, die in Wurzeln, einem der Hauptnahrungsmittel von Mullen, vorkommen, aktivieren TRPA1“, sagt Lewin. Deshalb sei bei vielen Arten im Laufe der Evolution das Gen für diesen Kanal offenbar herunterreguliert worden. „Gänzlich stummgeschaltet ist der Wasabi-Kanal aber nur bei den Highveld-Mullen“, sagt der Forscher. Wie er und sein Team herausfanden, liegt das an einem besonders aktiven Gen für einen weiteren Kanal, den stets offen stehenden sogenannten Leckkanal NALCN. Auf diese veränderte Genexpression stieß die Forschungsgruppe ausschließlich bei den Highveld-Mullen.
Die Schmerzresistenz der Mulle ließ sich in Experimenten ausschalten
Besonders überrascht war Lewin jedoch von den Ergebnissen eines weiteren Experiments: „Wenn wir den NALCN-Kanal mit einem Wirkstoff blockierten, wurden die Highveld-Mulle auf einmal wieder empfindlich für AITC“, berichtet der Wissenschaftler. Und nur einen Tag nach der Gabe des Kanal-Antagonisten hätten sich die Tiere von AITC erneut unbeeindruckt gezeigt. „Offenbar hatten wir unter den Tausenden von untersuchten Genen das entscheidende für die besondere Schmerzresistenz der Highveld-Mulle gefunden“, sagt Lewin – was er persönlich für einen riesengroßen Glücksfall halte.
Daniel Hart, ein Doktorand, der mit Nigel Bennett zusammenarbeitet, fand zudem heraus, dass die Highveld-Mulle in ihren Höhlen oft mit Ameisen der Art Myrmicaria natalensis, auch Natal-Droptail-Ameisen genannt, zusammenleben. „Diese Insekten sind für ihre Aggressivität und ihr sehr ätzendes Gift bekannt“, sagt Lewin. Tatsächlich reagierten alle untersuchten Mullarten auf einen Cocktail des Ameisengiftes in ihrer Pfote mit einer kurzen Schmerzreaktion – nur nicht der Highveld-Mull. Blockierten die Forscherinnen und Forscher bei ihm jedoch den NALCN-Kanal, wurde auch er empfindlich für das Gift.
Das neue Wissen dient womöglich auch der Arzneimittelforschung
„Mithilfe eines besonders aktiven Gens für einen Ionenkanal konnte sich der Highveld-Mull im Laufe der Evolution ganz offensichtlich einen Lebensraum erobern, der von anderen Mullen gemieden wird“, schlussfolgert Lewin. Für ihn sei es ein besonders schönes Beispiel dafür, wie die Umwelt die langfristige Entwicklung von Tieren beeinflusse. Nutzen lassen könne sich das jetzt erworbene Wissen womöglich aber auch zur Entwicklung sehr wirksamer Analgetika, sagt der MDC-Forscher: „Das Hochexprimieren des NALCN-Kanals ist anscheinend ein sehr effektives Mittel, um Schmerzen zu stillen.“ (bro)
Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin
Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) wurde 1992 in Berlin gegründet. Es ist nach dem deutsch-amerikanischen Physiker Max Delbrück benannt, dem 1969 der Nobelpreis für Physiologie und Medizin verliehen wurde. Aufgabe des MDC ist die Erforschung molekularer Mechanismen, um die Ursachen von Krankheiten zu verstehen und sie besser zu diagnostizieren, verhüten und wirksam bekämpfen zu können. Dabei kooperiert das MDC mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Berlin Institute of Health (BIH) sowie mit nationalen Partnern, z.B. dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DHZK), und zahlreichen internationalen Forschungseinrichtungen. Am MDC arbeiten mehr als 1.600 Beschäftigte und Gäste aus nahezu 60 Ländern; davon sind fast 1.300 in der Wissenschaft tätig. Es wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Berlin finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren. www.mdc-berlin.de
Originalpublikation:
Ole Eigenbrod, Karlien Debus et al. (2019): „Rapid molecular evolution of pain insensitivity in multiple African rodents“, Science, doi/10.1126/science.aau0236.

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