Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

20.02.2023, Universität Bern
Geckos kennen ihren eigenen Geruch
Geckos können mit ihrer Zunge den eigenen Körpergeruch von demjenigen ihrer Artgenossen unterscheiden, wie Forschende der Universität Bern in einer neuen experimentellen Studie zeigen. Die Ergebnisse legen nahe, dass Geckos die Fähigkeit haben, sozial zu kommunizieren und somit intelligenter sind als bisher angenommen.
Selbsterkennung ist die Fähigkeit, Reize zu erkennen, die von einem selbst stammen. Etwa wir Menschen und auch einige Tiere können uns im Spiegel visuell selbst erkennen. Aber nicht alle Tiere verlassen sich in erster Linie auf den Sehsinn. Geckos, oder auch andere Echsen und Schlangen, verwenden ihre Zunge um Chemikalien, sogenannte Pheromone, von anderen Individuen wahrzunehmen. Beispielsweise halten Geckos beim Klettern auf einer Wand immer wieder inne, um zu züngeln. Auf diese Weise können sie potenzielle Partner oder Rivalen erkennen. Aber kennen Geckos auch ihren eigenen Duft und können sich so anhand des Geruchs selbst erkennen?
In einer kürzlich in der Fachzeitschrift Animal Cognition publizierten Studie gingen Forschende des Instituts für Ökologie und Evolution der Universität Bern der Frage nach, ob Tokehs, eine Gecko-Art, von ihnen selbst produzierte Hautchemikalien erkennen, und ob sie diese von denen anderer Geckos des gleichen Geschlechts unterscheiden können. Die Experimente bestätigten, dass Geckos dazu in der Lage sind. In den Versuchen interessierten sich die Tiere stärker für die Hautchemikalien von anderen Geckos als für die eigenen. Dies legt nahe, dass Geckos Pheromone für die soziale Kommunikation verwenden.
Gecko- und Pfefferminzduft auf Wattestäbchen
Während des Experiments präsentierten die Forschenden den Geckos verschiedene Gerüche auf Wattestäbchen. Neben dem eigenen Duft waren dies Gerüche anderer Geckos oder Kontrollgerüche wie Wasser und Pfefferminze. Als Reaktion zeigten Geckos zwei Arten von Verhalten: sie streckten ihre Zunge einerseits in Richtung des Geruchs auf dem Stäbchen und andererseits in Richtung der Umgebung im Gehege heraus. Die Forschenden interpretierten dieses Verhalten als Zeichen dafür, dass die Geckos zuerst den Geruch auf dem Tupfer wahrnehmen und dann mit ihrem eigenen Geruch an den Gehege-Wänden vergleichen. «Die Geckos mussten häufiger vergleichen, wenn sie auf den Geruch eines anderen Geckos stiessen verglichen mit ihrem eigenen Geruch. Dies deutet darauf hin, dass sie ihren eigenen Geruch kennen», erklärt Birgit Szabo, Erstautorin der Studie von der Abteilung für Verhaltensökologie des Instituts für Ökologie und Evolution der Universität Bern.
Darüber hinaus konnte das Team im Experiment zeigen, dass Geckos auch den Geruch ihrer Fäkalien erkennen und verwenden, um sich von anderen zu unterscheiden. Geckos lagern Pheromone auch auf ihren Exkrementen ab, um beispielsweise ihr Territorium zu markieren. Denn ähnlich wie viele Säugetiere haben Geckos Kot-Ablagestellen, mit denen sie ihre Anwesenheit mitteilen.
Sozialer und intelligenter als bisher angenommen
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Geckos sozial kommunizieren können, indem sie Chemikalien aus ihrer Haut und ihren Exkrementen verwenden, und dass sie diese Chemikalien nutzen, um sich von anderen Geckos zu unterscheiden. «Echsen und Reptilien im Allgemeinen werden als unsoziale Urtiere angesehen. Wir müssen anerkennen, dass Reptilien sozialer und intelligenter sind als angenommen», sagt Birgit Szabo.
