Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

14.05.2024, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Maskierte Räuber: Waschbären sind eine Gefahr für heimische Amphibien und Reptilien
Der Frankfurter Parasitologe und Infektionsbiologe Prof. Dr. Sven Klimpel zeigt gemeinsam mit weiteren Forschenden im Rahmen des Verbundprojektes ZOWIAC in einer aktuellen wissenschaftlichen Studie, dass Waschbären in Deutschland Amphibien und Reptilien als Nahrungsquelle nutzen. Die invasiven Raubtiere stellen dadurch eine Bedrohung für die heimische Fauna dar. Die Forschenden analysierten den Kot, die Mageninhalte und die Parasitenfauna von insgesamt 108 Waschbären aus Naturschutzgebieten in Hessen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Sie resümieren, dass die invasive Spezies heimische Ökosysteme beeinflusst und auch geschützte Arten zunehmend gefährdet.
Die Probleme, die Waschbären verursachen, zeigen sich auf vielfältige Weise: Durchwühlte Mülltonnen, Beschädigungen an Isolierung und Kabeln auf Dachböden, geplünderte Gärten. „Ursprünglich aus Nordamerika stammend breitet sich der Waschbär – Procyon lotor – immer weiter in der Bundesrepublik und von hier über Europa aus“, erklärt Prof. Dr. Sven Klimpel vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und der Goethe-Universität Frankfurt und fährt fort: „Dabei richtet er nicht nur Chaos in deutschen Privathaushalten an, sondern bedroht auch zunehmend die heimische Artenvielfalt. Diese Vermutung hat unsere neue wissenschaftliche Studie nun eindeutig bestätigt.“
Klimpel und sein Team haben 108 Waschbären aus Hessen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg unter die Lupe genommen. Dabei untersuchten sie die Mageninhalte, den Kot und die Parasitenfauna der Raubtiere mit der typischen schwarzen Maske. „Alle von uns analysierten Tiere stammen aus Naturschutzgebieten mit Wasserzugang. Die Ergebnisse der Studie zeigen klar, dass insbesondere die Laichgebiete von Amphibien und Reptilien als Nahrungsressource von Waschbären genutzt werden“, erläutert Klimpel. In den Mägen der Waschbären wurden unter anderem Erdkröten (Bufo bufo), Teichmolche (Lissotriton vulgaris), Grasfrösche (Rana temporaria) sowie Ringelnattern (Natrix natrix) identifiziert. „Während der Probennahme im hessischen Spessart haben wir beispielsweise an einem Tag über 400 gehäutete Kröten an einer Wasserfläche von etwa 2000 Quadratmetern gezählt. Das beobachtete spezialisierte Verhalten und die Tendenz, bestimmte Beutetiere in bestimmten Regionen zu bevorzugen, bestätigen frühere Erkenntnisse darüber, dass Waschbären sich zu Spezialisten in der Nahrungswahl entwickeln können, die gewisse Arten bevorzugen und gezielt nutzen.“
Ergänzend zur Analyse des Nahrungsspektrums der Waschbären wurde von den Forschenden deren Parasitenfauna analysiert. Diese erlaubt – anders als die Mageninhaltanalysen – auch Rückschlüsse auf zeitlich entferntere Interaktionsprozesse zwischen den Tieren und den Nahrungsorganismen. Mit ihren verschiedenen Entwicklungsstadien und Lebenszyklen, die unterschiedliche Organismen als Zwischenwirte beinhalten, nutzen Parasiten das gesamte Nahrungsnetz, um ihren endgültigen Wirt zu erreichen. Somit lassen sich Parasiten gut als Indikatoren für die Art und Herkunft der Nahrungsorganismen heranziehen. Insgesamt wurden 16 Parasitenarten – 5 Ekto- und 11 Endoparasiten – an und in den Waschbären nachgewiesen. Drei Parasitenarten – Hymenolepis erinacei, Physocephalus sexalatus und Pomphorhynchus laevis – sind dabei erstmalig bei Waschbären in Europa belegt.
