Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

08.02.2021, Deutsche Wildtier Stiftung
Otter sucht Frau
Deutsche Wildtier Stiftung: Paar-Shit statt Parship – das Tier des Jahres ist auf Partnersuche
Rote Rosen, süße Küsse und jede Menge Herzchen überall: Der Valentinstag ist kein Tag für einsame Herzen. Singlebörsen boomen, denn sie versprechen den Rund-um-glücklich-Service bei der Partnersuche. Doch wie „daten“ Fischotter (Lutra lutra)? Für das Tier des Jahres 2021 geht es bei der Suche immer der Nase nach. Stimmt der Duft, dann klappt es auch mit dem Nachwuchs. Beim Kennenlernen muss der Partner den Schnuppertest bestehen. Dabei ist der Kot die Visitenkarte, mit der Fischotter sich vorstellen. Beim Dating zählt also Paar-Shit statt Parship!
Fischotter können sich das ganze Jahr über fortpflanzen, aber Februar/März sind die besten Hochzeitsmonate. Das „Timing“ ist ideal für den Otternachwuchs, denn er kommt nach 61 bis 63 Tagen auf die Welt, wenn es wärmer ist und die Gewässer mehr Nahrung bieten. Aber wie findet ein Fischotter seine Angebetete? Kommunikation ist unter Ottern extrem wichtig. Das Markieren der Reviere mit der Losung ist ein effektives Kommunikationsmittel. Wie in einer Lokalzeitung erfahren sie aus dem Duft der Hinterlassenschaften der anderen Fischotter, wie es auf dem Heiratsmarkt aussieht. Kot der Konkurrenz sagt dem Otter, wer sich sonst noch so im Revier herumtreibt. Kennt man sich oder ist etwa ein Neuer im Revier? Ist die Otter-Nachbarin aus dem letzten Jahr paarungsbereit oder gibt es andere potenzielle Partner? In der Losung steht die Antwort.
Die scheuen Einzelgänger sind außerhalb der Paarung als Single unterwegs. Dating mit Niveau? Enger Körperkontakt ist für sie erst mal ungewohnt. Man nähert sich beim Balgen, Raufen und Necken. Dabei kann man sich ausgiebig beschnuppern und eruiert, ob eine Paarung angesagt ist oder die Suche weitergeht. „Eine Beziehung auf Dauer wollen Fischotter nicht“, sagt Eva Goris, Pressesprecherin der Deutschen Wildtier Stiftung. Otter leben polygyn. Das bedeutet: Ein Männchen paart sich mit mehreren Weibchen. Die Aufzucht der Jungen bleibt dem Weibchen überlassen. „Geht es aber um den Nachwuchs und damit um die Weitergabe der Gene, ist das Weibchen wählerisch“, sagt Goris. In der Studie Lutra alpina (Österreich) wurde ein Männchen besendert, das 400 Höhenmeter überwunden hat, um zwei Weibchen aufzusuchen. Doch seine Zuneigung wurde nicht erwidert: „Immer, wenn er dort war, haben sich die Weibchen zurückgezogen.“
Kommt es zur Paarung, bleiben Otter nur einige Tage zusammen. Dann sucht das Männchen wieder das Weite, während sich das Weibchen ein sicheres Versteck im Uferschilf sucht, um nach gut zwei Monaten zwei bis drei kleine Otter zu gebären. Die Jungen wiegen mit 100 Gramm gerade mal so viel wie eine Tafel Schokolade. Sie sind nach der Geburt blind und taub – aber riechen können sie bereits hervorragend!

09.02.2021, Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen
Auf den Bahamas lebte eine ausgestorbene Art, die mit den Galapagos-Schildkröten nahe verwandt war
Senckenberg-Wissenschaftler Christian Kehlmaier und Uwe Fritz haben mit einem internationalen Team zehn nahezu vollständige mitochondriale Genome der ausgerotteten Riesenschildkröte Chelonoidis alburyorum von den Bahamas sequenziert und mit anderen Landschildkröten verglichen. Sie zeigen in ihrer heute im Fachjournal „Scientific Reports“ erschienenen Studie, dass die Bahamas-Schildkröte eng mit der Galapagos-Riesenschildkröte verwandt war und dass es nur eine Schildkrötenart pro Inselgruppe gab. Die 15 morphologisch sehr unterschiedlichen Riesenschildkröten der Galapagos-Inseln gehören demnach alle zur selben Art – anders als bislang gedacht.
