Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

06.12.2022, Universität Duisburg-Essen
Biodiversität in Baumkronen: Es regnet Arten!
Was lebt eigentlich in Baumkronen? Darüber weiß auch die Forschung nur wenig, denn der Lebensraum der Höhenbewohner ist nur schwer zugänglich. Biologen der Universität Duisburg-Essen (UDE) haben nun ein Verfahren getestet und in Environmental DNA veröffentlicht, mit dem Proben aus den Wipfeln vergleichsweise einfach zu nehmen sind. Das Wetter spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Klettern, Kräne, Benebelung mit Insektiziden – Proben aus Baumkronen zu gewinnen, war bisher sehr aufwendig. Eine zündende Idee hatten nun Wissenschaftler aus der UDE-Arbeitsgruppe „Aquatische Ökosystemforschung“ um Prof. Dr. Florian Leese: Sie stellten kurz vor einem angesagten Regenguss je vier Sammelplanen um die Stämme von Eichen, Buchen, Kiefern und Lärchen im Diersfordter Wald und im Großen Veen am Niederrhein.
Das nach dem Regen in den Planen gesammelte Wasser enthielt neben vollständigen Kleinst- und Kleinlebewesen auch sogenannte Umwelt-DNA (englisch: eDNA): Genetische Information von Lebewesen der Umgebung, die zum Beispiel durch Abrieb oder Ausscheidungen freigesetzt wurde.
Dieses Gemisch aus Käfer-, Pilz-, Ameisen- und Eichen-DNA – um nur einige Beispiele zu nennen – lässt sich anschließend per eDNA-Metabarcoding analysieren: Das Verfahren erfasst auch kleinste Spuren der Erbinformationen, vervielfältigt sie und ermöglicht so die genaue Bestimmung jeder Art, die in der Probe vorhanden ist.
Das Team um Leese konzentrierte sich auf wirbellose Tiere, und der Vergleich der DNA-Analysen mit den tatsächlich in den Sammelplanen gefundenen Tieren ergab: Von den 50 nachgewiesenen Arten waren nur sieben als ganze Exemplare in die Proben gefallen. „Daraus schließen wir, dass unsere Methode tatsächlich einen guten Überblick über die Biodiversität in den Baumkronen erlaubt“, erklärt Studienautor Till Macher.
Darüber hinaus stellten die Biologen fest, dass die Artenzusammensetzung von Baum zu Baum unterschiedlich war: Insgesamt konnten sie 88 Prozent der nachgewiesenen Arten einer bestimmten Baumspezies zuordnen.
Obwohl die Forscher zunächst mit einer kleinen Stichprobenmenge gearbeitet haben, sind die Ergebnisse aussagekräftig, betont Leese: „Unsere Ergebnisse zeigen das Potenzial von eDNA-Metabarcoding im Regenwasser als schnelle und minimalinvasive Methode, um die Vielfalt wirbelloser Baumkronenbewohner zu messen.“
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1002/edn3.372

06.12.2022, NABU
Eicheln, Eckern, Zapfen satt – bleiben Waldvögel dem Futterhaus fern?
Vom 6. bis 8. Januar findet die 13. „Stunde der Wintervögel“ statt
Vögel zählen ab dem Dreikönigstag: Vom 6. bis 8. Januar 2023 findet zum 13. Mal die bundesweite „Stunde der Wintervögel“ statt: Der NABU und sein bayerischer Partner LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) rufen dazu auf, eine Stunde lang die Vögel am Futterhäuschen, im Garten, auf dem Balkon oder im Park zu zählen und zu melden.
„Im vergangenen Januar haben mehr als 176.000 Menschen mitgezählt. Wir freuen uns über die anhaltend hohe Beteiligung an unseren Aktionen. Und unsere App NABU Vogelwelt, über die man auch an der Zählung teilnehmen kann, hat inzwischen die Zwei-Millionen-Marke bei den Downloads geknackt. Das alles zeigt, wie groß das Interesse an der heimischen Natur ist“, sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. „Wer Vögeln etwas Gutes tun möchte, sollte aus seinem Garten oder Balkon ein Mini-Naturschutzgebiet machen und diese möglichst wild und mit heimischen Gehölzen, Stauden und Kräutern naturnah gestalten.“
Auch das Füttern mit Saaten und ungenetzten Meisenknödeln nehmen Wintervögel gerne an. Wobei es in diesem Winter weniger Betrieb am Futterhaus geben könnte. Denn 2022 ist ein Mastjahr. Das bedeutet, dass Eiche, Buche, Fichte und Co. außerordentlich viele Früchte gebildet haben. Miller: „Kleiber, Eichelhäher, Kernbeißer und Buntspecht, Buchfink und auch der Bergfink als Wintergast, sowie der Erlenzeisig leben von den Baumfrüchten. Für sie ist der Tisch in diesem Winter überreich gedeckt.“
In den letzten Jahren sind Mastjahre ungewöhnlich häufig aufgetreten. Das scheint eine Folge des Klimawandels zu sein. Warme, trockene Sommer begünstigen einen hohen Blütenansatz. Auch die Spätfröste, die durch den Klimawandel vermehrt auftreten, fördern ein Mastjahr im Folgejahr. Dadurch kommt es im Wald zu Stressblühereignissen und Massenfruchten. „Interessant wird sein, wie sich die typischen Waldvogelarten diesen Winter verhalten werden“, so Miller. „Möglicherweise bleiben sie eher im Wald und kommen nicht so oft in die Siedlungen. Das würde bedeuten, dass wir weniger Futterhausgäste sehen und zählen.“ Allerdings hänge das auch immer vom Wetter am Zählwochenende ab, so Miller weiter.
Die „Stunde der Wintervögel“ ist Deutschlands größte wissenschaftliche Mitmachaktion und findet bereits zum 13. Mal statt. Bei der vergangenen Vogelzählung im Januar 2022 ergatterte der Haussperling den Spitzenplatz als häufigster Wintervogel in Deutschlands Gärten, Kohlmeise und Blaumeise folgten auf Platz zwei und drei. Wer mitmachen will, beobachtet eine Stunde lang die Vögel am Futterhäuschen, im Garten, auf dem Balkon oder im Park und meldet die Ergebnisse dem NABU. Von einem ruhigen Beobachtungsplatz aus wird von jeder Art die höchste Anzahl Vögel notiert, die im Laufe einer Stunde gleichzeitig zu sehen ist. Die Beobachtungen können per App unter www.NABU.de/vogelwelt, unter www.stundederwintervoegel.de oder unter www.NABU.de/onlinemeldung bis zum 16. Januar gemeldet werden. Zudem ist für telefonische Meldungen am 7. und 8. Januar jeweils von 10 bis 18 Uhr die kostenlose Rufnummer 0800-1157-115 geschaltet.
Die NAJU lädt mit der „Schulstunde der Wintervögel“ vom 9. bis 13. Januar 2023 alle Kinder ein, die heimischen Wintervögel spielerisch kennenzulernen, zu beobachten und eine Stunde lang auf dem Schulhof, im Park oder im Garten zu zählen. Welche Vögel verbringen den Winter in Deutschland und wie können sich schon Kinder für ihren Schutz einsetzen? Das Begleitheft zur Schulstunde liefert zahlreiche Anregungen, ein Poster stellt die häufigsten Wintervogelarten vor und eine kindgerechte Zählkarte erleichtert die Teilnahme an der Vogelzählung. Alle Infos unter www.naju.de/sdw.

