05.10.2018, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie
Wie der Käfernachwuchs in Kadavern gedeiht
Der Totengräber Nicrophorus vespilloides vergräbt die Kadaver kleiner Tiere in der Erde, um sie als Futterquelle für seinen Nachwuchs zu nutzen. Allerdings sind die toten Tiere und somit die Brutstätte der Larven von mikrobieller Zersetzung und Fäulnis bedroht. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena sowie der Universitäten in Mainz und Gießen zeigen, dass die Käfer schädliche Mikroben mit nützlichen Mikroorganismen aus ihrem eigenen Darm ersetzen und so dafür sorgen, dass sich der Käfernachwuchs in dem Kadaver wohlfühlt und dort bestens gedeiht.
Der Totengräber Nicrophorus vespilloides vergräbt die Kadaver kleiner Tiere in der Erde, um sie als Futterquelle für seinen Nachwuchs zu nutzen. Allerdings sind die toten Tiere und somit die Brutstätte der Larven von mikrobieller Zersetzung und Fäulnis bedroht, in deren Folge es zur Bildung von Giftstoffen, dem Wachstum von Krankheitserregern und dem Verlust von Nährstoffen kommt. In einer neuen Studie berichten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena sowie der Universitäten in Mainz und Gießen, dass Käfer der Art Nicrophorus vespilloides schädliche Mikroben mit nützlichen Mikroorganismen aus ihrem eigenen Darm ersetzen und so dafür sorgen, dass sich der Käfernachwuchs in dem Kadaver wohlfühlt und dort bestens gedeiht (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, DOI: 10.1073/pnas.1812808115, Oktober 2018).
Wie Totengräber verhindern, dass Aas zersetzt wird
Totengräber-Käfer nutzen nährstoffreiche, aber anspruchsvolle Ressourcen für die Aufzucht ihres Nachwuchs: Die Larven ernähren sich von den Kadavern kleiner Tiere. Ohne entsprechende Pflege der Brutstätte würden die Tierleichen schnell infolge mikrobieller Zersetzung anfangen zu faulen. Unter natürlichen Bedingungen würde dann der Verwesungsprozess einsetzen, in dessen Folge giftige Stoffwechselprodukte gebildet und Nährstoffe abgebaut werden.
Ein Team von Wissenschaftlern hat nun herausgefunden, dass der Totengräber-Käfer Nicrophorus vespilloides die Nahrungsgrundlage für seine Jungen dadurch schützt, indem er sie mit nützlichen Mikroorganismen aus seinem eigenen Darm impft. Die Forscher bestimmten die Bakterien- und Pilzgemeinschaften von Kadavern, die von Käfern gepflegt oder nicht gepflegt worden waren, und verglichen die Stoffwechselaktivität der Mikroorganismen. Sie quantifizierten außerdem Putrescin und Cadaverin, nach Fäulnis stinkende organische Verbindungen, die maßgeblich zum Verwesungsgeruch beitragen, sowie Aminosäuren. „Die Käfer sterilisieren nicht einfach den Kadaver. Vielmehr ersetzen sie das für Aas typische Mikrobiom mit einem noch komplexeren: mit Symbionten aus ihrem eigenen Darm. Vom Käfer übertragene Hefepilze ersetzen vollständig die Schimmelpilze aus dem Boden, die normalerweise einen Kadaver schnell überwachsen“, erläutert der Erstautor Shantanu Shukla aus dem Max-Planck-Institut für chemische Ökologie.
Die Bedeutung der Symbionten für die Entwicklung der Larven
Die Forscher wollten anschließend wissen, ob diese Veränderungen der Mikrobenzusammensetzung für die Insekten vorteilhaft waren, denn immerhin unternehmen die Käfer viel, um den Kadaver zu verteidigen und für ihre Jungen vorzubereiten. Daher testeten sie die Wirkung des Mikrobenfilms auf die Fitness der Käferlarven, indem sie das Larvenwachstum auf Kadavern mit und ohne mikrobielle Symbionten verglichen. Die Auswirkungen auf das Larvenwachstum waren deutlich: Käferlarven, die an Kadavern ohne Symbiontenfilm fraßen, waren deutlich kleiner, auch wenn sie die gleiche Menge an Kadavergewebe verspeist hatten.
„Unsere Studie zeigt, wie Insekten ihren Lebensraum verändern können, indem sie ihre Symbionten sowohl in ihrem Darm als auch außerhalb, wie etwa auf einer Brutstätte, kultivieren. Der Totengräber ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie sich Lebewesen mit Hilfe ihrer symbiotischen Mikroorganismen schwierige Ressourcen erschließen können“, fasst der Leiter der Studie Heiko Vogel zusammen.
Das Potenzial der identifizierten Hefen
Die durch die genetischen Untersuchungen identifizierten Hefen sollen jetzt genauer untersucht werden, insbesondere ihre Rolle bei der Entgiftung der Verwesungsprodukte und bei der Vorverdauung des Kadavers zum Nutzen der Käferlarven. „Da das von den Käfern übertragene Mikrobiom das Wachstum gefährlicher und giftproduzierender Bakterien und Pilze unterdrückt, wird diese Ressource für das Screening nach neuen antimikrobiellen Wirkstoffen genutzt“, sagt Andreas Vilcinskas, der im beteiligten Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie die Antibiotikaforschung leitet.
Die Studie wurde von der Max-Planck-Gesellschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft über das Kooperationsprojekt “AIM-Biotech – Einsatz von Insekten-assoziierten Mikroorganismen in der industriellen Biotechnologie” gefördert.
Originalpublikation:
Shukla, S. P., Plata, C., Reichelt, M., Steiger, S., Heckel. D. G., Kaltenpoth, M., Vilcinskas, A., Vogel, H. (2018). Microbiome-assisted carrion preservation aids larval development in a burying beetle. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, DOI: 10.1073/pnas.1812808115
http://dx.doi.org/10.1073/pnas.1812808115
16.10.2018, Universität zu Köln
Weibliche Staublaus-Art pumpt mit penisartigem Organ Sperma aus Männchen
Einzigartiges Wechselventil erlaubt es Weibchen, die Spermien mehrerer Männchen paketweise auch als Nahrungsquelle zu speichern
Ein Forscher der Universität zu Köln hat gemeinsam mit internationalen Partnern eine sozial wie auch biomechanisch bemerkenswerte Verhaltensweise bei einer Staublaus-Art entdeckt. Dabei konnte Dr. Alexander Blanke vom Institut für Zoologie in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Japan erstmals einen speziellen biologischen Ventilmechanismus nachweisen, der bisher einzigartig in der Natur ist und zu neuen Ansätzen in der Konstruktion kleinster Ventiltypen führen könnte. Die Studie „A biological switching valve evolved in the female of a sex-role reversed cave insect to receive multiple sperm packages“ ist in der Fachzeitschrift eLife erschienen.
Im nahrungsarmen Höhlenhabitat in Brasilien ernähren sich die Staubläuse (Insekten aus der Gruppe der Psocodea) üblicherweise von Fledermauskot. Das Weibchen allerdings gestaltet ihren Speiseplan dank einer ausgeklügelten Technik proteinreicher. Sie nutzt ein eigenes, penisartiges und mit Widerhaken ausgestattetes Organ, um es in das Männchen einzuführen, dort aufzublasen und das Gegenüber auf diese Weise gefangen zu halten. Über einen Zeitraum von 40 bis 70 Stunden werden dann die vom Männchen gebildeten Kopulationsprodukte abgepumpt.
Über das neu entdeckte Ventil werden die Spermienpakete im Körper des Weibchens in speziellen Kammern gespeichert, die einzeln angesteuert werden können. Weibchen bilden bis zu elf solcher Kammern, die einzeln oder paarig am Ventilapparat befestigt sind. Der Ventilmechanismus erlaubt den Weibchen alternativ auch, mehrere Geschlechtspartner nacheinander zu begatten und die Spermien getrennt voneinander in einer Art Vorratskammer einzulagern.
Seniorautor Dr. Alexander Blanke sagt, dass die Spermajagd nicht nur mit der Sicherung von Nachkommen zu tun habe, da nur ein geringer Teil der Spermien tatsächlich zur Befruchtung genutzt werde: „Nahrung ist in der Höhle ein rares Gut und die Weibchen haben hier offensichtlich eine Strategie entwickelt, die Kopulationsprodukte der Männchen als Nahrungsquelle zu nutzen. Wir haben beobachtet, dass teilweise gerade gefüllte Spermakammern direkt wieder vom Weibchen abgebaut und verdaut wurden. Durch die Spermapakete als Ergänzung zum Fledermauskot können die Weibchen ihre Nahrungsquelle diversifizieren und somit Ihre eigene Überlebenschance und die Ihrer Nachkommen steigern.“
In der Natur kommen Ventile verschiedener Bauart vor, die oftmals Luft- und Flüssigkeitsbewegungen im Mikrometer-Bereich steuern. Die Konstruktionsweise dieser Ventile ist meist sehr ungewöhnlich und kann zu neuen Ideen für die Konstruktion von Mikro-Ventilen für technische Anwendungen führen.
Das Team um Blanke und Dr. Kazunori Yoshizawa nutzte die Synchrotron-basierte Computertomographie zur Erstellung eines hochauflösenden 3D-Modells des Kopulationsorgans. Das dabei erstmals gefundene und nur wenige Mikrometer große, sogenannte Wechselventil kann Flüssigkeit gezielt in verschiedene Kammern leiten. „Das Ventil besteht aus mehreren Platten, die sich durch einen gummiartigen Stoff, das sogenannte Resilin, verbiegen können. Die Kraft eines fächerartig aufgespannten Muskels führt dazu, dass, je nach Kontraktion der einzelnen Muskelteile, Zuführgänge geöffnet und andere gleichzeitig geschlossen werden. Das Schließen der Zuführgänge geschieht hierbei passiv durch die im Resilin gespeicherte Energie“, erklärt Blanke.
Der prinzipielle Aufbau dieses Ventils sei bisher einmalig in der Natur: „Durch den Wechsel der Geschlechterrollen bei dieser Spezies sind es die Weibchen, die um die Männchen konkurrieren. Dies hat offenbar auch die Evolution von neuen Strukturen wie die des Wechselventils zur Folge gehabt.“
16.10.2018, Universität Zürich
Ein egoistisches Gen macht Mäuse zu Migranten
Hausmäuse, die ein bestimmtes egoistisches Supergen in sich tragen, wechseln deutlich häufiger die Population als ihre Artgenossen. Dieses Ergebnis einer Studie der Universität Zürich zeigt somit erstmals, dass ein solches Gen das Migrationsverhalten von Tieren beeinflusst. Das Resultat könnte dabei helfen, invasive Mäuseplagen in den Griff zu bekommen.
Normalerweise sorgt die Kooperation von Genen dafür, dass ein Organismus wachsen und gedeihen kann. Doch es gibt auch Gene, die ein anderes Ziel verfolgen: Sie wollen sich selbst weiterverbreiten und verdrängen hierfür andere Gene. Ein solches egoistisches Supergen ist der sogenannte t-Haplotyp – ein Komplex aus mehreren gemeinsam vererbten Genen, der natürlicherweise in Hausmäusen vorkommt. «Dieses Supergen verschafft sich gegenüber anderen Genen einen unfairen Vorteil bei der Vererbung», erklärt Jan-Niklas Runge, Erstautor der Studie und Doktorand der Evolutionsbiologie an der Universität Zürich. Eigentlich hat jedes Gen eine 50-Prozent-Chance an einen Nachkommen übertragen zu werden. Doch Spermien, die das Supergen tragen, vergiften konkurrenzierende Spermien desselben Tieres und erhöhen ihre Befruchtungschance dadurch auf 90 Prozent. Ähnliche Mechanismen finden sich auch in anderen Organismen, etwa in Fruchtfliegen oder in Mais.
Supergen-Träger wandern aus
In einer Langzeitstudie haben die Forschenden nun untersucht, wie sich dieses Supergen auf das Migrationsverhalten von Hausmäusen auswirkt. Hierzu führten sie acht Jahre lang genau Buch über das Kommen und Gehen in vier Gruppen von wilden freilebenden Hausmäusen in einer Scheune in der Nähe von Zürich. Mit Hilfe von Genanalysen, Funksendern und regelmässigen Zählaktionen konnten sie dabei nachweisen, dass Träger des t-Haplotyps vermehrt zwischen den Gruppen wechselten oder die Scheune ganz verliessen. Die Wahrscheinlichkeit für eine solche Migration war dabei gegenüber normalen Tieren um fast 50-Prozent erhöht. Die Studie konzentrierte sich auf Jungtiere, welche bei Hausmäusen die typische Altersgruppe für Migration darstellen.