Riesenschildkröten – bis zu 400 Kilo schwere Tiere, deren Panzer Längen von mehr als einem Meter erreichen können – sind heute ausschließlich auf den ostpazifischen Galapagos-Inseln und dem Aldabra-Atoll im Indischen Ozean verbreitet. Sie gelten als eine der Tiergruppen, die Charles Darwin zu seiner weltbekannten Evolutionstheorie angeregt haben. „Früher waren Riesenschildkröten wesentlich weiter verbreitet“, erklärt Prof. Dr. Uwe Fritz von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden und fährt fort: „Vor rund 200 Jahren kamen sie noch auf den Maskarenen östlich von Madagaskar vor und bis vor wenigen tausend Jahren auf vielen anderen Inseln, beispielsweise auf den Fidschi-Inseln, den Bahamas, Kuba, Madagaskar, Sizilien oder den Kanarischen Inseln.“
Heute findet man dort von den imposanten Landwirbeltieren nur noch Überreste. Die Arten wurden überall kurz nach der Ankunft des Menschen ausgerottet. Fritz und sein Team haben mehrere zwischen 700 und 2.700 Jahre alte Funde von sieben Bahamas-Inseln untersucht. „Uns ist es gelungen von sechs dieser Inseln zehn fast vollständige mitochondriale Schildkröten-Genome zu sequenzieren. Unsere Analysen zeigen, dass die Bahamas erst vor etwa 1,5 Millionen Jahren von den Riesenschildkröten besiedelt wurden. Es gab auf den einzelnen Inseln der Bahamas morphologisch sehr unterschiedliche Schildkröten-Typen. Genetisch gehörten die schon vor der Ankunft der ersten Europäer ausgerotteten Riesenschildkröten aber nur zu einer Art“, fasst der Dresdner Biologe die Ergebnisse zusammen.
Auch die sehr unterschiedlichen Panzerformen der Galapagos-Riesenschildkröten müssen laut der Studie erst kurz nach der Besiedlung der Inselgruppe entstanden sein, welche nach den Befunden des internationalen Teams vor etwa zwei Millionen Jahren stattfand. Fritz fasst zusammen: „Dies widerspricht der derzeit vorherrschenden Lehrmeinung, dass die Galapagos-Riesenschildkröten zu etwa 15 verschiedenen Arten gehören. Alle Galapagos-Schildkröten müssen nach unseren Ergebnissen zu einer Art zusammengefasst werden!“
Originalpublikation:
Christian Kehlmaier, Nancy A. Albury, David W. Steadman, Eva Graciá, Richard Franz &
Uwe Fritz (2021): Ancient mitogenomics elucidates diversity of extinct West Indian tortoises. Scientific Reports. https://doi.org/10.1038/s41598-021-82299-w

10.02.2021, Universität Zürich
In grösseren Gruppen leben Giraffenweibchen länger
Weibliche Giraffen, die sich mit anderen Weibchen zu grösseren Gruppen zusammenschliessen, leben länger als weniger gesellige Individuen. Geselligkeit beeinflusst das Überleben der Tiere stärker als der Lebensraum oder die Nähe zu Siedlungen, wie eine Studie der Universität Zürich an Giraffen in Tansania zeigt.
Wie wirken sich das soziale Verhalten, die natürliche Umgebung und der Mensch als möglicher Störfaktor auf das Überleben von Giraffen aus? Diese Frage untersuchte ein Team von Biologinnen und Biologen unter der Leitung von Monica Bond, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich (UZH), während fünf Jahren an Giraffen in Tansania. Das Resultat: Erwachsene Giraffenweibchen, die in grösseren Gruppen leben, überleben länger als sozial isolierte Weibchen.