„Interessanterweise haben wir auch Parasiten identifiziert, die typisch für Amphibien und Reptilien sind. Insbesondere die von uns in den Tieren bestimmten Arten Euryhelmis squamula und Isthmiophora melis nutzen Frösche und Co. als Zwischenwirte – ein weiteres Indiz, dass die heimische Amphibien- und Reptilienfauna zu regelmäßiger Nahrung der Waschbären gehört“, so Klimpel.
Der Frankfurter Parasitologe und sein Team warnen in der neu veröffentlichten Arbeit davor, dass Waschbären in bestimmten Gebieten eine signifikante Auswirkung auf gefährdete Tierarten haben und als invasive Spezies einen negativen Einfluss auf einheimische Arten und Ökosysteme ausüben können. „Wir halten es für notwendig in Gebieten, in denen seltene Arten vorkommen, Managementmaßnahmen für Waschbären festzulegen, um das übergreifende Naturschutzziel ‚Erhaltung gefährdeter Arten‘ zu gewährleisten“, schließt Klimpel.
Originalpublikation:
Norbert Peter, Anna V. Schantz, Dorian D. Dörge, Anne Steinhoff, Sarah Cunze, Ajdin Skaljic, Sven Klimpel (2024): Evidence of predation pressure on sensitive species by raccoons based on parasitological studies. International Journal for Parasitology: Parasites and Wildlife, Volume 24. https://doi.org/10.1016/j.ijppaw.2024.100935

15.05.2024, Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung
City Nature Challenge 2024 – Spitzenplatz für Berlin mit Knoblauchkröte und Wendehals
In Berlin haben dieses Jahr 355 Beobachter: innen bei der City Nature Challenge 2024 (CNC) teilgenommen. Wissenschaftler: innen als auch Naturinteressierte haben gemeinsam 17.944 Beobachtungen wildlebender Tiere, Pflanzen und Pilze auf die Plattform iNaturalist hochgeladen und dabei 2.304 Arten bestimmt. Das Exkursionsprogramm wurde vom Museum für Naturkunde Berlin initiiert und in Kooperation mit einer Vielzahl an Berliner Forschungseinrichtungen, Naturschutzverbänden und Akteuren der Umweltbildung umgesetzt. Weltweit wurden über 2,4 Millionen Beobachtungen erfasst. Mit diesem hohen Engagement leisten die CNC einen wertvollen Beitrag zum globalen Verständnis von biologischer Vielfalt.
Seit 2016 findet weltweit die City Nature Challenge (CNC) statt. In diesem freundschaftlichen Wettbewerb treten Städte gegeneinander an, um im Sinne von Citizen Science (Bürger:innenwissenschaft) so viele Tier-, Pflanzen- und Pilzarten wie möglich im urbanen Raum digital auf Artmeldeplattformen wie beispielsweise iNaturalist zu erfassen. Unter Citizen Science ist im Zuge der City Nature Challenge die Teilnahme von interessierten Laien gemeinsam mit akademisch gebundenen Wissenschaftler:innen zu verstehen.
Bemerkenswerte Beobachtungen und Funde während der Challenge waren unter anderem die Knoblauchkröte (Pelobates fuscus), der Wendehals (Jynx torquilla), die Waldschnepfe (Scolopax rusticola), die Rotbauchunke (Bombina bombina) und verschiedene Orchideenarten (Orchidaceae). Besonders war auch die Erstmeldung der Pelzbiene (Anthophora retusa) auf iNaturalist in Berlin. Zudem wurde die invasive Rotflecken-Schwebegarnele (Hemimysis anomala) erstmals in einem Naturschutzgebiet in Spandau nachgewiesen, was einen Erstnachweis für Berlin auf der Artmeldeplattform iNaturalist darstellt. Auch die Wiederentdeckung der Rüsselkäferart Bradybatus creutzerii, die zuvor während der City Nature Challenge in Berlin 2023 erstmals auf der Meldeplattform nachgewiesen wurde, zählte zu den herausragenden Funden. Diese Beispiele zeigen das große Potenzial von Citizen Science Events einen wertvollen und bedeutenden Beitrag zur Biodiversitätsforschung zu leisten, insbesondere in urbanen und dicht besiedelten Räumen.
