Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

08.03.2022, Universität Konstanz
Wie Tierschwärme auf Gefahren reagieren
Konstanzer Physiker entschlüsseln mithilfe von Mikrorobotern, wie Tierkollektive effektiv auf Gefahren reagieren
Eine Herde Antilopen grast friedlich auf einer Wiese. Plötzlich taucht ein Löwe auf. Die Antilopen flüchten. Doch wie gelingt diese kollektive Flucht? Die Konstanzer Physiker Chun-Jen Chen und Professor Clemens Bechinger, Mitglied am Exzellenzcluster Centre for the Advanced Study of Collective Behaviour der Universität Konstanz, fragten sich, wie Tiere sich verhalten müssen, um eine effiziente Fluchtbewegung einzuleiten. In einer Studie mit Mikrorobotern, die sich wie eine Tiergruppe bewegen, zeigen die Wissenschaftler: Ein Tierschwarm führt – bezogen auf die ganze Gruppe – selbst dann eine optimale Fluchtbewegung durch, wenn einzelne Tiere die Gefahr nicht bemerken oder falsch reagieren. Die Studie wurde am 7. März 2022 in der Fachzeitschrift New Journal of Physics (NJP) veröffentlicht.
Als Ausgangspunkt für ihre Überlegungen betrachteten die Wissenschaftler eine friedlich kreisende Gruppe, einen sogenannten Wirbel. Dieser wurde einer plötzlichen Gefahrensituation ausgesetzt.
Für ihre Experimente verwendeten die Forscher ein System von Mikrorobotern. Diese bestehen aus programmierbaren, aktiven, fein verteilten Glaskügelchen, die auf einer Seite mit einer ultradünnen Kohlenstoffkappe bedeckt sind. Werden diese mit einem fokussierten Laserstrahl beleuchtet, erwärmen sich die Teilchen einseitig und setzen sich, ähnlich wie Tiere, in Bewegung. „Wir sind in der Lage, jedes einzelne Teilchen individuell anzusteuern und deren Bewegung an die der Nachbarn anzupassen“, erklärt Chen, der in der Arbeitsgruppe von Bechinger promoviert und die Experimente vorrangig durchführte. „Die Teilchen unseres Schwarms sind so programmiert, dass sie Kollisionen grundsätzlich aus dem Weg gehen sollen. Zudem erhielten die Teilchen die Information, dass sie sich ungefähr in Richtung des Gruppenmittelpunktes bewegen. Mit diesen Interaktionsregeln gelingt es den Teilchen, sich in einem Wirbel zu organisieren.“ Bechinger ergänzt: „Der Schwarm aus Mikrorobotern gibt die Bewegungen eines echten Tierschwarms täuschend echt wider.“
Mikroroboter auf der Flucht
Sobald ein Räuber auftaucht, verändern die Teilchen ihre Bewegungen, schildert Bechinger. Allerdings sei diese Bewegungsänderung minimal und führe keineswegs dazu, dass sich jedes Teilchen zu jedem Zeitpunkt direkt vom Räuber entfernt. Bemerkenswert sei dabei, dass sich die Gruppe als Ganzes geradlinig vom Räuber entfernt. „Dieses Kunststück, bei dem einzelne Individuen sich nicht ideal, die gesamte Gruppe aber dennoch optimal verhält, beruht auf einem kollektiven Entscheidungsprozess, auch Schwarmintelligenz genannt, bei dem ständig Informationen zwischen den Teilchen ausgetauscht werden“, sagt Bechinger.
„Eine unmittelbare Konsequenz aus einem solchen Verhalten ist, dass die Fluchteffizienz nahezu unverändert bleibt, selbst wenn die Hälfte der Teilchen – bzw. Tiere – nicht auf die Bedrohung reagiert“, erklärt Chen. „Dies zeigt, dass unvollständige oder fehlende individuelle Informationen in Herden durch andere Gruppenmitglieder kompensiert werden können.“ Möglicherweise sei dies sogar einer der Gründe, warum sich Tiere in Herden organisieren, obwohl eine Herde für einen Räuber deutlich sichtbarer als ein vereinzeltes Tier ist, meinen die Physiker.
