Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

19.11.2018, Forschungsverbund Berlin e.V.
Macht ohne Muskeln – Warum bei Hyänen die Frauen dominieren
In vielen Tiergesellschaften gibt es eine klare Hierarchie der Geschlechter. Dominiert dabei immer das aggressivere oder stärkere Geschlecht, wie allgemein angenommen wird? Nein! Eine neue Studie an wilden Tüpfelhyänen zeigt, dass bei diesen gruppenlebenden Großraubtieren die Weibchen dominieren, weil sie auf größere Unterstützung durch Artgenossen zählen können. Unterschiede in individuellen Eigenschaften wie Aggressivität oder körperliche Stärke spielen keine Rolle.
Tüpfelhyänenmännchen erhalten weniger soziale Unterstützung als ihre weiblichen Artgenossen, weil sie häufiger den Clan wechseln und dabei ihre sozialen Bindungen verlieren. Die Studie wurde von ForscherInnen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und des Institut des Sciences de l’Evolution de Montpellier (ISEM) durchgeführt und in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution publiziert.
Tüpfelhyänenweibchen gelten als Paradebeispiel für mächtige und aggressive Weibchen. Sie sind schwerer als die Männchen, haben stark vermännlichte äußere Genitalien („Pseudohoden“ und einen „Pseudopenis“) und nehmen in der Regel die höchste Position in der Gesellschaft ein. Doch laut der neuen Studie ist es nicht ihre Männlichkeit, die sie ihre männlichen Artgenossen dominieren lässt. „Wenn zwei Hyänen streiten, gewinnt diejenige, die auf mehr soziale Unterstützung zählen kann – unabhängig von Geschlecht, Gröβe oder Aggressivität“, erklärt Oliver Höner, Leiter des Ngorongoro-Hyänenprojektes des Leibniz-IZW. Dies gelte für nahezu alle Auseinandersetzungen in allen denkbaren Kontexten – zwischen im Clan geborenen und zugewanderten Hyänen, zwischen Tieren aus demselben oder verschiedenen Clans und zwischen Individuen gleichen sowie verschiedenen Geschlechts. Die Dominanz der Weibchen liegt also darin begründet, dass sie auf größere soziale Unterstützung zählen können als die Männchen. „Faszinierenderweise wirkt soziale Unterstützung auch dann, wenn keine anderen Hyänen anwesend sind oder sich niemand einmischt“, sagt Colin Vullioud vom Leibniz-IZW. „Letztlich ist das Selbstbewusstsein entscheidend, also wie sicher sich jede Hyäne ist, Unterstützung zu erhalten, wenn sie diese braucht.“
Für die Studie werteten die WissenschaftlerInnen 4.133 Auseinandersetzungen zwischen 748 Tüpfelhyänen aus den acht Clans des Ngorongoro-Kraters in Tansania über einen Zeitraum von 21 Jahren aus. Um die Anzahl möglicher Unterstützer zweier Kontrahenten zu ermitteln, entwickelten sie einen Algorithmus, der für jedes Clanmitglied bestimmte, welchen der beiden Kontrahenten es unterstützen würde. Der Algorithmus beruht auf vielen Beobachtungen von aktiver Unterstützung und auf den Verwandtschaftsgraden aller Clanmitglieder zueinander. Der genetische Stammbaum der Tüpfelhyänen des Ngorongoro-Kraters gehört zu den umfassendsten Stammbäumen wildlebender Säugetierpopulationen. „Um die Effekte von sozialer Unterstützung und individuellen Eigenschaften zu trennen, mussten wir jeden Effekt einzeln bewerten und dabei die Effekte aller anderen Faktoren berücksichtigen“, erklärt François Rousset vom ISEM, der statistische Methoden für diese Art von Analysen entwickelt hat. „Dabei zeigte sich, dass der Einfluss von Geschlecht und Körpergewicht auf den Ausgang von Auseinandersetzungen vernachlässigbar ist.“
Männliche und weibliche Hyänen können sich durchschnittlich in den meisten Situationen auf gleich groβe soziale Unterstützung verlassen und dominieren daher gleich viele Auseinandersetzungen mit dem anderen Geschlecht. Die einzige Ausnahme: wenn im Clan geborene Tiere mit zugewanderten Tieren interagieren. „Die Hyänengesellschaft ist stark von Vetternwirtschaft geprägt, unterstützt werden also in erster Linie nahe Verwandte. Einheimische Clanmitglieder leben mit ihren Angehörigen zusammen und haben einen Vorteil gegenüber Zugewanderten, denn diese verlieren ihre sozialen Bande, wenn sie ihren angestammten Clan verlassen“, erläutert Eve Davidian vom Leibniz-IZW. „Und weil die meisten Einwanderer Männchen sind, dominieren bei solchen Auseinandersetzungen fast immer die Weibchen.“ Das Ausmaβ der Weibchen-Dominanz bei Tüpfelhyänen hängt also von der Migrationsneigung der beiden Geschlechter und der demographischen Struktur der Clans ab. Wenn ein Clan einen hohen Anteil zugewanderter Männchen aufweist, ist die Herrschaft der Weibchen fast absolut. Gibt es viele einheimische Männchen, gewinnen Männchen statistisch ebenso häufig Auseinandersetzungen wie Weibchen und die Geschlechter sind gleichermaβen dominant.
„Zu wissen, was soziale Dominanz und Geschlechterhierarchien verursacht, hilft uns, besser zu verstehen, wie Reproduktionsstrategien, Geschlechterrollen und Geschlechterkonflikte entstehen“, schließt Alexandre Courtiol vom Leibniz-IZW. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Dominanz eines Geschlechts keine direkte Folge des Geschlechts oder geschlechtsspezifischer individueller Eigenschaften sein muss, sondern vom sozialen Umfeld abhängen kann.“ Indem die Wissenschaftler die Schlüsselrolle von sozialer Unterstützung für die Entstehung von Dominanz aufzeigen, tragen sie zu einem vertieften Verständnis für die sozialen Auswirkungen von Vetternwirtschaft, politischen Allianzen sowie von Migration in tierischen und menschlichen Gesellschaften bei.