Das eigene Überleben sichern
Die Wissenschaftler glauben, dass das Supergen das Verhalten der Mäuse auf diese Weise manipuliert, um sich selbst immer weiter auszubreiten. Eine solche Migration sichert zudem wahrscheinlich auch den Erhalt des t-Haplotyps im Genpool der Hausmäuse: Nimmt das Supergen nämlich in einer Population überhand, dann kann dies dazu führen, dass es sich selbst auslöscht. So sind beispielsweise Mäuse, die zwei Kopien des Supergens (von der Mutter und vom Vater) erhalten, nicht mehr lebensfähig. Ausserdem können sich Supergen-Spermien schlecht gegen normale Spermien durchsetzen, wenn sich ein Weibchen im gleichen Ei-Zyklus mit mehreren Männchen paart. «Grosse Populationen mit viel Konkurrenz um paarungsbereite Weibchen sowie Populationen mit einem hohen Anteil an Trägern des t-Haplotyps sind also eher schlecht für das Supergen», erklärt Runge. «Die Träger des Supergens wandern deshalb wahrscheinlich aus und schliessen sich Populationen an, in denen die Chancen auf Verbreitung besser sind.» Diese Vermutung wird durch das Resultat der Studie belegt: Je grösser die Population, desto ausgeprägter war das beobachtete Migrationsverhalten. So lässt sich auch erklären, wie es das Supergen trotz aller Nachteile geschafft hat, etwa zwei Millionen Jahre lang im Erbgut der Mäuse zu überleben. Die UZH-Forschenden arbeiten nun daran, diese Hypothese mit Computersimulationen und weiteren Experimenten zu überprüfen.
Eindämmung von Invasionen
Schon jetzt planen Biologen aus anderen Forschungsgruppen den Einsatz dieses Supergens für die Kontrolle von invasiven Hausmäusen. Vermehren sich diese nämlich unkontrolliert an Orten, an denen sie nicht einheimisch sind, so kann dies das gesamte Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen. Deshalb wollen die Forschenden das Erbgut so manipulieren, dass die Mäuse unfruchtbar werden. Das Supergen soll dann dabei helfen, diese Modifikation möglichst schnell in der Mäusepopulation zu verbreiten. «Unsere Erkenntnisse sind dafür von grosser Bedeutung und können dazu beitragen, eine sichere und verlässliche Methode zur Bekämpfung solcher Invasionen zu entwickeln», hofft Runge.
Originalpublikation:
Jan-Niklas Runge & Anna K. Lindholm. Carrying a selfish genetic element predicts increased migration propensity in free-living wild house mice. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences. October 3, 2018. DOI:10.1098/rspb.2018.1333
16.10.2018, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Fische scheuen kein Blitzlichtgewitter
Fische können – ähnlich wie Säugetiere und Menschen – Stress empfinden. Sie schütten dann die Hormone Adrenalin und Cortisol aus. Ob das Fotografieren mit Blitz im Aquarium bei Fischen zum Anstieg des Cortisolspiegels führt, hat ein Wissenschaftlerteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) untersucht. Die gute Nachricht: Den Schmetterlingsbuntbarsch können Sie gerne knipsen.
„Fotografieren mit Blitz erlaubt!“ könnte es zukünftig an einigen Becken in Schauaquarien heißen, denn für manche Fische bedeutet das gleißende Licht eines Kamera-Blitzes kein Stress. IGB-Forscher Klaus Knopf hat zusammen mit Kollegen der Universität Girona in Spanien und des SEA LIFE Berlin die Reaktion des Südamerikanischen Schmetterlingsbuntbarsches (Mikrogeophagus ramirezi) auf regelmäßiges Kamera-Blitzlicht über 14 Tage untersucht.
Die Forscher bestimmten unter anderem das Stresshormon Cortisol der Fische. „ Fische sind in Bezug auf die Stressreaktion den Säugetieren und uns Menschen sehr ähnlich. Wird eine stressige Situation erlebt, steigt zuerst binnen Sekunden der Adrenalinspiegel im Blut. Nach einigen Minuten wird dann Cortisol ausgeschüttet“, so Klaus Knopf. Beide Hormone unterstützen zunächst verschiedene Anpassungsmaßnahmen des Körpers: die Herzfrequenz steigt, Muskeln und lebenswichtige Organe werden besser durchblutet. Wirkt der sogenannte Stressor weiter, kann die andauernde Alarmbereitschaft negative Folgen beispielsweise für die Fortpflanzung, das Wachstum und die Immunfunktionen haben. „Unsere Arbeitsgruppe am IGB erforscht, wie Stress in der Fischzucht und Fischhaltung vermieden werden kann – ein wichtiger Baustein der Krankheitsprophylaxe“, erklärt Knopf.
Mitarbeitende von Schauaquarien und auch die Besucherinnen und Besucher befürchten häufig, dass Blitzlicht die Fische stört und stresst. Die Ergebnisse des Forschungsteams zeigen jedoch für den Schmetterlingsbuntbarsch genau das Gegenteil: Die Werte für Cortisol und Glucose (ein weiterer Stressparameter) waren bei den „geblitzten“ Tieren sogar niedriger als bei den „ungeblitzten“ Fischen der Kontrollgruppe. Die Forscher beobachteten während der Versuchsdauer auch das Verhalten der Tiere. Die „geblitzten“ Fische zeigten weniger aggressives Verhalten in Form von lateralen Attacken und Maulkontakt als die „ungeblitzten“. „Der Kamera-Blitz scheint die Tiere lediglich etwas abzulenken, aber nicht negativ zu beeinflussen. Dieses Ergebnis lässt sich aber nicht unbedingt auf alle Fischarten übertragen“, so Knopf. Denn die verschiedenen Fischarten besiedeln Lebensräume mit ganz unterschiedlichen Lichtverhältnissen. Andere Spezies könnten eine andere Reaktion auf grelle Lichtblitze zeigen als der Schmetterlingsbuntbarsch. Einige Wassertiere, wie beispielsweise der Oktopus, reagieren schreckhaft auf Blitzlicht. Vorerst wird sich bei SEA LIFE Berlin an der Foto-Beschränkung nichts ändern: „Bisher haben wir unsere Besucherinnen und Besucher gebeten, die Fische in den Aquarien nicht mit Blitz zu fotografieren. Dennoch kommt dies immer wieder vor und dann ist es beruhigend zu wissen, dass es für die Tiere nicht unbedingt Stress bedeutet “, so Martin Hansel von SEA LIFE Berlin.