06.12.2022, Deutsche Wildtier Stiftung
Was ist eigentlich Winterschlaf?
Mit normalem Schlafen hat der Winterschlaf nicht viel zu tun – er ist eine Anpassung vieler Wildtiere an karge Zeiten
Wenn es draußen kalt ist und die Nahrung knapp wird, legen sich viele Wildtiere in ihre gut gepolsterten Nester, Höhlen oder Baue, fangen an zu schnarchen und schlafen entspannt einfach mal bis April durch. Klingt wie im Märchen – und ist auch eins. Denn mit einem normalen, erholsamen Schlaf hat der Winterschlaf der Wildtiere nichts zu tun. Er ist für sie eine effiziente Strategie, um eine lange Zeit ohne Nahrung und unter ungünstigen Witterungsbedingungen zu überleben.
„Viele Wildtiere haben im Winter eine drastisch gesenkte Stoffwechselfunktion, ihre Herzschlagrate und die Atemfrequenz werden stark reduziert und auch die Körperkerntemperatur sinkt“, sagt Professor Dr. Klaus Hackländer, Vorstandsvorsitzender und Wildtierbiologe der Deutschen Wildtier Stiftung. Der Gartenschläfer, das Tier des Jahres 2023, verbringt seine Wintertage sogar teilweise mit einer Körperkerntemperatur von einem Grad unter null. Auch Igel, Feldhamster und Fledermäuse nutzen diese Strategie, um die kalten Monate zu überstehen. Biologen nennen diesen extremen Ruhezustand Torpor.
In regelmäßigen Abständen unterbrechen die Tiere während des Winterschlafs den Torpor. Denn auch die Hirnaktivität ist in den Phasen des reduzierten Stoffwechsels nur minimal, ab und zu muss das Gehirn auf Betriebstemperatur gebracht werden. Dann fahren die Tiere ihren Stoffwechsel hoch, die Temperatur steigt und sie schlafen – inklusive der für die das Hirn wichtigen sogenannten REM-Phasen (für Rapid-Eye-Movement), in denen die Nervenzellen mit Sauerstoff versorgt und Stoffwechsel-Produkte entfernt werden. Die Torpor-Phasen wechseln sich daher in regelmäßigen Abständen mit Phasen des wirklichen Schlafens ab. Nur alle paar Wochen stehen die Winterschläfer auf, um beispielsweise zu urinieren, Losung abzusetzen oder aus der Vorratskammer im Bau Nahrung aufzunehmen. Übrigens: Erholt sind die tierischen Winterschläfer nach dem langen Liegen nicht. Im Gegenteil, nach dem Aufwachen im Frühjahr müssen sie erstmal viel futtern, um neue Energie zu tanken.
Im Torpor sind die Tiere steif und reagieren kaum auf äußere Reize, sodass sie sogar von uns Menschen für tot gehalten werden können, wenn wir sie beim Aufräumen im Garten finden, etwa einen Igel im Laubhaufen oder einen Gartenschläfer in einem Holzstapel. Tiere im Winterschlaf dürfen nicht gestört werden. „Denn das Wiederhochfahren des Stoffwechsels ist ein komplizierter biochemischer Prozess, der für die Tiere sehr kräftezehrend ist“, sagt Professor Hackländer. „Stören wir die Tiere im Torpor, verlieren sie extrem viel Energie und überleben den Rest des Winters vielleicht nicht.“
Tiere, die nur eine Winterruhe halten, wie das Eichhörnchen oder der Dachs, fahren ihren Stoffwechsel nicht so drastisch herunter. Anders als richtige Winterschläfer sind sie zwischenzeitlich immer mal wieder aktiv, gehen auf Nahrungssuche, wechseln das Quartier und paaren sich sogar. Rothirsche und andere große Wildtiere können durch eine zeitweise Stoffwechselruhe im Winter bis zu 30 Prozent Energie sparen. Ektotherme Tiere wie Frösche oder Kröten können ihre Körpertemperatur nicht selbst regulieren und verfallen bei tiefen Außentemperaturen in die Kältestarre. Sie suchen zuvor Schutz in wind- und frostgeschützten Verstecken wie Komposthaufen oder unter Baumwurzeln und verweilen dort, bis es wieder wärmer wird.

07.12.2022, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Binnengewässer in der Biodiversitätspolitik mit Landflächen und Meeren gleichstellen
Heute beginnt in Montreal der zweite Teil der Weltnaturschutzkonferenz (CBD COP 15). Dem Massenaussterben soll u.a. damit entgegengewirkt werden, dass 30 Prozent der Landfläche und der Meere bis spätestens 2030 unter Schutz gestellt werden. Aber fehlt da nicht etwas? Genau, die Binnengewässer! Sie werden bisher meist den Landflächen zugeordnet, ihre Relevanz dabei nicht ausreichend berücksichtigt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zur Süßwasser-Biodiversität forschen, geben eine Einordnung zu diesem oft übersehenen Thema:
Weltweit nimmt die Biodiversität in einem noch nie dagewesenen Tempo ab. Besonders gefährdet sind die die genetische Vielfalt, Populationen, Arten, Gemeinschaften und Ökosysteme im Süßwasser. Studien und Zahlen belegen dies eindrücklich. In Binnengewässern schrumpfen die Lebensräume besonders dramatisch, etwa weil in den Tiefen vieler Seen zunehmend Sauerstoffmangel herrscht, die Temperaturen des Oberflächenwassers steigen, oder weil Fließgewässer verbaut werden und periodisch austrocknen. Der Klimawandel mit zunehmenden Wetterextremen wie Dürren und Überflutungen verschärft die Situation zusätzlich.
Binnengewässer gleichwertig wie Land und Meer behandeln:
„Nach wie vor wird in der internationalen Biodiversitätspolitik die große Relevanz der Binnengewässer übersehen“, kritisiert IGB-Forscherin Prof. Dr. Sonja Jähnig und fährt fort: „Quellen, Bäche, Flüsse, Seen, Kleingewässer, Feuchtgebiete und das Grundwasser sind unabdingbare Voraussetzung und Lebensgrundlagen für die Natur und damit auch für uns Menschen. Deshalb sollten die Binnengewässer und ihre Biodiversität neben terrestrischen und marinen Ökosystemen als gleich bedeutsamer, dritter ökologischer Bereich in politischen und gesellschaftlichen Rahmenwerken und Strategien etabliert werden.“
Bislang werden Flüsse, Seen und Feuchtgebiete in unterschiedlichen politischen Rahmen entweder dem Land zugerechnet – weil sie im terrestrischen Bereich eingebettet sind – oder den Meeren und Ozeanen – weil sie aquatisch sind. „Süßwasser-Ökosysteme dürfen nicht länger nur ein Nebenschauplatz sein, denn sie können ihre vielfältigen Funktionen als Lebensraum und Schlüsselressource für Mensch und Natur nur erfüllen, wenn sie konsequent geschützt, nachhaltig bewirtschaftet und ökologisch wieder verbessert werden“, fasst Jähnig zusammen.
Dies gelte jetzt ausdrücklich auch für den neuen Globalen Biodiversitätsrahmen bis 2030, der in den kommenden Tagen verhandelt wird. Dessen Ziele müssten so angepasst werden, dass bei der Wiederherstellung der Ökosysteme und bei der Ausweitung von Schutzgebieten spezifische Ziele für Binnengewässer festgehalten werden. Dies empfiehlt Sonja Jähnig auch gemeinsam mit 20 weiteren international renommierten Süßwasserexpert*innen in einem gestern veröffentlichten Science Brief des Netzwerks GEOBON und FWBON.