Originalpublikation:
Vullioud C*, Davidian E*, Wachter B, Rousset F, Courtiol A#, Höner OP# (2018): Social support drives female dominance in the spotted hyaena. NATURE ECOLOGY & EVOLUTION. DOI: 10.1038/s41559-018-0718-9
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20.11.2018, Universität Leipzig
Forscher finden soziale Kulturen bei Schimpansen
Aktuelle Forschungsergebnisse aus der Universität Leipzig zeigen, dass getrennt lebende Gruppen von Schimpansen Unterschiede im Sozialverhalten zeigen, die über die Zeit hinweg stabil sind. Diese Unterschiede könnten das Ergebnis von kulturellem Lernen sein.
Eine internationale Forschungsgruppe hat zusammen mit Mitgliedern des Leipziger Forschungszentrums für frühkindliche Entwicklung (LFE) der Universität Leipzig über drei Jahre vier Gruppen von Schimpansen in der Chimfunshi Wildlife Orphanage in Sambia erforscht. Während dieser Zeit haben sie verschiedene Aspekte ihres Sozialverhaltens untersucht – zum Beispiel, wie viele Individuen in temporären Kleingruppen zusammenleben, wie räumlich nah Individuen sich gegenseitig durchschnittlich sind und wie häufig sie gegenseitige Fellpflege betreiben. Die Gruppen zeigten die größten Unterschiede in der Anzahl an Individuen, mit denen sie Zeit verbringen, auch bekannt als die Subgruppengröße. Zwei der Gruppen formten signifikant größere Subgruppen als die anderen zwei Gruppen. „Die geselligste Gruppe zeigte sich auch in den anderen Aspekten sozialer. Die Schimpansen in diesen Gruppen waren durchschnittlich räumlich näher beieinander und betrieben viel häufiger gegenseitige Fellpflege als die anderen Gruppen“, erklärt der Seniorautor der Studie, LFE-Direktor Prof. Dr. Daniel Haun. Er und seine Kollegen haben ihre Erkenntnisse kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ (PNAS) veröffentlicht.
„Die Bedingungen in diesem Schimpansenschutzgebiet bieten uns eine einzigartige Möglichkeit, kulturelle Unterschiede bei Schimpansen zu untersuchen“, sagt Sarah DeTroy, Forscherin in Chimfunshi und LFE-Mitglied. In den meisten Fällen vergleichen Forscher Gruppen wilder Schimpansen, die in unterschiedlichen Umgebungen leben und große genetische Unterschiede aufweisen. In diesen Fällen können sie den Einfluss dieser Faktoren auf die beobachteten Verhaltensunterschiede zwischen Gruppen nicht ausschließen. Da die Schimpansen in Chimfunshi alle in derselben Umgebung leben und es keine systematischen genetischen Unterschiede zwischen ihnen gibt, haben Forscher so die Möglichkeit zu untersuchen, inwiefern andere Prozesse, wie soziales Lernen, Unterschiede zwischen Schimpansengruppen erklären können.
„Obwohl wir die Ursprünge dieser Unterschiede in dieser Studie nicht direkt untersucht haben, wissen wir, dass Schimpansen sozial voneinander lernen können und, dass Primaten ihr Sozialverhalten an ihren Kontext anpassen können. Die Individuen in den jeweiligen Gruppen haben möglicherweise Interaktionsmuster anderer Schimpansen beobachtet, wie die allgemeine Nähe und die Häufigkeit von Fellpflege und sie sozial gelernt“, erläutert Prof. Haun.
Über einhundert gerettete Schimpansen und ihre Nachkommen leben in dem Schimpansen-Schutzgebiet Chimfunshi. Das Forschungsteam arbeitet seit über zehn Jahren mit den Schimpansen und erforscht unterschiedliche Aspekte ihres Verhaltens und ihrer Kognition, wie zum Beispiel ihre Neigung zu Konformität, die Entstehung und Weitergabe von kulturellen „Trends“ und ihr Trauerverhalten. „Wir konnten über die Jahre eine große Variabilität im Verhalten der Schimpansen in Chimfunshi beobachten. Diese aktuelle Studie zeigt einen Teil des Ausmaßes und der Stabilität der Unterschiede in der allgemeinen Geselligkeit und bietet uns eine Grundlage, um zu verstehen, wie diese Unterschiede andere Verhaltensweisen wie Kooperation und Prosozialität beeinflussen könnten“, sagt Haun.
Originaltitel der Veröffentlichung in PNAS:
„Population-specific social dynamics in chimpanzees“, https://doi.org/10.1073/pnas.1722614115

20.11.2018, Georg-August-Universität Göttingen
Göttinger Studie: Landschaften voller Mais schädigen Hummelvölker
Hummelvölker in Landschaften mit viel Mais sammeln Pollen nur weniger Pflanzenarten und wachsen deswegen weniger als Hummelvölker, die in bunten Landschaften ein vielfältiges Angebot an Pollen vorfinden. Das haben Göttinger Agrarökologinnen und Agrarökologen herausgefunden. Die Arbeit ist in der Zeitschrift Journal of Applied Ecology erschienen.
(pug) Die Wissenschaftler setzten Hummelvölker in 20 verschiedenen Landschaften im Raum Göttingen aus. Diese unterschieden sich in Bezug auf durchschnittliche Feldgröße, Diversität der Nutzpflanzen sowie Flächenanteil von Raps und Mais. Dann dokumentierten sie die Gewichtszunahme der Völker und sammelten den Pollen der Hummeln, welcher in Kooperation mit der Abteilung Palynologie und Klimadynamik untersucht wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass die Hummeln mit steigendem Anteil von Mais in der Landschaft weniger verschiedene Pollentypen sammelten. „Dies wirkt sich negativ auf die Völker aus, da eine große Vielfalt von Pollentypen für ein optimales Wachstum entscheidend ist“, erklärt Annika Hass, die die Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit durchgeführt hat. Feldgröße, Diversität der Nutzpflanzen sowie der Anteil von Raps hatten hingegen keinen Einfluss auf die Hummeln.
„Im Mais finden sich weit weniger Ackerwildkräuter als bei anderen Nutzpflanzen“, sagt Prof. Dr. Teja ­­­­­Tscharnt­­­­ke, Leiter der Abteilung Agrarökologie und Koautor der Studie. „Ein mangelhaftes Wachs­­tum wie bei den Hummeln ist auch bei anderen Insekten, insbesondere Blütenbesuchern, zu erwarten.“ Die Forscher empfehlen daher, die negativen Auswirkungen von Mais mit Agrarumweltmaßnahmen wie Blühstreifen, Hecken oder bunten Brachen auszugleichen.
Originalpublikation:
Hass, Annika; Brachmann, Lara; Batáry, Péter; Clough, Yann; Behling, Hermann; Tscharntke, Teja. Maize-dominated landscapes reduce bumble bee colony growth through pollen diversity loss. Journal of Applied Ecology (2018). Doi: https://doi.org/10.1111/1365-2664.13296

Ein annamitisches Streifenkaninchen, aufgenommen von einer Fotofalle im Hue Saola Nature Reserve (Vi ... Leibniz-IZW / WWF-Vietnam CarBi Project / Hue Saola Nature Reserve

Ein annamitisches Streifenkaninchen, aufgenommen von einer Fotofalle im Hue Saola Nature Reserve
Leibniz-IZW / WWF-Vietnam CarBi Project / Hue Saola Nature Reserve

20.11.2018, Forschungsverbund Berlin e.V.
Gestreift und doch fast unsichtbar – dem bedrohten Annamitischen Streifenkaninchen auf der Spur
Das Truong-Son-Gebirge in Vietnam und Laos ist ein Biodiversitäts-Hotspot, viele der dort beheimateten Arten gibt es nirgendwo sonst auf der Welt. Doch Wilderei bedroht den außergewöhnlichen Artenreichtum – und das bis 1995 der Wissenschaft unbekannte Annamitische Streifenkaninchen (Nesolagus timminsi). Eine neue Studie des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in Zusammenarbeit mit WWF Vietnam, WWF Laos und dem Central Institute for Natural Resources and Environmental Sciences (CRES) der Vietnam National University gewährt erstmals detaillierte Einblicke in die Ökologie dieser seltenen Art. Die Studie ist in der internationalen Fachzeitschrift Oryx publiziert.
Die Wissenschaftler haben in fünf Regionen im zentralen Truong-Son-Gebirge in Vietnam und Laos Kamerafallen installiert, um der Lebensweise der gestreiften Kaninchen auf die Spur zu kommen. Die Kamerabilder zeigen, dass die Kaninchen zwar im gesamten Untersuchungsgebiet vorkommen, jedoch nirgendwo häufig sind und in einem Schutzgebiet sogar vor der Ausrottung stehen. Diese Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass die intensive Bejagung und der Einsatz von Drahtschlingen in den beiden Staaten die Kaninchenpopulation erheblich dezimiert hat. Zugleich sind die Schnappschüsse der Fotofallen aber auch ein Zeichen dafür, dass die Art zurzeit noch weit verbreitet ist und sich gut erholen könnte, falls effektive Maßnahmen zur Verringerung der Jagd ergriffen werden.
„Einblicke in solch eine so selten gesehene Tierart zu erlangen ist sehr aufregend“, berichtet Andrew Tilker, Doktorand am Leibniz-IZW und assoziierter Wissenschaftler der gemeinnützigen NGO „Global Wildlife Conservation“. „Natürlich sind die Kamerabilder wissenschaftlich interessant, aber fast noch wichtiger ist, dass sie evidenzbasierte Schutzmaßnahmen für die Tiere ermöglichen. Unsere Studie zeigt genau, wo Drahtschlingen entfernt werden müssten. Zugleich haben wir jetzt Informationen zum Vorkommen und Häufigkeit der Streifenkaninchen in den Untersuchungsgebieten und können somit den Erfolg von zukünftige Schutzmaßnahmen bewerten.“
Dr. Ben Rawson, der Direktor für Naturschutz und Programmentwicklung des WWF Vietnam, erhofft sich einen signifikanten Effekt auf die Bestände, wenn die Jagd mit Drahtschlingen intensiver bekämpft wird. „Der WWF treibt die Entfernung von Schlingfallen gemeinsam mit lokalen Partnern unermüdlich voran. In den letzten sieben Jahren haben wir mehr als 100.000 Schlingfallen entfernt. Aufgrund dieses enormen Einsatzes sind wir sehr optimistisch sind, dass diese außergewöhnliche Tierart vor dem Aussterben gerettet werden kann.“
Eines der wichtigsten Ergebnisse der Studie ist, dass das Annamitische Streifenkaninchen in einem nicht geschützten Waldgebiet nahe des Dorfes Ban Palé in Laos vorkommt. Dies könnte ein wichtiger Baustein für die Einrichtung eines Schutzgebietes im Palé-Gebiet sein, welches noch eine Reihe weiterer seltener und bedrohter beherbergt. Das Gebiet ist unmittelbar durch illegaler Jagd, Holzeinschlag und Bergbau bedroht.