Tierverhalten auch für weitere Anwendungen interessant
Neben einem besseren Verständnis, auf welcher Basis Entscheidungen in Herden von Tieren getroffen werden, sind die Ergebnisse auch für Anwendungen in dem Bereich der Mikrorobotik von Interesse. Aktuell werden verschiedene Szenarien diskutiert, bei denen eine Vielzahl von autonomen Robotern gemeinschaftlich sinnvolle Aufgabe erledigt und bei denen eine gestörte Kommunikation zwischen den Robotern zwangsläufig zu Problemen führe. Mit den aus dieser Studie gewonnen Erkenntnissen würde ein Roboterschwarm auch dann noch gut funktionieren, wenn z. B. die Sensorik einzelner Roboter ausfallen würde, erläutert Bechinger. „Dieser würde von den anderen einfach kompensiert werden, was solchen Systemen eine große Robustheit verleihen würde.“
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1088/1367-2630/ac5374
09.03.2022, Eberhard Karls Universität Tübingen
Neue Gattung ausgestorbener Gänsevögel entdeckt
Forscher finden rund elf Millionen Jahre alte Fossilien – Tongrube Hammerschmiede im Allgäu als Fundort
Wissenschaftler des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt und des Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen haben in der Tongrube Hammerschmiede im Allgäu die fossilen Überreste einer bislang unbekannten Gattung prähistorischer Gänsevögel entdeckt. Allgoviachen tortonica, wie die Forscher die neue Art benannten, bevölkerte Süddeutschland vor rund elf Millionen Jahren. Die Funde lassen den Schluss zu, dass die Tiere auf dem Boden, aber auch auf Bäumen lebten und etwa die Größe heutiger Nilgänse hatten. Eine entsprechende Studie wurde vor kurzem im Fachmagazin Historical Biology veröffentlicht.
Ungewöhnlich an dem Fund, der 2020 bei Grabungen freigelegt wurde, ist das komplett erhaltene Bein, wie Professorin Madelaine Böhme vom Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen berichtete: „Derartig vollständige Funde sind bei fossilen Gänsevögeln weltweit sehr selten.“ Besonders aufschlussreich für die Lebensweise von Allgoviachen tortonica ist die Form ihrer Krallen.
Diese unterscheiden sich deutlich von den Krallen heutiger Gänsevögel, die eine vorwiegend schwimmende Lebensweise haben, wie der Leiter der Studie, Dr. Gerald Mayr vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, erläuterte. Die Forscher schließen daraus, dass die Tiere über kräftige Sehnen verfügten, mit deren Hilfe sie ihre Krallen stark beugen konnten: „Eine solche Krallenbeugung ermöglicht ein Festhalten auf Ästen oder im Fluss treibenden Baumstämmen. Ähnlich wie heute lebende Pfeifgänse, welche ähnliche Krallen aufweisen, besaßen sie wahrscheinlich die Fähigkeit in Ruhephasen auf Bäumen zu sitzen.“
Gänsevögel, zu denen auch Enten und Schwäne gehören, konnten in der Hammerschmiede durch vier Arten belegt werden. Allgoviachen tortonica stellt mit etwa zwei Kilogramm Gewicht und 70 Zentimeter Körperlänge die größte Art dar. Der wissenschaftliche Name bedeutet so viel wie Allgäu-Gans aus dem Tortonium, der Epoche aus dem der Fund stammt. „Ihre stammesgeschichtliche Position ist derzeit noch ungeklärt“, sagte Mayr: „Trotz Ähnlichkeiten zu lebenden Halbgänsen und zur Höckerglanzgans deutet eine Anzahl primitiver Merkmale darauf hin, dass Allgoviachen mit keiner der heute lebenden Gänsevögel näher verwandt ist.“
Bad im Fluss wurde möglicherweise zum Verhängnis
Die heutige Tongrube wurde vor mehreren Millionen Jahren von Flüssen durchzogen. Das komplette Bein des Fundes wurde im Bereich des Oberschenkels abgetrennt. Die Wissenschaftler werfen die Möglichkeit auf, dass es sich hierbei um einen Fraßrest von einer der fast einen Meter Körpergröße erreichenden Schnappschildkröten handeln könnte, die den Hammerschmiedefluss so zahlreich bevölkerten. „Die Befunde sind vereinbar mit einem Abbeißen des Beins während einer Schwimmphase der Allgäu-Gans. Für dieses Szenario spricht die vollständige Erhaltung aller Knochen“, erklärt Grabungsleiter Thomas Lechner.