«Reptilien, und insbesondere Geckos, eignen sich ideal, um grundlegende Fragen zur Evolution von Sozialität zu untersuchen. Innerhalb der Geckos finden wir ein breites Spektrum an Sozialstrukturen und Lebensräumen. Dies ermöglicht uns, innerhalb einer kleinen taxonomischen Gruppe die Zusammenhänge von Kognition, Kommunikation und Sozialleben zu untersuchen – und Vergleiche zu anderen, weiter entfernt verwandten Tiergruppen wie Säugetieren und Vögeln zu ziehen», sagt Eva Ringler, Professorin und Leiterin der Abteilung für Verhaltensökologie an der Universität Bern.
Originalpublikation:
Szabo, B., Ringler, E. Geckos differentiate self from other using both skin and faecal chemicals: evidence towards self-recognition? Anim Cogn (2023).
https://link.springer.com/article/10.1007/s10071-023-01751-8
DOI: 10.1007/s10071-023-01751-8

21.02.2023, Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen
Bucklige Verwandtschaft. Genomische Studie verdeutlicht die Vielfalt der weltweit verbreiteten Braunbären
Braunbären zählen zu den größten an Land lebenden Raubtieren der Welt. Die etwa zehn derzeit identifizierten Unterarten sind in Nordamerika, Europa, Russland und Asien verbreitet. Ein internationales Team von Forschenden untersuchte in einer in der Nature-Fachzeitschrift „Communications Biology“ veröffentlichten Studie, wie und wann ihre genetische Vielfalt entstanden ist. Damit stellen sie die erste umfassende populationsgenomische Studie am Braunbären (Ursus arctos) vor und zeigen an seinem Beispiel die Auswirkungen der letzten Eiszeit auf die heutige Vielfalt innerhalb der Art.
Braunbären zählen zu den größten an Land lebenden Raubtieren der Welt. Charakteristisch ist ihr muskulöser Buckel über den Schultern, der den Vorderbeinen zusätzliche Kraft verleiht. Die etwa zehn derzeit identifizierten Braunbären-Unterarten sind in Nordamerika, Europa, Russland und Asien verbreitet. Dabei weisen sie große Unterschiede hinsichtlich ihrer Gestalt, ihrer Lebensräume und ihres Verhaltens auf. Ein internationales Team von Forschenden, darunter vier Wissenschaftler aus Frankfurt am Main, untersuchte in einer in der Nature-Fachzeitschrift „Communications Biology“ veröffentlichten Studie, wie und wann ihre genetische Vielfalt entstanden ist. Damit stellen sie die erste umfassende populationsgenomische Studie am Braunbären (Ursus arctos) vor und zeigen an seinem Beispiel die Auswirkungen der letzten Eiszeit auf die heutige Vielfalt innerhalb der Art.
Der nordamerikanische Grizzly ist wohl die bekannteste Unterart – doch Braunbären sind auch auf dem eurasischen Kontinent heimisch, wo sie als Lebensraum (Berg-)Wälder bevorzugen. Ihr Bestand wird weltweit auf etwa 200.000 Tiere geschätzt, von denen vermutlich mehr als die Hälfte in Russland beheimatet ist. Nachdem Braunbären im Mittelalter noch auf dem gesamten europäischen Festland verbreitet waren, beläuft sich ihre Zahl hier auf noch etwa 17.000 Tiere. Die Zerstörung ihres Lebensraums, Wilderei und fehlende Akzeptanz trugen zu dieser Dezimierung bei. Während sie in Deutschland als ausgestorben gelten – abgesehen von einzelnen zugewanderten Tieren wie „Bruno“ im Jahr 2006 –, sind sie weltweit von der Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) als nicht gefährdet eingestuft.
Für den Vergleich der Braunbären-Unterarten untersuchten die Wissenschaftler die Genome von 128 Braunbären aus dem gesamten Verbreitungsgebiet. 95 dieser Genome wurden dabei extra für diese Studie entschlüsselt. Ziel war es, mit neuen genomischen Analysemethoden frühere Erkenntnisse zu Ähnlichkeiten und Unterschieden der verschiedenen Populationen zu überprüfen und offene Fragen zu beantworten. Dazu zählt auch, welche erdgeschichtlichen Entwicklungen zur heutigen Verbreitung und den jeweiligen genomischen Merkmalen geführt haben.