Francois Guegan, Direktor für Naturschutz des WWF Laos, spricht sich für ein rasches Ende der Jagd und anderer Bedrohungen aus, um das Palé-Gebiet effektiv zu schützen. „Wir müssen alle zusammenarbeiten und schnell handeln, sonst werden wir das Streifenkaninchen und weitere einzigartige Tierarten in diesem Gebiet verlieren.“
„Das Annamitische Streifenkaninchen ist Teil dessen, was das Truong-Son Gebirge besonders macht“, sagt Prof. Minh Le von der Vietnam National University, der Koautor der Studie ist. „Die Studie zeigt vor allem, an welch seidenem Faden das Überleben seltener Tierarten auch in Schutzgebieten hängt.“ An Ngyuen, Feldkoordinator für das Leibniz-IZW-Projekt, stimmt zu: „Die Tierart hält noch durch, doch wie lange noch? Wir brauchen dringend eine bessere Durchsetzung der geltenden Gesetze, um illegaler Jagd ein Ende zu bereiten. Dazu gehört auch, den Bedarf nach Wildfleisch zu reduzieren. Eine einzelne Organisation kann das nicht leisten. Wir müssen für zusammenarbeiten, wenn das Annamitische Streifenkaninchen auch in Zukunft noch durch das Truong-Son-Gebirge streifen soll.“
Originalpublikation:
Tilker A, Nguyen A, Abrams JF, Bhagwat T, Le M, Nguyen TV, Nguyen AT, Niedballa J, Sollmann R, Wilting A (2018): A little-known endemic caught in the South-east Asian extinction crisis: the Annamite striped rabbit Nesolagus timminsi. ORYX. https://doi.org/10.1017/S0030605318000534

20.11.2018, Forschungsverbund Berlin e.V.
Hyänen erholen sich nur langsam von einer Epidemie
Infektionskrankheiten können Wildtierbestände stark dezimieren und dadurch sowohl die Dynamik von Lebensräumen als auch die biologische Vielfalt (Biodiversität) beeinflussen. Vorhersagen über langfristige Auswirkungen von Epidemien sind deshalb für den Artenschutz wichtig. Forscher vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und vom CEFE in Montpellier haben ein mathematisches Modell („Matrixmodell“) entwickelt, um den Einfluss einer Epidemie des Hundestaupevirus (CDV) auf die Population der Tüpfelhyänen in der ostafrikanischen Serengeti-Savanne zu untersuchen. Die Ergebnisse der Studie wurden im neuen Nature-Open-Access-Journal Communications Biology veröffentlicht.
Im Serengeti-Nationalpark im Nordwesten Tansanias grassierte 1993/1994 eine heftige Hundestaupe-Epidemie. Sie dezimierte nicht nur die Löwenpopulation um rund ein Drittel, sondern traf auch die Tüpfelhyänen, eine sehr soziale Wildtierart, schwer. Vor allem viele Jungtiere erkrankten, zeigten die typischen Symptome der Hundestaupe und verstarben. Das Hundestaupe-Virus (canine distemper virus, kurz CDV) wurde vermutlich bereits im frühen 20. Jahrhundert in Afrika eingeschleppt. Die Epidemie bei Löwen und Tüfelhyänen im Serengeti-Becken wurde jedoch von einem neuen, für beide Arten hochansteckenden CDV-Stamm ausgelöst, der sich unerwartet schnell und weit verbreitete.
Während sich der Löwenbestand schnell erholte und zu alter Größe zurückfand, erforderte die prognostizierte Erholung der Hyänenpopulation mehr als ein Jahrzehnt, wie die aktuelle Studie zeigt. Der Hauptgrund für deren langsame Erholung liegt wahrscheinlich, so meinen die Forscher, in der relativ langsamen Vermehrungsrate der Tiere. „Tüpfelhyänen stecken sehr viel mehr Energie in jedes Junge als Löwen“, sagt Sarah Benhaiem, Wissenschaftlerin am Leibniz-IZW. „Sie bekommen in der Regel nur ein bis zwei Junge pro Jahr, die sie auch deutlich länger und intensiver mit hochwertiger Milch säugen, nämlich ein bis fast zwei Jahre lang, was außergewöhnlich lang für einen Fleischfresser ist.“ Arten mit niedrigen Vermehrungsraten sind wahrscheinlich besonders gefährdet durch vom Menschen verursachte Bedrohungen wie die Einführung exotischer Krankheiten, die CDV in Afrika darstellt. „Die Studie zeigt, dass solche Bedrohungen auch für Tierpopulationen in einem der größten Nationalparks Afrikas gelten“, ergänzt Marion L. East (Leibniz-IZW).
In das mathematische Modell („Matrixmodell“) flossen Daten von 625 Tüpfelhyänen-Weibchen ein, die als Teil eines Langzeitprojektes zwischen 1990 und 2010 gesammelt wurden. Zu diesen Weibchen wurde eine umfangreiche und vielfältige Datenbank zusammengestellt, die Informationen über soziale Interaktionen, klinische Krankheitsanzeichen, molekulare und immunologische Hinweise auf Infektionen und Todesfälle enthielt. So konnten die Forscher ein komplexes Modell mit drei relevanten Informationsschichten aufbauen: Krankheitsdaten wurden mit Informationen über den sozialen Status der weiblichen Hyänen und Daten über ihr Alter und ihren Fortpflanzungsstatus kombiniert. „Unseres Wissens wurde dieses Niveau bisheriger Matrix-mathematischer Modelle für Wildtierkrankheiten nicht erreicht“, kommentieren Heribert Hofer (Leibniz-IZW) und Jean-Dominique Lebreton (Zentrum für Funktionelle Ökologie und Evolution (CEFE) in Montpellier, Frankreich).
Die aktuelle Studie baut auf einer früheren Arbeit des gleichen Teams auf, die im März 2018 in der Fachzeitschrift Functional Ecology veröffentlicht wurde. Diese hatte den Einfluss der Hundestaupe-Epidemie auf Individuen analysiert und gezeigt, dass die Jungen hochrangiger Weibchen eine höhere Überlebenschance hatten als die Jungen niederrangiger Weibchen. „Hochrangige Weibchen haben in der Gruppe den ersten Zugriff auf die erjagte Nahrung. Sie geben ihren Jungen deshalb öfter Milch, weshalb diese kräftiger sind und schneller heranwachsen“, sagt Lucile Marescot, die als Wissenschaftlerin am Leibniz-IZW an der Studie mitgearbeitet hat und derzeit am CEFE forscht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die jetzige Studie feststellte, dass in erster Linie die hochrangigen Weibchen zur Erholung des Bestandes beitrugen.