Kein Klimaschutz ohne Biodiversitätsschutz:
Auch bei Maßnahmen gegen den Klimawandel werden Binnengewässer zu oft vernachlässigt. Ihre Biodiversität ist von Klimaveränderungen besonders stark betroffen, beispielsweise weil sich Seen weltweit schneller erwärmen als die Atmosphäre und die Ozeane – oder sich das Abflussregime ganzer Flusssysteme verändert. Wird der Klimaschutz nicht mit anderen Naturschutzzielen in Einklang gebracht, kann die biologische Vielfalt zusätzlich in Gefahr geraten, wie IGB-Experte Dr. Martin Pusch erläutert: „Die Biodiversitätskrise in unseren Binnengewässern ist eng mit der Klimakrise verbunden, denn saisonale Dürrephasen mit niedrigen Durchflussmengen, gestiegene Schadstoffkonzentrationen und höheren Wassertemperaturen bedrohen das Leben unter der Wasseroberfläche in besonderem Maße“, sagt er.
„Gerade der als Anpassung an den Klimawandel vorangetriebene Ausbau der Wasserkraft birgt große Risiken für die aquatische biologische Vielfalt: Millionen Dämme und andere Querbauwerke begünstigen die Massenentwicklung von Algen in Flüssen und verhindern, dass Fische in Hitzeperioden kühle Refugien aufsuchen können. Dabei tragen Wasserkraftwerke weniger zur Mitigation des Klimawandels bei als erwartet, denn Stauseen emittieren vor allem in den Tropen und Subtropen selbst hohe Mengen von Treibhausgasen.“ Pusch empfiehlt deshalb: „Die Erhaltung der aquatischen Biodiversität muss Vorrang haben. Wir brauchen dringend mehr freifließende Flüsse und großräumige Renaturierungen statt zusätzliche ineffiziente Wasserkraftprojekte mit ihren hohen ökologischen und sozialen Kosten.“
Auch die kleinsten Lebewesen schützen:
Wenn schon große Seen und Flüsse aus dem Blick geraten, wie mag es dann wohl um die kleinsten Lebewesen stehen, die sie beherbergen? Millionen Arten winziger Mikroorganismen wie Pilze und Bakterien kommen in allen Gewässertypen vor – in kleinen Pfützen, großen Binnenseen, selbst in Eis und Schnee. Obwohl man die meisten von ihnen mit bloßem Auge nicht erkennt, machen sie in allen Ökosystemen den größten Teil der biologischen Vielfalt aus.
„Diese Mikroorganismen bilden die Basis eines jeden Nahrungsnetzes und tragen ganz wesentlich zu den Funktionen eines Ökosystems bei – nehmen wir z.B. die Pilze, die organisches Material remineralisieren und so Nährstoffe und andere Verbindungen im Produktionskreislauf halten. Gerade in größeren Gewässern sind sie ein wichtiger Faktor der sogenannten Kohlenstoffpumpe, da sie das Absinken von organischem Material bis in die Gewässertiefe und somit auch das Klima nachhaltig beeinflussen. Darüber hinaus helfen sie beim Abbau von Schadstoffen“, erläutert IGB-Mikrobiologe Prof. Dr. Hans-Peter Grossart.
Obwohl Mikroben für das Funktionieren von Ökosystemen und unsere Gesundheit von so entscheidender Bedeutung sind, sei nur wenig darüber bekannt, ob wir infolge des globalen Wandels Schlüsselarten verlieren werden und wie sich das auf das Funktionieren und damit die Gesundheit unserer natürlichen Umwelt auswirken könnte. „Wir gehen davon aus, dass die derzeitigen Umweltveränderungen zum Verlust von Schlüsselarten und damit von Ökosystemfunktionen führen können“, betont der IGB-Forscher und fügt hinzu: „Es ist deshalb dringend nötig, auch Pilz-Schlüsselarten in die Liste der zu schützenden Organismen aufzunehmen.“ Leicht dürfte das allerdings nicht werden, denn Pilze stellen in Gewässern noch eine der am wenigsten erforschten Organismengruppen dar.
Natürliche Systeme – gibt es die noch?
„Eine wirklich unberührte Natur existiert eigentlich fast nirgends mehr auf der Welt“, so lautet die Antwort von Dr. Tina Heger, die am IGB in der Arbeitsgruppe für Ökologische Neuartigkeit forscht. „In Deutschland haben wir keine Urwälder, in Europa kaum Flüsse, die unreguliert fließen und der durch den Menschen verursachte Klimawandel betrifft und verändert alle ökologischen Systeme.“
In einem aktuellen Interview plädiert die Biologin deshalb dafür, natürliche und vom Menschen beeinflusste Natur nicht als Gegensätze zu begreifen. Stattdessen könne es alle denkbaren Zustände zwischen diesen beiden Polen geben. „Ein Ökosystem, in das der Mensch eingreift, kann genauso biologisch vielfältig sein wie ein natürliches System, es kann mitunter sogar resilienter sein – das zeigen erfolgreiche Renaturierungen. Wir brauchen Begriffe, die helfen, solche Übergänge zwischen natürlichen und menschengemachten Zuständen in der Natur zu beschreiben“, sagt sie. Das sei am Ende auch eine ethische und philosophische Frage – und würde umso mehr die Verantwortung des Menschen für die uns umgebende Natur unterstreichen.

07.12.2022, Max-Planck-Institut für Biologie Tübingen
Zähne von Fadenwürmern bestehen aus Chitin
Forschende des Max-Planck-Instituts für Biologie in Tübingen erbringen erstmals den Nachweis, dass die Zähne des Fadenwurms Pristionchus pacificus aus Chitin bestehen. Damit beantworten sie nicht nur die seit Jahrzehnten offene Frage nach der Zusammensetzung der Zähne, sondern eröffnen auch neue Perspektiven auf die Evolution der bis zu 10 Millionen verschiedenen Fadenwurmarten. Die Forschungsergebnisse erscheinen jetzt in der Fachzeitschrift Current Biology.
Fadenwürmer bevölkern nahezu die gesamte Erde, von Tiefseegräben bis hin zu Wüsten und Hochgebirgen. Oft finden sich mehr als eine Million der oft nur millimetergroßen Lebewesen auf einem Quadratmeter Boden, und laut Schätzungen sind etwa 80 Prozent aller vielzelligen Tiere weltweit Fadenwürmer.
Trotz ihrer Omnipräsenz und ihrer Bedeutung für verschiedenste Ökosysteme sind noch viele Fragen über die kleinen Würmer unbeantwortet, unter anderem in Zusammenhang mit dem Aufbau und der Entwicklung ihrer vielgestaltigen Mundstruktur. Bislang war etwa unklar, woraus die Zähne bestehen, über die viele Fadenwurmarten verfügen.
Chitinmangel führt zu Mundfehlbildungen
Einem Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Biologie Tübingen unter Leitung von Ralf Sommer gelang nun erstmals der Nachweis, dass die Zähne des Fadenwurms Pristionchus pacificus aus Chitin bestehen. Chitin ist sehr widerstandsfähig und dient in der Natur oft der Strukturbildung: In den Außenskeletten von Gliederfüßlern – etwa in den Panzern von Käfern und den Schalen von Krebsen – findet der Vielfachzucker Verwendung, aber auch in der Zellwand von Pilzen.