„Um einen umfassenden Überblick über die Populationsstruktur und genetische Vielfalt von Braunbären zu erhalten, haben wir Bereiche der Genome mit verschiedenen Vererbungseigenschaften untersucht und verglichen, darunter X- oder Y-Chromosomen von weiblichen und männlichen Individuen. Dies ermöglicht uns neue, differenziertere Einblicke als die Analyse des gesamten Genoms als einer Einheit. Wir fanden heraus, dass die Populationsstruktur, die sich aus unseren genetischen Daten ergibt, zwar weitgehend mit der derzeitigen Einteilung der Unterarten übereinstimmt – jedoch nicht vollständig“, erklärt Dr. Menno de Jong, Erstautor der Studie und Wissenschaftler am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum.
So werden beispielsweise Braunbären in ganz Europa und Westrussland, einschließlich der Bären im Uralgebirge und sogar in Westsibirien, derzeit als eine Unterart betrachtet, die als Eurasischer Braunbär (Ursus arctos arctos) bekannt ist. Die genetischen Analysen stützen diese Unterteilung und bestätigen, dass trotz der großen geografischen Ausdehnung alle Bären dieser Regionen tatsächlich zu demselben genetischen Cluster gehören.
Bei den nordamerikanischen Braunbären stießen die Forschenden jedoch auf eine Besonderheit, die nicht der aktuellen Zuordnung entspricht. Abgesehen vom riesigen Kodiakbären (Ursus arctos middendorffi), der auf der Insel Kodiak vor der Küste Südwestalaskas heimisch ist, werden derzeit alle anderen Bären Nordamerikas zur Unterart des Grizzlybären (Ursus arctos horribilis) gezählt. Der im Südwesten Alaskas beheimatete Alaska-Halbinsel-Braunbär, der schon einmal als eigene Unterart (Ursus arctos gyas) anerkannt war, unterscheidet sich laut der neuen Analyse jedoch deutlich von anderen Grizzlybären und ähnelt eher dem Kodiakbären. „Eine mögliche Interpretation ist, dass die Unterart der Alaska-Halbinsel-Braunbären wieder berücksichtigt werden muss. Eine andere Deutung ist, dass die Braunbären der Alaska-Halbinsel und die Kodiakbären eine Festland- und eine Inselpopulation derselben Unterart darstellen“, so de Jong.
Die Forschenden konnten auch feststellen, dass die Alaska-Halbinsel-Braunbären vom gleichen Vorfahren wie der Kamtschatka-Bär (Ursus arctos beringianus) abstammen, was auf die geografischen Bedingungen während der letzten Eiszeit zurückzuführen ist: Die russische Fernost-Halbinsel Kamtschatka und Alaska waren bis vor etwa 11.000 Jahren, als der globale Meeresspiegel viel niedriger lag als heute, durch die Landbrücke der damals trocken liegenden Beringstraße verbunden. Zur gleichen Zeit war Alaska vom amerikanischen Kontinent durch riesige Eisschilde getrennt, die das gesamte heutige Kanada bedeckten. Mit dem Anstieg der globalen Temperaturen und der Trennung durch die Beringstraße änderten sich die Möglichkeiten zur Vermischung oder Isolation der Arten wieder.
„Es mutet utopisch an, dass wir diese uralten Wanderbewegungen aus den genomischen Daten herauslesen können, um zu verstehen, wie sich die letzte Eiszeit auf Arten ausgewirkt hat. Bisherige Methoden und Interpretationen müssen aufgrund der neuen Erkenntnisse überdacht werden“, führt Studienleiter Axel Janke aus, Professor für Vergleichende Genomik bei Senckenberg und an der Frankfurter Goethe-Universität sowie am hessischen LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (LOEWE-TBG). „Genomische Analysen von Lebewesen, wie wir sie bei LOEWE-TBG vornehmen, geben unglaublich detaillierte, neue Einblicke in die Biodiversität unseres Planeten und ihrer Entstehungsgeschichte preis. Die Genomik steht erst am Anfang, zeigt sich jedoch bereits heute als Zukunftstechnologie, um das Leben vollständig zu verstehen“, so Janke weiter. Der Ansatz der Studie, die demografische Entwicklung der Braunbären zu entschlüsseln, kann als Vorlage für die Untersuchung und das bessere Verständnis der Geschichte vieler weiterer Arten dienen.