Das neue mathematische Modell erlaubte es auch erstmals, die Ansteckungsrate (R0) dieser Krankheit bei Tüpfelhyänen zu bestimmen. Dies ist ein nützliches Maß in der Epidemiologie, da uns diese Rate sagt, ob und wie schnell sich eine Infektion in einer Population ausbreitet“, erklärt Olivier Gimenez (CEFE). Während der Epidemie betrug diese Zahl fast sechs, was darauf hindeutet, dass eine infizierte Hyäne im Schnitt das Virus auf sechs andere gesunde Hyänen übertragen hat. „Das ist ein ziemlich hoher Wert, ähnlich dem von Masern beim Menschen, der auch erklärt, warum sich die Epidemie in den 1990er-Jahren so schnell ausbreitete“, betont Stephanie Kramer-Schadt (Leibniz-IZW). Wie bei Masern gilt auch hier: Überleben infizierte Jungtiere die Erkrankung, bilden sie Antikörper gegen das Virus und sind lebenslang immun. Im Allgemeinen zeigt die Studie, wie wichtig es ist, die möglichen Wechselwirkungen zwischen Alter und sozialem Status von Individuen bei der Ausbreitung einer Kinderkrankheit zu berücksichtigen.
Originalpublikation:
Benhaiem S, Marescot L, East ML, Kramer-Schadt S, Gimenez O, Lebreton JD, Hofer H (2018): Slow recovery from a disease epidemic in the spotted hyena, a keystone social carnivore. Communications Biology.

22.11.2018, NABU
Zunahme illegaler Wolfstötungen ist alarmierend
Miller: Abschüsse von Wölfen sind kein Kavaliersdelikt
Mit Blick auf die heute vorgelegten offiziellen Zahlen zur Entwicklung von Wölfen in Deutschland bezeichnet der NABU die steigende Zahl der illegalen Wolfstötungen als alarmierend. Allein in diesem Jahr wurden bereits acht Wölfe mit Schussverletzungen tot aufgefunden. Seit 2000 wurden damit bisher bundesweit 35 Tiere illegal geschossen. Die Dunkelziffer an illegaler Bejagung ist mit großer Wahrscheinlichkeit viel höher. Das zeigen auch immer wieder Untersuchungen an Wölfen, die bei Verkehrsunfällen zu Tode kamen. Zuletzt wurde bei einer überfahrenen Fähe vor Usedom festgestellt, dass sie zu Lebzeiten mit Schrot beschossen wurde, daran jedoch nicht starb.
„Illegale Tötungen von Wölfen sind kein Kavaliersdelikt und gehören strengstens geahndet. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Neben der Bedrohung durch menschliche Bejagung ist für viele Wölfe der Straßenverkehr die größte Gefahr: Alleine dieses Jahr kamen 50 Wölfe im Straßenverkehr zu Tode. Damit liegt die Zahl seit 2000 bei 200 verkehrstoten Tieren. Dazu kommt die natürliche Sterblichkeit, die gerade im ersten Lebensjahr bei etwa 50 Prozent liegt.
73 Rudel, 30 Paare und drei territoriale Einzeltiere – das sind die vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) offiziell vorgelegten Bestandszahlen von Wölfen in Deutschland aus dem Monitoringjahr 2017/18.
„Dieser Zuwachs der Territorien von rund 27 Prozent ist aus biologischer Sicht vollkommen normal für die Entwicklung der Wolfspopulation, solange es sowohl genügend Rückzugsräume als auch ausreichend Nahrung wie Rehe und Wildschweine gibt. Einen günstigen Erhaltungszustand hat die Population dennoch noch nicht erreicht“, so NABU-Wolfsexpertin Marie Neuwald. Aus NABU-Sicht wirken sich die Verluste durch illegalen Abschuss und Verkehr auf die Wolfspopulation aus. Solange diese so hoch sind, ist der gute Erhaltungszustand in weiter Ferne.
Der NABU kritisiert Vertreter aus Politik und Landwirtschaft sowie Teile der Jagdlobby, die immer wieder aufs Neue eine Bejagung der Wölfe fordern, und dies unter dem Deckmantel des Herdenschutzes. „Abschussquoten von Wölfen helfen keinem einzigen Weidetier, solange die Herde nicht möglichst wolfssicher geschützt wird. Bejagung ist kein Herdenschutz. Das darf den betroffenen Tierhaltern auch nicht als Lösung suggeriert werden“, so Neuwald weiter. Vor diesem Hintergrund begrüßt der NABU die Entscheidung der EU, Herdenschutz und Kompensation nun zu 100 Prozent fördern zu können. Jetzt seien die Länder am Zug, die Förderung schnellstmöglich und unkompliziert zu ermöglichen.
Der NABU lehnt die Forderung der Schweizer Regierung ab, den strengen Schutzstatus des Wolfes in der Berner Konvention zurück zu stufen. Zielführender sei es, endlich alle Akteure – die Wissen zum Wolf oder zur Weidetierhaltung haben ¬ zusammenzubringen, und zwar mit dem festen Vorsatz, den Herdenschutz europaweit voranzutreiben. Vor diesem Hintergrund appelliert der NABU wiederholt an die Bundesregierung und das Landwirtschaftsministerium, ein nationales Kompetenzzentrum für Herdenschutz und Innovation einzurichten, anstatt sich hinter zeit- und personalaufwändigem Gerangel um unnötige Gesetzesänderungen zu verstecken. So genannte auffällige Wölfe können im Einzelfall bereits jetzt schon laut geltendem Naturschutzrecht entnommen werden. Guter und praktikabler Herdenschutz dagegen bleibt das A und O und muss entsprechend gefördert werden – daran führt kein Weg vorbei.