Geselligkeit führt zu längerem Leben
Im Verlauf eines Tages schliessen sich Giraffen immer wieder zu wechselnden Gruppen zusammen. Erwachsene Weibchen halten allerdings spezifische Freundschaften über längere Zeit aufrecht. «Das Zusammenleben mit einer grösseren Anzahl Weibchen geht einher mit einer erhöhten Überlebensrate von weiblichen Giraffen, selbst wenn sie ihre Gruppen häufig wechseln», sagt Bond. «Dabei ist die Geselligkeit der Tiere wichtiger als Umweltfaktoren wie die Vegetation oder die Nähe zu menschlichen Siedlungen.»
Bessere Futterquellen und weniger Belästigungen
Abgesehen von der Wilderei sind Krankheiten, Stress oder Unterernährung die Hauptursachen für die Sterblichkeit erwachsener Giraffenweibchen. «Soziale Beziehungen können die Effizienz der Nahrungssuche verbessern und helfen, die Konkurrenz mit Artgenossen, drohende Gefahr durch Raubtiere, Krankheitsrisiken und psychosozialen Stress zu bewältigen», erklärt UZH-Professorin Barbara König, Letztautorin der Studie.
Vermutlich schliessen sich Giraffenweibchen mit einer möglichst optimalen Anzahl anderer Weibchen zusammen, um untereinander Informationen über die besten Futterquellen auszutauschen. Andere Vorteile des Gruppenlebens können sein, dass die Weibchen weniger durch paarungsbereite Männchen belästigt werden, dass sie ihre Jungen gemeinsam betreuen, oder dass schon die Anwesenheit vertrauter Weibchen Stress vermindert. Die Studie zeigt auch, dass Giraffenweibchen, die näher bei Städten leben, eine etwas geringere Überlebensrate haben, möglicherweise aufgrund von Wilderei durch Stadtbewohner.
Ähnliche soziale Gewohnheiten wie Menschen und Primaten
Das Team dokumentierte das Sozialverhalten der wild lebenden Giraffen mit Hilfe von Algorithmen zur Analyse von Netzwerken – vergleichbar mit solchen, die von Social Media-Plattformen verwendet werden. Gemäss den Ergebnissen sind die sozialen Gewohnheiten der Giraffen erstaunlich ähnlich wie jene von Menschen und anderen Primaten, bei denen eine grössere soziale Vernetzung ebenfalls mehr Möglichkeiten bietet.
So leben etwa Schimpansen und Gorillas in Gemeinschaften, in denen soziale Bindungen mit vielen Individuen flexiblere Nahrungssuchstrategien ermöglichen. «Giraffenweibchen scheinen einen Vorteil davon zu haben, sich mit mehreren anderen Weibchen zu vernetzen und entwickeln somit ein Gespür für eine grössere Gemeinschaft, nicht aber für eine einzelne Kleingruppe», sagt Monica Bond.
Studie einer Giraffenpopulation in Tansania
In den letzten zehn Jahren hat das Forschungsteam um Monika Bond die bisher grösste Studie einer Giraffenpopulation durchgeführt. Das riesige Untersuchungsgebiet in der Tarangire-Region im afrikanischen Tansania erstreckt sich über mehr als 1000 Quadratkilometer und umfasst mehrere soziale Gemeinschaften, die jeweils etwa 60 bis 90 erwachsene Giraffenweibchen umfassen. Dies ermöglichte den Forschenden, individuelle und gemeinschaftliche Einflüsse auf das Überleben der Tiere zu entkoppeln. Einzigartig ist zudem, dass die Studie die Analyse sozialer Netzwerke und die Modellierung von grundlegenden Lebensdaten an Hunderten von Individuen kombiniert.