“Die Vielfalt der während der City Nature Challenge 2024 in Berlin entdeckten Arten verdeutlicht eindrucksvoll, wie artenreich unsere Stadt ist.” – Organisationsteam der City Nature Challenge am Museum für Naturkunde Berlin
In Deutschland belegte Berlin mit 17.944 Beobachtungen, 355 Teilnehmenden und 2.304 Arten erneut erfolgreich den ersten Platz. Gefolgt von Kiel (6.907 Beobachtungen) und Frankfurt am Main (2.187 Beobachtungen). Weltweit gewinnt La Paz die City Nature Challenge 2024 mit großartigen 165.839 Beobachtungen, 5.352 Arten und 3.593 Teilnehmer: innen. Auf dem zweiten Platz folgen Nuevo Leon in Mexiko (81.727 Beobachtungen) und Texas in den USA (64.728). Berlin landete mit Platz 32 unter den TOP 50 von 700 Städten weltweit.
Im kommenden Jahr möchte das Netzwerk der Berliner Institutionen erneut dazu einladen, an der CNC 2025 teilzunehmen. Dies ist entweder bei einer der geführten Naturexkursionen oder anderen Aktivitäten oder ganz einfach privat möglich. Langfristig wird es das ambitionierte Ziel sein, unter die Top Ten Städte der Welt zu kommen.

15.05.2024, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
Quallen könnten künftig den Arktischen Ozean dominieren
Der Klimawandel setzt viele Meeresorganismen immer stärker unter Druck. Quallen jedoch könnten von steigenden Wassertemperaturen profitieren – besonders im Arktischen Ozean. Im Computermodell setzten AWI-Forschende acht weit verbreitete arktische Quallenarten steigenden Temperaturen aus. Das Ergebnis: Bis auf eine Ausnahme konnten alle untersuchten Spezies ihren Lebensraum bis in die zweite Hälfte des laufenden Jahrhunderts massiv polwärts ausdehnen. Die „Feuerqualle“ kann ihr Habitat sogar fast verdreifachen – mit potentiell dramatischen Folgen für das marine Nahrungsnetz und die arktischen Fischbestände. Die Studie wurde nun im Fachmagazin Limnology and Oceanography veröffentlicht.
Quallen könnten künftig zu den wenigen Gewinnern des Klimawandels zählen. Denn wie zahlreiche Studien belegen, profitieren die transparenten Nesseltiere ganz erheblich von steigenden Wassertemperaturen, aber auch von Nährstoffeinträgen und Überfischung. In Kombination könnten diese Faktoren zu einer gewaltigen Verschiebung im Ozean führen – weg von einem produktiven und von Fischen dominierten Nahrungsnetz hin zu einem weniger produktiven Meer voller Quallen. Forschende sprechen deshalb bereits von einer drohenden „Ocean jellification“, also einer globalen „Verquallung“ der Ozeane.