22.11.2018, Universität Regensburg
Die Spinnen und das Licht
Neue Studie von Biologen zur Lichttoleranz von Spinnen im städtischen Raum
Der Mensch hat die Umwelt dramatisch verändert. Das hat nicht nur Auswirkungen auf uns, sondern auch auf andere Lebewesen und ihre Lebensräume. Aber was machen Tiere, um mit diesen Bedingungen umzugehen? Schließlich heißt es hier entweder, man passt sich an die Gegebenheiten an und verändert seine Verhaltensweisen, oder man zieht den Kürzeren. Und so trauen sich auch Tiere, bei denen die meisten bisher ganz froh waren, sich im Dunklen verstecken zu können, langsam raus ans Licht. Denn Forscher der Universität Regensburg, der Ludwig-Maximilian-Universität in München und der Aarhus Universitet (Dänemark) haben in einer Studie herausgefunden, dass Spinnen ihre Angst vor Helligkeit verlieren, um sich besser an urbane Umgebungen anzupassen.
Gerade Lichtverschmutzung kann zu einem ernstzunehmenden Problem für Tiere werden. Ein altbekanntes Beispiel sind Motten und andere Insekten, die vom künstlichen Licht in der Nacht angezogen werden und dann zu Hunderten sterben. Um dem zu entgehen, haben Motten im städtischen Raum sogar begonnen eine verringerte Anziehung zum Licht zu entwickeln (Altermatt & Erber, Biology Letters 2016). Aber nicht nur Insekten scharren sich ums Licht, ein ebenso alltäglicher Anblick sind inzwischen Spinnennetze neben eben diesen Lichtquellen. „Eines Nachts ging ich eine Straße entlang und habe diese fetten Spinnen in ihren Netzen an den Straßenlaternen beobachtet und mich gefragt: entwickeln die Achtbeiner Gefallen am Licht?“, so Dr. Tomer Czaczkes, Universität Regensburg, der die Studie zur Lichttoleranz leitete. Das war der Anstoß für das Forscherteam sich mit dieser Frage zu beschäftigen. „Zuerst mussten wir eine gewöhnliche Spinnenart finden, die sowohl in urbanen wie in ruralen Gegenden vorkommt“, erklärt Dr. Cristina Tuni, Leiterin des Spinnenlabors in München. „Wir haben uns auf Steatoda triangulosa geeinigt, wahrscheinlich die häufigste Spinne in unseren Gebäuden. Wir haben nur ungefähr fünf Minuten gebraucht, um eine hinter einem Schreibtisch in unserem Büro zu finden.“ Im Gegensatz zur Stadt wurde es zur Herausforderung Eiersäcke von ländlichen Achtbeinern zu finden. Daher wurde Spinnenexperte Paolo Ghislandi in Städte und Nationalparks an der Mittelmeerküste geschickt. „Das war wirklich hart“, erzählt er, „aber zum Glück haben sich meine Verlobte und mein Hund dazu bereit erklärt mitzukommen, also habe ich es irgendwie überlebt. Der Wein hat geholfen.“
Zurück im Labor in München hat das Team die frisch geschlüpften Spinnen auf ihre Lichtpräferenz getestet. Als optimale Testumgebung haben sich quadratische Pralinenschachteln erwiesen. „Unglücklicherweise, sind die Schachteln voller Schokolade, und wir mussten achtzig davon kaufen“, erklärt Dr. Tuni. Nachdem die Schokolade „beseitigt“ wurde, konnten die Jungtiere hineingesetzt werden. „Wir haben herausgefunden, dass Jungtiere aus ländlichen Gegenden die helle Seite gemieden und ihre Netze bevorzugt im Dunklen gebaut haben“, erklärt Ana María Bastidas-Urrutia, die die Studie ausgeführt hat, „den städtischen Jungtieren war es jedoch egal, wo sie ihre Netze gebaut haben. Das Licht schien sie nicht zu stören.“
Die urbanen Spinnen scheinen ihre Abneigung gegen Helligkeit abgelegt zu haben – aber warum? „Das ist nicht ganz klar“, sagt Dr. Czaczkes. „Es könnte sein, dass sie eine Vorliebe für Licht entwickeln, da sie dort mehr Nahrung finden. Oder es könnte sein, dass es einfacher ist, innerhalb von Gebäuden zu überwintern, also Spinnen, denen das Licht nichts ausmacht, besser überleben. Es könnte beides oder etwas komplett anderes sein.“ Was jedoch offensichtlich ist: Durch den Menschen verändert sich die natürliche Umwelt stark und die Tiere müssen sich den neuen Gegebenheiten anpassen oder haben verloren.
Originalpublikation:
Tomer J. Czaczkes, Ana-María Bastidas Urrutia, Paolo Ghislandi, Cristina Tuni, “Reduced light avoidance in spiders from populations in light-polluted urban environments”, The Science of Nature (2018).
DOI: http://dx.doi.org/10.1007/s00114-018-1589-2

23.11.2018, Veterinärmedizinische Universität Wien
Studie zu Parasiten im Hundekot liefert überraschendes Ergebnis
Eine repräsentative Studie der Vetmeduni Vienna zeigt: Der Kot von Wiener Hunden enthält im Vergleich zu Vierbeinern aus dem ländlichen Raum vergleichsweise wenig Endoparasiten. Unabhängig vom Parasitenbefall sollten Hundehalter jedoch immer auf Hygiene achten – denn einige Parasiten stellen nicht nur für Tiere, sondern auch für den Menschen eine Gefahr dar.
Der berühmte „Tritt ins Glück“ ist unangenehm und ärgerlich. Weniger bekannt ist jedoch, dass sich im Hundekot auch verschiedene Krankheitserreger finden. Grund genug für Frank Künzel von der klinischen Abteilung für Interne Medizin, Barbara Hinney und Anja Joachim vom Institut für Parasitologie der Vetmeduni Vienna, eine Studie zu initiieren, um zu ermitteln, welche Endoparasiten („Innenparasiten“) Wiener Hundekot enthält.
Ziel der repräsentativen Studie war es – erstmalig für Wien –, die Prävalenz (= Häufigkeit) von Endoparasiten bei Hunden in der Bundeshauptstadt zu untersuchen. Zusätzlich wurde der Frage nachgegangen, ob die Dichte der Hundepopulationen und die Sauberkeit der Hundezonen mit dem Auftreten von Parasiten in Zusammenhang stehen.
Zu diesem Zweck sammelte das Forschungsteam mehr als 1000 anonyme Kotproben aus 55 Hundezonen aus allen 23 Bezirken des Landes Wien, indem Kot von ausgewählten Hundezonen vom Boden bzw. aus den an den Hundezonen angrenzenden Mülleimern entnommen wurde. Weitere 480 Kotproben wurden in Mödling und Wolkersdorf gezogen, um Daten für Regionen mit stadtnahem bzw. ländlichem Charakter zu gewinnen.
Parasitenbefall bei Hunden in Wien geringer als erwartet
Im Vergleich zu Studien aus anderen Städten Europas zeigten die Kotproben aus der Bundeshauptstadt eine vergleichsweise geringe Häufigkeit von Parasiten. Demgegenüber wiesen Vierbeiner im ländlichen Bereich einen signifikant höheren Anteil auf.
Weiteres wichtiges Ergebnis: Kot, der nicht vom Besitzer entsorgt wurde, enthielt häufiger Parasiten. „Dies könnte wohl mit dem unterschiedlichen Hygienebewusstsein der Hundehalter zusammenhängen“, so Hinney. Eine hohe Hundedichte stand in der untersuchten Hundepopulation hingegen in keinem Zusammenhang mit einem höheren Endoparasitenbefall. Ein Grund dafür könnte das Aufsammeln von Hundekot sein, das gerade im städtischen Bereich viele Hundebesitzer praktizieren.
Generell belegt die Studie, dass der Befall von Hunden mit Innenparasiten in Wien im europaweiten Vergleich gering ist.
Gefahr für kleine Kinder, immungeschwächte Menschen und Tiere
Innenparasiten können bei Hunden die Ursache für Durchfall, Abmagerung und andere Beschwerden sein. Zudem sind einige der Parasiten, wie der Spulwurm als Zoonoseerreger, insbesondere für kleine Kinder und immungeschwächte Menschen relevant.
Auch „in der freien Natur“ und besonders auf landwirtschaftlichen Grünflächen ist Hundekot zu vermeiden, da diese als Grundlage für die Herstellung von Futtermitteln für lebensmittelliefernde Tiere dienen. Zudem kann Hundekot für Nutztiere und Pferde gefährlich sein. Wenn diese verunreinigtes Futter fressen, können Parasiten übertragen werden, welche zu erheblichen Gesundheitsschäden führen können.
„Sackerl fürs Gackerl“ schützt Mensch und Tier zuverlässig
Laut den StudienautorInnen sollten Hundebesitzer über das Zoonose-Risiko besser informiert und aufgefordert werden, Hundekot zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen, um das Infektionsrisiko für andere Hunde und Menschen, aber auch andere Tiere zu reduzieren. Dazu Hinney: „Hundekot zu sammeln und zu entsorgen, schützt nicht nur vor unliebsamen Verschmutzungen. Es ist auch ein wichtiger Beitrag für die Gesundheit von Mensch und Tier. Hundehalter sollten deshalb in der Stadt genauso wie auch in ländlichen Regionen immer ein ‚Sackerl fürs Gackerl‘ bei sich haben und auch verwenden.“
Gleichzeitig wäre aus Sicht des Forschungsteams eine laufende repräsentative Probenahme und Parasitenüberwachung zu empfehlen, da sich das Vorkommen und Artenspektrum der von den Hunden ausgeschiedenen Parasiten dynamisch ändern.
Originalpublikation:
Der Artikel „Examination of anonymous canine faecal samples provides data on endoparasite prevalence rates in dogs for comparative studies“ von Barbara Hinney, Michaela Gottwald, Jasmine Moser, Bianca Reicher, Bhavapriya Jasmin Schäfer, Roland Schaper, Anja Joachim und Frank Künzel wurde in Veterinary Parasitology veröffentlicht.
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0304401717303655?via%3Dihub

22.11.2018, Institute of Science and Technology Austria
Für Ameisen ist Einheit Stärke – und Gesundheit
Soziale Netzwerke von Ameisen bremsen die Ausbreitung von Krankheiten – Studie erscheint in Science
Wenn ein Erreger in ihre Kolonie eintritt, ändern Ameisen ihr Verhalten, um den Ausbruch der Krankheit zu vermeiden. Auf diese Weise schützen sie die Königin, die Brut und die jungen Arbeiterinnen vor Krankheiten. Diese Ergebnisse einer Studie, die in Zusammenarbeit zwischen den Gruppen von Sylvia Cremer am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) und von Laurent Keller an der Universität Lausanne durchgeführt wurde, werden heute in der Zeitschrift Science veröffentlicht.
Eine hohe Bevölkerungsdichte sowie häufige und enge Kontakte zwischen den Individuen tragen zu einer schnellen Ausbreitung von Krankheiten bei. Um ihre Kolonien zu schützen, haben Ameisen Abwehrmechanismen gegen Krankheiten entwickelt, darunter fallen auch Anpassungen ihrer sozialen Organisation. Ameisen interagieren nicht zufällig mit anderen Koloniemitgliedern, sondern sind in Untergruppen organisiert, die ihrem Alter und den Aufgaben, die sie ausführen, entsprechen. Während sich junge Arbeiterameisen, so genannte „Brutpflegerinnen“, um die wertvolle Brut im Zentrum der Kolonie kümmern, werden ältere Arbeiterameisen zu Sammlerinnen, die außerhalb des Nests Nahrung sammeln. Diese Ameisen sind den Krankheitserregern stärker ausgesetzt.