Originalpublikation:
M. L. Bond, D. E. Lee, D. R. Farine, A. Ozgul, and B. König. Sociability increases survival of adult female giraffes. 10 February 2021. Proceeding of the Royal Society B. DOI: 10.1098/rspb.2020.2770

11.02.2021, Deutsche Wildtier Stiftung
Wie Wildtiere im Schnee überleben
Deutsche Wildtier Stiftung: Frischlinge kuscheln, Hummelköniginnen schlummern, Frosch & Kröte sind erstarrt
Dass Schnee nicht gleich Schnee ist, wissen vor allem die Inuit. Pulverschnee heißt bei ihnen „tlapa“, verkrusteter Schnee „Tlacringit“ und nasser Schnee „Tlayinq“. Die Nunavik-Inuit in Kanada haben 53 Wörter für die unterschiedlichsten Formen von Schnee. Für sie ist das Wissen rund um Schnee eine Überlebensfrage. Auch für Wildtiere ist es eine Frage von Leben und Tod, ob Pulverschnee oder große nasse Flocken vom Himmel fallen. Während Pulverschnee wie eine weiche Daunendecke den Körper wärmt, legen sich nasse Flocken wie ein Leichentuch auf die Tiere. Ist das Fell erst durchnässt, naht der Kältetod. Kränkliche oder untergewichtige Wildtiere haben kaum eine Überlebenschance. Doch Wildtiere haben zahlreiche Strategien entwickelt, um gut über den Winter zu kommen.
Mit dem Wintereinbruch beginnt für Wildtiere eine schwere Zeit. Unter einer dichten Schnee- und Eisdecke ist die ohnehin karge Nahrung unerreichbar geworden. Ist der Schnee gar verharscht, finden sie kaum noch etwas zu fressen. Pflanzenfresser wie Rehe und Rothirsche fahren deshalb den Stoffwechsel herunter. Der Pansen der Wiederkäuer fasst jetzt 60 Prozent weniger Nahrung als im Herbst. Gräser, Kräuter, Eicheln und Kastanien sind kaum zu finden; da ist ein verkleinertes Verdauungssystem die perfekte Lösung. Die Tiere verharren regungslos in der Landschaft und leben von ihren Energiereserven. „Bei hoher Schneelage vermeiden Rehe und Rothirsche erst recht jede unnötige Bewegung“, erläutert Dr. Andreas Kinser, Jagd- und Forstexperte der Deutschen Wildtier Stiftung. Wer sich nicht bewegt, verbraucht weniger Kalorien. „Jede Flucht bedeutet einen unvorhergesehenen Kalorienverbrauch, der über die Nahrung im Winter nicht wieder voll ausgeglichen werden kann.“
Bei Familie Wildschwein schützt Kuscheln vor Kälte. Die Frischlinge liegen jetzt dicht gedrängt im sogenannten Wurfkessel. Die Winzlinge wiegen nur wenige hundert Gramm und ihre Unterwolle ist noch nicht hinreichend ausgebildet. Im Wurfkessel profitieren sie von der Körperwärme der Geschwister. Jedes Aufscheuchen kann mit einer tödlichen Unterkühlung enden. Daher achtet die Bache – das weibliche Wildschwein – darauf, dass niemand ihrem Nachwuchs zu nahe kommt.
Andere Wildtiere wie beispielsweise Feldhasen und Singschwäne lassen sich ganz bewusst vom wärmenden Pulverschnee „zudecken“. Wie die Menschen am Polarkreis leben sie mit dem Schnee und nutzen die Vorteile der weißen Pracht. Schnee-Regen und dicke Flocken hingegen machen ihnen das Überleben schwer.
Es gibt auch „Winter-Genießer“ unter den Wildtieren: Das Tier des Jahres – der Fischotter – ist mit seinem dichten Fell aus über hundert Millionen Haaren perfekt an die Kälte angepasst. Auch den Fuchs interessiert das Winterwetter wenig. Kopfüber springt er auf Mäusejagd in den Schnee und zieht so manche fette Maus hervor, die er dank seines feinen Gehörs aufgespürt hat. Solange er unter der Schneedecke Mäuse finden kann, ist für ihn die Winter-Wunderwelt absolut in Ordnung.