„Quallen spielen im marinen Nahrungsnetz eine wichtige Rolle“, erklärt Dmitrii Pantiukhin, Doktorand in der auf arktische Quallen spezialisierten Nachwuchsgruppe ARJEL („Arctic Jellies“) am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Übt nun etwa der Klimawandel Stress auf die Meeresbewohner aus, können sich die Nesseltiere oft gegen Nahrungskonkurrenten wie Fische durchsetzen. Das hat dann wiederum Folgen für das ganze Nahrungsnetz und letztlich auch die Fische selbst. Denn viele Quallen ernähren sich von Fischlarven und Eiern und verzögern oder verhindern so eine Erholung von unter Druck geratenen Fischpopulationen, die zudem meist auch noch durch den Menschen stark bewirtschaftet werden. Wer also wissen will, wie sich die auch für uns wichtige Nahrungsquelle Fisch in Zukunft entwickeln wird, muss die Quallen in den Blick nehmen.“
Trotz ihrer großen Bedeutung für alle Meeresorganismen werden die durchsichtigen Nesseltiere in ökologischen Studien und Modellsimulationen oft übersehen oder vernachlässigt. Mit seiner Studie füllt das AWI-Team um Dmitrii Pantiukhin nun eine bedeutsame Wissenslücke und konzentriert sich dabei auf einen Hot-Spot des Klimawandels. „Von allen Ozeanen erwärmt sich der Arktische Ozean am schnellsten“, sagt der Studienerstautor. „Außerdem steht die Arktis für rund 10 Prozent der globalen Fischereierträge. Deshalb ist der hohe Norden ein idealer Ort für unsere Untersuchungen.“
Über die Physiologie der Quallen einschließlich des optimalen Temperaturbereichs für ihre Vermehrung ist schon einiges bekannt. Im Rahmen seiner Studie hat das AWI-Team nun dreidimensionale Artverbreitungsmodelle mit den ozeanographischen Komponenten des „Max Planck Institute Earth System Model“ (MPI-ESM1.2) gekoppelt. „Oft werden Simulationen zur Artverbreitung im Ozean nur zweidimensional berechnet, also wie eine Fläche behandelt“, erklärt Dr. Charlotte Havermans, Leiterin der Nachwuchsgruppe ARJEL am AWI. „Gerade die Verbreitung von Quallengemeinschaften ist aber extrem abhängig von der spezifischen Wassertiefe. Deshalb haben wir unsere Artmodelle dreidimensional ausgelegt. Durch die Kopplung mit dem MPI-Erdsystemmodell konnten wir dann für acht bedeutende Quallenarten berechnen, wie sich deren Verbreitung ausgehend vom Referenzzeitraum 1950 bis 2014 bis in die zweite Hälfte des laufenden Jahrhunderts 2050 bis 2099 verändern wird. Für die Zukunft haben wir dabei das Klimaszenario ‚ssp370‘, also einen Entwicklungspfad mit weiterhin mittleren bis hohen Treibhausgasemission zugrunde gelegt.“
Das Ergebnis spricht eine deutliche Sprache: Sieben der acht Spezies – darunter Melonenquallen (Beroe sp. / + 110 %) und Pelagische Seescheiden (Oikopleura vanhoeffeni / + 102 %) – können bis zum Zeitraum 2050 bis 2099 ihren Lebensraum teilweise erheblich polwärts ausdehnen und profitieren dabei auch vom weiteren Rückgang der Meereisbedeckung. Besonders stark in Richtung Norden breitet sich die als „Feuerqualle“ bekannte Gelbe Haarqualle Cyanea capillata aus: Sie kann ihren Lebensraum mit einem Zuwachs von 180 Prozent fast verdreifachen. Lediglich eine untersuchte Art (Sminthea arctica) hat einen leichten Rückgang um 15 Prozent zu verzeichnen, da sie sich ihrem Temperaturoptimum folgend in größere Tiefen zurückziehen muss.