Originalpublikation:
K. Knopf; K. Buschmann; M. Hansel; J. Radinger; W. Kloas: Flash photography does not induce stress in the Ram cichlid Mikrogeophagus ramirezi (Myers &Harry, 1948) in aquaria. Journal of Applied Ichthyology. – 34(2018)4, S. 922-928
https://doi.org/10.1111/jai.13673
15.10.2018, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie
Wie der Käfernachwuchs in Kadavern gedeiht
Der Totengräber Nicrophorus vespilloides vergräbt die Kadaver kleiner Tiere in der Erde, um sie als Futterquelle für seinen Nachwuchs zu nutzen. Allerdings sind die toten Tiere und somit die Brutstätte der Larven von mikrobieller Zersetzung und Fäulnis bedroht. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena sowie der Universitäten in Mainz und Gießen zeigen, dass die Käfer schädliche Mikroben mit nützlichen Mikroorganismen aus ihrem eigenen Darm ersetzen und so dafür sorgen, dass sich der Käfernachwuchs in dem Kadaver wohlfühlt und dort bestens gedeiht.
Der Totengräber Nicrophorus vespilloides vergräbt die Kadaver kleiner Tiere in der Erde, um sie als Futterquelle für seinen Nachwuchs zu nutzen. Allerdings sind die toten Tiere und somit die Brutstätte der Larven von mikrobieller Zersetzung und Fäulnis bedroht, in deren Folge es zur Bildung von Giftstoffen, dem Wachstum von Krankheitserregern und dem Verlust von Nährstoffen kommt. In einer neuen Studie berichten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena sowie der Universitäten in Mainz und Gießen, dass Käfer der Art Nicrophorus vespilloides schädliche Mikroben mit nützlichen Mikroorganismen aus ihrem eigenen Darm ersetzen und so dafür sorgen, dass sich der Käfernachwuchs in dem Kadaver wohlfühlt und dort bestens gedeiht (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, DOI: 10.1073/pnas.1812808115, Oktober 2018).
Wie Totengräber verhindern, dass Aas zersetzt wird
Totengräber-Käfer nutzen nährstoffreiche, aber anspruchsvolle Ressourcen für die Aufzucht ihres Nachwuchs: Die Larven ernähren sich von den Kadavern kleiner Tiere. Ohne entsprechende Pflege der Brutstätte würden die Tierleichen schnell infolge mikrobieller Zersetzung anfangen zu faulen. Unter natürlichen Bedingungen würde dann der Verwesungsprozess einsetzen, in dessen Folge giftige Stoffwechselprodukte gebildet und Nährstoffe abgebaut werden.
Ein Team von Wissenschaftlern hat nun herausgefunden, dass der Totengräber-Käfer Nicrophorus vespilloides die Nahrungsgrundlage für seine Jungen dadurch schützt, indem er sie mit nützlichen Mikroorganismen aus seinem eigenen Darm impft. Die Forscher bestimmten die Bakterien- und Pilzgemeinschaften von Kadavern, die von Käfern gepflegt oder nicht gepflegt worden waren, und verglichen die Stoffwechselaktivität der Mikroorganismen. Sie quantifizierten außerdem Putrescin und Cadaverin, nach Fäulnis stinkende organische Verbindungen, die maßgeblich zum Verwesungsgeruch beitragen, sowie Aminosäuren. „Die Käfer sterilisieren nicht einfach den Kadaver. Vielmehr ersetzen sie das für Aas typische Mikrobiom mit einem noch komplexeren: mit Symbionten aus ihrem eigenen Darm. Vom Käfer übertragene Hefepilze ersetzen vollständig die Schimmelpilze aus dem Boden, die normalerweise einen Kadaver schnell überwachsen“, erläutert der Erstautor Shantanu Shukla aus dem Max-Planck-Institut für chemische Ökologie.
Die Bedeutung der Symbionten für die Entwicklung der Larven
Die Forscher wollten anschließend wissen, ob diese Veränderungen der Mikrobenzusammensetzung für die Insekten vorteilhaft waren, denn immerhin unternehmen die Käfer viel, um den Kadaver zu verteidigen und für ihre Jungen vorzubereiten. Daher testeten sie die Wirkung des Mikrobenfilms auf die Fitness der Käferlarven, indem sie das Larvenwachstum auf Kadavern mit und ohne mikrobielle Symbionten verglichen. Die Auswirkungen auf das Larvenwachstum waren deutlich: Käferlarven, die an Kadavern ohne Symbiontenfilm fraßen, waren deutlich kleiner, auch wenn sie die gleiche Menge an Kadavergewebe verspeist hatten.
„Unsere Studie zeigt, wie Insekten ihren Lebensraum verändern können, indem sie ihre Symbionten sowohl in ihrem Darm als auch außerhalb, wie etwa auf einer Brutstätte, kultivieren. Der Totengräber ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie sich Lebewesen mit Hilfe ihrer symbiotischen Mikroorganismen schwierige Ressourcen erschließen können“, fasst der Leiter der Studie Heiko Vogel zusammen.
Das Potenzial der identifizierten Hefen
Die durch die genetischen Untersuchungen identifizierten Hefen sollen jetzt genauer untersucht werden, insbesondere ihre Rolle bei der Entgiftung der Verwesungsprodukte und bei der Vorverdauung des Kadavers zum Nutzen der Käferlarven. „Da das von den Käfern übertragene Mikrobiom das Wachstum gefährlicher und giftproduzierender Bakterien und Pilze unterdrückt, wird diese Ressource für das Screening nach neuen antimikrobiellen Wirkstoffen genutzt“, sagt Andreas Vilcinskas, der im beteiligten Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie die Antibiotikaforschung leitet.
Die Studie wurde von der Max-Planck-Gesellschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft über das Kooperationsprojekt “AIM-Biotech – Einsatz von Insekten-assoziierten Mikroorganismen in der industriellen Biotechnologie” gefördert.