Schon seit den 1940er Jahren war vermutet worden, dass Chitin auch in der Mundstruktur von Fadenwürmern ein wichtiger Bestandteil sein könnte. Der direkte Nachweis von Chitin ist jedoch schwierig und konnte für die Fadenwürmer nie eindeutig erbracht werden. Das Team um Ralf Sommer wählte daher einen anderen Zugang zur Fragestellung: Die Forschenden schalteten mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR-CAS9 eines der beiden Gene des Fadenwurms aus, die für die Produktion von Chitin verantwortlich sind. Je nachdem, an welcher Stelle das Gen verändert wurde, waren die Mutanten entweder gar nicht lebensfähig – oder ihr Mund war zahnlos und fehlgebildet. Ergänzend dazu injizierten die Forschenden in genetisch unveränderte Würmer eine Substanz, die die Bildung von Chitin verhindert. Mit ähnlichem Ergebnis: Auch diese Individuen besaßen fehlgebildete Münder ohne Zähne. „Gemeinsam stellen diese beiden Experimente einen überzeugenden Beweis für die wichtige Rolle von Chitin in den Zähnen dar“, resümiert Shuai Sun, Erstautor der Studie und Mitarbeiter von Sommer.
Erfolglose Räuber ohne Zähne
Diese Erkenntnis ist auch deshalb nicht zu unterschätzen, weil für Fadenwürmer die Mundstruktur von größter Bedeutung ist; sie legt die Lebensweise des Wurms fest. Tiere der Art Pristionchus pacificus entwickeln früh im Leben eine von zwei arttypischen Mundformen, die sie entweder zu larvenfressenden Räubern macht oder auf eine bakterienbasierte Ernährung einschränkt. Die von Sommers Team genetisch modifizierten Würmer können sich problemlos von Bakterien ernähren, doch für eine räuberische Lebensweise ist ihr fehlgebildeter Mund nicht geeignet. Ihr Verhalten trug dem jedoch nicht Rechnung: Die Forschenden konnten im Video festhalten, wie die zahnlosen Tiere erfolglos versuchten, Larven anderer Fadenwürmer zu fressen.
Wichtigstes Makromolekül für die Diversifizierung der Wirbellosen
Die Studie könnte auch zum Ausgangspunkt für einen neuen Blick auf die Evolution der Fadenwürmer werden. Als noch vor den Insekten wohl artenreichste Gruppe im Tierreich – von den geschätzt bis zu 10 Millionen verschiedenen Arten sind bislang nur etwa 30 000 beschrieben – weisen sie eine enorme Vielfalt auf. Dabei sind die vielgestaltigen, komplexen Münder der verschiedenen Fadenwurm-Spezies genauestens auf ihre Lebensweise und ihre jeweiligen ökologischen Nischen angepasst. Die neuen Erkenntnisse über die Zusammensetzung der Zähne könnten daher evolutionäre Untersuchungen anregen: „Wir vermuten nun, dass Chitin enorm wichtig ist für die Ausdifferenzierung von Mundstrukturen der Fadenwürmer im Verlauf der Evolution“, so Sun. „Wenn sich das bewahrheitet, könnten wir Chitin mit Fug und Recht als wichtigstes Makromolekül für die Diversifizierung wirbelloser Tiere bezeichnen.“
Originalpublikation:
Shuai Sun, Hanh Witte & Ralf J. Sommer: Chitin contributes to the formation of a feeding structure in a predatory nematode. Current Biology 33, 1-13, January 9, 2023.

07.12.2022, Universität Zürich
Neues Virus in Schweizer Zecken entdeckt
Erst 2017 wurde in China das Alongshan-Virus entdeckt. Nun haben Forschende der Universität Zürich das neue Virus erstmals in Schweizer Zecken nachgewiesen. Es scheint mindestens genauso verbreitet zu sein wie das Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus und führt zu ähnlichen Symptomen. Das Team erarbeitet derzeit einen Diagnosetest, um die epidemiologische Situation zu klären.
Zecken können viele verschiedene Krankheitserreger übertragen – etwa Viren, Bakterien und Parasiten. Von Bedeutung ist insbesondere das Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (FSMEV), das Entzündungen von Gehirn und Hirnhäuten verursachen kann, sowie Bakterien, die zur Infektionskrankheit Borreliose führen können. Und die Liste der Erreger nimmt ständig zu, auch in der Schweiz: Forschende des Virologischen Instituts der Universität Zürich (UZH) haben nun erstmals das sogenannte Alongshan-Virus (ALSV) in Zecken in der Schweiz nachgewiesen.
Alongshan-Virus in zahlreichen Zeckenproben gefunden
Das ALS-Virus gehört wie das FSME-Virus in die Familie der Flaviviren und wurde zum ersten Mal 2017 in China entdeckt. Mehrere Patientinnen und Patienten litten nach einem Zeckenstich an Fieber und Kopfschmerzen – den typischen Symptomen zu Beginn einer Infektion mit FSME-Viren. Doch in keinem der Betroffenen konnten Antikörper gegen das Virus oder dessen Erbmaterial nachgewiesen werden. Stattdessen fanden die Forschenden ein bisher unbekanntes RNA-Virus: das Alongshan-Virus.
In zahlreichen Zeckenproben, die in den Jahren 2021 und 2022 in mehreren Regionen der Schweiz gesammelt wurden, fanden die Forschenden die vollständige Gensequenz von ALS-Viren. «Erstaunt hat uns, dass wir ALS-Viren in den Zeckenproben weit häufiger nachweisen konnten als FSME-Viren», sagt Cornel Fraefel, Direktor des Virologischen Instituts. Da die Symptome einer Infektion mit ALS-Viren ähnlich sind wie bei einer Ansteckung mit FSME-Viren, könnte das Alongshan-Virus bereits relevant sein für die öffentliche Gesundheit in der Schweiz – wenn auch unerkannt.
Bluttest zur Diagnose ist in Entwicklung
Im Unterschied zum FSME-Virus gibt es für das ALS-Virus derzeit weder eine Impfung noch ein Nachweisverfahren. «Nachdem wir das neue Virus identifiziert und die komplette virale Genomsequenz veröffentlicht haben, entwickelt unser Team nun einen serologischen Test, um ALS-Virusinfektionen in Patientenblut nachweisen zu können», sagt Fraefel. In Zusammenarbeit mit dem Nationalen Referenzlabor für durch Zecken übertragene Krankheiten und dem Labor Spiez wollen die Forschenden nächstes Jahr die epidemiologische Situation von ALS-Viren in der Schweiz untersuchen.
Originalpublikation:
Stefanie Stegmüller, Cornel Fraefel, Jakub Kubacki. Complete Genome Sequence of Alongshan Virus sequenced from Ixodes ricinus ticks collected in Switzerland. Zenodo (CERN). 6. December 2022. DOI: 10.5281/zenodo.7403328

08.12.2022, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Stammplatz für die einfachsten Vielzelligen Tiere
Stammplatz für die einfachsten Vielzelligen Tiere: Erstmals systematische Ordnung und Einordnung eines gesamten Tierstammes durchgeführt
Ein internationales Forschungsteam erstellte erstmals einen vollständigen Stammbaum für den Tierstamm der Plattentiere (Placozoa): Sie analysierten molekulare Merkmale und ganze Genome, um die Verwandtschaftsverhältnisse der Kleinstlebewesen zu entschlüsseln. Damit umgehen sie das Problem, dass Placozoa kaum äußere morphologische Merkmale besitzen.
