Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

28.10.2025, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin
Zellbiologie der Malaria- und Toxoplasmose-Parasiten: Forschende aus Hamburg und München bündeln ihre Expertise
Wissenschaftler:innen von Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) und Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben herausgefunden, wie Malaria- und Toxoplasmose-Erreger ihre Zellstrukturen und Transportsysteme aufbauen und organisieren, um zu überleben. Ihre Entdeckungen könnten den Weg für neue Behandlungsmethoden gegen diese weltweit bedeutenden Infektionserkrankungen ebnen. Die Forschungsergebnisse erschienen kürzlich in den Fachzeitschriften Journal of Cell Biology und PLOS Biology.
Am BNITM hat sich das Team um Dr. Tobias Spielmann, Leiter der Arbeitsgruppe Malaria-Zellbiologie, zusammen mit der Forschungsgruppe Integrative Parasitologie um Dr. Richárd Bártfai von der Radboud-Universität Nijmegen die Eiweißkomplexe AP-1, AP-3 und AP-4 (Adapterproteine) angeschaut. Sie haben herausgefunden, dass AP-1, AP-3 und AP-4 eine entscheidende Rolle beim Überleben des Malaria-Parasiten spielen. Wie Proteine im Malaria-Parasiten verteilt werden, war bisher wenig verstanden. Die Forschenden konnten nun zeigen: Die Adapter sorgen dafür, dass Proteine in der Zelle an den richtigen Ort gelangen. Beim Malaria-Erreger ist dieser Transportprozess besonders wichtig, da er sowohl für das Eindringen in Wirtszellen als auch für das Wachstum im Inneren der Zellen benötigt wird.
Wie Parasiten uralte Zellmechanismen neu nutzen
Bemerkenswerterweise ähnelt der Aufbau dieser Transportmechanismen in Malaria-Parasiten denen anderer Lebewesen, obwohl sich die Organismen im Laufe der Evolution stark voneinander entfernt haben. Gleichzeitig weist das System auch ungewöhnliche Besonderheiten auf, die bisher unbekannt waren. „Mithilfe modernster Bildgebungs- und Proteinanalysen haben wir festgestellt, dass diese Adaptersysteme ähnlich wie Logistikzentren funktionieren und unerwartet viele Gemeinsamkeiten mit ähnlichen Prozessen in menschlichen Zellen aufweisen“, so Spielmann.
Prof. Markus Meißner, Leiter des Lehrstuhls für Experimentelle Parasitologie an der LMU, und sein Team identifizierten einen neuen Transportweg im Parasiten Toxoplasma gondii. Sie untersuchten ein bisher kaum verstandenes Parasiten-Gen. Es kodiert das Eiweiß Tepsin, das eng mit dem Adapterprotein AP-4 zusammenarbeitet und dafür sorgt, dass kleine Bläschen, sogenannte Vesikel, innerhalb des Parasiten an ihren Bestimmungsort gelangen. Interessant ist, dass dabei auch das Strukturprotein Clathrin eine Rolle spielt. Bei Tieren funktioniert dieser Mechanismus anders: Dort arbeitet der Adapterkomplex AP-4 ohne Clathrin. Pflanzen hingegen nutzen Clathrin aktiv, um Vesikel zu bilden. Genau diesen Mechanismus verwendet auch Toxoplasma gondii. Wie die Studie aus dem Spielmann-Labor zeigt, findet sich dieser Mechanismus auch im Malaria-Parasiten. Diese Entdeckung zeigt, dass Toxoplasma gondii und Malaria-Parasiten im Laufe der Evolution ein hochspezialisiertes, aber dennoch konserviertes Transportsystem entwickelt haben: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Parasiten einen sehr alten Transportmechanismus beibehalten haben, der an ihre einzigartige Biologie angepasst ist“, erklärt Meißner.