Originalpublikation:
Publikation in Communications Biology:
Menno J. de Jong, Aidin Niamir, Magnus Wolf, Andrew C. Kitchener, Nicolas Lecomte, Ivan V. Seryodkin, Steven R. Fain, Snorre B. Hagen, Urmas Saarma, Axel Janke
Range-wide whole-genome resequencing of the brown bear reveals drivers of intraspecies divergence
https://doi.org/10.1038/s42003-023-04514-w

22.02.2023, Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz
Sperlingsvogel nutzt menschliche Siedlungen zu seinem Vorteil
Der Spiegelrotschwanz verlegt seine Nistplätze in die Nähe von menschlichen Siedlungen oder sogar in Gebäude hinein, wenn Kuckucke in der Nähe sind. Auf diese Weise schützen die Sperlingsvögel ihr Nest vor Brutparasitismus, da Kuckucke menschliche Siedlungen meiden. Ein internationales Team von Wissenschaftler*innen konnte dies bei Spiegelrotschwänzen im Nordosten Chinas beobachten und erstmals experimentell belegen. Die Studie zeigt, wie sich das Brutverhalten einer Art unter Einfluss einer anderen Art anpassen kann. Sie gibt uns auch einen Einblick, wie sich die Urbanisierung auf die Interaktionen zwischen Vogelarten auswirkt.
Kuckucke legen ihre Eier in die Nester anderer Vögel und nutzen so deren Brutbemühungen für ihre eigene Fortpflanzung. Die ‘Pflegeeltern’ investieren Ressourcen in die Aufzucht des Nachwuchses eines anderen Vogels auf Kosten ihrer eigenen Küken. Die Strategie der Kuckucke wird als Brutparasitismus bezeichnet und bedeutet für die ausgenutzten Arten eine hohe Belastung.
Kuckucksweibchen entfernen in der Regel ein oder mehrere Eier der Wirtsvögel aus dem Nest, bevor sie das eigene Ei hineinlegen. Die jungen Kuckucke wiederum werfen meist alle anderen Küken aus dem Nest, um die elterliche Fürsorge für sich alleine beanspruchen zu können. Es liegt daher im Interesse der brütenden Vögel, das Kuckucksei zumindest aufzuspüren und es aus dem Nest zu entfernen. Sie können jedoch auch andere Taktiken anwenden, um von vornherein zu vermeiden, dass sie dem Brutparasitismus zum Opfer fallen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für biologische Intelligenz, der Beijing Normal University und der Beijing Forestry University in Peking beobachteten ein bemerkenswertes Beispiel für eine solche Taktik. Kuckucke im Nordosten Chinas nutzen häufig die Nester des Spiegelrotschwanzes für ihre Fortpflanzung. Der Sperlingsvogel brütet zweimal pro Saison – einmal vor und einmal nach der Ankunft der Kuckucke in der Region.
Die Forschenden fanden heraus, dass die Spiegelrotschwänze ihre Nester für die zweite Brutperiode näher an menschliche Siedlungen verlegten. Vermutlich versuchten sie so die Kuckucke fernzuhalten, denn Kuckucke meiden im Allgemeinen den engeren Kontakt zu Menschen. Den Wissenschaftler*innen gelang es, dasselbe Verhalten während der ersten Legeperiode hervorzurufen, indem sie Kuckucksattrappen in der Gegend aufstellten und Kuckucksrufe abspielten, um die Anwesenheit des Brutparasiten zu simulieren.