Originalpublikation:
Shukla, S. P., Plata, C., Reichelt, M., Steiger, S., Heckel. D. G., Kaltenpoth, M., Vilcinskas, A., Vogel, H. (2018). Microbiome-assisted carrion preservation aids larval development in a burying beetle. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, DOI: 10.1073/pnas.1812808115
http://dx.doi.org/10.1073/pnas.1812808115
18.10.2018, Universität Zürich
Artenvielfalt kann Ökosysteme auch destabilisieren
Artenreiche Ökosysteme sind stabiler gegenüber Störungen wie Dürren, Hitzeperioden oder Pestiziden, lautet die vorherrschende Meinung. Doch ganz so einfach ist es nicht, wie Ökologen der Universität Zürich und der Eawag nun herausgefunden haben. Unter gewissen Umweltbedingungen kann ein erhöhter Artenreichtum auch dazu führen, dass ein Ökosystem instabiler wird.
Ökosysteme nützen uns in vielerlei Hinsicht: Sie liefern Nahrung, Wasser und andere Ressourcen und bieten Erholungsraum. Umso wichtiger ist es, dass diese Systeme funktionsfähig und stabil bleiben – insbesondere angesichts von Klimawandel oder Umweltverschmutzungen. Was diese Stabilität gewährleistet, untersuchten Ökologen der Universität Zürich und der Eawag in einem einzigartigen und umfangreichen Experiment.
Mini-Ökosysteme mit Wimpertierchen
Konkret erforschten die Wissenschaftler, wie die Biodiversität die Stabilität von Ökosystemen beeinflusst. Als Modellorganismen benutzten sie sechs Arten von Wimpertierchen – winzige, im Wasser lebende Einzeller. Diese Tierchen steckten die Forschenden in unterschiedlicher Anzahl und Kombination in Probengläser und erzeugten so Mini-Ökosysteme, die sie daraufhin bei Temperaturen zwischen 15 und 25 Grad gedeihen liessen. Die erhöhten Temperaturen simulierten eine klimatische Veränderung, da die verwendeten Wimpertierchen normalerweise bei 15 Grad Celsius leben.
Wie stabil die Biomasseproduktion in den kleinen Ökosystemen war, analysierten die Forschenden mit einer neuartigen Videoauswertungstechnik. Ein eigens entwickelter Algorithmus ermöglichte es, die Wimpertierchen-Arten in den rund 20 000 Videosequenzen zu bestimmen, die von den zahlreichen Proben unter dem Mikroskop aufgenommen wurden.
Gegenläufige Ergebnisse
Die Resultate des Experiments erscheinen auf den ersten Blick widersprüchlich: Eine hohe Artenvielfalt fördert und hemmt die Ökosystemstabilität gleichzeitig. „Ökologische Stabilität ist komplex und besteht aus verschiedenen Komponenten. Das Experiment zeigt, wie sich die Artenvielfalt unterschiedlich auf die einzelnen Stabilitätskomponenten auswirkt“, erklärt Frank Pennekamp, Erstautor der Studie. Konkret: Je vielfältiger die Artengemeinschaft in den Mini-Ökosystemen war, desto weniger schwankte die Biomasseproduktion – unabhängig von der Temperatur. Bei höheren Temperaturen zeigte sich jedoch, dass je mehr Arten sich im System tummelten, desto weniger Biomasse produzierten die Einzeller.
„Dass verschiedene Komponenten unterschiedlich reagieren, sollte beim Management von Ökosystemen berücksichtigt werden. Denn je nach Gewichtung der Komponenten, kann es nichtlineare Zusammenhänge zwischen der Diversität und der gesamtheitliche Ökosystemstabilität geben“, sagt Pennekamp.
Ähnliche Effekte auch in anderen Ökosystemen
Eine Literaturrecherche ergab, dass andere Wissenschaftler die gegenläufigen Zusammenhänge zwischen Artenreichtum und Stabilität auch in anderen Ökosystemen beobachten konnten – etwa in Grasland- oder Algengemeinschaften. „Die Ergebnisse machen deutlich, dass eine höhere Artenvielfalt alleine nicht für die gesamtheitliche Stabilität eines Ökosystems ausreicht. Neben der Artenvielfalt braucht es auch Arten, die auf vielfältige Weise auf Umweltveränderungen reagieren können“, sagt Florian Altermatt, Professor für Aquatische Ökologie der Eawag.
Die Forschung wurde unterstützt vom Universitären Forschungsschwerpunkt Globaler Wandel und Biodiversität der Universität Zürich.
Originalpublikation:
Frank Pennekamp, Mikael Pontarp, Andrea Tabi, Florian Altermatt, Roman Alther, Yves Choffat, Emanuel A. Fronhofer, Pravin Ganesanandamoorthy, Aurélie Garnier, Jason I. Griffiths, Suzanne Greene, Katherine Horgan, Thomas M. Massie, Elvira Mächler, Gian-Marco Palamara, Mathew Seymour, and Owen L. Petchey. Biodiversity increases and decreases ecosystem stability. Nature. October 17, 2018. DOI: 10.1038/s41586-018-0627-8
18.10.2018, Ludwig-Maximilians-Universität München
Infektionsforschung – Parasit tarnt sich durch Umstrukturierung
Trypanosomen, die Auslöser der Afrikanischen Schlafkrankheit, tricksen die Immunabwehr ihres Wirts aus, indem sie ihre Oberfläche immer wieder verändern. Forscher haben nun das komplette Genom des Parasiten sequenziert und wichtige Aspekte seiner molekularen Strategie aufgeklärt.
Die einzelligen Parasiten namens Trypanosoma lösen beim Menschen die Afrikanische Schlafkrankheit aus, die tödlich enden kann. Professor Nicolai Siegel, Leiter der Arbeitsgruppe Molekulare Parasitologie an der LMU, erforscht an ihrem Beispiel den ständigen Wettkampf, in dem Parasiten und ihre Wirte stehen: Das Immunsystem des Wirts bekämpft den Parasiten, der wiederum Strategien gegen diese Abwehr entwickelt. Trypanosomen verändern ständig ihre Oberfläche, um vom Immunsystem des Wirts nicht erkannt zu werden. Wissenschaftler der Arbeitsgruppe haben nun in Kooperation mit Kollegen der Universität Würzburg, von ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften, der TH Köln, des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg (ein Institut des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung) sowie Forschern in den USA, Großbritannien und Israel die genetischen Mechanismen dieser Abwehr untersucht. Das Team konnte nachweisen, dass bestimmte DNA-Verpackungsproteine die Struktur der Erbsubstanz des Parasiten beeinflussen. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Nature.