Während die meisten Säugetiere einen Gang herunterschalten und ihren Alltag etwas entspannter angehen, läuft die Spitzmaus im Winter erst zur Hochform auf. Unter der Schneedecke ist der Insektenfresser äußerst aktiv. Fette Käfer und andere Insekten liegen nahezu bewegungsunfähig im Boden und sind leichte Beute für das flinke Mäuschen.
Junge Hummelköniginnen schlafen übrigens unter dichten Moospolstern in der Erde. Ein selbst produziertes „Frostschutzmittel“ schützt sie vor grimmiger Kälte bis zu minus 19° Celsius. „Zudem haben sich auch die Königinnen für den Winter Fettreserven angelegt und ihre körpereigene Honigblase gefüllt“, sagt Manuel Pützstück, Insektenexperte bei der Deutschen Wildtier Stiftung. „Ihr Inhalt ist der Sprit für den Start des ersten Flugs im ausgehenden Winter.“
Amphibien verharren bei eisigen Temperaturen in einer Kältestarre. „Sie müssen möglichst an frostfreien Orten überwintern: Kröten in Komposthaufen, Teichfrösche in Teichen, die mindesten 4 Meter tief sind. Sonst überleben sie den Frost nicht“, sagt Pützstück. Fische fahren ihre Aktivität im Winter herunter und machen sich die Anomalie des Wassers zunutze. Wasser hat bei 4° Celsius seine höchste Dichte und ist dann am schwersten. Die unteren Bereiche eines Sees sind also immer 4° Celsius warm, zumindest wenn der See eine gewisse Tiefe hat (< 1m). In diese Bereiche ziehen sich die Fische zum Überwintern zurück.

11.02.2021, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Den inneren Feind besiegen: Wie die Evolution Klon-Fischen mit ihrer genetischen Bürde hilft
Klonale Wirbeltiere vermehren sich nicht sexuell. Wissenschaftlichen Theorien zufolge sind sie eigentlich anderen Arten unterlegen. Der Amazonenkärpfling – ein besonders erfolgreicher natürlicher Klon – beweist das Gegenteil. Ein Forschungsteam unter Leitung des Biozentrums der Universität Würzburg mit dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) hat gezeigt, dass dieser kleine Fisch über hunderttausend Jahre hinweg einen Weg gefunden hat, mit den Herausforderungen seiner Herkunft und Fortpflanzung umzugehen.
Im Zuge der evolutionären Anpassung bilden sich Merkmale heraus, die für das Überleben oder den Fortpflanzungserfolg einer Art eher vorteilhaft oder nachteilig sind. Das geschieht durch natürliche Mutation und anschließende Selektion. Damit ein neues Merkmal weitervererbt werden kann, muss es eine genetische Basis besitzen. Hier ist die sexuelle Fortpflanzung im Vorteil, denn die Nachkommen tragen zu gleichen Teilen die Erbinformation von Vater und Mutter, die immer neue Kombinationen ermöglichen. Es gibt deshalb nur sehr wenige Wirbeltierarten, die sich klonal vermehren, also über Jungfernzeugung. Hierbei sind die Nachkommen genetische Kopien der Mutter – Väter gibt es nicht.
Klonale Wirbeltiere sind ursprünglich meist aus zwei nah verwandten Arten entstanden, sie sind also Hybride. Eine dieser Arten ist der Amazonenkärpfling, benannt nach dem weiblichen Kriegerstamm der Amazonen aus der griechischen Mythologie. „Der Amazonenkärpfling ist wahrscheinlich auf ein einziges Tier zurückzuführen, die „Prima Eva“, die aus der Verpaarung eines weiblichen Atlantikkärpflings mit einem männlichen Breitflossenkärpfling entstanden ist“, berichtet IGB-Forscher Dr. David Bierbach. Amazonenkärpflinge existieren schon seit mehr als hunderttausend Jahren, obwohl sie gemäß wissenschaftlicher Theorien eigentlich ausgestorben sein müssten.
Klonale Hybride haben es eigentlich dreifach schwer zu überleben:
Klonale Hybride haben das Problem, dass sie zwei verschiedene Genome in sich tragen – eines von der Muttertier-Art und eines von der Vatertier-Art. Diese sind so unterschiedlich, dass sie miteinander konkurrieren oder sich sogar behindern.