“Wir konnten zum ersten Mal experimentell zeigen, dass Spiegelrotschwänze ihr Nistverhalten ändern, wenn sie Kuckucke in der Umgebung bemerken“, sagt Jinggang Zhang, Postdoktorand in der Abteilung von Bart Kempenaers am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz. Die simulierte Anwesenheit der Kuckucke veranlasste die Spiegelrotschwänze, ihre Nester näher an Gebäude zu verlegen oder sogar in Gebäuden zu brüten. Dies entspricht ihrem natürlichen Verhalten während der zweiten Brutperiode, wenn Kuckucke tatsächlich zugegen sind.
Die Wissenschaftler*innen fanden auch heraus, dass das Risiko, Wirt für ein Kuckucksei zu werden, mit der Entfernung zwischen dem Nest und der nächstgelegenen menschlichen Siedlung steigt. Der Spiegelrotschwanz hat also eine neuartige Strategie entwickelt, um menschliche Siedlungen zu seinem Vorteil zu nutzen. Diese Beobachtungen werfen eine wichtige Frage auf: Wie kommt der Kuckuck mit der fortschreitenden Ausdehnung städtischer Gebiete zurecht?
“Die Urbanisierung beeinflusst Lebensräume und Tierpopulationen auf der ganzen Welt auf vielfältige Weise. Möglicherweise muss sich der Kuckuck an diese Entwicklung anpassen, indem er sich ebenfalls näher an menschliche Siedlungen heranwagt oder das Spektrum seiner Wirtsarten erweitert“, sagt Bart Kempenaers, Direktor am Institut.
Lösungen für neue Problem zu finden, ist ein Markenzeichen der Evolution und Kuckucke haben ihre Problemlösungskompetenz bereits anderweitig unter Beweis gestellt: In einer zweiten Studie untersuchten die Forschenden die Strategie der Kuckucke bei der Auswahl eines geeigneten Nests. Spiegelrotschwanz-Eier gibt es in zwei verschiedenen Farben – mit hellblauer und mit rosafarbener Schale. Kuckuckseier sind blau und ein Kuckucksweibchen würde davon profitieren, seine Eier in Wirtsnester mit blauen Eiern zu legen, da das Kuckucksei somit eher unentdeckt bleibt.
„Diese Strategie der Eiablage wurde schon früher beschrieben, aber die bisher durchgeführten Studien haben keinen experimentellen Beweis für ihre Existenz erbracht“, erklärt Jinggang Zhang. Über fünf Jahre hinweg untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daher mehr als 500 Spiegelrotschwanznester auf Anzeichen von Brutparasitismus. Die Nester mit blauen Eiern wurden mit mehr als doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit von Kuckucken für die Eiablage ausgewählt.
Die Forschenden stellten zudem künstliche Nester mit blauen oder rosafarbenen Spiegelrotschwanz-Eiern in der Nähe der aktiv genutzten Nester auf. In fast allen Fällen wählten die Kuckucke Nester, die blaue Eier enthielten – und sie zogen sogar künstliche Nester mit blauen Eiern gegenüber nahegelegenen, aktiven Nestern mit rosa Eiern vor.
„Wir waren überrascht, bei den Kuckucken eine so deutliche Präferenz für Nester mit blauen Eiern festzustellen. Unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Kuckucksweibchen sehr empfindlich auf die Merkmale des Nests reagieren und ihre Eier nicht einfach in jedes beliebige Wirtsnest legen, das sie finden“, sagt Bart Kempenaers.
Originalpublikation:
Brood parasitism risk drives birds to breed near humans
Jinggang Zhang, Peter Santema, Jianqiang Li, Wenhong Deng, Bart Kempenaers
Current Biology, online 17. Februar 2023
DOI: 10.1016/j.cub.2023.01.047

24.02.2023, Georg-August-Universität Göttingen
Kognitive Fähigkeiten des Oktopus
Acht Arme und eine Tarnkappenhaut – Kraken erscheinen uns aufregend fremdartig, ihre kognitiven Fähigkeiten faszinieren uns, weil sie mit denen von Wirbeltieren vergleichbar sind. Dabei haben sich unsere Entwicklungslinien vor etwa 550 Millionen Jahren getrennt. Die Kombination von Intelligenz und Fremdartigkeit veranlasste Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler bereits vor 150 Jahren, das Gehirn von Oktopoden zu studieren. Einem internationalen Team mit Beteiligung der Universität Göttingen sind nun die ersten Hirnstrommessungen in freischwimmenden Kraken gelungen.