Trypanosomen kommen in verschiedenen Wirbeltieren vor und werden meist von Insekten übertragen. In Säugetieren leben sie vor allem im Blut ihres Wirts. Die von den Wissenschaftlern untersuchte Art Trypanosoma brucei löst nicht nur die Afrikanische Schlafkrankheit aus, sondern ist auch der Erreger der Tierseuche Nagana bei Rindern.
Das Genom des Parasiten kodiert für etwa 2000 unterschiedliche Varianten seines Oberflächen-Proteins, wobei nur eine Variante gleichzeitig pro Zelle produziert wird. Da die Immunantwort des Wirts sich immer gegen eine konkrete Variante des Oberflächenproteins richtet, entkommt der Parasit der Immunantwort, indem er das Gen für ein bestimmtes Protein ab- und stattdessen ein anderes anschaltet. Da es einige Zeit dauert, bis die Immunzellen des Wirts das neue Oberflächenprotein als fremd erkennen, erreichen Trypanosomen auf diese Weise eine dauerhafte Infektion.
„Wir interessieren uns vor allem dafür, wie diese genetische Variabilität reguliert wird“, sagt Siegel, dessen Labor zur Tierärztlichen Fakultät gehört und im Biomedizinischen Centrum der LMU angesiedelt ist. Das Erbgut liegt im Zellkern als eng verpackter DNA-Protein-Komplex vor, der als Chromatin bezeichnet wird. Um zu untersuchen, wann welches Gen aktiviert wird, haben die Wissenschaftler erstmals das komplette Genom von T. brucei sequenziert und die dreidimensionale Anordnung der DNA aufgeklärt. Mithilfe von Einzelzellanalysen des Parasiten konnten sie zeigen, dass der Wechsel zwischen verschiedenen Oberflächenproteinen verstärkt wird, wenn zwei bestimmte Varianten von DNA-Verpackungsproteinen entfernt werden. Diese Varianten befinden sich im Chromatin an denselben Stellen, an denen auch die Gene sitzen, die für die Oberflächenproteine kodieren. Durch die Entfernung dieser Varianten verändert sich zum einen die dreidimensionale Struktur der DNA, und zum anderen lockert sich an den entsprechenden Stellen die ansonsten dicht gepackte DNA, sodass neue Gene zugänglich werden. Beide Effekte gemeinsam ermöglichen neue Interaktionen innerhalb der DNA, sodass andere Gene aktiviert werden. „Entscheidend ist dabei, dass wir beide Proteinvarianten entfernt haben“, betont Siegel, „fehlt nur eine, ändert sich zwar die dreidimensionale Struktur der DNA, aber es kommt nicht zu einem Switch der Oberflächenproteine.“
Ein besseres Verständnis dieser Abwehrmechanismen ist auch für die Erforschung anderer Krankheiten wichtig, denn zahlreiche Pathogene haben ähnliche Strategien entwickelt, etwa die Malaria-Erreger, Candida-Pilze und viele Bakterien.
Originalpublikation:
Genome organization and DNA accessibility control antigenic variation in trypanosomes
Laura S. M. Müller, Raúl O. Cosentino, Konrad U. Förstner, Julien Guizetti, Carolin Wedel, Noam Kaplan, Christian J. Janzen, Panagiota Arampatzi, Jörg Vogel, Sascha Steinbiss, Thomas D. Otto, Antoine-Emmanuel Saliba, Robert P. Sebra, T. Nicolai Siegel
Nature 2018
18.10.2018, Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Pflaumenblattsauger geht im Winter auf Nadelbaum-Diät
Wissenschaftler des Julius Kühn-Instituts (JKI) erforschen die Emigration schädlicher Insekten, um diese künftig gezielter zu bekämpfen. Ergebnisse des Projekts PRUNI-Repel auf Deutscher Pflanzenschutztagung vorgestellt und in Fachzeitschrift publiziert
Obwohl der Tisch des Pflaumenblattsaugers in den Obstanlagen im Sommer noch gut gedeckt ist, wandern die Schadinsekten im Juni/Juli in höhere Lagen aus und stellen ihre Ernährung drastisch um. Sie wechseln von Pflaumenbaumsaft auf Nadelbaumdiät. Dieser krasse Wirtsbaum- und Diätwechsel sichert der Art das Überleben bis zum Frühjahr, wenn die Tiere zur Paarung schreiten. Um der neuen Generation einen guten Start zu verschaffen, paaren sich die Eltern unterm Pflaumenbaum, denn die Larven benötigen für ihre Entwicklung unbedingt wieder eine „Pflaumen-Kur“. Das haben Wissenschaftler des Julius Kühn-Instituts (JKI) mittels Saugversuchen herausgefunden. Ihre Erkenntnisse, die für den Pflanzenschutz in Obstanlagen relevant sind, haben Jannicke Gallinger und Dr. Jürgen Gross kürzlich auf der 61. Deutschen Pflanzenschutztagung in Hohenheim (11.-14.9.) vorgestellt und im Journal Frontiers in Plant Science publiziert (DOI 10.3389/fpls.2018.00484).
Der Pflaumenblattsauger Cacopsylla pruni überträgt ein gefährliches zellwandloses Bakterium, Candidatus Phytoplasma prunorum genannt. Das Bakterium löst die Europäische Steinobstvergilbung (European Stone Fruit Yellows, ESFY) aus. Die Krankheit führt dazu, dass die Früchte vorzeitig notreifen und ist für massive Ernteausfälle verantwortlich. Infizierte Bäume sterben innerhalb weniger Jahre ab. Das alles sind gute Gründe den Pflaumenblattsauger zu bekämpfen. Die Wissenschaftler des JKI studieren deshalb seinen Lebenszyklus sehr genau. Sie suchen nach Ansatzpunkten, wie das Insekt gezielt daran gehindert werden kann, an den Pflaumenbäumen zu saugen und sich weiter zu vermehren. Denn wenn sich das Vektorinsekt vermehrt, wird leider auch das Bakterium weiterverbreitet. „Warum C. pruni innerhalb einer Generation zwei Wirtswechsel durchläuft, war bisher nicht bekannt,“ berichtet Dr. Jürgen Gross vom JKI. „Durch unsere Aufnahmen mittels der Elektro-Penetrographie von Pflaumenblattsaugern, die an verschiedenen Koniferenarten saugen, konnte wir erstmals nachweisen, dass die Tiere tatsächlich Nahrung in Form von Phloem- und Xylemsaft der Nadelbäume aufnehmen.“
„Jetzt, da wir sicher wissen, dass die Tiere sich von Nadelbäumen ernähren, wollen wir nun die einzelnen Komponenten der Baumsäfte genauer studieren“, erklärt JKI-Nachwuchsforscherin Jannicke Gallinger. Eine Idee ist es, einen Saftmix zu entwickeln, der den Insekten besonders gut schmeckt, um diesen dann in Fallensystemen einzusetzen, die nach dem „Attract-und-Kill-Prinzip“ funktionieren. Gallinger hat bereits die Zusammensetzung der verschiedenen Pflanzensäfte genau untersucht. Die chemische Analyse des Inhalts von Phloem und Xylem von Koniferen und Prunus-Bäumen zeigt erhebliche quantitative und qualitative Unterschiede der Zucker und Zuckeralkohole sowie der Amino- und anderen organischen Säuren. Diese könnten für die Entwicklung des Blattsaugers entscheidend sein. Bei ihrer Saftmix-Forschung arbeiten die Wissenschaftler des Julius Kühn-Instituts auch mit amerikanischen Wissenschaftlern des US-Department of Agriculture in Florida zusammen. Letzteren bereitet eine invasive asiatische Zitrusblattsaugerart in den Orangenplantagen Probleme. Auch sie sind deswegen auf der Suche nach fraßstimulierenden Substanzen, mit denen sich Schadinsekten fangen lassen.