„Diese Ergebnisse machen deutlich, wie dramatisch der Klimawandel die Ökosysteme des Arktischen Ozeans in Zukunft verändern kann“, sagt AWI-Forscher Dmitrii Pantiukhin. „Die prognostizierte Ausdehnung der Quallenhabitate könnte massive und kaskadenhafte Auswirkungen auf das ganze Nahrungsnetz haben.“
Noch offen ist die Frage, wie sich der Vormarsch der Nesseltiere auf die arktischen Fischbestände auswirken würde. „Vieles spricht dafür, dass wichtige arktische Fischspezies wie der Polardorsch, dessen Larven und Eier häufig von Quallen gefressen werden, noch stärker unter Druck geraten“, erklärt ARJEL-Leiterin Charlotte Havermans. „Unsere Studie liefert daher eine wichtige Grundlage für weitere Forschungen auf diesem Gebiet. Und auch Management-Pläne im Fischereibereich müssen diese dynamische Entwicklung dringend berücksichtigen, wenn sie den Zusammenbruch stark befischter Bestände künftig vermeiden und diese nachhaltig bewirtschaften wollen.“
Originalpublikation:
Dmitrii Pantiukhin, Gerlien Verhaegen, Charlotte Havermans: Pan-Arctic distribution modeling reveals climate-change-driven poleward shifts of major gelatinous zooplankton species; Limnology & Oceanography (2024). DOI: 10.1002/lno.12568

17.05.2024, Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung
Stachelbeinig durch den Steinkohlewald
Douglassarachne acanthopoda stammt aus der berühmten Fundstelle Mazon Creek in Illinois, USA, und ist etwa 308 Millionen Jahre alt. Dieses Spinnentier zeichnet sich durch seine bemerkenswert robusten und stacheligen Beine aus, sodass es ganz anders ist als alle anderen bekannten lebenden oder ausgestorbenen Spinnentiere. Beschrieben wird es nun in der internationalen Fachzeitschrift Journal of Paleontology von den Forschern Jason Dunlop vom Museum für Naturkunde Berlin und von Paul Selden von der University of Kansas und dem Natural History Museum of London.
Vor mehr als 300 Millionen Jahren krochen allerlei Spinnentiere in den Steinkohlewäldern des Karbons Nordamerikas und Europas umher. Dazu gehörten bekannte Formen wie Spinnen, Weberknechte und Skorpione, aber auch exotische Tiere, die heute in wärmeren Regionen vorkommen, wie Geißelspinnen und Geißelskorpione. In den Steinkohlewäldern waren Spinnen eine eher seltene Gruppe. Darunter waren – neben primitiven Formen – auch Spinnentieren, die heute längst ausgestorben sind.
Douglassarachne acanthopoda ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel für eine dieser ausgestorbenen Formen. Die sehr stacheligen Beine des 1,5 cm großen Fossils erinnern an einige moderne Weberknechte. Der Körperbau unterscheidet sich jedoch deutlich von dem eines Weberknechtes oder einer anderen bekannten Spinnentiergruppe. Leider sind Details wie die Mundwerkzeuge nicht zu sehen, was die Einordnung zu den nächsten Verwandten erschwert. Wahrscheinlich ist, dass Douglassarachnae einer größeren Gruppe angehört, zu der Spinnen, Geißelspinnen und Geißelskorpione gehören. Unabhängig von ihrer evolutionären Verwandtschaft scheinen diese stacheligen Spinnentiere aus einer Zeit zu stammen, als Spinnentiere mit einer Reihe verschiedener Körperbaupläne experimentierten. Einige davon starben später aus, möglicherweise während des sogenannten „Carboniferous Rainforest Collapse“. So wird die Zeit kurz nach der Ära von Mazon Creek beschrieben, als die Steinkohlewälder abzusterben begannen.