Die Festung wird gestärkt
Mit einem in der Gruppe von Laurent Keller entwickelten „Barcode“-System verfolgten die ForscherInnen die Interaktionen zwischen Ameisen, insbesondere um ihr Verhalten bei der Ausbreitung von Krankheiten zu beobachten. In einem ersten Experiment platzierten sie digitale Marker auf 2266 Gartenameisen. Infrarotkameras machten jede halbe Sekunde ein Bild von den Kolonien, so dass die ForscherInnen die Bewegung und Position jeder einzelnen Ameise und ihre sozialen Interaktionen verfolgen und messen konnten. Die ForscherInnen zeigten, dass die Aufteilung der Ameisen in Untergruppen prophylaktisch wirkt und das Risiko der Ausbreitung von Krankheiten reduziert.
10% der Arbeiterameisen (allesamt Sammlerinnen) wurden dann Pilzsporen ausgesetzt, die sich durch Kontakt leicht ausbreiten. Der Vergleich der Ameisenkolonien vor und nach der Erregerbelastung zeigte, dass die Ameisen das Vorhandensein der Pilzsporen schnell erkennen und ihr Verhalten ändern, um bereits bestehende Abwehrkräfte zu stärken. „Die Ameisen ändern, wie und mit wem sie interagieren“, erklärt Sylvia Cremer, „Die Cliquen unter den Ameisen werden noch stärker, und der Kontakt zwischen den Cliquen wird reduziert. Sammlerinnen interagieren mehr mit Sammlerinnen und Brutpflegerinnen mehr mit Brutpflegerinnen. Das ist eine Antwort der ganzen Kolonie – auch Tiere, die nicht selbst mit Sporen behandelt werden, ändern ihr Verhalten.“ Laurent Keller fügt hinzu: „Dies ist die erste wissenschaftliche Studie, die zeigt, dass eine Tiergesellschaft in der Lage ist, ihre Organisation aktiv zu verändern, um die Verbreitung von Krankheiten zu reduzieren.“
Mit einer in der Gruppe um Sylvia Cremer etablierten hochsensitiven qPCR-Methode konnten die ForscherInnen genau quantifizieren, wie viele Sporen eine einzelne Ameise auf ihrem Körper trug. qPCR überwacht, wie ein bestimmtes DNA-Molekül während der sogenannten Polymerase-Kettenreaktion vermehrt wird. So können Forscher Rückschlüsse darauf ziehen, wie viel DNA und damit wie viel Pilzsporen zu Beginn vorhanden waren.
Da die Ameisen ihre Interaktion veränderten, änderten sich auch die Übertragungsmuster der Sporen. Nur wenige Individuen erhielten eine so hohe Dosis des Erregers, dass eine Krankheit ausbrechen könnte. Außerdem erhielten mehr Ameisen eine niedrige Dosis. Sylvia Cremer und ihre Gruppe konnten in einer anderen Studie bereits nachweisen, dass eine so niedrige Dosis keine Krankheit hervorruft, sondern als Schutz vor zukünftigen Infektionen wirkt – ähnlich wie die Variolation beim Menschen. „Der Erreger wird auf viele Schultern verteilt, und das Immunsystem der Ameisen kann mit diesem niedrigeren Erregerniveau sehr gut umgehen und sie entwickeln sogar eine Art Immungedächtnis“, sagt Cremer.
Rettet die Königin
Die Analysen zeigten auch, dass die Kolonie besonders wertvolle Tiere schützt. Die Königin, das einzige Individuum, das sich fortpflanzt, und die Brutpflegerinnen, also junge Arbeiterameisen, die noch viele Stunden Arbeit für die Kolonie leisten werden, erhielten weniger von dem Erreger. „In einer Kolonie müssen nicht alle Tiere geschützt werden – aber die wertvollsten Individuen sollten überleben“, erklärt Keller.
Die ForscherInnen führten auch ein Überlebensexperiment durch, um zu sehen, wie die Erregerbelastung 24 Stunden nach der Ansteckung mit dem Erreger mit dem späteren, tödlich verlaufenden, Krankheitsausbruch korreliert. Die Korrelation war hoch, sagt Nathalie Stroeymeyt, Erstautorin und Postdoc in der Gruppe von Laurent Keller: „Wir haben für jede einzelne Ameise eine Vorhersage für die Sporenbelastung berechnet, basierend auf ihrer Interaktion mit anderen Ameisen in den ersten 24 Stunden nachdem sie dem Erreger ausgesetzt wurden. Ameisen mit einer hohen vorhergesagten Sporenbelastung starben neun Tage nach der Ansteckung häufiger als Ameisen mit einer niedrigen vorhergesagten Sporenbelastung,“ fasst sie zusammen. „Die Sterblichkeit war bei den Sammlerinnen höher als bei den Brutpflegerinnen. Und alle Königinnen waren am Ende des Experiments noch am Leben.“
Wie Ameisen gemeinsam mit Problemen wie dem Risiko einer Epidemie umgehen, könnte Einblicke in die allgemeinen Prinzipien der Krankheitsdynamik geben, sagt Cremer: „Soziale Interaktionen sind die Routen, auf denen Krankheiten reisen, sie definieren, wie sich Epidemien ausbreiten können. Die Grundlagenforschung an Ameisen kann uns helfen, epidemiologische Prozesse besser zu verstehen, die auch in anderen sozialen Gruppen relevant sein können.“
Originalpublikation:
Social network plasticity decreases disease transmission in a eusocial insect, Nathalie Stroeymeyt, Anna V. Grasse, Alessandro Crespi, Danielle P. Mersch, Sylvia Cremer, Laurent Keller, Science, 2018
http://science.sciencemag.org/cgi/doi/10.1126/science.aat4793

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