Während solche Untersuchungen in Säugetieren und Vögeln mittlerweile etabliert sind, war das in Kraken bisher nicht möglich. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Current Biology erschienen.
„Auf der Suche nach grundlegenden Bedingungen für Intelligenz und Kognition sind Kraken genau die richtigen Tiere für den Vergleich mit Wirbeltieren. Dabei ist es wichtig, Hirnaktivität in Beziehung zum Verhalten zu setzen“, sagt Dr. Tamar Gutnick, Gastwissenschaftlerin an der Universität Neapel. Zur Untersuchung der Hirnströme nutzten die Forschenden miniaturisierte Datenlogger, die ursprünglich für Vögel entwickelt wurden. Sie wurden abgedichtet und so implantiert, dass die Kraken frei durch ihr Aquarium schwimmen konnten. „So konnten wir Hirnströme und Verhalten synchron aufzeichnen. Das ist ein entscheidender Schritt für die Erforschung des Krakenhirns“, erklärt Prof. Dr. Michael Kuba, der ebenfalls in Neapel forscht.
Die elektrischen Messungen erfolgten in Hirnregionen, die vermutlich für Lernen und Gedächtnis verantwortlich sind. Deren geschichteter Aufbau erinnert an den Hippocampus, der im Säugetierhirn diese Aufgaben übernimmt und sich dabei verschiedener Aktivitätsmuster bedient. Eins dieser Muster sind langsame Spannungsausschläge mit überlagerten hoch-frequenten Schwingungen, sogenannte sharp waves with ripples. „Im Kraken beobachteten wir zwar Ausschläge, die in Größe und Zeitverlauf den sharp waves ähneln, allerdings ohne die ripples“, erläutert Dr. Andreas Neef vom Göttingen Campus Institut für Dynamik Biologischer Netzwerke, der die Messungen auswertete.
Ob die Ähnlichkeit der Aktivitätsmuster auf eine vergleichbare Rolle für die Gedächtnisbildung hinweist, ist noch offen. Ebenso unklar ist die Funktion von langsamen, viele Sekunden andauernden Schwingungen im Krakenhirn, die keinem bekannten Aktivitätsmuster ähneln. Das zu untersuchen wird Teil weiterer Studien sein. An der Studie waren neben den Forschenden aus Göttingen und Neapel auch noch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Okinawa Institute for Science and Technology sowie der Universitäten Zürich und Kyiv beteiligt.
Originalpublikation:
Tamar Gutnick et al. Recording electrical activity from the brain of behaving octopus. Current Biology 2023. https://doi.org/10.1016/j.cub.2023.02.006
Begleitender Artikel in Nature Research Highlights: https://doi.org/10.1038/d41586-023-00493-4

24.02.2023, Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen
Genomik für den Artenschutz. Genomische Analysen liefern wichtige Erkenntnisse für das Naturschutzmanagement
Die biologische Vielfalt der Natur zu erhalten, ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Bei der Entwicklung von Strategien und effektiven Maßnahmen kann das Feld der Biodiversitätsgenomik einen wichtigen Beitrag leisten. Genomische Daten von Arten, Artgemeinschaften und ganzer Ökosysteme sollten bei weitreichenden Bewertungen und Entscheidungen im Naturschutzmanagement immer berücksichtigt werden – dafür plädiert ein internationales Team von Wissenschaftler*innen in einer neuen Veröffentlichung im Fachjournal „Trends in Genetics“.
Die biologische Vielfalt der Natur zu erhalten, ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Um Strategien und effektive Maßnahmen zu entwickeln, bedarf es fundierter wissenschaftlicher Analysen und konkreter Informationen für die Akteur*innen im Naturschutz. Hier kann das Feld der Biodiversitätsgenomik einen wichtigen Beitrag leisten: Genomische Daten von Arten, Artgemeinschaften und ganzer Ökosysteme geben Einblick in Eigenschaften, Anpassungsfähigkeiten, Verwandtschaftsbeziehungen und evolutionäre Entwicklungen. Diese Daten sollten bei weitreichenden Bewertungen und Entscheidungen im Naturschutzmanagement immer berücksichtigt werden – dafür plädiert ein internationales Team von Wissenschaftler*innen unter anderem aus Frankfurt in einer neuen Veröffentlichung im Fachjournal „Trends in Genetics“.