Darüber hinaus entdeckte die Gruppe um Dr. Simon Gras an der LMU München, dass Toxoplasma während seines Wachstums und seiner Teilung ständig Teile seiner Außenmembran recycelt. „Wir waren erstaunt, wie dynamisch dieser Prozess ist“, sagt Gras. „Es ist ein brillantes Beispiel dafür, wie die Evolution alte zelluläre Tricks wiederverwendet, um neue Herausforderungen zu lösen.“
Neue Therapien denken
Die Ergebnisse der Forschungsgruppen aus Hamburg und München eröffnen neue Perspektiven auf die grundlegende Zellbiologie der sogenannten apicomplexen Parasiten, zu denen die Malaria- und Toxoplasmose-Parasiten gehören. Die Arbeiten heben sowohl gemeinsame als auch einzigartige biologische Merkmale verschiedener Arten hervor und könnten langfristig dazu beitragen, neue Angriffspunkte für Therapien gegen Malaria und Toxoplasmose zu finden.
Zwei Krankheiten mit weltweiter Bedeutung
Malaria und Toxoplasmose zählen zu den weltweit bedeutendsten Infektionskrankheiten. Zwar gibt es Medikamente gegen Malaria und Toxoplasmose, doch sie wirken nicht in allen Krankheitsstadien, können Nebenwirkungen haben und verlieren teils durch Resistenzen an Wirksamkeit. Neue Wirkstoffe werden benötigt, um die Erreger dauerhaft und gezielt bekämpfen zu können. Ein besseres Verständnis der zellbiologischen Prozesse ist entscheidend, um neue Ansatzpunkte für Therapien und Impfstoffe zu entwickeln.
Malaria und Toxoplasmose werden durch apicomplexe Parasiten verursacht. Dies sind einzellige Erreger, die sich nur innerhalb von Wirtszellen vermehren können. Malaria entsteht, wenn Parasiten der Gattung Plasmodium durch den Stich infizierter Anopheles-Mücken in den menschlichen Blutkreislauf gelangen. Sie lösen hohes Fieber, Schüttelfrost und bei schweren Verläufen lebensbedrohliche Organschäden aus. Jährlich erkranken laut WHO über 240 Millionen Menschen an Malaria. Mehr als 600.000 sterben an den Folgen, vor allem Kinder in Afrika südlich der Sahara. Toxoplasmose, ausgelöst durch den Parasiten Toxoplasma gondii, betrifft weltweit rund ein Drittel der Bevölkerung. Die Infektion verläuft meist unbemerkt, kann aber bei Schwangeren und immungeschwächten Personen schwere Komplikationen verursachen.
Originalpublikation:
Cubillán-Marín J et al., Vesicle adapters in malaria parasites show conservation and flexibility of protein sorting machinery, Journal of Cell Biology 2025, doi: 10.1083/jcb.202504062
Grech J et al., Tepsin and AP4 mediate transport from the trans-Golgi to the plant-like vacuole in toxoplasma, Journal of Cell Biology 2025, doi: 10.1083/jcb.202312109
Von Knoerzer-Suckow J et al., Plasma membrane recycling drives reservoir formation during Toxoplasma gondii intracellular replication, PLOS Biology 2025, doi: 10.1371/journal.pbio.3003415

28.10.2025, Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung
Fossilien zeigen, wie der Klimawandel australische Reptilien bedroht
Weltweit sind viele Reptilien durch den Klimawandel stark bedroht, aber Prognosen zu ihren Überlebenschancen zu treffen ist leider oft schwierig. Eine neue Studie, die heute in Current Biology von einem internationalen Team von Forschenden, darunter vom Museum für Naturkunde Berlin, veröffentlicht wurde, zeigt, wie der quartäre Klimawandel Populationen einer bedrohten australischen Echsenart (Rankinia diemensis) über die letzten 20.000 Jahre beeinflusste. Die Sammlungen der Naturkundemuseen stellen eine einzigartige Ressource dar, um die Folgen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt zu untersuchen und Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bedrohter Arten miteinander zu verknüpfen.
Die exemplarische Studie kombiniert fossile Funde aus Naturkundemuseen mit genetischen Daten von rezenten Museumsexemplaren, um aufzudecken, wie die Art auf Umweltveränderungen in der Vergangenheit reagiert hat und was dies für ihre Zukunft mit Blick auf den menschengemachten Klimawandel bedeutet.