Originalpublikation:
DOI 10.3389/fpls.2018.00484
19.10.2018, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Mit zunehmendem Alter ähneln Affenkinder ihren Eltern
Wir wir Menschen, so identifizieren auch Tiere nahe Verwandte unter anderem anhand ihres Erscheinungsbildes. Doch nur wenig ist darüber bekannt, in welchem Alter die Ähnlichkeit zwischen den Gesichtern von Eltern und ihren Kindern offensichtlich wird. Forschende vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und der Universität Leipzig stellten Probanden vor die Aufgabe, digitale Abbilder der Gesichter von Rhesusaffen-Jungtieren dem Gesicht eines Elternteils zuzuordnen. Obwohl es diesen gelang, die Gesichter sehr junger Rhesusaffen individuell voneinander zu unterscheiden, konnten sie diese erst in einem Alter kurz vor Eintritt in die Pubertät korrekt einem Elternteil zuordnen.
Der Aussage, dass Familienmitglieder einander vor allem im Gesicht oft ähneln, würden wohl viele von uns zustimmen. In der Tat sind wir Menschen gut darin, Paare von nahen Verwandten unter den Gesichtern unbekannter Erwachsener zu identifizieren. In einem Computerexperiment schenkten Menschen Personen, deren Gesichter subtil manipuliert wurden, um ihren eigenen zu ähneln, eher ihr Vertrauen. Bei freilebenden Tieren kann die Ähnlichkeit von Gesichtern wichtige Konsequenzen in Bezug darauf haben, ob Väter in ihre mutmaßlichen Kinder investieren oder diese diskriminieren. Doch wann werden im Verlauf des Lebens relevante Gesichtsinformationen erkennbar? Dies ist wichtig um aufzuklären, ob ein evolutionärer Druck besteht, die Vaterschaft zu verbergen (um den Entzug von Fürsorge bzw. Kindestötung zu vermeiden, wenn ein Mann wahrnimmt, dass es sich nicht um sein eigenes Kind handelt) oder alternativ die Vaterschaft zu bewerben, um das elterliche Investment zu fördern. Ergebnisse von Studien, die die Gesichter von Neugeborenen untersuchten, waren nicht schlüssig, doch es gibt Hinweise darauf, dass Kinder ungefähr in der Mitte ihrer Kindheit ihren Eltern zugeordnet werden können.
Andere Primaten, wie Makaken und Paviane, stehen vor einem ähnlichen Problem. Da sich sowohl Männchen als auch Weibchen typischerweise während der fruchtbaren Phase des Weibchens mit mehreren Partnern paaren und Männchen im Laufe ihres Lebens zwischen verschiedenen sozialen Gruppen wechseln, sind die Tiere oft mit der Situation konfrontiert, dass sie auf einen unbekannten Artgenossen treffen, der ihr Verwandter sein könnte. Dieses Individuum dann auch als Verwandten zu erkennen, kann evolutionäre Vorteile mit sich bringen, wie zum Beispiel eine bevorzugte Behandlung von Verwandten, die ja gemeinsame Gene teilen, oder eine optimale Partnerwahl, um Inzucht zu vermeiden. Bei mehreren Primatenarten häufen sich Hinweise darauf, dass die Tiere nicht nur mütterliche Verwandte, sondern auch väterliche Verwandte durch Ähnlichkeiten im Erscheinungsbild identifizieren können. Neben visuellen Hinweisen helfen dabei auch Stimme und Geruch. Darüber, wann solche Hinweise erstmals auftreten und erkannt werden können, ist aber praktisch nichts bekannt.
Um diese Frage zu beantworten, zeigten die Autoren einer Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht wurde, Probanden (Forschenden und Tierpflegern), die am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen mit nichtmenschlichen Primaten arbeiten, digitale Bilder der Gesichter von Rhesusaffen, die einer auf Cayo Santiago, Puerto Rico, freilebenden Population angehören. Dieser computerbasierte Ansatz beruht auf bekannten Ähnlichkeiten im visuellen System sowie der Gesichtsverarbeitung von Menschen und Rhesusaffen. Zuvor hatten die Autoren bereits nachgewiesen, dass Menschen unter diesen Bedingungen Ähnlichkeiten zwischen Rhesusaffen-Eltern und ihren Kindern erkennen können – zumindest in den Gesichtern von erwachsenen Tieren.