Zwei weitere Aspekte sprechen dagegen, dass Arten, die sich klonal vermehren, dauerhaft existieren können: In jedem Erbgut treten irgendwann Fehler auf. Bei Lebewesen, deren Nachkommen reine Klone sind, müssten sich diese Fehler über die Generationen hinweg akkumulieren, bis es irgendwann keine gesunden Individuen mehr gibt.
Außerdem können sich diese Arten wegen der fehlenden Neukombination ihres Erbguts in der Regel nicht so schnell an veränderte Umweltbedingungen anpassen wie ihre Konkurrenten, die sich auf geschlechtliche Weise fortpflanzen. Im Laufe der Evolution, bei der das Prinzip „survival of the fittest“ (Überleben der Geeignetsten) gilt, sollten sie deshalb innerhalb weniger Generationen den Kürzeren ziehen.
Diese Studie zeigt, dass die Amazonenkärpflinge im Laufe ihrer hunderttausend-jährigen Evolution Wege gefunden haben, mit der „Bürde“ ihrer Hybrid-Herkunft umzugehen und sogar Anpassungen an den Lebensraum zu entwickeln.
„Wir haben bereits in einer anderen Studie im Genom des Amazonenkärpflings wenige Anzeichen einer genetischen Degeneration gefunden, sondern vielmehr eine einzigartige genetische Variabilität und deutliche Beweise für eine fortlaufende Evolution. Nun konnten wir auch zeigen, dass diese Fische Mechanismen entwickelt haben, die beiden Genome erfolgreich zu regulieren“, sagt Professor Manfred Schartl von der Universität Würzburg.
Ausnahmeerscheinung Amazonenkärpfling:
Das Team untersuchte, welche Gene von den Tieren aus ihrer DNA abgelesen, also „genutzt“ werden. Die Forschenden konnten zeigen, dass beim Amazonenkärpfling nicht beide Genome ihrer Vorfahren gleich häufig abgelesen werden sondern in vielen Genombereichen entweder das eine oder das andere Genom genutzt wird. Diese Regulation verhindert, dass sich die beiden Genome gegenseitig stören.
Sie verglichen außerdem die Nutzung der Gene von zwei verschiedenen Klonlinien. Zur Erklärung: Unterschiedliche Klonlinien entstehen durch natürliche Mutationen. Sie zeigten, dass alle Individuen einer Klonlinie ungefähr die gleichen Gene nutzen – gleiche Genexpressionsmuster aufweisen. Diese Genexpressionsmuster unterschieden sich aber im Vergleich mit den Individuen der anderen Klonlinie.
Die Klonlinien unterscheiden sich also nicht nur genetisch leicht, diese Unterschiede sind auch funktioneller Natur und nicht zufällig. Diese Konstanz der Expressionsmuster innerhalb einer Linie ist möglicherweise der bei Klonen bisher als fehlend angesehene Mechanismus, sich an ihre jeweiligen Lebensräume anpassen zu können.
„Bei der erfolgreichen Anpassung helfen die beiden eigentlich konkurrierenden Genome vielleicht sogar – die Amazonenkärpflinge haben dadurch schließlich doppelt so viel Erbinformation zur Verfügung und die lange Evolution dieser Art hat dazu geführt, dass sie diese adaptiv steuern können“, interpretiert David Bierbach die Ergebnisse.
Die Forschenden möchten nun untersuchen, wie die Unterschiede in der Genexpression zwischen den Klonlinien deren Verhalten und andere Aspekte ihres Lebens beeinflussen.