Normalerweise sind die zu einem Individuum gehörigen Skelettelemente von Vögeln durch den Fluss über Entfernungen von vielen Metern verfrachtet worden. So auch die Flügel und Brustbeinknochen einer sehr kleinen Entenart, Mioquerquedula, welche über eine Distanz von zehn Metern im Zuge der Grabung aufgefunden wurden. Mioquerquedula ist ein wahrer Zwerg, kleiner als die kleinsten heute lebenden Zwergenten. Sie besaß eine Körperlänge von etwa 25 Zentimetern und wog vermutlich nur 300 Gramm. Heutige Zwergenten wie die Hottentottenente (Spatula hottentota) oder die Afrikanische Zwergente (Nettapus auritus) leben ausschließlich in den tropischen Gebieten Afrikas.
„Die jüngsten Funde unterstreichen erneut die weltweite Bedeutung der Tongrube Hammerschmiede für die Erforschung der Tierwelt in der Zeit vor elf bis zwölf Millionen Jahren“, sagte Professorin Böhme: „Bislang konnten wir an diesem Ort mehr als 140 verschiedene Wirbeltierarten finden, darunter auch den ersten aufrecht gehenden Menschenaffen Danuvius guggenmosi.“ Unter Leitung von Professorin Madelaine Böhme finden die Ausgrabungen in der Hammerschmiede seit 2011 statt. Seit 2020 werden sie vom Freistaat Bayern finanziell unterstützt.
Originalpublikation:
Gerald Mayr, Thomas Lechner, Madelaine Böhme: Nearly complete leg of an unusual, shelduck-sized anseriform bird from the earliest late Miocene hominid locality Hammerschmiede (Germany). Historical Biology, https://doi.org/10.1080/08912963.2022.2045285

10.03.2022, Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft
Der künstlichen Nashorn-Eizelle ein Stück näher
Um das Aussterben der nördlichen Breitmaulnashörner noch zu verhindern, will das internationale Konsortium BioRescue unter anderem Eizellen der Tiere aus Stammzellen erschaffen. Diesem Ziel ist ein Team um Sebastian Diecke vom MDC und Micha Drukker von der Universität Leiden nun nähergekommen, berichten sie in „Scientific Reports“.
Fatu und Najin sind die beiden letzten nördlichen Breitmaulnashörner auf der Welt, eine natürliche Fortpflanzung ist damit unmöglich und ein Aussterben quasi nicht mehr zu verhindern. Doch das internationale BioRescue-Konsortium arbeitet unter Hochdruck daran, dass die Unterart des Breitmaulnashorns nicht gänzlich von der Erdoberfläche verschwindet. Die Forscherinnen und Forscher verfolgen dabei zwei Strategien: Sie entwickeln zum einen fortgeschrittene Methoden der assistierten Reproduktion. Zum anderen wollen sie im Labor aus Hautzellen des nördlichen Breitmaulnashorns induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) und schließlich Eizellen erzeugen. Dabei ist das Team des Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) gemeinsam mit Partnern in München, den Niederlanden und Japan nun einen großen Schritt vorangekommen. Im Fachjournal „Scientific Reports“ beschreiben sie, dass sie pluripotente Nashornstammzellen gewonnen und eingehend untersucht haben. „Unsere nun veröffentlichte Arbeit trägt zum Verständnis der Pluripotenz bei – also zur Fähigkeit vom Stammzellen, in alle Körperzellen zu differenzieren“, sagt Erstautorin Dr. Vera Zywitza von der Technologieplattform „Pluripotente Stammzellen“ unter der Leitung von Dr. Sebastian Diecke am MDC. „Damit markiert sie einen bedeutenden Meilenstein auf dem Weg zur künstlich erzeugten Nashorn-Eizelle.“
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das BioRescue-Projekt mit vier Millionen Euro. Neben dem federführenden Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) ist in Deutschland das MDC daran beteiligt, und das Helmholtz Zentrum München ist ein Kooperationspartner von BioRescue.