Der Fossilienfundort Mazon Creek gibt einen der wichtigsten Einblicke in das Leben im späten Karbon und hat eine Vielzahl faszinierender Pflanzen und Tiere hervorgebracht. Das vorliegende Fossil wurde in den 1980er Jahren von Bob Masek in einer Ton-Eisenstein-Konkretion entdeckt. Der Gattungsname Douglassarachne ist ein Andenken an die Familie Douglass, die das Exemplar freundlicherweise dem Field Museum of Natural History in Chicago zur wissenschaftlichen Untersuchung schenkte. Auf die einzigartigen und charakteristischen stacheligen Beine des Tieres bezieht sich acanthopoda
Zitat
Selden, P. A. & Dunlop, J.A. 2024. A remarkable spiny arachnid from the Pennsylvanian Mazon Creek Lagerstätte, Illinois. Journal of Paleontology. The article has published as Open Access (OA) on the following link: https://doi.org/10.1017/jpa.2024.13

21.05.2024, Deutsche Wildtier Stiftung
Bitte Rücksicht nehmen – Graugänse suchen Mauserplätze in Parks auf
Wer derzeit durch Parks und Grünanlagen spaziert, hat gute Chancen, ein besonderes Schauspiel beobachten zu können: Graugänse versammeln sich auf wassernahen Wiesen. In den vergangenen Wochen wurden die Graugansküken geboren – Gössel genannt. Eifrig zupfen die noch flugunfähigen Kleinen Gräser aus dem Boden – streng überwacht von Gans und Ganter. Meist grasen gleich mehrere Gänsefamilien gemeinsam – denn Gänse sind gesellig und warnen sich gegenseitig vor Gefahren. Vor ihnen fliehen können die Wildvögel momentan allerdings nicht; denn ab Mitte Mai beginnt bei ihnen die Mauser. Dabei verlieren Graugänse ihre Schwungfedern. Die neuen Schwingen wachsen etwa neun Millimeter pro Tag. Bis das Gefieder vollständig erneuert ist, dauert es etwa fünf Wochen. So lange sind die Vögel flugunfähig.
In Mooren und Sümpfen sind sie in dieser verletzlichen Zeit ungestört. Aber auch städtische Parks bieten ihnen gute Bedingungen. „Hier können die flugunfähigen Küken und ihre mausernden Eltern zwischen Wasser, Schilfgürtel und Wiese hin- und herlaufen“, erklärt Lea-Carina Mendel, Artenschützerin der Deutschen Wildtier Stiftung. Allerdings sind die Gänse hier oft gehörigem Stress, bedingt durch Menschen und Hunde, ausgesetzt. Manche Parkbesucher wiederum sind genervt von der Anwesenheit der Gänse und der Hinterlassenschaften der Vögel auf den Liegewiesen und Spazier- und Radwegen.
Die Deutsche Wildtier Stiftung bittet dennoch um Rücksicht: „Während der Mauser sollten die Tiere nicht aufgescheucht werden. Sonst entsteht unnötiger Stress und viel Durcheinander in der sozialen Gänsegruppe. Die Küken werden dann noch zu leichter Beute für Möwen, Krähen oder nicht angeleinte Hunde“, sagt Mendel. Wie immer gilt: In der Brut- und Setzzeit müssen Hunde an der Leine bleiben, denn sonst könnten selbst einzelne Elternvögel gerissen werden, die sich gerade in der Mauser befinden.
Den Wildvögeln zu nahe zu kommen, ist im Übrigen auch nicht ohne Risiko: Ausgewachsene Graugänse sind durchaus wehrhaft und haben mit einem gezielten Schwingenschlag schon so manchen Angreifer in die Flucht geschlagen. Sobald die Vögel wieder fliegen können, überlassen sie den menschlichen Parkbesuchern von ganz alleine wieder das Feld. Ist die Mauser vorüber, zieht ein Teil der Graugänse ins Umland oder noch weiter, beispielsweise Richtung Skandinavien. Nach der Graugans starten auch Kanadagans und Nilgans in die Mauser. Aber auch bei diesen Gänsearten heißt es nach etwa fünf Wochen wieder: „Abflug“.

22.05.2024, Universität Bayreuth
Bislang unbekannter Lebensraum der Haselmaus nachgewiesen
Bayreuther Forschende haben erstmals nachgewiesen, dass die in Deutschland streng geschützte Haselmaus nicht nur Gehölzstrukturen als Lebensraum nutzt, sondern auch Schilfbestände.
What for?