Originalpublikation:
Yuan Lu, David Bierbach, Jenny Ormanns, Wesley C. Warren, Ronald B. Walter, Manfred Schartl. 2021. Fixation of allelic gene expression landscapes and expression bias pattern shape the transcriptome of the clonal Amazon molly. Genome Research 31:1–8
https://genome.cshlp.org/content/early/2021/02/05/gr.268870.120.abstract

(NABU)

12.02.2021, NABU
Vogel des Jahres: Von Schnabel bis Schwanzfeder auf Liebe eingestellt
Zum Valentinstag gibt der NABU Einblicke in die Flirtgewohnheiten der zehn Kandidaten für den Titel
Zwar ist noch Winter, aber viele Vögel haben in diesen Tagen schon Frühlingsgefühle und begeben sich auf die Partnersuche. Zum Valentinstag am 14. Februar gibt der NABU Einblicke ins Liebesleben der Kandidaten für den diesjährigen „Vogel des Jahres“.
Zwei der zehn Kandidaten mit Chancen auf den Titel – Blaumeise und Amsel – sind derzeit draußen schon zu hören. „Die zunehmende Tageslänge stimuliert die Hormone der Vögel und sie beginnen zu balzen. Die Gesänge markieren die Reviere und locken die Weibchen an“, erklärt NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann. Bei den Vögeln herrscht Damenwahl. Die Weibchen beurteilen die Qualitäten des potentiellen Brutpartners anhand von Gesang und der äußerer Erscheinung. Ein intaktes, brillantes Federkleid des Sängers deutet dabei auf körperliche Fitness hin. Bei einigen Arten kommt es dabei durchaus auf die Größe an: „Rauchschwalben-Damen achten ganz besonders auf die Länge der äußeren Schwanzfedern beim Männchen“, so Lachmann. Je länger, desto höher die Chancen beim Weibchen zu landen.
Nicht nur mancher Menschen-Mann will zum Valentinstag mit Geschenken punkten, auch einige Vögel versuchen das Herz der Angebeteten mit Präsenten zu gewinnen. Die Männchen der Eisvögel überreichen in einer festgelegten Zeremonie ihrer Auserwählten einen schmackhaften Happen, etwa einen kleinen Fisch.
Bei den Rotkehlchen haben Männchen und Weibchen den Winter über getrennte Reviere. Nur zur Brutzeit geben die Damen ihr Territorium auf, um zu einem Herrn ihrer Wahl zu ziehen. Der Kiebitz schwingt sich zu akrobatischen Balzflügen in die Luft, um seine Liebste zu beeindrucken, ebenso der Goldregenpfeifer. Bei der Stadttaube füttern sich die Partner gegenseitig mit Leckerbissen. Die Feldlerche beeindruckt das Weibchen nicht nur mit ihren Sangeskünsten, sie hüpft auf dem Boden herum und verbeugt sich regelrecht vor der Auserwählten.
Bei allem Aufwand für das Liebeswerben – nicht alle Vögel nehmen es mit der Treue so genau. „Meisterin im Fremdgehen ist die Blaumeise“, sagt Lachmann. „Das Weibchen stiehlt sich in den frühen Morgenstunden aus dem Nest zu einem Rendezvous mit ihrem Liebhaber, während ihr Partner noch schläft. Noch bevor der Ahnungslose aufwacht, ist sie wieder zurück.“ Auch das Weibchen des Haussperlings geht hin und wieder fremd. Vor lauter Eifersucht singt das betrogene Männchen dann lauter als sonst. „Das Klagelied soll den Rivalen abschrecken und die Liebste wieder zurückholen“, so Lachmann. Aber auch die Spatzenmännchen mögen Abwechslung: Je älter sie werden, umso häufiger suchen sie das Abenteuer außerhalb der Beziehung.
So unterschiedlich die Kandidaten in der Liebe sind – alle zehn können noch auf den Titel „Vogel des Jahres 2021“ hoffen. Die Abstimmung läuft noch bis zum 19. März unter www.vogeldesjahres.de. Für unentschlossene Wähler gibt es unter www.NABU.de/birdomat einen Bird-O-Mat. Er hilft dabei, den eigenen gefiederten Favoriten herauszufinden.
Abstimmen bei der Wahl des Vogel des Jahres 2021: www.vogeldesjahres.de
Mehr Details zum aktuellen Zwischenstand: https://www.nabu.de/news/2021/01/29301.html

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