Die derzeitige Krise der biologischen Vielfalt hat verheerenden Folgen für das Funktionieren und die Gesundheit der Ökosysteme, das evolutionäre Erbe und das Anpassungspotenzial der Arten. Damit bedroht sie letztlich auch die Menschheit. Obwohl die genetische Vielfalt seit langem als grundlegend für alle Ebenen der biologischen Organisation – von Individuen, Populationen und Arten bis zu Gemeinschaften und Ökosystemen – anerkannt sei, werde die Genomik bei der Bewertung der biologischen Vielfalt und bei Erhaltungsmaßnahmen häufig vernachlässigt, argumentieren die Wissenschaftler*innen in ihrem Artikel. Gründe sehen sie in einer begrenzten Wissensübermittlung, eingeschränkter interdisziplinärer Zusammenarbeit und dem Fehlen entsprechender internationaler Vorgaben.
Um die zahlreichen Vorteile und Einsatzmöglichkeiten genomischer Daten aufzuzeigen, gibt das Team einen Überblick über die wichtigsten Ansätze und Anwendungen der Biodiversitätsgenomik. Während sich etwa mittels des sogenannten DNA metabarcodings die Biodiversität ganzer Ökosysteme analysieren lässt, kann die Detailtiefe bei der Untersuchung einzelner Lebewesen an die jeweilige Fragstellung beim Artenschutz angepasst werden.
„So kann zum Beispiel anhand genomischer Daten die Fähigkeit einer Art, sich an wandelnde Umweltbedingungen anzupassen, viel realistischer ermittelt werden. Auch für das Naturschutzmanagement wichtige Parameter wie Inzucht oder Genfluss, also der Austausch von genetischem Material innerhalb oder zwischen Populationen, können durch die Analysen ganzer Genome sehr verlässlich dargestellt werden. Mit unserer Veröffentlichung möchten wir vor allem bewirken, dass Forschende aus den Bereichen Naturschutz und Biodiversitätsgenomik enger zusammenarbeiten, um eine neue Ära der Naturschutzgenomik im Anthropozän einzuläuten – dem Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist“, erläutert Dr. Kathrin Theissinger, Wissenschaftlerin bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung sowie am hessischen LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (LOEWE-TBG) und eine der Erstautor*innen der Veröffentlichung.
Besonders zuverlässigen Einblick geben laut der Forschenden die Daten aus Referenzgenomen, also umfassend analysierten Erbgutinformationen einer Art. „Es ist wichtig, dass Referenzgenome für zahlreiche Arten aus dem gesamten Baum des Lebens gut verfügbar und nutzbar werden. Dieser Schatz an Daten wird entscheidend dazu beitragen, die biologische Vielfalt unserer Erde zu bewerten, zu erhalten oder wiederherzustellen“, betont Miklós Bálint, Professor für Funktionale Umweltgenomik bei Senckenberg, der Universität Gießen und LOEWE-TBG. „Für das Ziel, die genomischen Grundlagen dieser Vielfalt zu entziffern und zu verstehen, bieten Senckenberg und das LOEWE-Zentrum TBG exzellente Bedingungen, besonders auch für die Erstellung von Referenzgenomen unterschiedlichster Arten.“
Um diese bereitzustellen, haben sich in den vergangenen Jahren Konsortien gebildet. Zu ihnen zählt die Initiative des European Reference Genome Atlas (ERGA, https://www.erga-biodiversity.eu), dessen Mitglieder ebenfalls an dem Artikel beteiligt sind. Das ERGA-Konsortium hat es sich zum Ziel gesetzt, eine transdisziplinäre und grenzüberschreitende Gemeinschaft von Expert*innen zu bilden. ERGA ist der offizielle paneuropäische Zweig des Earth BioGenome Project (https://earthbiogenome.org/), einer weltweiten Initiative mit dem Ziel, die Genome aller derzeit beschriebenen eukaryotischen Arten der Erde über einen Zeitraum von zehn Jahren zu sequenzieren und zu katalogisieren. Das LOEWE-Zentrum TBG ist Mitglied beider Initiativen.