Die Haselmaus ist besonders durch die Zerstörung ihrer Lebensräume seltener geworden und nach Anhang IV der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) streng geschützt. Bisher ist man davon ausgegangen, dass die in Deutschland heimische Haselmaus (Muscardinus avellanarius) vor allem Gehölzstrukturen für Aufenthalt, Nahrungssuche und zum Anlegen der Nester nutzt. Beispielsweise bei Baumaßnahmen wird das Vorkommen der Haselmaus daher bislang nur in Waldlebensräumen und Hecken geprüft. Der Nachweis, dass sie Schilfbestände nutzt, ist für den Naturschutz und die Anpassung von Schutzmaßnahmen somit von großer Bedeutung.
Die Zerstörung von Lebensräumen bedroht viele Wildtiere. Zu den daher streng geschützten Arten gehört auch die Haselmaus, die meist als strikt arboreale, also nur in Wäldern und Gehölzbeständen vorkommende Art beschrieben wird. Nun konnten Bayreuther Forschende erstmals zeigen, dass Haselmäuse Schilfbestände als Habitat nutzen. Die Studie ist kürzlich im Journal of Vertebrate Biology erschienen und entstand im Rahmen der Masterarbeit von Geoökologie-Studentin Raja Wipfler.
In vorangegangenen Untersuchungen fanden sich bereits erste Hinweise auf Haselmäuse in Schilfbeständen. „Diesen Hinweisen sind wir in der Studie mittels telemetrischer Untersuchungen nachgegangen“, sagt Prof. Dr. Manuel Steinbauer vom Lehrstuhl Sportökologie, der die Arbeit betreut hat. Hierfür wurden acht Haselmäuse im Regnitztal südlich von Bamberg gefangen und jeweils mit einem Funksender ausgestattet. Anschließend wurden sie in ihren natürlichen Lebensraum entlassen, in dem sich Schilfbestände und Gehölzstrukturen in direkter Nähe zueinander befinden. Wipfler trackte die Mäuse für jeweils mindestens drei Nächte, um die Aufenthaltsorte der nachtaktiven Tiere zu überwachen.
Die Forschenden fanden heraus, dass die Haselmäuse Schilf und den angrenzenden Gehölzbestand zu ungefähr gleichen Teilen nutzen: Nachts lagen 41,1 % der Messpunkte im Schilf, 50,7 % im Gehölzbestand und 8,2 % in anderer Vegetation. Bei genauerer Betrachtung der Daten fielen Vorlieben der beobachteten Mäuse auf: Sechs der acht Haselmäuse nutzten das Schilf und den Gehölzbestand. Hingegen nutzte eine Maus ausschließlich das Schilf und eine weitere ausschließlich das Gehölz als Lebensraum. Zudem wurde nachgewiesen, dass die Haselmäuse sich nicht nur während ihrer aktiven Phasen in der Nacht im Schilf aufhalten, sondern diesen Lebensraum auch tagsüber zum Schlafen nutzen. Die Forschenden fanden außerdem ein Haselmaus-Nest im Schilf.
Als Gründe für die Nutzung von Schilf führten Wipfler, Steinbauer und Christian Strätz vom Büro für ökologische Studien Bayreuth unter anderem den Schutz vor Raubtieren an. Schilf könnte auch als Lebensraum für Insekten, die eine Nahrungsquelle für Haselmäuse sind, sowie als Nistmaterial eine Rolle spielen. Zudem könnten Haselmäuse ins Schilf ausweichen, um die Konkurrenz um Nahrung und Nistplätze mit den größeren und stärkeren Gelbhalsmäusen (Apodemus flavicollis) sowie den Waldmäusen (Apodemus sylvaticus) zu vermeiden.
Die Feldarbeiten für die Studie erfolgten im Frühjahr und Sommer 2022, nachdem Christian Strätz , Raja Wipfler und Dr. Elisabeth Obermeier vom Ökologisch Botanischen Garten der Universität Bayreuth im Jahr 2019 mittels selbst entwickelter Niströhren erste Hinweise auf Haselmäuse in Schilfbeständen gefunden hatten.