Hohe Zellingenieurskunst
iPS-Zellen können in der Kulturschale alle Zellen des Körpers hervorbringen. Bei dem Vorhaben, daraus Keimzellen zu machen, arbeiten die Forscher*innen eng mit dem Labor des japanischen Stammzellforschers Professor Katsuhiko Hayashi von der Kyushu-Universität zusammen. Hayashi ist es 2016 gelungen, aus der Haut von Mäusen Eizellen zu generieren, diese künstlich zu befruchten und weiblichen Mäusen einzupflanzen. Die mit dieser Methode gezeugten Mäuse waren gesund und fruchtbar.
Die Herstellung der iPS-Zellen gelang dem Stammzellforscher Professor Micha Drukker und seinem Team vom Helmholtz Zentrum München sowie vom Leiden Academic Centre for Drug Research der Universität Leiden mit der Methode der episomalen Reprogrammierung. Dafür hat der Forscher fremde DNA-Moleküle in die Hautzellen eingeschleust, sogenannte Plasmide. Sie enthalten Gene, die die Hautzellen zu iPS-Zellen reprogrammieren. Die so erzeugten Nashornstammzellen sind humanen iPS-Zellen erstaunlich ähnlich. „Unter dem Mikroskop sind sie kaum von menschlichen iPS-Zellen zu unterscheiden,“ sagt Micha Drukker. „Außerdem reagieren sie sehr ähnlich auf äußere Einflüsse.“
Vielversprechender Ausgangspunkt, um Keimbahnzellen zu kultivieren
Es gibt verschiedene Zustände von iPS-Zellen. Sie können naïv – in einem sehr ursprünglichen Zustand – oder geprimed vorliegen. Von letzterem nimmt man an, dass er in der Embryonalentwicklung etwas weiter vorangeschritten ist. Aus Versuchen mit Stammzellen von Mäusen ist bekannt, dass sie Keimbahnzellen besonders gut beim Übergang von geprimed zu naïv hervorbringen. Beim Versuch, die Nashornzellen in den naïven Zustand zu versetzen, starben diese jedoch zunächst ab. Deshalb führten die Forschenden ein Gen in die Nashornzellen ein, das den Zelltod verhindert. Mit Erfolg: Sie erhielten naïve iPS-Zellen. „Wir haben die Zellen ausführlich unter anderem durch Analyse von Transkriptomdaten charakterisiert“, erklärt Vera Zywitza. „Die erfolgreiche Konvertierung in den naïven Zustand der Pluripotenz ist ein vielversprechender Ausgangspunkt, um Keimbahnzellen zu generieren.“
Dennoch machten Vera Zywitza und ihre Kolleg*innen an dieser Stelle vorerst nicht weiter. „Die iPS-Zellen enthalten dauerhaft fremdes genetisches Material, nämlich die Reprogrammierungsfaktoren und das Gen gegen den Zelltod. Daraus können wir keine Keimzellen machen, da das Risiko besteht, dass diese krankhaft verändert wären“, erklärt Vera Zywitza. Trotzdem sind diese Zellen ein sehr gutes Werkzeug, um die Stammzellen des Nashorns an sich zu erforschen und ihre verschiedenen Zustände besser zu verstehen. Mit ihrer Hilfe können Wissenschaftler*innen die molekularen Mechanismen erforschen, die in Stammzellen ablaufen. „Wir können zum Beispiel untersuchen, warum die Tragzeit beim Nashorn 16 Monate beträgt und bei der Maus nur 21 Tage“, erläutert die Wissenschaftlerin. „Oder wie sich die Organe in den unterschiedlichen Spezies entwickeln. Wir können damit wirklich viel über die Evolution lernen.“
Auch Eierstockgewebe wird benötigt
Mittlerweile hat die Arbeitsgruppe von Sebastian Diecke weitere iPS-Zellen erzeugt. Dabei haben die Wissenschaftler*innen die Reprogrammierungsfaktoren nicht mithilfe von Plasmiden eingeschleust, sondern mithilfe von RNA-Viren. Diese neuen iPS-Zellen enthalten nichts mehr, was nicht hineingehört. Nun versuchen die Wissenschaftler*innen, daraus Vorläuferzellen von Eizellen herzustellen.