Erstautor Dr. Till Ramm, Wissenschaftler und ehemaliger Doktorand am Museum für Naturkunde Berlin und dem Museums Victoria Research Institute in Melbourne, sagt, die Forschung zeige, dass die Art vermutlich durch den Klimawandel in höhere Höhenlagen verdrängt worden sei.
„Vor etwa 20.000 Jahren, während der letzten Eiszeit, besiedelten die ‚Mountain Dragons‘, wie die Art auch genannt wird, ein viel größeres Gebiet im Südosten Australiens, darunter Regionen wie Kangaroo Island und Naracoorte in South Australia“, sagte Dr. Ramm. „Heute sind diese Populationen verschwunden. Die verbliebenen Populationen in Victoria, New South Wales und auf Tasmanien sind klein und genetisch isoliert, und wenn die Temperaturen weiter steigen, werden diese Echsen irgendwann keine Möglichkeiten mehr haben, um weiter auszuweichen.“
Mithilfe modernster röntgentomographischer Bildgebungsverfahren zur Identifizierung winziger Fossilfragmente und der Kombination dieser Informationen mit genomischen Daten rezenter Museumsexemplare, gelang es dem Team, langfristige Veränderungen im Verbreitungsgebiet und in der genetischen Vielfalt der Art über tausende von Jahren hinweg nachzuverfolgen.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Populationen in tieferen Lagen bereits einen Rückgang in ihrer genetischen Diversität erlitten haben, während kühlere Lebensräume in höheren Lagen aufgrund der globalen Erwärmung ebenfalls bedroht sind. Damit ist der australische Mountain Dragon ein deutliches Warnsignal für andere Reptilien, die dasselbe Ökosystem bewohnen.
Reptilien sind besonders anfällig für den Klimawandel, da sie ihre Körpertemperatur nicht selbst regulieren können. Alarmierend ist zudem, dass in der Region um die südlichen Alpen in Victoria besonders viele Reptilienarten als bedroht eingestuft sind und zudem einige Arten ähnliche Muster aufweisen. So scheinen Schwarzgelbe Blauzungenskinke (Tiliqua nigrolutea), Alpine Eichenskinke (Cyclodomorphus praealtus) oder Whites Skinke (Liopholis whitii) ebenfalls in der Vergangenheit größere, zusammenhängende Verbreitungsgebiete in tieferen Lagen gehabt zu haben. Das deutet darauf hin, dass mehrere Reptilienarten im Südosten Australiens das gleiche Schicksal ereilen könnte.
Die Sammlungen der Naturkundemuseen erwiesen sich für diese Ergebnisse als unverzichtbar. Fossilien, Skelette und konservierte Exemplare, die im Museum für Naturkunde Berlin, Museums Victoria in Melbourne und anderen Einrichtungen aufbewahrt werden, bieten eine einzigartige Ressource, um die Folgen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt zu untersuchen und Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bedrohter Arten miteinander zu verknüpfen.
Co-Autor Prof. Johannes Müller vom Museum für Naturkunde Berlin sagt, die Studie unterstreiche den Wert des neuen Forschungsfeldes der sogenannten Naturschutz-Paläobiologie und zeige die Bedeutung von fossilen Daten für die Entwicklung von Schutzstrategien.
„Indem wir aus der Vergangenheit lernen, können wir genauere Vorhersagen und Entscheidungen für die Zukunft treffen“, so Prof. Müller. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie schnell der Klimawandel die Artenvielfalt beeinträchtigen kann und warum der Schutz von Lebensräumen heute wichtiger denn je ist.“
Originalpublikation:
Ramm et al., Climate change predicts Quaternary extinctions and extant genetic diversity in a threatened Australian lizard, Current Biology (2025)
https://doi.org/10.1016/j.cub.2025.09.067

28.10.2025, Ludwig-Maximilians-Universität München
Fossil enthüllt frühe Evolution der Stechmücken
Ein seltener Fossilfund zeigt, wie weit die Ursprünge der heute lebenden Stechmückenarten zurückreichen.