Die Gruppe der einfachsten Vielzelligen Tiere der Welt hat nun einen Stammbaum. Eine Forschungsgruppe unter der Leitung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo), des American Museum of Natural History und des St. Francis College veröffentlichte ihre Systematik-Arbeit heute in der Fachzeitschrift Frontiers in Ecology and Evolution. „Die Studie kommt mehr als 100 Jahre nach der Entdeckung dieser winzigen und strukturell einfachsten aller Vielzelligen Tiere und ist das erste – und vermutlich einzige – Mal in diesem Jahrhundert, dass eine vollständige Taxonomie für einen ganzen Tierstamm erstellt wird“, sagt Professor Dr. Bernd Schierwater aus dem Institut für Tierökologie der TiHo. Er ist der Senior-Autor der Studie und führender Placozoen-Experte. Die Forschungsergebnisse basieren auf vorhandenen oder fehlenden Genen und nicht auf dem äußeren Erscheinungsbild, das traditionell zur Klassifizierung von Organismen verwendet wird. Placozoen sehen aus wie winzige, formveränderliche Scheiben und selbst Taxonomen finden mit leistungsstarken Mikroskopen fast keine Merkmale, um sie zu unterscheiden. Es war aber bekannt, dass es auf genetischer Ebene sehr unterschiedliche Abstammungslinien gibt. Schierwater sagt: „Nach jahrzehntelangen Diskussionen bekommt dieser spannende Stamm endlich die Aufmerksamkeit, die er verdient. Jetzt können wir ein klares Bild davon zeichnen, wie diese Tiere miteinander und mit anderen verwandt sind.“
Die Forschenden führten molekulare Analysen durch, für die sie Unterschiede in DNA-Sequenzen und anderen molekularen Strukturen heranzogen, um die Verwandtschaftsverhältnisse der Tiere zu bestimmen. Auf diese Weise erstellten sie eine grundlegende Taxonomie mit zwei neuen Klassen, vier neuen Ordnungen, drei neuen Familien, einer neuen Gattung und einer neuen Art. Die neue Art heißt Cladtertia collaboinventa. Der Artname betont, dass die Entdeckung nur durch die internationale Zusammenarbeit möglich war. Die Forschungen deuten darauf hin, dass die Plattentiere nahe mit den Nesseltieren (Quallen und Korallen) und den Bilateriern verwandt sind. Bilaterier sind vielzellige Tiere mit einem spiegelbildlichen Aufbau. Etwa 95 Prozent aller Tiere sind Bilaterier, so auch der Mensch.
Schierwater betont, dass diese Studie ein Anreiz dazu sein kann, die Systematik auch anderer Organismengruppen zu überdenken, die an der Oberfläche sehr ähnlich aussehen, wie Bakterien, Pilze und Protisten. „Wir schlagen vor, dass die Morphologie von Molekülen, wie zum Beispiel von Proteinen, die unverwechselbare Strukturen haben, nicht als etwas anderes als die traditionelle Morphologie betrachtet werden sollte. So könnte ein neues Zeitalter der Systematik beginnen”, so Schierwater.
Tierstämme sind die höchste Rangstufe in der hierarchischen Gliederung der Tiere. Sie bilden die Ebene unter den Reichen von Lebewesen: Tierreich, Pilzreich, Pflanzenreich. Die Unterteilung einzelner Tierarten nach Stämmen erfolgt aufgrund von Gemeinsamkeiten in der Stammesgeschichte, Abstammung und den letzten gemeinsamen Vorfahren. Innerhalb der Tierstämme existieren Unterstufen bzw. Unterränge, wie Überstamm, Stamm und Unterstamm.
Die Arbeit wurde zum Teil vom U.S. Department of Energy, Biological and Environmental Research Grant # DE-SC0014377 und dem Deutschen Akademischen Austauschprogramm unterstützt.
Die Originalpublikation
Johannes S. Neumann, Michael Tessler, Kai Kamm, Hans-Jürgen Osigus, Gil Eshel, Apurva Narechania, John Burns, Rob DeSalle und Bernd Schierwater
Frontiers in Ecology and Evolution
https://doi.org/10.3389/fevo.2022.1016357
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fevo.2022.1016357/abstract

08.12.2022, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Großsäugetiere verschwinden vor 11.000 Jahren aus der Eifelregion infolge zunehmender Bewaldung
Sedimentbohrkerne aus Eifelmaaren geben Aufschluss über die Entwicklung der eiszeitlichen Großsäuger in Mitteleuropa während der vergangenen 60.000 Jahre – „Overkill-Hypothese“ nicht bestätigt
Über mehrere zehntausend Jahre hinweg sind Herden von Großsäugetieren wie Mammut und Bison durch die Landschaft im heutigen Mitteleuropa gezogen. Mit der zunehmenden Bewaldung zum Ende der letzten Eiszeit nahmen die Bestände jedoch ab und vor rund 11.000 Jahren verschwanden die großen Säugetiere vollständig aus dieser Region. Die Waldentwicklung ist damit der wichtigste Faktor, der die Anwesenheit von Großsäugern in Mitteleuropa steuert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die unter der Leitung von Prof. Dr. Frank Sirocko von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) durchgeführt wurde. Mit Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Chemie, der University of Wollongong in Australien und der Universität Göttingen wurden Ablagerungen aus zwei Eifelmaaren untersucht, die Aufschluss über die Entwicklungen der letzten 60.000 Jahre geben. Demnach waren Jäger und Großsäuger über mehrere Jahrtausende hinweg parallel anwesend. „Wir haben anhand der Sedimente aus den Eifelmaaren keine Belege gefunden, dass Jäger die Tiere ausgerottet hätten“, sagt Sirocko. Die in Nordamerika diskutierte „Overkill-Hypothese“ wird damit nicht bestätigt.
Pollen und Pilzsporen aus Sedimenten informieren über Vegetation und Tierbestände
Für ihre Studie nutzten die Forschungspartner Sedimentbohrkerne von Eifelmaaren, die Sirocko mit seinem Team in den letzten 20 Jahren systematisch erschlossen und archiviert hat. Für die aktuelle Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Scientific Reports wurden Ablagerungen von Pollen und Sporen aus dem Holzmaar-See und dem Trockenmaar von Auel in der Vulkaneifel untersucht. Pollen dokumentieren die Vegetation der Vergangenheit, Pilzsporen geben Hinweise auf die Anwesenheit von Großsäugern, weil bestimmte Schimmelpilze nur auf dem Dung von großen Pflanzenfressern wachsen.
Anhand der Pollenkörner stellten die Forschenden fest, dass die Eifel von vor 60.000 bis vor 48.000 Jahren von einem Fichtenwald bedeckt war, der dann in mehreren Kälteschüben zusammenbrach und sich zu einer offenen Waldsteppe entwickelte. Diese Waldsteppe hat die Landschaft von vor 43.000 bis vor 30.000 Jahren geprägt. Anschließend entwickelte sich die Eifel über eine Wald-Tundra zu einer mit Gras bewachsenen eiszeitlichen Polarsteppe.