Originalpublikation:
Hazel dormice use reed beds for nocturnal activity and daytime resting. Raja Wipfler, Christian Strätz, Manuel Steinbauer. Journal of Vertebrate Biology, 73(23118):23118.1-9 (2024)
DOI: https://doi.org/10.25225/jvb.23118

23.05.2024, Eberhard Karls Universität Tübingen
Krähen können die Zahl ihrer Rufe gezielt planen
Forschungsteam der Universität Tübingen beobachtet im Verhaltensexperiment, dass Rabenvögel bei Einsatz ihrer Stimme die Lautäußerungen mitzählen
Krähen können im Verhaltensexperiment lernen, eine vorgegebene Anzahl an Rufen zu erzeugen. Sie planen dabei im Voraus: Über den Klang des ersten Rufs in einer Zählsequenz lässt sich vorhersagen, wie viele Rufe die Krähe hören lassen wird. Das hat ein Forschungsteam aus Diana A. Liao, Dr. Katharina F. Brecht und Juniorprofessorin Lena Veit unter der Leitung von Professor Andreas Nieder vom Institut für Neurobiologie der Universität Tübingen festgestellt. Seine Studie wurde in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
Rabenkrähen, die zu den Singvögeln gehören, sind nicht für die Schönheit ihres Gesangs bekannt, jedoch für ihr überragendes Lernvermögen. So belegen frühere Studien, dass die Vögel Verständnis für Zahlen besitzen. „Außerdem beherrschen sie ihre Stimme sehr gut. Sie können genau kontrollieren, ob sie einen Ruf ausstoßen wollen oder nicht“, berichtet Andreas Nieder. Gemeinsam mit seinem Team untersuchte er in Verhaltensversuchen mit drei Rabenkrähen, ob sie diese Fähigkeiten in Kombination anwenden können.
Bildung eines abstrakten Konzepts
Die Vögel erhielten die Aufgabe, nach Präsentation unterschiedlicher Bildsymbole oder beim Erklingen bestimmter Töne ein bis vier Rufe zu erzeugen und ihre Rufsequenz mit dem Picken auf einen Bestätigungsknopf abzuschließen. „Das gelang allen drei Vögeln. Sie konnten ihre Rufe in der Sequenz mitzählen“, sagt Nieder. Die Reaktionszeit zwischen der Präsentation des Reizes und dem Ausstoßen des ersten Rufs der Antwort sei relativ lang gewesen und umso länger, je mehr Rufe gefordert waren. Die Länge der Verzögerung sei unabhängig von der Art des Hinweisreizes gewesen, Bild oder Ton. „Das deutet darauf hin, dass die Krähen aus der präsentierten Information ein abstraktes Zahlenkonzept bilden, über das sie ihre Lautäußerungen vor dem Ausstoßen der Rufe planen“, erklärt der Forscher.
Gestärkt wird dieser Befund durch die Analyse der einzelnen Krähenrufe einer Sequenz. „Wir konnten anhand der akustischen Eigenschaften des ersten Rufs in einer Zählsequenz vorhersagen, wie viele Rufe die Krähe erzeugen wird“, berichtet Nieder. Dies gelinge den Krähen jedoch nicht fehlerfrei. „Zählfehler, also etwa ein Ruf zu viel oder einer zu wenig, entstehen dadurch, dass der Vogel während der Sequenz die Übersicht über die bereits erzeugten beziehungsweise die noch zu produzierenden Rufe verliert. Auch die Fehler können wir an den akustischen Eigenschaften der Einzelrufe ablesen.“
Die Fähigkeit, willentlich eine bestimmte Zahl an Lautäußerungen zu erzeugen, erfordert eine hochentwickelte Kombination von Zahlenkompetenz und Stimmbeherrschung. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sie nicht allein dem Menschen vorbehalten ist. Sie eröffnet prinzipiell auch den Rabenvögeln eine ausgeklügelte Kommunikation“, sagt Nieder.
Originalpublikation:
Diana A. Liao, Katharina F. Brecht, Lena Veit, Andreas Nieder: Crows “count” the number of self-generated vocalizations. Science, https://doi.org/10.1126/science.adl0984

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