Originalpublikation:
Publikation in Trends in Genetics:
K. Theissinger, C. Fernandes, G. Formenti, I. Bista, P. R. Berg, C. Bleidorn, A. Bombarely, A. Crottini, G. R. Gallo, J. A. Godoy, S. Jentoft, J. Malukiewicz, A. Mouton, R. A. Oomen, S. Paez, P. J. Palsbøll, C. Pampoulie, M. J. Ruiz-Lopez, S. Secomandi, H. Svardal, C. Theofanopoulou, J. de Vries, A.-M. Waldvogel, G. Zhang, E. D. Jarvis, M. Bálint, C. Ciofi, R. M. Waterhouse, C. J. Mazzoni, J. Höglund, and The European Reference Genome Atlas Consortium
“How genomics can help biodiversity conservation”
https://doi.org/10.1016/j.tig.2023.01.005

24.02.2023, NABU
NABU: Runter vom Gas für die Liebe/Amphibien auf den Straßen unterwegs/Helfende am Krötenzaun gesucht
Nasses, mildes Spätwinterwetter hat die Lurche in Liebesstimmung versetzt: In vielen Regionen Deutschlands sind Frösche, Kröten, Molche und Unken seit Tagen bereits unterwegs. „Der angekündigte Kälteeinbruch am Wochenende wird die Wanderung zwar erst einmal stoppen. Aber sobald es nachts mehr als fünf Grad Celsius warm wird, kommen die Tiere aus den Winterquartieren und begeben sich zu ihren Laichgewässern, um sich zu paaren“, sagt Sascha Schleich, stellvertretender Sprecher des NABU-Bundesfachausschusses Feldherpetologie und Ichthyofaunistik. „Dabei werden leider jedes Jahr viele Amphibien auf unseren Straßen getötet.“
Der NABU bittet darum Autofahrerinnen und Autofahrer, auf Amphibienwanderstrecken höchstens 30 Stundenkilometer zu fahren. Die Strecken sind durch entsprechende Hinweise ausgeschildert. Langsames Fahren kann vielen Tieren das Leben retten. Denn sie sterben nicht nur unter Autoreifen, sondern auch wenn Fahrzeuge sehr schnell unterwegs sind. „Große Geschwindigkeit erzeugt einen so hohen Luftdruck, dass die inneren Organe von Fröschen, Kröten und Molchen platzen oder durch den Mund nach außen gestülpt werden. Die Tiere verenden qualvoll“, so Schleich. Vorsichtige Fahrweise ist auch wegen der vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer wichtig, die im Einsatz sind. Schleich: „Warnschilder und Tempolimits müssen unbedingt beachtet werden, auch weil die Einsätze in der Dämmerung stattfinden, wenn die meisten Tiere unterwegs sind.“ Der Höhepunkt der Wanderungen wird aufgrund der regional sehr schwankenden Temperaturen aber erst in einigen Wochen erwartet.
Seit vielen Jahren kämpfen Naturfreundinnen und -freunde gegen den Amphibientod an unseren Straßen. Sie stellen Fangzäune auf, tragen Kröten über die Straße und legen Ersatzlaichgewässer an. Für diese ehrenamtliche Arbeit sind zahlreiche Helferinnen und Helfer nötig. Der NABU informiert darum unter www.NABU.de/Kroetenwanderung über das bundesweite Wandergeschehen. Dort gibt es neben aktuellen Meldungen über besondere Ereignisse und seltene Arten auch eine bundesweite Datenbank, die über den Standort von Krötenzäunen und Aktionen informiert. Wer mithelfen möchte, findet hier Einsatzmöglichkeiten.
Aktuelle Infos zur Krötenwanderung: www.NABU.de/Kroetenwanderung

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