Und nicht nur das: Vorläuferzellen reifen nur zu Eizellen heran, wenn sie von Eierstockgewebe umgeben sind. Es ist nahezu unmöglich, dieses Material aus lebenden oder verstorbenen Nashörnern zu erhalten. „Wir müssen also sowohl Vorläuferzellen kreieren als auch Eierstockgewebe“, fasst Vera Zywitza zusammen. Auch dabei stehen die Berliner Wissenschaftler*innen mit Katsuhiko Hayashi in engem Austausch. Er hat im vergangenen Jahr erfolgreich Eierstockgewebe aus Stammzellen von Mäusen kultiviert.
Bislang 14 Embryonen durch assistierte Reproduktion
Derweil gibt es ebenfalls Fortschritte in der assistierten Reproduktion: Zuletzt hatten Wissenschaftler*innen des Leibniz-IZW in Zusammenarbeit mit dem Kenya Wildlife Service, dem Wildlife Research and Training Institute, dem Safari Park Dvůr Králové und der Ol Pejeta Conservany im Januar 2022 Eizellen von Fatu entnommen. Im Avantea-Labor in Italien wurden sie zur Reifung gebracht und mit dem aufgetauten Sperma eines bereits verstorbenen Bullen befruchtet. Insgesamt 14 Embryonen des nördlichen Breitmaulnashorns gibt es jetzt. Sie schlummern bei minus 196 Grad in flüssigem Stickstoff. In naher Zukunft werden die Wissenschaftler*innen sie Leihmüttern des südlichen Breitmaulnashorns einpflanzen, in der Hoffnung, dass ein gesundes Kalb auf die Welt kommt.
14 Embryonen – das ist ein großer Erfolg der Reproduktionsbiologie. Es ist jedoch nicht viel, wenn daraus eine sich selbsterhaltende Anzahl von Tieren werden soll. „Najin und Fatu sind zudem eng miteinander verwandt und ihre Erbanlagen teilweise identisch“, sagt BioRescue-Projektleiter Professor Thomas Hildebrandt vom Leibniz-IZW. „Von Najin konnten wir aufgrund ihres Alters und Beeinträchtigungen im Reproduktionstrakt keine Eizellen gewinnen, aus denen erfolgreich Embryonen erzeugt werden konnten – alle 14 Embryonen stammen von Fatu. Wir brauchen daher dringend eine komplementäre Strategie, um von deutlich mehr Individuen Gameten – also Eizellen und Spermien – zu erzeugen.“
Arten erhalten, bevor es zu spät ist
„Funktionsfähige Eizellen des nördlichen Breitmaulnashorns – das wäre die Krönung unserer Forschungsarbeit“, sagt Sebastian Diecke. Sie könnte Vorbildcharakter für andere bedrohte Tierarten haben: Gelingt die Fortpflanzung aus Stammzellen, könnten auf diese Weise weitaus mehr bedrohte oder vom Menschen bereits ausgerottete Arten wiederbelebt werden. Im Frozen Zoo – dem „Gefrorenen Zoo“ – am Beckman Center for Conservation Research in San Diego und in der Biobank des Instituts für Wildtierforschung in Berlin lagern über 10.000 tiefgefrorene Zellkulturen von mehr als 1.000 bedrohten Arten. „Diese Ressource könnte man verwenden“, sagt Sebastian Diecke. Das nördliche Breitmaulnashorn wäre dann nur der Anfang – „auch wenn es mir am besten gefallen würde, wenn unser Ansatz nie verwendet werden müsste und mehr für die Arterhaltung getan wird, bevor es zu spät ist.“
Für Vera Zywitza steht derweil fest: Sollte irgendwann ein nördliches Breitmaulnashorn dank Stammzelltechnologien geboren werden, würde sie es gerne kennenlernen.
Originalpublikation:
Vera Zywitza et al (2022): Naïve like pluripotency to pave the way for saving the northern white rhinoceros from extinction, in: Scientific Reports, DOI: 10.1038/s41598-022-07059-w

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