In 99 Millionen Jahre altem Bernstein entdeckten LMU-Forschende die bisher älteste bekannte Stechmücken-Larve. Das kreidezeitliche Fossil stammt aus der Region Kachin in Myanmar und hat sich in ausgezeichnetem Zustand erhalten. Es konnte als neue Art einer neuen Gattung beschrieben werden und trägt nun den Namen Cretosabethes primaevus. Dieser erste fossile Nachweis einer Stechmückenlarve in Bernstein stellt gleichzeitig den ersten Fossilfund einer Mückenlarve aus dem Mesozoikum dar, denn aus diesem Erdzeitalter waren bislang ausschließlich Fossilien von adulten Mücken bekannt.
Noch bemerkenswerter ist jedoch der Körperbau des Insekts: „Dieses Fossil ist einzigartig, weil die Larve den modernen Arten sehr ähnelt – im Gegensatz zu allen anderen bekannten Fossilfunden von Steckmücken aus dieser Zeit, die sehr ungewöhnliche und bei heutigen Arten nicht mehr vorhandene morphologische Merkmale aufweisen“, sagt Zoologe André Amaral, Erstautor der Studie und Doktorand im Team von Professor Joachim Haug an der Fakultät für Biologie.
Diese ältesten bekannten Fossilien von Stechmücken stammen von adulten Tieren und wurden ebenfalls in etwa 99 Millionen Jahre alten Bernsteinablagerungen gefunden. Aufgrund ihres stark von modernen Arten abweichenden Körperbaus werden sie der Gruppe Burmaculicinae zugeordnet, einer ausgestorbenen Linie innerhalb der Gruppe der Stechmücken (Culicidae). Cretosabethes primaevus hingegen gehört zur Gruppe Sabethini, die auch rezente Arten umfasst.
Die evolutionären Ursprünge der Stechmücken werden anhand der bislang bekannte Fossilien vor etwa 201–145 Millionen Jahren im Zeitalter des Jura verortet. Die Schätzungen aufgrund molekularer Phylogenien gehen weit auseinander und liefern Ergebnisse zwischen der Trias und dem Jura. Der Fund der LMU-Forschenden liefert nun neue Hinweise: „Unsere Ergebnisse deuten sehr darauf hin, dass die Gruppe der Stechmücken sich bereits im Jura diversifiziert hat und dass die Morphologie ihrer Larven seit fast 100 Millionen Jahren bemerkenswert ähnlich geblieben ist“, so Amaral. Dies stelle bisherige Annahmen über die frühe Evolution dieser Insektengruppe infrage und ermögliche neue Einblicke in ihre ökologische Entwicklungsgeschichte.
Wie die Larven der heutigen Arten aus der Gruppe Sabethini lebten demnach auch jene von Cretosabethes primaevus in kleinen Wasseransammlungen, wie sie sich in Astmulden oder zwischen den Blättern epiphytischer Pflanzen bilden. Dass ein Tropfen Harz in so ein Kleinstgewässer fällt und auf diese Weise eine aquatische Larve in Bernstein konserviert wird, ist jedoch eher unwahrscheinlich und somit ein seltener Glücksfall für die Wissenschaft. Die meisten Bernsteinfossilien stammen von terrestrischen oder fliegenden Tieren, die auf und in der Nähe von Harz produzierenden Bäumen lebten. Die häufigsten Gruppen von Arthropoden, die in myanmarischem Bernstein gefunden werden, sind Spinnen, Käfer, Hautflügler (Bienen, Wespen und Ameisen) und Wanzen (Hemiptera) sowie adulte Fliegen (Diptera).
Originalpublikation:
André Amaral, Art Borkent, Viktor Baranov, Carolin Haug, and Joachim Haug. First fossil mosquito larva in 99-million-year-old amber with a modern type of morphology sheds light on the evolutionary history of mosquitoes (Diptera: Culicidae). Gondwana Research, 2025.