Die Teilnehmer der Studie, die nun mit unterschiedlich alten Kindergesichtern konfrontiert wurden, konnten nicht identifizieren, welches der beiden Kinder zu einem Elternteil gehörte. Mit zunehmenden Alter der Affenkinder gelang es ihnen jedoch immer besser, die Söhne und Töchter den Zieleltern korrekt zuzuordnen. Aber erst, wenn der Nachwuchs fast die Pubertät erreicht hat, treten die Ähnlichkeiten klar erkennbar zu Tage: wenn Rhesusaffen-Kinder also alt genug sind, um nicht mehr Opfer von Aggression und Kindestötung werden zu können, jedoch vor dem Alter, in dem Informationen über Verwandtschaft nützlich werden, um ihre Partnerwahl zu beeinflussen. „Wir konnten ausschließen, dass menschliche Probanden einzelne Individuen auf dem Bildschirm nicht voneinander unterscheiden können, wenn diese noch sehr jung sind. Im Gegenteil, sie waren dabei sehr gut. Vielmehr scheinen sich spezifische Informationen, die auf Verwandtschaft hindeuten, erst mit steigendem Alter der Tiere auszuprägen“, sagt Erstautorin Anahita Kazem vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und der Universität Leipzig. „Man könnte meinen, dass es nicht verwunderlich ist, dass Individuen mit zunehmendem Alter ihren Eltern ähnlicher werden, da Gesichtsmerkmale erblich sein können. Dafür gibt es einige Vorteile. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass fehlende oder (noch) nicht erkennbare Hinweise auf eine Verwandtschaft bei Kleinkindern eine Mehrdeutigkeit erzeugen, die Kinder und Jugendliche vor Diskriminierung durch potenziell nicht verwandte Erwachsene schützt.“
Die Ergebnisse der Studie sind der erste Beleg dafür, dass körpereigene visuelle Hinweise auf Verwandtschaft bei Tieren verstärkt nachweisbar werden, wenn sie die Pubertät erreichen. „Unsere Forschung zeigt, dass Hinweise auf Vaterschaft (und Mutterschaft) in den Gesichtern von Rhesusaffen vorhanden sind, und dass die Tiere diese Informationen unter natürlichen Bedingungen spontan wahrnehmen“, erklärt die leitende Autorin Anja Widdig vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und der Universität Leipzig. „In zukünftigen Studien möchten wir herausfinden, ob diese visuellen Informationen von den Affen tatsächlich genutzt werden und welche Vorteile es ihnen ganz konkret bringt, verwandte und nicht verwandte Tiere in unterschiedlichen Lebensabschnitten als solche erkennen zu können.“
Originalpublikation:
Anahita J. N. Kazem, Yvonne Barth, Dana Pfefferle, Lars Kulik, Anja Widdig
Parent-offspring facial resemblance increases with age in rhesus macaques
Proceedings of the Royal Society B, 12. September 2018
https://doi.org/10.1098/rspb.2018.1208
18.10.2018, Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns
Zähne wie ein Piranha: Ältester fleischreißender Knochenfisch entdeckt
In der Fachzeitschrift Current Biology stellt heute ein Forscherteam des Jura-Museums Eichstätt, der australischen James Cook University und der Universität Erlangen die Beschreibung einer erstaunlichen neuen Fischart vor, die vor rund 150 Millionen Jahren, zur Zeit der Dinosaurier, das süddeutsche Jurameer bewohnte. Die neue Knochenfischart besaß Zähne wie ein Piranha.
Mikroskopische Untersuchung und CT-Scans der Kiefer des Fossils von Piranhamesodon pinnatomus zeigen lange, spitze Zähne entlang der Außenseite des Vomer (ein Knochen, der das Gaumendach bildet) und an der Spitze von Unter- und Oberkiefer. Die Präartikularknochen, die entlang der Seiten des Unterkiefers liegen, tragen dreieckige Zähne mit gezähnelten Schneidekanten.
Zahnmuster und Zahnform, Kiefermorphologie und Kiefermechanik deuten auf ein Maul hin, das, wie das internationale Forscherteam berichtet, ausgerüstet war, um Fleisch oder Flossen zu schneiden. Indizien deuten auf die Möglichkeit hin, dass sich diese frühen, Piranha-ähnlichen Fische der aggressiven Mimikry bedienten, sich also hinter einem scheinbar harmlosen Äußeren tarnten, um dann umso effektiver anzugreifen; eine erstaunliche Parallele zum Fressverhalten moderner Piranhas.
„Wir waren völlig verblüfft, dass dieser Fisch Piranha-ähnliche Zähne hatte“, sagt Martina Kölbl-Ebert, Leiterin des Jura-Museums Eichstätt. „Er gehört zu einer ausgestorbenen Fischgruppe (den Pycnodontiformes), die für ihre pflasterartigen Knackzähne bekannt sind. Es ist, als würde man auf ein Schaf mit den Reißzähnen eines Wolfes treffen. Was aber noch bemerkenswerter ist: der Fisch stammt aus der Jurazeit. Für Knochenfische ist diese Ernährungsweise damals mehr als ungewöhnlich. Die Fleischfresser unter ihnen knackten normalerweise schalentragende Wirbellose oder schlucken ihre Beute – meist andere Fi-sche – am Stück. Fleischstücke oder Flossen herausbeißen, das ist etwas, das viel später kam.“ – Zumindest schien das bisher so.
„Der neue Fund stellt die älteste Überlieferung eines Knochenfisches dar, der in der Lage war, Stücke aus anderen Fischen herauszubeißen. Und noch etwas ist ungewöhnlich: er tat dies im Meer,“ erläutert David Bellwood von der James Cook University, Australien, und merkt an, dass heutige Piranhas – die allerdings mit der neuen, fossilen Art nicht verwandt sind – alle im Süßwasser leben.
Als weiteres Indiz für den ungewöhnlichen Nahrungserwerb, fanden die Forscher auch die Opfer von Piranhamesodon in denselben Kalksteinablagerungen, im Steinbruch von Ettling (Markt Pförring, Bayern); und zwar andere Fische derselben Lokalität, deren Flossen angebissen wurden.
„Dies ist eine erstaunliche Parallele zu modernen Piranhas, die sich überwiegend nicht vom Fleisch, sondern von den Flossen anderer Fische ernähren. Das ist eine schlaue Sache, denn Flossen wachsen nach; sie sind eine praktische, erneuerbare Nahrungsquelle. Beiß einen Fisch in den Bauch und er ist tot; knabbere an seinen Flossen und du hast auch in Zukunft noch was zu fressen“, erklärt David Bellwood.
Der neubeschriebene Fisch ist seit heute im Jura-Museum auf der Eichstätter Willibaldsburg zu sehen. Er stammt aus denselben Kalksteinablagerungen – den jurazeitlichen Plattenkalken des Solnhofener Archipels – aus denen man auch den berühmten Urvogel Archaeopteryx kennt.
Originalpublikation:
Kölbl-Ebert, Martina; Ebert, Martin; Bellwood, David R. & Schulbert, Christian (2018): A Piranha-like Pycno-dontiform Fish from the Late Jurassic.- Current Biology https://doi.org/10.1016/j.cub.2018.09.013