Die Sporen von Großsäuger-Fäkalpilzen zeigen, dass in dieser Eifellandschaft von vor 48.000 bis vor etwa 11.000 Jahren durchgehend große Säugetiere lebten. Datierte Knochenfunde aus Höhlen in Belgien und aus Schottern des Rheintals dokumentieren, dass Mammut, Wollnashorn, Bison, Pferd, Rentier und Riesenhirsch die Kaltphasen bevorzugten. In den Warmphasen lebten Rothirsch, Elch und Wisent in lichten Wäldern.
Entwicklung des Waldes entzieht den Großsäugern die Nahrungsgrundlage
Die Hauptursache für den Rückgang und das letztendliche Verschwinden der Großsäuger in Mitteleuropa war die Entwicklung der Wälder. „Mit der zunehmenden Bewaldung verloren die großen Pflanzenfresser wahrscheinlich ihre Hauptnahrung, nämlich Gras“, erklärt Sirocko die Zusammenhänge. Weder die starken Klimaveränderungen der letzten 60.000 Jahre noch der Vulkanismus und die damit verbundenen Brände scheinen mit dem Aussterben der Großsäuger in Verbindung zu stehen. Die Anwesenheit dieser Tiere dürfte auch durch den modernen Menschen, der vor 43.000 Jahren in Mitteleuropa erscheint, nicht beeinflusst worden sein. Stattdessen fallen Zeiten hoher Vorkommen von Großsäugern mehrfach mit Zeiten hoher Präsenz des Menschen zusammen. „Am deutlichsten sehen wir dies vor etwa 15.000 Jahren. Damals ging der höchste Bestand an Großsäugern mit der archäologisch belegten Anwesenheit von Jägern im Rheintal zeitlich einher“, sagt Sirocko. Der Fundplatz Gönnersdorf im nördlichen Rheinland-Pfalz wurde intensiv vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum – Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie (RGZM) in Mainz untersucht.
Bereits in diesen Jahrtausenden der Späteiszeit beobachten die Autorinnen und Autoren eine Ausbreitung der Graslandschaften. In diese Zeit fällt der Anstieg der Sonneneinstrahlung auf der Nordhemisphäre und das erste Ansteigen des globalen Meeresspiegels, der die trockenen Regionen des Ärmelkanals und der Nordsee geflutet hat – und dadurch vermutlich Herden von Großsäugern weiter nach Mitteleuropa gedrängt hat. „Die vielen spätglazialen Eifelmaarseen und verlandeten Sümpfe in den ausgetrockneten Maaren müssen ein echter Anziehungspunkt für die Großsäuger gewesen sein“, sagt Sirocko. „Die späteiszeitlichen Jäger im Rheintal wurden wahrscheinlich dann von diesen Herden angezogen.“
„Overkill-Hypothese“ wird durch die Sedimente der Eifelmaare nicht bestätigt
Dass Jäger und Großsäuger über mehrere Jahrtausende hinweg nebeneinander lebten, belegt nach Einschätzung des Forschungsteams, dass diese Jäger die Tiere nicht ausgerottet haben. Belege für die in Nordamerika diskutierte „Overkill-Hypothese“ zeigen die Eifelmaarsedimente nicht. Die Großsäuger verließen die Landschaft erst, als Birkenwälder vor 13.300 Jahren dichter wurden. Seit etwa 11.000 Jahren sind die Großsäugerherden gar nicht mehr vertreten, da seitdem dichte Wälder die Eifel bedeckten und große Tiere darin einfach keinen Lebensraum mehr finden konnten.
Originalpublikation:
Frank Sirocko et al.
Thresholds for the presence of glacial megafauna in central Europe during the last 60,000 years
Scientific Reports, 21. November 2022
DOI: 10.1038/s41598-022-22464-x
https://www.nature.com/articles/s41598-022-22464-x

08.12.2022, ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung
DINA-Studie weist Verlust der Insektenvielfalt in Naturschutzgebieten durch umliegende Ackerflächen nach
Das Insektensterben schreitet auch in deutschen Naturschutzgebieten voran. Ein Grund dafür ist die Intensivierung der Landwirtschaft. In einer Studie, die jetzt in der Zeitschrift „Biodiversity and Conservation“ erschienen ist, zeigt ein Autorenteam um die Biodiversitätsforscher Florian Dirk Schneider vom ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung und Sebastian Köthe vom NABU – Naturschutzbund Deutschland, dass auch außerhalb von Schutzgebieten gelegene Ackerflächen einen negativen Einfluss auf die Insektenvielfalt in den Schutzzonen haben können. Für einen wirksamen Insektenschutz empfehlen die Autor*innen den lokalen Dialog zwischen Naturschutz und Landwirtschaft.
Deutschland hat sich zum Schutz der Biodiversität verpflichtet. Um den Rückgang der biologischen Vielfalt zu stoppen und den Trend umzukehren, sind auch in den Naturschutzgebieten große Anstrengungen nötig: Studien zeigen, dass die Insektenbiomasse in Naturschutzgebieten seit den 1990er-Jahren um 75 Prozent gesunken ist. Für Biodiversitätsexpert*innen liegt der Zusammenhang zwischen landwirtschaftlicher Flächennutzung und Rückgang der Insektenbiomasse in den Schutzgebieten länger schon auf der Hand. Ein Forschungsteam hat nun erstmals bundesweit den Zusammenhang zwischen Insektenvielfalt und landwirtschaftlicher Aktivität in den Grenzbereichen zwischen Naturschutzgebieten und Ackerflächen untersucht. Dafür wurde im Forschungsprojekt „DINA – Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen“ an 21 repräsentativen Beobachtungsstandorten eine bisher einzigartige Erhebung von Daten zur Biodiversität und möglichen Schadursachen durchgeführt. Neben der Erfassung von Pflanzenvielfalt und Insektendiversität durch neuartige DNA-Analysen wurden auch Daten zu Landnutzung und Pestizidbelastung von Böden und Insekten erhoben.
Eine erste Auswertung des Datensatzes ist jetzt in der Fachzeitschrift „Biodiversity and Conservation“ erschienen. „Mit den neuen Daten können wir erstmals zeigen, dass landwirtschaftliche Aktivität im Umfeld von Naturschutzgebieten die Insektenvielfalt in Schutzgebieten negativ beeinflusst“, sagt ISOE-Forscher Florian Dirk Schneider. „Wir haben gesehen, dass es im Hinblick auf das weitere Umfeld der Schutzgebiete eine Korrelation zwischen einem hohen Anteil an Ackerflächen und niedriger Insektenvielfalt gibt“, sagt NABU-Experte Sebastian Köthe. Auch die Anzahl von Pflanzenschutzmitteln, mit denen Insekten in Kontakt kommen, sei abhängig vom Agrarflächenanteil. Die naturwissenschaftliche Analyse der Daten hat zudem gezeigt: „Selbst große Naturschutzflächen im Umfeld eines Beobachtungsstandorts können die negativen Einflüsse der landwirtschaftlichen Flächen nicht kompensieren“.