https://doi.org/10.1016/j.gr.2025.09.011

29.10.2025, Deutsche Wildtier Stiftung
Halloween: Die wahren Geschöpfe der Nacht finden Rückzugsorte auf dem Friedhof
Halloween – die Nacht der Geister und Fabelwesen. Während sich Menschen in Grusel-Kostüme hüllen, erwachen draußen die wahren Geschöpfe der Dunkelheit. Spinnen weben ihre kunstvollen Netze aus reißfester Seide. Im Mondschein reflektieren Eulenaugen einfallendes Licht wie gespenstische Funken. Gleiten Eulen durch die Lüfte, sind sie mit einer Laustärke von weniger als zwei Kilohertz nicht nur für Menschen, sondern auch für ihre Beutetiere geisterhaft leise. Ihre lauten Rufe dagegen hallen wie uralte Beschwörungen durch die Nacht. In vielen Kulturen galten Eulen als Boten des Schicksals – mal als Unglück, mal als gutes Omen. Der Ruf des Waldkauzes beispielweise, mit dem er jetzt im Herbst zur Balz ruft, jagt so manchem nächtlichen Spaziergänger einen Schauer über den Rücken: Sein melancholisches „Huh-huhuhuhuuu“ hat ihm den Ruf eines Todesboten eingebracht. In Wahrheit ist er ein faszinierender Jäger mit feinen Sinnen. Wie alle Käuze ortet er Geräusche dreidimensional – erkennt also nicht nur, woher, sondern auch, aus welcher Höhe ein Laut kommt. Damit kann er seine bevorzugte Nahrung – Mäuse und Ratten – auch in totaler Finsternis aufspüren.
Auch die Nager selbst sind geschickte nächtliche Jäger. Was klingt wie ein Grusel-Märchen, hat eine erst vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie erstmals belegt: Ratten erbeuten in der Nacht Fledermäuse aus der Luft. „Die Ratten lauern zwischen Felsspalten vor den Ein- und Ausflugschneisen der Fledermäuse und greifen blitzschnell zu, sobald eine Fledermaus aus der Öffnung heraus oder in sie hineinfliegt“, beschreibt Julia-Marie Battermann die spektakulären Videoaufnahmen, die Wissenschaftler am Lüneburger Kalkberg gemacht haben. Battermann ist Leiterin eines Forschungsprojekts der Deutschen Wildtier Stiftung zur Bedeutung des Kalkbergs für Fledermäuse und unterstützte die Studie des Fledermausexperten Florian Gloza-Rausch. Entgegen ihrem blutrünstigen Halloween-Image sind alle in Deutschland vorkommenden Fledermäuse übrigens friedliche Insektenjäger. In den kommenden Wochen ziehen sie sich für ihren Winterschlaf in kühle Nischen und Höhlen zurück.
Die finden sie auch, vor allem in alten Gewölben von Kapellen und Kirchen. Also auch auf Friedhöfen, der Lieblings-Gruselkulisse aller Halloween-Liebhaber. Viele Geschöpfe der Nacht nutzen Friedhöfe als Refugium. Eulen finden dort noch die alten Höhlenbäume, in denen sie brüten und sich bei Tag zurückziehen können. Spinnen ziehen sich an laubbedeckte, frostfreie Orte zwischen den Grabsteinen zurück. Was für Menschen ein willkommener Gänsehaut-Ort an Halloween, ist für diese und viele andere Wildtiere das ganze Jahr ein wichtiger Lebensraum. „Wer Wildtieren etwas Gutes tun möchte, der bepflanzt Gräber naturnah“, sagt Battermann. Heimische Pflanzen wie Efeu, Storchschnabel, Thymian oder Fetthenne – statt Stiefmütterchen, Zierrosen und Thuja – sind robust und locken Insekten an – die perfekte Nahrung nicht nur für die Halloween-Nacht.

31.10.2025, Ludwig-Maximilians-Universität München
Kuckuck: Mütterliche Gene sorgen für verschiedenfarbige Eier
Je nach Wirtsvogel legen Europäische Kuckucke ganz unterschiedliche Eier. Genetische Analysen zeigen, wie diese Anpassung vererbt wird, ohne dass es zur Aufspaltung der Art kommt.
Leuchtend blau, weiß, grünlich, gesprenkelt oder gestreift – Kuckuckseier zeigen eine erstaunliche Vielfalt. Diese Farbpalette ist das Ergebnis eines evolutionären Wettlaufs mit über 100 Wirtsvogelarten: Denn der Kuckuck brütet seine Eier nicht selbst aus, sondern legt sie heimlich in die Nester fremder Vogelarten. Damit ein Wirt das Kuckucksei nicht erkennt und aus dem Nest wirft, muss es dessen eigenen Eiern möglichst ähnlich sehen. Jedes Kuckucksweibchen ist jedoch auf eine bestimmte Färbung festgelegt. Es gibt daher Hinweise, dass beim Europäischen Kuckuck (Cuculus canorus) verschiedene Evolutionslinien existieren, die jeweils an bestimmte Wirtsvogelarten angepasst sind.
Ein internationales Team um die LMU-Evolutionsbiologen Justin Merondun und Jochen Wolf hat nun die genetischen Grundlagen dieser Anpassungen entschlüsselt und untersucht, wie der Kuckuck trotzdem eine einzige Art bleibt. Denn eine Spezialisierung auf unterschiedliche Wirte kann dazu führen, dass Populationen sich genetisch auseinanderentwickeln und verschiedene Arten entstehen. Für ihre Studie analysierten die Forschenden rund300 Genome des Europäischen und 50 des Orientalischen Kuckucks (Cuculus optatus), der östlichen Schwesternart. Anschließend prüften sie, welche Genvarianten mit der Eierfärbung zusammenhängen.
Vererbung über die W-Chromosom
„Die Frage war: Wie kann ein Kuckuck die passende Eierfarbe zuverlässig weitergeben?“, sagt Wolf. „Schließlich weiß ein Weibchen nicht, wie ihr eigenes Ei aussieht.“ Vermutlich kehren Kuckucksweibchen in ein Nest der Art zurück, von der sie selbst aufgezogen wurde. Damit die Eierfarbe wirklich passt, sollte sie aber genetisch abgesichert sein. Schon in den 1930er-Jahren wurde die Hypothese formuliert, dass dies über die mütterliche Linie erfolgt.
Die aktuellen Analysen bestätigen nun, dass die Grundfarbe der Eier beim Europäischen Kuckuck fast ausschließlich über das weibliche Geschlechtschromosom – das W-Chromosom – und die Mitochondrien vererbt wird. Die Musterung hingegen hängt stärker von autosomalen Genen ab, die von beiden Eltern stammen. Bei den untersuchten Orientalischen Kuckucken, deren Eier alle weißlich-grün waren und sich nur in der Musterung unterschieden, fanden die Forschenden keine Vererbung über die mütterliche Linie.
Die Vererbung über das W-Chromosom stellt sicher, dass Töchter immer Eier mit derselben Grundfarbe wie ihre Mütter legen. Für neue Anpassungen ist diese Art der Vererbung allerdings nicht optimal, denn die genetischen Variationsmöglichkeiten sind begrenzt und hängen stärker von zufälligen Mutationen ab als bei Autosomen. „Deshalb war es für uns eine spannende Beobachtung, dass offenbar ein Gen, das möglicherweise an der Eifärbung beteiligt ist, im Lauf der Evolution von den Autosomen auf das W-Chromosom „umgezogen“ ist“, so Wolf.
Genfluss bleibt erhalten
Die matrilineale Vererbung wirkt sich auf die Verteilung der gesamten genetischen Varitation in einer Art aus. Wenn Merkmalsvariationen beide Geschlechter betreffen, können Anpassungen an unterschiedliche Wirtsarten schnell zur Aufspaltung von Populationen – und damit zur Bildung neuer Arten – führen. Beim Kuckuck dagegen können sich die Weibchen frei mit beliebigen Männchen verpaaren, ohne die Anpassung an ihren Wirt zu verlieren. Der Genfluss über das restliche Genom bleibt erhalten. „Und das ist genau das, was wir beobachten: Die riesige Kuckuckspopulation über ganz Eurasien ist genetisch fast identisch“, betont Wolf.
Doch dieser evolutionäre Vorteil schützt den Kuckuck nicht vor den Gefahren der Gegenwart. In vielen Regionen Europas nehmen die Bestände deutlich ab, da sein Lebensraum schwindet. „Ohne intakte Lebensräume droht dieses faszinierende System vor unserer Haustür zu verschwinden“, warnt Wolf.
Originalpublikation:
J. Merondun et al.: Genomic architecture of egg mimicry and its consequences for speciation in parasitic cuckoos. Science 2025
https://doi.org/10.1126/science.adt9355

31.10.2025, Deutsche Wildtier Stiftung
Wertvolle Landschaften als Geschenk an die nächsten Generationen: 20 Jahre Nationales Naturerbe
Wo junge Bäume wild durcheinander wachsen und alte nur vom Sturm gefällt werden, wo der Boden viele Wochen des Jahres wassergetränkt ist und Totholz im Wald verbleibt, dort entsteht langsam ein Stück wilder Natur. Nationale-Naturerbe-Wälder dürfen sich zu Urwäldern entwickeln, wie man sie aus den Märchen der Gebrüder Grimm kennt: Mit mächtigen Buchen und knorrigen Eichen, Farnen und Moosen auf dem Waldboden und stillen Waldmooren, auf denen weißes Wollgras leuchtet.
Das Nationale Naturerbe ist eines der bedeutendsten Naturschutzprojekte Deutschlands. Seit 2005 gibt die Bundesregierung ausgewählte wertvolle Naturflächen aus dem Bundeseigentum in die Hände von Naturschutzorganisationen. So werden die Gebiete für kommende Generationen als Orte der biologischen Vielfalt erhalten. Das Nationale Naturerbe Deutschlands umfasst etwa 164.000 Hektar Wälder, Moore, Seen und Offenland. Viele dieser Flächen waren früher für die Öffentlichkeit gesperrt, zum Beispiel weil sie militärisch genutzt wurden. Wo nur wenige Menschen Zutritt hatten, blieb die Natur weitgehend ungestört.
Auch die Deutsche Wildtier Stiftung trägt Verantwortung für Flächen aus dem Nationalen Naturerbe. Die Bundesregierung hat der Stiftung seit 2007 elf Nationale-Naturerbe-Flächen in Mecklenburg-Vorpommern mit insgesamt rund 3.700 Hektar übertragen – von Tilzow auf der Insel Rügen bis Rechlin an der Müritz. Hier finden Mopsfledermaus, See- und Schreiadler, Schwarzstorch, Kranich, Waldiltis, Moorfrosch und zahlreiche Schmetterlingsarten ein Zuhause. „Unsere Flächen tragen dazu bei, dass Deutschland sein Ziel von fünf Prozent Waldwildnis und zukünftig sogar das Zwei-Prozent-Wildnisgebiets-Ziel erreichen kann“, sagt Petra Riemann, Leiterin des Flächenmanagementteams der Deutschen Wildtier Stiftung. „Die Flächen sind von unschätzbarem Wert für die biologische Vielfalt und bieten Rückzugsräume für seltene Arten.“
Natur- und Artenschutz haben auf allen Flächen absoluten Vorrang. Die Maßnahmen dafür sind vielfältig. Laubwälder werden der natürlichen Entwicklung überlassen, damit Waldwildnis entstehen kann. Heiden müssen gepflegt werden, damit sie Heidelerche, Ziegenmelker, Kreuzotter und Heidelibelle Lebensraum bieten können. Wiesen und Weiden in der Agrarlandschaft werden extensiv bewirtschaftet – ohne künstlichen Dünger oder Pestizide – und durch Hecken und Feldgehölze aufgewertet. So entstehen wertvolle Lebensräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten.
Diese einzigartigen, wilden Landschaften sind ein wertvolles Geschenk an kommende Generationen. Zum 20-jährigen Bestehen des Nationalen Naturerbes lud das Bundesumweltministerium am Donnerstag zu einer Festveranstaltung nach Berlin ein. Dort übernahm Marie Geisler, Forstwissenschaftlerin bei der Deutschen Wildtier Stiftung, gemeinsam mit jungen Vertretern zweier anderer Naturschutzorganisationen symbolisch den Staffelstab für das Nationale Naturerbe – als Zeichen dafür, dass der Schutz wilder Natur und wilder Tiere in Deutschland weitergeht.

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