04.01.2019,Max-Planck-Institut für Ornithologie
Bei Blaumeisen beeinflusst das Alter der Weibchen und die Legefolge die Qualität der Eier
Brütende Blaumeisen-Weibchen stimmen die Zusammensetzung ihrer Eier auf die Bedürfnisse der aus ihnen schlüpfenden Küken ab. So entwickelt sich jeder Embryo in seiner ganz individuell zusammengesetzten Umgebung. Die neue Forschung vom Max-Planck-Institut für Ornithologie und internationalen Kollegen zeigt, wie richtig der deutsche Ornithologe Wolfgang Makatsch mit seinem vor über 50 Jahren veröffentlichten Buch lag: „Kein Ei gleicht dem anderen“. Die Forscher fanden heraus, dass die Feinabstimmung sowohl passiv als auch aktiv durch Ausgleichsmechanismen der Weibchen erfolgt: Die Legefolge sowie das Alter der Weibchen wirken sich auf die Menge der Proteine, Fette und Karotinoide im Ei aus.
Die Qualität eines Eis ergibt sich aus seiner Größe und seiner Zusammensetzung. Für alle Vogelarten gilt, dass aus größeren Eiern auch größere, stärkere und lebensfähigere Nachkommen schlüpfen. Spezifische Inhaltsstoffe des Eis wie Antioxidantien oder antimikrobielle Proteine können das Wachstum, die Entwicklung oder das Immunsystem des Nachwuchses befördern. Die Qualität eines Eis ist sehr unterschiedlich bei freilebenden Arten, sogar innerhalb eines Geleges. Dies kann zu großen Unterschieden zwischen Geschwistern führen. Um herauszufinden, wie Eier sich unterscheiden, haben Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Ornithologie und für Biochemie sowie der Universität Hohenheim in Süddeutschland brütende Blaumeisen (Cyanistes caeruleus) untersucht.
Blaumeisen sind kleine, sozial monogame Singvögel, die sich nur einmal im Jahr fortpflanzen. Die Weibchen legen täglich ein Ei, bis das Gelege zwischen 7 und 15 Eier umfasst und oft schwerer ist als das Weibchen selbst. Eine solch anstrengende Fortpflanzung ist schwierig aufrechtzuerhalten und so kommt es, dass größere Gelege in der Regel aus kleineren Eiern bestehen. Die Stoffzusammensetzung der Eier kann sich von Tier zu Tier unterscheiden. Sie hängt von der Fähigkeit der Weibchen ab, unterschiedliche Inhaltsstoffe für das Ei zu sammeln, bilden und einzulagern.
In ihrer Studie haben die Wissenschaftler den Nährstoffgehalt und die Konzentration von sechs Karotinoiden und fast 300 verschiedenen Proteinen eines jeden Eis gemessen. Karotinoide sind Antioxidantien, die sowohl für die Embryonalentwicklung als auch für das Immunsystem des Nachwuchses wichtig sind. Die Vögel können sie jedoch nicht selbst herstellen, sondern nehmen sie über ihre Nahrung auf. Die Fähigkeit, Karotinoide im Eigelb einzulagern ist daher begrenzt auf die Verfügbarkeit von karotinoidreichen Insekten.
“Es war sehr spannend zu sehen, wie verschieden jedes Ei in einem Gelege sein kann, obwohl es doch vom gleichen Weibchen gelegt wurde”, sagt Cristina Valcu, Erstautorin der Studie. So nimmt zum Beispiel die Konzentration von Karotinoiden innerhalb des Geleges von Ei zu Ei ab. Jungtiere, die aus später gelegten Eiern mit weniger Karotinoiden schlüpfen, könnten folglich ein schwächeres Immunsystem haben. Jedoch enthalten Eier mit einer geringeren Karotinoid-Konzentration mehr Proteine, die eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr spielen. Vermutlich regulieren die Weibchen den Proteingehalt der Eier und kompensieren so Umwelteinflüsse auf die Eier.
Auch andere Proteinkonzentrationen wurden von der Legefolge beeinflusst. Die ersten Eier eines Geleges weisen zum Beispiel eine höhere Konzentration an Proteinen auf, die für den Stoffwechsel, Zellaufbau sowie die Bildung von Geweben oder und Organen wichtig sind. Küken aus den zuerst gelegten Eiern können so möglicherweise bereits in einem weiter entwickelten Stadium schlüpfen als ihre Geschwister. “Unsere Ergebnisse könnten erklären, warum Kuckuckskinder – also Küken, die einen anderen Vater haben als den sozialen Partner des Weibchens – sich oft besser entwickeln als ihre Halbgeschwister im Nest. Sie schlüpfen nämlich typischerweise aus den ersten Eiern eines Geleges”, erklärt der Leiter der Studie Bart Kempenaers.
Das Alter der Weibchen hatte ebenfalls Einfluss auf die Zusammensetzung des Eigelbs: Im Gelege von älteren Weibchen fanden die Forscher eine höhere Konzentration bestimmter Proteine als in Eiern von Weibchen, die zum ersten Mal brüteten. Die erfahreneren älteren Weibchen scheinen also bessere Fähigkeiten darin zu haben, Proteine im Eigelb einzulagern. All diese Ergebnisse zeigen, dass die Vogelmütter die Eigenschaften ihres Nachwuchses unabhängig von den vererbten Genen über eine unterschiedliche Proteinzusammensetzung der Eier beeinflussen können.
Originalpublikation:
Cristina-Maria Valcu, Richard A. Scheltema, Ralf M. Schweiggert, Mihai Valcu, Kim Teltscher, Dirk M. Walther, Reinhold Carle, Bart Kempenaers (2018). Life history shapes variation in egg composition in the blue tit Cyanistes caeruleus. Communications Biology, published on January 04, 2019 (DOI: 10.1038/s42003-018-0247-8)
04.01.2019, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Phytolith- und Wassergehalt von Futterpflanzen beeinflussen Zahnschmelzabrieb von Wirbeltieren
Verschiedene Futterpflanzen reiben den Zahnschmelz von Wirbeltieren unterschiedlich stark ab, was unter anderem am unterschiedlichen Phytolith- und Wassergehalt der Pflanzen liegt. Zu diesen Ergebnissen ist ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) durch Untersuchungen an Meerschweinchen gekommen.
Wie die Forscherinnen und Forscher in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „PNAS“ berichten, könnten die neuen Erkenntnisse erhebliche Auswirkungen auf die Interpretation von Oberflächentexturdaten von Zähnen ausgestorbener Tiere und damit für die Rekonstruktion der Ernährungsweisen und Lebensräume dieser Tiere haben. Unter anderem haben sie nachgewiesen, dass Zahnschmelz durch Pflanzen mit höheren Phytolithgehalten, etwa Gräser, stärker abgenutzt wird als durch Pflanzen mit geringeren Phytolithgehalten, zum Beispiel Luzerne. Phytolithe sind winzige Einlagerungen aus Siliziumdioxid, die von vielen Pflanzen gebildet werden. Obwohl sie weicher sind als Zahnschmelz, ist dennoch immer wieder diskutiert worden, ob sie wesentlich zur Abnutzung der Zähne beitragen, oder ob dafür vor allem mitgefressener Mineralstaub oder Sand verantwortlich sind. Die abrasive Wirkung der Phytolithe konnte durch die Studie zweifelsfrei belegt werden, da die verfütterten Pflanzen allesamt frei von anhaftenden Quarzstaub- oder Bodenpartikeln waren, aber unterschiedliche Phytolithgehalte von 0,5 bis 3 Prozent enthielten. Höhere Phytolithgehalte führten dabei zu stärkerem Zahnabrieb. Darüber hinaus konnte die Studie zeigen, das auch der Wassergehalt der Pflanzen eine Rolle spielt. Vor allem trockenes Gras führt zu stärkerem Zahnabrieb als das gleiche, frisch verfütterte Gras. „Aufgrund der Analyse des Zahnabriebs an fossilen Zähnen werden häufig Rückschlüsse auf die Lebensräume der entsprechenden Tiere gezogen“, sagt die Leiterin der Studie, Dr. Daniela Winkler vom Institut für Geowissenschaften der JGU. „Ein schwächerer Abrieb könnte zum Beispiel darauf hindeuten, dass das Tier in einer bewaldeten Landschaft mit vielen Kräutern und viel Laub gelebt hat und nicht in einer steppenartigen Umgebung mit viel Gras.“ In der Studie wurden daher die Abrasionseigenschaften von frischen und trockenen Pflanzen mit unterschiedlichem Phytolithgehalt systematisch getestet.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten in der Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere der Universität Zürich sechs Gruppen von Meerschweinchen drei Wochen lang mit drei unterschiedlichen, jeweils frischen und getrockneten Pflanzen (Luzerne, Gras und Bambus) gefüttert. Anschließend wurde mit einem hochauflösenden Mikroskop die Oberflächentopographie des Zahnschmelzes von Backenzähnen der Meerschweinchen untersucht. Das Ergebnis war, dass mit steigendem Phytolithgehalt des Futters der Abrieb zunahm. „Außerdem konnten wir einen starken Einfluss des Wassergehalts im Futter auf den Abrieb zeigen“, sagt Winkler. „Der Zahnschmelz der Meerschweinchen, die wir mit trockenem Gras gefüttert hatten, war wesentlich stärker abgenutzt und rauer als der Zahnschmelz derjenigen, die frisches und damit feuchteres Gras bekommen hatten.“ Bemerkenswerterweise fanden sich aber keine Unterschiede in der Zahnoberflächentextur zwischen den Meerschweinchen, die frische oder getrocknete Luzerne oder frisches Gras gefressen hatten. „Das könnte auf eine potenzielle Fehlerquelle bei der paläontologischen Rekonstruktion von Ernährungsgewohnheiten und Lebensräumen von Pflanzenfressern anhand des Zahnabriebs hindeuten“, sagt Winkler. „Denn obwohl der Abrieb durch Luzerne und feuchtes Gras ähnlich schwach ist, können sich Landschaften, in denen Luzerne oder Gras wachsen, stark unterscheiden. Weiterhin zeigen die Frischgrasfresser Zahnoberflächentexturen, die denen von Laubfressern ähneln können. Diese Erkenntnisse müssen bei der Rekonstruktion der Ernährungsweise ausgestorbener Tiere anhand fossiler Zähne berücksichtigt werden.“
An der Studie waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der JGU, der Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere der Universität Zürich, des Centrums für Naturkunde der Universität Hamburg, der Universität Gent sowie des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropolgie in Leipzig beteiligt. Die Studie fand im Rahmen des Forschungsprojekts „Vertebrate Herbivory“ von Prof. Dr. Thomas Tütken vom Institut für Geowissenschaften der JGU statt, das vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem sogenannten Consolidator Grant gefördert wird.
Originalpublikation:
D. E. Winkler, E. Schulz-Kornas, T. M. Kaiser, A. De Cuyper, M. Clauss, T. Tütken
Forage silica and water content control dental surface texture in guinea pigs and provide implications for diet reconstruction
Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS),
3. Januar 2019: https://doi.org/10.1073/pnas.1814081116