Enge Zusammenarbeit von Wissenschaft, Naturschutz und Landwirtschaft notwendig
Wie aber könnten Lösungen aussehen? „In den deutschen Naturschutzgebieten finden wir sehr unterschiedliche Situationen vor. Lösungen können deshalb nicht pauschal verordnet werden“, sagt Schneider. In Dialogreihen, die das ISOE mit Landwirt*innen und Naturschutzverantwortlichen durchgeführt hat, wurde deutlich: Die Vermittlung wissenschaftlicher Daten zum Zustand der Biodiversität und zu möglichen Schadursachen führt noch nicht automatisch zum Handeln für den Insektenschutz. Die Realisierung von Maßnahmen scheitere oft an unterschiedlichen Hürden. Zum einen würden die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Fördermöglichkeiten von den beteiligten Akteuren in der Praxis als unzureichend oder gar hinderlich empfunden. Zum anderen ließe sich aus den bundesweit erhobenen Datensätzen nicht immer erkennen, wie es tatsächlich um lokale Populationen und Schadstoffbelastungen steht. Das erschwere die Entscheidung für Insektenschutzmaßnahmen in Landwirtschaft und Naturschutz.
„Wir sehen einen tiefergehenden Wissensbedarf bei allen Beteiligten über Ursachen und Zusammenhänge, etwa zur tatsächlichen Schädigung von Insekten im eigenen Schutzgebiet durch Pestizide oder andere Ursachen, auch außerhalb der Landwirtschaft, bis hin zur Frage, welche konkreten Maßnahmen tatsächlich wirksam für den Insektenschutz sind“, berichtet Schneider. Für die Autor*innen der Studie ist deshalb klar: Die Erhebung von ortsbezogenen Daten zur Insektendiversität ist für einen erfolgreichen Insektenschutz von ebenso großer Bedeutung wie die kooperative Ausgestaltung der Schutzmaßnahmen mit allen Interessengruppen. Die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Landwirtschaft und Naturschutz müsse schon bei der Interpretation der Daten beginnen. „Wo die Akteure aus Landwirtschaft und Naturschutz direkt vor Ort konstruktiv miteinander ins Gespräch kommen, entsteht auch eine Bereitschaft für ein an gemeinsamen Zielen orientiertes Handeln und eine Entschlossenheit, die Insektenvielfalt im Schutzgebiet zu fördern“, sagt Schneider.
Über die Studie
Die Studie „Improving insect conservation management through insect monitoring and stakeholder involvement“ ist in der Zeitschrift Biodiversity und Conservation erschienen und im Zuge des Forschungsprojektes „DINA – Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen“ entstanden. In dem transdisziplinären Forschungsprojekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, arbeiten seit 2019 neun Partnerinstitute unter der Leitung des NABU zur Insektenvielfalt in Naturschutzgebieten. An repräsentativen Standorten wurden Fluginsekten mittels Malaisefallen durch den entomologischen Verein Krefeld und Ehrenamtliche des NABU erfasst und dokumentiert. Die Auswertung mit modernen molekularen Methoden der Artbestimmung über DNA-Analysen (Metabarcoding) erfolgte durch das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels in Bonn, Vegetationsanalysen durch die Universität Kassel, Spurenstoffanalytik durch die Universität Koblenz-Landau. Das IÖR (Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung) analysierte Geodaten rund um die Untersuchungsstandorte. Die sozialwissenschaftlichen Analysen wurden vom IZNE der Hochschule Bonn Rhein-Sieg vorgenommen. Das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung führte Dialogworkshops in drei Naturschutzgebieten in Deutschland durch.
Originalpublikation:
Köthe, S., Schneider, F.D., Bakanov, N. et al. Improving insect conservation management through insect monitoring and stakeholder involvement. Biodivers Conserv (2022). https://doi.org/10.1007/s10531-022-02519-1

09.12.2022, Universität Hamburg
Langhalsdinosaurier-Schwänze: Sehr schnell, aber doch kein Überschall
Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Fachbereichs Biologie der Universität Hamburg hat mithilfe von Computermodellen und Methoden aus den Ingenieurwissenschaften die Beweglichkeit von Dinosaurierschwänzen analysiert. Laut einer in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlichten Studie stellten die Forschenden dabei fest, dass diese Schwänze zwar mehr als 100 Kilometer pro Stunde schnell bewegt werden konnten. Anders als bislang angenommen erreichten sie aber keine Überschallgeschwindigkeit.
Diplodociden waren große pflanzenfressende Dinosaurier mit langen Hälsen und langen Schwänzen. In einer früheren Studie wurde angenommen, dass sich eine hypothetische Struktur am Ende des Schwanzes eines Diplodociden, ähnlich wie das Ende einer Peitsche, schneller als die Schallgeschwindigkeit (340 Meter pro Sekunde) bewegen und einen Überschallknall erzeugen könnte.
Um diese Hypothese zu überprüfen, simulierte das internationale Forschungsteam die Bewegungen des Schwanzes von Diplodociden anhand eines Modells, das auf fünf fossilen Diplodociden-Skeletten basierte. Das virtuelle Schwanzmodell ist über 12 Meter lang, würde in echt 1.446 Kilogramm wiegen und besteht aus 82 Zylindern, die Wirbel darstellen sollen und an einem unbeweglichen, virtuellen Becken befestigt sind.
„Die Forschung war eine ziemliche Herausforderung, denn wir mussten das Problem mit zwei Methoden angehen, die normalerweise in der Luft- und Raumfahrttechnik verwendet werden: die Mehrkörpersimulation und die Abschätzung der Belastbarkeit der Materialien“, berichtet der Erstautor der Studie, Simone Conti von der Universidade NOVA de Lisboa und dem Politecnico di Milano.
Die Forschenden testeten nun, ob ihr Modellschwanz der Belastung standhalten würde, sich schnell genug zu bewegen, um einen Überschallknall zu erzeugen. Dazu wurde die Schwanzbasis in einem Bogen bewegt, so dass eine peitschenartige Bewegung entstand. Dabei stellten sie fest, dass sich der dünne Schwanz nicht mit einer Höchstgeschwindigkeit von 340 Metern pro Sekunde bewegen konnte, ohne zu reißen.
Anschließend untersuchten sie drei verschiedene hypothetische Strukturen von einem Meter Länge, die am Ende des Modellschwanzes angebracht wurden und das Ende einer Peitsche nachahmen sollten. Die erste Struktur bestand aus drei Haut- und Keratin-Segmenten, die zweite aus geflochtenen Keratin-Fäden und die dritte aus Weichgewebe, dessen Form einem mittelalterlichen Werkzeug, dem Dreschflegel, nachempfunden war. Das Ergebnis: Keine der Strukturen war in der Lage, der Belastung einer Bewegung mit 340 Metern pro Sekunde standzuhalten. Damit zeigten beide unterschiedlichen Analysen, dass das Schwanzende von Diplodociden wohl nicht Überschallgeschwindigkeit erreichen konnte.
Die Simulationen legen nahe, dass die Schwänze der Diplodociden lediglich eine Höchstgeschwindigkeit von 33 Metern pro Sekunde (mehr als 100 Kilometer pro Stunde) erreichen konnten. Das ist zwar sehr schnell, aber mehr als zehnmal langsamer als die Schallgeschwindigkeit und damit zu langsam, um einen Überschallknall zu erzeugen, was im Widerspruch zu der früheren Studie steht.
„Obwohl die Schwänze der Diplodociden also nicht schnell genug bewegt werden konnten, um einen Überschallknall zu erzeugen, ist es doch wahrscheinlich, dass sie als Verteidigungswaffen oder im Kampf mit anderen Diplodociden eingesetzt werden konnten. Ob das jetzt in einem Revierkampf oder im Wettbewerb um Fortpflanzungspartner war, bleibt natürlich spekulativ“, sagt der Paläontologe Dr. Emanuel Tschopp, Alexander von Humboldt Forschungsstipendiat am Fachbereich Biologie der Universität Hamburg und Co-Autor der Studie.
Originalpublikation:
Multibody analysis and soft tissue strength refute supersonic dinosaur tail, S. Conti, E. Tschopp, O. Mateus, A. Zanoni, P. Masarati, and G. Sala, Scientific Reports, 12:19245 (2022). DOI: https://doi.org/10.1038/s41598-022-21633-2

09.12.2022, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.
Fledermaushäufigkeit und -vielfalt in der Ostukraine sind in alten Laubwaldbeständen an Flussufern am höchsten
Waldbewohnende Fledermäuse benötigen komplexe Waldstrukturen, um im Sommer erfolgreich zu brüten. Neue Forschungsergebnisse eines internationalen Teams des Ukrainian Bat Rehabilitation Center (UBRC) und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) aus der Region Charkiw (Ostukraine) zeigen, dass große Bestände von mindestens 90 Jahre alten Wäldern die Brutaktivitäten von Fledermäusen, die Häufigkeit ihres Vorkommens und die Artenvielfalt verbessern. Das zahlenmäßige Vorkommen und die Vielfalt der Fledermausarten stiegen von Hochlandflächen, die von landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben sind, zu Flächen am Fluss oder am Wasser mit hohem Waldanteil deutlich an.
Die Arbeit wurde kürzlich in der Fachzeitschrift „Forests“ veröffentlicht.
Alte Laubwälder werden wegen der hohen potenziellen Einnahmen aus dem Holzverkauf auf internationalen Märkten am häufigsten abgeholzt. Die mit diesen Waldbeständen verbundene biologische Vielfalt ist daher weltweit bedroht. Eine stark betroffene Gruppe von Arten sind die in Europa vielfach gesetzlich geschützten Fledermäuse. Ein Team um Erstautoren Dr. Anton Vlaschenko vom UBRC und Dr. Viktoriia Radchuk vom Leibniz-IZW untersuchte, wie die Fledermausvielfalt durch die Gestaltung des Lebensraums und das Alter der Waldbestände in der Region Charkiw beeinflusst wird. Die Region Charkiw liegt im Nordosten der Ukraine und markiert den Übergang zwischen der Waldsteppe und der Steppenzone. Die fragmentierten Laubwälder, die für diese Region typisch sind, treten in gemäßigten Zonen regelmäßig auf, aber die Beziehung zwischen Fledermausvielfalt, Gestaltung des Lebensraumes und der Waldstruktur ist noch weitgehend unerforscht. Das Verständnis dieser Zusammenhänge ist von großer Bedeutung für die Gestaltung effizienter Schutzmaßnahmen für Fledermäuse.
Die Ergebnisse des Teams zeigen, dass die Intensität der Abholzung in der Untersuchungsregion von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich war und nicht mit dem Anteil alter Wälder im jeweiligen Bezirk zusammenhing. So konnten die Wissenschaftler:innen untersuchen, wie das Vorkommen von Fledermäusen durch den Anteil der Kahlschläge und der alten Wälder in der Landschaft beeinflusst wurden. „Das auffälligste Ergebnis war ein deutlicher Anstieg der Fledermausvielfalt in der Nähe von Flusslebensräumen, der durch das Vorhandensein von Altwäldern mit einem Durchschnittsalter von mehr als 90 Jahren noch verstärkt wurde“, sagt Ko-Autor Dr. Yehor Yatsiuk von der Universität Tartu (Estland). „Alte Wälder sind in der Region Charkiw relativ häufig, 22 Prozent der Wälder haben ein Alter von mehr als 90 Jahren. Jedoch stehen diese nur selten in der Nähe von Gewässern. Somit bedecken die von uns identifizierten idealen Lebensräume für Fledermäuse auf regionaler Ebene sehr viel kleinere Flächen.“
Erstautor Anton Vlaschenko, Co-Leiter des UBRC, sagt: „Wir sammelten die Felddaten, die in dieser Untersuchung verwendet werden, über einen langen Zeitraum von mehr als zehn Jahren. Es war eine kontinuierliche Anstrengung und harte Feldarbeit in mehr als zehn Sommern. Wir kampierten in Zelten und verbrachten Hunderte von schlaflosen Nächten in der Nähe von Netzen. Später hatten wir auch einige Herausforderungen bei der Analyse dieser Daten. Ende 2021 waren wir kurz davor, das Manuskript fertig zu stellen. Durch die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Leibniz-IZW und mit Hilfe des dreimonatigen Stipendiums, welches das Leibniz-IZW ab dem 24. Februar 2022 für mich und unsere Teammitglieder zur Verfügung stellte, konnten wir diese Arbeit abschließen.“
„Das erste Mal habe ich 2009 als Studentin an der Feldforschung zu Fledermäusen teilgenommen“, fügt Koautorin Dr. Kseniia Kravchenko vom UBRC und Leibniz-IZW hinzu. „Die damals gesammelten Daten sind in die aktuelle Publikation eingeflossen. Seitdem sind Fledermäuse zu meiner großen Leidenschaft geworden und bilden den Schwerpunkt meiner aktuellen Forschung. Indem wir die ökologischen Bedürfnisse dieser Tiere untersuchen, können wir die ökologischen Zusammenhänge in der Natur besser verstehen.“ Dr. Yehor Yatsiuk fährt fort: „Meine Forschung konzentriert sich auf Zusammenhänge zwischen der historischen Verteilung der Wälder und der Bewirtschaftung mit Tierarten in der Ostukraine. In den letzten Jahrzehnten haben wir eine Zunahme der Intensität des Kahlschlags in dieser Region beobachtet. Unser Ziel ist es, den Schutz der Artenvielfalt in den Wäldern zu gewährleisten. Vor zehn Jahren haben wir eine Reihe von Projekten initiiert, die darauf abzielen, die ältesten und größten Wälder hier zu untersuchen, wobei der Schwerpunkt auf mehreren Gruppen gefährdeter Arten liegt, von Landschnecken über Raubvögel bis hin zu Fledermäusen.“
„Unsere Untersuchung zeigt, dass sich alte Wälder und Flusslebensräume positiv auf die Brutaktivitäten von Fledermäusen, die Häufigkeit einzelner Fledermausarten und die Zusammensetzung der Artengemeinschaften insgesamt auswirken. Die Tatsache, dass wir auf allen Ebenen der ökologischen Organisation die gleiche Reaktion auf die Landschaftsstruktur feststellen, unterstreicht die Bedeutung des Schutzes von alten Eichenbeständen und Flusslebensräumen für die Erhaltung der Fledermausvielfalt in der Region“, fügt Erstautorin Dr. Viktoriia Radchuk, Wissenschaftlerin in der Leibniz-IZW-Abteilung für Ökologische Dynamik, hinzu. „Die Zusammenarbeit mit den Fledermausforschern aus Charkiw hat mir sehr viel Spaß gemacht, ihr Enthusiasmus und ihr Gruppengeist haben mich inspiriert.“
Originalpublikation:
Vlaschenko A, Kravchenko K, Yatsiuk Y, Hukov V, Kramer-Schadt S, Radchuk V (2022): Bat Assemblages Are Shaped by Land Cover Types and Forest Age: A Case Study from Eastern Ukraine. Forests 2022, 13, 1732. DOI: 10.3390/f13101732

Dieser Beitrag wurde unter Wissenschaft/Naturschutz veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert