Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

18.01.2021, Universität Konstanz
Was das Genom des Lungenfischs über die Landeroberung der Wirbeltiere verrät
Das vollständig sequenzierte Genom des Australischen Lungenfisches ist das größte sequenzierte Tiergenom und hilft, den Landgang der Wirbeltiere besser zu verstehen – Evolutionsbiologen der Universität Konstanz sind maßgeblich beteiligt
Mit Hilfe neuester DNS-Sequenziertechnologien konnte eine Gruppe von Laboren in Konstanz, Würzburg, Hamburg und Wien mit maßgeblicher Beteiligung des Evolutionsbiologen Prof. Dr. Axel Meyer von der Universität Konstanz das Genom des Australischen Lungenfischs vollständig sequenzieren. Das Genom mit einer Gesamtgröße von über 43 Milliarden DNS-Bausteinen ist fast 14-mal größer als das des Menschen und das größte Tiergenom, das bislang sequenziert wurde. Dessen Analyse gibt wertvolle Einblicke in die genetischen und entwicklungsbiologischen evolutionären Innovationen, die die Besiedlung des Landes durch Fische möglich machten. Die Befunde, die online im Wissenschaftsjournal Nature publiziert sind, erweitern das Verständnis für diesen entscheidenden evolutionären Fortschritt im Devon vor 420 Millionen Jahren.
Lungenfische sind die nächsten lebenden Fischverwandten des Menschen. Sie haben noch viel von einem Fisch, aber auch schon einige Eigenschaften von Landwirbeltieren wie den Menschen. Der vor 150 Jahren entdeckte Australische Lungenfisch (Neoceratodus forsteri) ist ein „lebendes Fossil“, das anderen bis vor 100 Millionen Jahren lebenden Lungenfischen (Ceratodus) täuschend ähnlich ist. Deren „fleischige“ Flossen haben eine anatomische Knochenanordnung, die schon erkennbar derjenigen in den menschlichen Gliedmaßen gleicht. Damit bewegen sich die Australischen Lungenfische schon wie ein Salamander. Wie ihr Name sagt, besitzen Lungenfische außerdem eine Lunge, mit der sie an der Wasseroberfläche Luft atmen müssen, um nicht zu ertrinken.
Lungenfische ähneln immer noch unseren Fischvorfahren, die das Wasser verließen
Lungenfische haben eine extrem lange Evolutionsgeschichte. Sie gehören zu den wenigen überlebenden „Fleischflossern“ (Sarcopterygii), von denen viele, die zu dem Zeitpunkt der „Eroberung des Lands“ vor zirka 420 Millionen Jahren lebten, längst ausgestorben sind. Aus einer dieser ausgestorbenen Linie von Fleischflossern gingen die Landwirbeltiere, die Tetrapoden – also alle Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere – hervor. Lungenfische ähneln immer noch den Fischen jener Zeit, die erfolgreich das Wasser verließen. Das macht das Studium ihres Genoms so wichtig. Allerdings haben Lungenfische Genome, die zu den größten aller Tiere zählen. Das Genom des Australischen Lungenfischs ist fast 14-mal größer als das des Menschen, was es bisher technisch unmöglich machte, es zu entziffern. Mit Hilfe neuester DNS-Sequenzierungstechnologien konnte nun die Forschungskooperation die vollständige Sequenzierung des Australischen Lungenfisch-Genoms vornehmen. Es ist das größte Tiergenom, das bislang sequenziert wurde.
Die vollständige Sequenzierung des Genoms des Australischen Lungenfischs mit einer Gesamtgröße von 43 Milliarden DNS-Nukleotiden ermöglicht nun, die evolutionäre Schlüsselposition der Lungenfische als nächste lebende Verwandte der Tetrapoden zu bestätigen. Das entschlüsselte Genom ermöglicht es außerdem, mit einem neuen und viel umfangreicheren Datensatz die frühere Hypothese zu bestätigen, dass der Lungenfisch näher mit den Landwirbeltieren verwandt ist als der Quastenflosser, der über 50 Jahre lang nach seiner Entdeckung im Jahr 1938 als der dem Menschen nächste noch lebender Fischverwandte angesehen wurde.
Die Besiedlung des Lands erfordert eine Reihe evolutionärer Innovationen
„Was lässt sich im Genom des Lungenfisches erkennen, das erklärt, wie diese Fische ans Land gehen konnten?“, formuliert Axel Meyer die übergeordnete Frage. In der Genomanalyse wurden genomische Präadaptionen gefunden – genetische Voranpassungen an die neuen, zuvor nicht vorhandenen Umweltbedingungen des Landlebens. Das große evolutionäre Ereignis der Besiedlung des Lands erforderte neben der Luftatmung durch die Erfindung der Lunge eine Reihe anderer evolutionärer Innovationen wie die Fähigkeiten, Duftstoffe in der Luft riechen zu können und sich auf dem Land fortzubewegen. Die Studie rekonstruiert, ausgehend von der Genomsequenzierung, die Landeroberung unter mehreren Aspekten wie etwa der Evolution der Gliedmaßen aus Flossen, der Luftatmung, des Geruchssinns sowie der Fortpflanzung. So konnte gezeigt werden, dass es im Menschen und Lungenfisch gleiche Gene gibt, die die Embryonalentwicklung der Lunge steuern. „Die Lunge von Lungenfischen ist entwicklungsgeschichtlich daher auf die gleiche Herkunft zurückzuführen wie die der Landwirbeltiere, einschließlich des Menschen“, so Axel Meyer.
Die Genfamilien, die dem Riechen in der Luft dienen, sind stark gewachsen, und die Entwicklung der Flossen ist schon in vielen Aspekten, etwa der Funktion der hox-c13- und sal1-Gene, vergleichbar mit der Embryologie der menschlichen Hände. Die Architektur der Finger in den Händen und auch von Elle und Speiche ist bereits in der Flosse des Lungenfischs angelegt, wofür dieselben Gene und dieselbe Genregulation wie bei den Menschen verantwortlich sind.
Die „Signatur“ des gemeinsamen evolutionären Ursprungs blieb erhalten
Trotz der immensen Größe des Genoms ist die Anordnung der Gene auf den Chromosomen evolutionär überraschend konservativ, was es ermöglicht, den Zustand des Urwirbeltier-Chromosomensatzes zu rekonstruieren. Trotz der einzigartigen Expansionsgeschichte des Lungenfisch-Genoms ist somit die genetische Organisation und Homologie, die „Signatur“ des gemeinsamen evolutionären Ursprungs, der Chromosomen erhalten geblieben.
Mehrere einzelne Chromosomen des Lungenfisches sind jeweils so groß wie das komplette menschliche Genom (mit 23 Chromosomen) in seiner Gesamtheit. Die enorme Größe des Lungenfisch-Genoms erklärt sich durch mobile DNS-Elemente verschiedener Klassen, deren Position im Genom veränderlich ist und die insgesamt 90 Prozent des gesamten genetischen Materials ausmachen. Insbesondere die hierzu zählenden sogenannten LINE-Elemente sind in zwei Wellen der evolutionären Geschichte der Lungenfische extrem häufig dupliziert worden. Auch in der Zusammensetzung dieser mobilen Elemente ähnelt der Lungenfisch schon mehr den Landwirbeltieren als den Fischen.
Für die Sequenzierung des Genoms der Lungenfische wird Axel Meyer gemeinsam mit Prof. Dr. Manfred Schartl von der Universität Würzburg und Prof. Dr. Torsten Burmester von der Universität Hamburg von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seit 2018 mit über 500.000 Euro gefördert.
Originalpublikation: Axel Meyer, Siegfried Schloissnig, Paolo Franchini, Kang Du, Joost Woltering, Iker Irisarri, Wai Yee Wong, Sergej Nowoshilow, Susanne Kneitz, Akane Kawaguchi, Andrej Fabrizius, Peiwen Xiong, Corentin Dechaud, Herman Spaink, Jean-Nicolas Volff, Oleg Simakov, Thorsten Burmester, Elly M. Tanaka, Manfred Schartl 2020. Giant Lungfish genome elucidates the conquest of land by vertebrates. Doi: 10.1038/s41586-021-03198-8

18.01.2021, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.
Hochrangige Männchen haben bei Hyänenweibchen bessere Chancen, weil sie weniger „gestresst“ sind als rangniedrige Tiere
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) haben herausgefunden, dass die Interaktion mit anderen Männchen für rangniedrige Tüpfelhyänenmännchen „stressiger“ ist als für hochrangige. Dies schränkt die Zeit und Energie ein, die rangniedrige Männchen in das Werben um die begehrtesten Weibchen investieren können und ist daher ein Schlüsselfaktor für ihren geringeren Fortpflanzungserfolg als der ihrer ranghohen Rivalen. Dieser Mechanismus scheint für die Anzahl und Qualität der Nachkommen wichtiger zu sein als körperliche Merkmale wie Attraktivität und Stärke.
Diese Erkenntnisse waren dank einer Kombination aus umfangreicher Feld- und Laborarbeit möglich – über 20 Jahre lang verfolgten die Forscher den Lebenslauf Hunderter von Hyänen im Ngorongoro-Krater im Norden Tansanias, beobachteten ihr Verhalten und maßen die Konzentration von Glukokortikoid-Stoffwechselprodukten in mehr als 400 Kotproben. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Functional Ecology“ veröffentlicht.
In den meisten Tiergesellschaften werden die Ressourcen nicht gleichmäßig unter den Mitgliedern einer Gruppe aufgeteilt. Diejenigen, die an der Spitze der sozialen Hierarchie stehen, haben bevorzugten Zugang zu Nahrung, zu Ruheplätzen und zu den begehrtesten Paarungspartnern. Da evolutionäre Prozesse diejenigen begünstigen, die sich am meisten fortpflanzen, investieren viele Tiere erhebliche Ressourcen, um einen hohen Rang zu erreichen und zu halten. Zudem ist der innergeschlechtliche Wettbewerb um den Zugang zu Partnern oft intensiv. „Wir wollten herausfinden, wie Männchen unterschiedlichen Ranges in ihrem Verhalten und ihrem Hormonhaushalt auf diese Konkurrenz reagieren und wie genau der soziale Rang den Fortpflanzungserfolg bei sozialen, in Gruppen lebenden Säugetieren beeinflusst“, sagt Dr. Oliver Höner, Leiter des Leibniz-IZW Ngorongoro-Hyänen-Projekts. „Eine oft angeführte Hypothese besagt, dass ranghöhere Männchen erfolgreicher bei der Paarung sind, weil sie durch ihren bevorzugten Zugang zu Ressourcen stärker und/oder attraktiver sind. Empirische Belege für diese Hypothese sind jedoch begrenzt.“ Eine andere Hypothese betont die soziale Dimension von Dominanzbeziehungen und besagt, dass rangbedingte Unterschiede in den physiologischen Kosten („Stress“) der Konkurrenzsituation unter den Männchen ihr Verhalten und letztlich ihren Fortpflanzungserfolg beeinflussen. „Diese Hypothese ist bislang nicht in Systemen getestet worden, in denen sich die Vorhersagen beider Hypothesen gleichzeitig und getrennt voneinander prüfen lassen“, erklärt Höner das Ziel der Untersuchung seines Teams.
Das Forschungsteam untersuchte das Zusammenspiel zwischen dem sozialen Rang der Männchen sowie den physiologischen Kosten und Investitionen der Männchen bei sozialen und sexuellen Aktivitäten. Sie maßen die fäkalen Glukokortikoid-Metaboliten-Konzentrationen (fGMC) als Biomarker für „Stress“ und glichen diese mit Langzeit-Verhaltensdaten von 319 männlichen Hyänen ab. „Wenn Männchen um Weibchen buhlten und mit männlichen Konkurrenten interagierten, hatten rangniedrige Männchen höhere fGMC-Werte als ranghohe Männchen“, sagt Erstautorin Eve Davidian. „Im Gegensatz dazu variierte der fGMC-Wert nicht mit dem sozialen Rang, wenn die Männchen allein waren oder wenn sie Weibchen umworben haben und keine Rivalen anwesend waren.“ Männchen mit niedrigem Rang neigten daher dazu, den offensichtlich stressigen Wettbewerb zu scheuen; sie verbrachten mehr Zeit allein und weniger Zeit mit sozialen und sexuellen Aktivitäten als die Männchen mit hohem Rang. Sie investierten auch weniger als hochrangige Männchen in das Werben um die begehrtesten Weibchen. Männchen, die wenig in das Umwerben von Weibchen investierten, wurden seltener als Väter ausgewählt und zeugten weniger Nachkommen.
Aber warum sind rangniedrige Männchen durch Interaktionen mit Rivalen stärker „gestresst“? Eve Davidian vermutet, dass der Grund damit zusammenhängt, dass die rangniedrigen Männchen oft Neuankömmlinge in der Gruppe sind. „Diesen Männchen fehlen Freunde, auf die sie sich verlassen und mit denen sie Zeit verbringen können, und sie haben auch keine Sündenböcke, auf die sie ihre Aggressionen umlenken können – ein Verhalten, das Tüpfelhyänen häufig zeigen und ihnen wahrscheinlich hilft, Frustration abzubauen und Stress zu bewältigen.“
Diese wissenschaftliche Untersuchung zeigt, dass intrasexuelle Konkurrenz rangbedingte Unterschiede in „Stress“, Verhalten und Fortpflanzungserfolg hervorrufen kann, selbst bei einer Spezies wie der Tüpfelhyäne, bei der Dominanzbeziehungen auf der Grundlage gewaltfreier sozialer Regeln etabliert werden. Bei Arten, in denen Männchen um die Vorherrschaft kämpfen, können die Kostennachteile des Wettbewerbs für rangniedrige Männchen sogar noch hemmender für ihr Verhalten sein. Dies könnte erklären, warum bei vielen dieser Arten rangniedrige Männchen überhaupt keine Weibchen umwerben oder „heimliche“ Taktiken anwenden, die den Wettbewerb mit Rivalen minimieren, etwa das Umwerben von Weibchen, wenn die ranghohen Männchen anderweitig beschäftigt sind.
Originalpublikation:
Davidian E, Wachter B, Heckmann I, Dehnhard M, Hofer H. Höner OP (2020): The interplay between social rank, physiological constraints and investment in courtship in male spotted hyenas. Functional Ecology. https://doi.org/10.1111/1365-2435.13733

18.01.2021, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.
Die ersten Löwen-Embryonen aus eingefrorenen Eizellen
Einem Team aus Wissenschaftler*innen des Berliner Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und der Universität Mailand, Italien, in Kooperation mit dem Givskud Zoo – Zootopia in Dänemark ist es gelungen, die ersten Embryonen von afrikanischen Löwen aus eingefrorenen (vitrifizierten) Eizellen zu produzieren.
Für die Vitrifizierung – eine spezielle Methode der Gefrierkonservierung – werden die Eizellen eines Tieres direkt nach dessen Kastration oder Tod entnommen und sofort bei -196°C in flüssigem Stickstoff eingefroren. Diese Technik ermöglicht es, Eizellen von genetisch wertvollen Tieren für unbegrenzte Zeit zu lagern, um Nachkommen mit Hilfe assistierter Reproduktionstechniken zu erzeugen. Ziel ist es, diese Methoden weiter zu verbessern und anzuwenden, um stark gefährdete Katzenarten wie den asiatischen Löwen vor dem Aussterben zu bewahren. Die aktuelle wissenschaftliche Arbeit über afrikanische Löwen als Modellart ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Die Ergebnisse sind in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Cryobiology“ veröffentlicht.
Löwen-Eizellen gelten aufgrund ihres hohen Fettgehalts als besonders empfindlich gegenüber Abkühlung, da lipidreiche Eizellen generell langsame Einfrierprozesse nicht gut überstehen. Durch die ultraschnelle Abkühlung in einer konzentrierten Lösung aus Gefrierschutzmitteln auf -196°C, genannt Vitrifikation, wurde in den hier durchgeführten Experimenten verhindert, dass sich während des Abkühlens in den Zellen Eiskristalle bildeten, die Zellbestandteile (Organelle) zerstören könnten. Wenn es funktioniert, dann sind derart eingefrorene Eizellen praktisch unbegrenzt haltbar, können mit höherer Überlebenswahrscheinlichkeit aufgetaut und anschließend zur Erzeugung von Nachkommen verwendet werden.
Für ihre Forschung entnahmen die Wissenschaftler*innen Eizellen von vier afrikanischen Löwinnen aus dem Givskud Zoo – Zootopia, nachdem die Tiere dort im Rahmen des Populationsmanagements eingeschläfert wurden. Die Hälfte der Eizellen (60) wurde sofort vor Ort vitrifiziert. Nach sechstägiger Lagerung in flüssigem Stickstoff wurden die Eizellen erwärmt und einer In-vitro-Reifung bei 39°C in einem Inkubator für insgesamt 32-34 Stunden unterzogen. Die andere Hälfte (59) wurde als Kontrollgruppe ohne vorherige Vitrifikation direkt zur Reifung im Reagenzglas (In-Vitro-Reifung) gebracht. Die reifen Eizellen beider Gruppen wurden mit tiefgefrorenen und dann aufgetauten Spermien von afrikanischen Löwen befruchtet. „Nach dem Wiederauftauen der vitrifizierten Eizellen konnten wir einen hohen Anteil an überlebenden und gereiften Eizellen feststellen. Fast die Hälfte der Eizellen war gereift, ein ähnlich hoher Anteil wie in der Kontrollgruppe“, sagt Jennifer Zahmel, Wissenschaftlerin in der Abteilung für Reproduktionsbiologie am Leibniz-IZW. Aus den vitrifizierten Eizellen entwickelten sich sieben Embryonen, in der Kontrollgruppe gelang dies für drei Embryonen. „Unseres Wissens nach wurden bisher noch nie In-vitro Embryos aus vitrifizierten Eizellen von afrikanischen Löwen oder einer anderen Wildkatzenart erzeugt. Dies ist das erste Mal“, sagt Martina Colombo von der Universität Mailand und Gastwissenschaftlerin am Leibniz-IZW.
In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit über Hauskatzen, die in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen der Universität Mailand und der Veterinärmedizinischen Universität Wien durchgeführt wurde, zeigten die Reproduktionsbiologinnen des Leibniz-IZW, dass die sofortige Vitrifikation von Katzen-Eizellen „vor Ort“ die beste Wahl ist, um mehr Keimzellen von guter Qualität und folglich auch mehr Embryonen nach einer Befruchtung im Reagenzglas zu erhalten. Diese Arbeit wurde ebenfalls in dem Fachjournal „Cryobiology“ publiziert. Die Vor-Ort-Vitrifikation ist besonders nützlich, wenn Proben von Wildtieren in Zoos entnommen werden und in ein geeignetes Labor transportiert werden sollen. „Der Transport von frischen Eizellen und Eierstockgewebe über Landesgrenzen hinweg ist oft komplex und zeitkritisch. Die Vor-Ort-Vitrifikation von Eizellen ermöglicht stattdessen einen planbaren und sicheren Transport. Die Eizellen können zu einem späteren Zeitpunkt befruchtet werden, sobald sie in ein geeignetes Labor transportiert wurden und Spermien eines Männchens zur Verfügung stehen“, erklärt Zahmel.
Die aktuelle Veröffentlichung zeigt, wie Eizellen von afrikanischen Löwen für die Bewahrung genetischer Ressourcen erfolgreich gefrierkonserviert, zur Reifung gebracht und befruchtet werden können. Allerdings entwickelte sich keiner der Embryonen über das 4-Zell-Stadium hinaus. Die zukünftige Forschung soll daher klären, welche zellulären Abläufe bei der Vitrifikation beeinträchtigt werden, um zu verstehen, welche spezifischen Bedingungen die vitrifizierten Eizellen nach der Erwärmung benötigen. „Obwohl die Embryonalentwicklung nach gegenwärtigem Stand noch beeinträchtigt ist, geben unsere Ergebnisse Anlass zur Hoffnung, dass Wildkatzen-Eizellen in Zukunft schnell und sicher in Biobanken aufbewahrt werden können“, sagt Katarina Jewgenow, Leiterin der Abteilung für Reproduktionsbiologie am Leibniz-IZW. „Unser Ziel ist es, diese Methoden anhand von Modellarten wie der Hauskatze und dem afrikanischen Löwen stetig zu verbessern, um sie eines Tages für die assistierte Reproduktion gefährdeter Katzenarten wie dem asiatischen Löwen einzusetzen“, fügt Jewgenow hinzu.
Publikationen
Zahmel J, Jänsch S, Jewgenow K, Sandgreen DM, Simonsen KS, Colombo M (im Druck; online preprint): Maturation and fertilization of African lion (Panthera leo) oocytes after vitrification. CRYO BIOL, https://doi.org/10.1016/j.cryobiol.2020.11.011.
Colombo M, Zahmel J, Binder C, Herbel J, Luvoni GC, Jewgenow K (im Druck; online preprint): Ovary cold storage and shipment affect oocyte yield and cleavage rate of cat immature vitrified oocytes. CRYO BIOL, https://doi.org/10.1016/j.cryobiol.2020.11.003

21.01.2021, Stiftung Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig, Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere
Mögliche invasive Bedrohung durch den Afrikanischen Krallenfrosch wesentlich größer als gedacht
Ein internationales Forscherteam um die beiden Herpetologen Philipp Ginal und Dennis Rödder vom Zoologischen Forschungsmuseum Koenig – Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere (ZFMK, Museum Koenig) nutzen einen neuen Ansatz zur Abschätzung des invasiven Potenzials einer Art. In einem ganz neuen Licht muss danach die Bewertung des Invasionsrisikos des Krallenfroschs gesehen werden. Die neue Berechnung weist in Europa ein Gebiet von fast zwei Millionen km2 möglichen Lebensraums für den Afrikanischen Krallenfrosch aus. Das ist etwa das Doppelte der Fläche, die man bisher angenommen hatte.
Die Gefahr, dass die Art nicht ursprüngliche Heimatgebiete massiv negativ beeinflussen wird, ist also wesentlich größer als bisher gedacht. Hinzu kommt, dass es auch schon erste Anzeichen gibt, dass sich in Frankreich eingeschleppte Tiere bereits an das dortige Klima anzupassen beginnen und stark auf dem Vormarsch sind. Das mechanistische Model wurde jetzt im Journal of Experimental Zoology Part A: Ecological and Integrative Physiology beschrieben.
Der Afrikanische Krallenfrosch, Xenopus laevis, stammt ursprünglich aus dem südlichen Afrika. Die Art wurde in der Vergangenheit als Schwangerschaftstest und Modelorganismus für verschiedene Forschungsbereiche genutzt, was dafür sorgte, dass entkommene oder ausgesetzte Krallenfrösche invasive Populationen auf vier weiteren Kontinenten etablieren konnten. Mittlerweile gibt es sogar mehrere Populationen in Frankreich, Italien und Portugal. In den dortigen Ländern richtet die nicht-einheimische Art als Nahrungskonkurrent und Fressfeind großen Schaden an den dortigen Ökosystemen an. Zudem gilt der Krallenfrosch als Überträger des für Amphibien tödlichen Chytridpilzes (Batrachochytrium dendrobatidis), der neben der Habitatzerstörung einer der Hauptursachen des weltweiten Amphibiensterbens ist.
Eine Möglichkeit um das Risiko des invasiven Potenzials nicht-einheimischer Arten, die sich rasch ausbreiten können, abzuschätzen, ist das sogenannte Species Distribution Modelling, auch SDM genannt. Durch diese mathematischen Modelle kann vorhergesagt werden, welche geographischen Gebiete sich auf Grund der Umweltbedingungen für eine Art theoretisch eignen. Bisherige SDMs für den Afrikanischen Krallenfrosch haben jedoch nur einen Bruchteil der klimatischen Nische des Froschlurchs erfasst und somit nicht alle Gebiete, die klimatisch für die Art geeignet sind, vorhergesagt. Nun hat ein internationales Forscherteam um die beiden Herpetologen Philipp Ginal und Dennis Rödder vom Zoologischen Forschungsmuseum Koenig in Bonn im Rahmen des von BiodivERsA und durch die DFG geförderten INVAXEN-Projekts einen neuen Ansatz verwendet. „Mit unserem neuen Ansatz konnten wir durch Laborversuche die kritischen Minimal- und Maximal-, sowie Optimaltemperaturen ermittelt, unter denen der Frosch überleben kann“ erläutert Ginal die neue Vorgehensweise. Unter Berücksichtigung dieser physiologischen Eigenschaften wurde dann die potenziell mögliche Verbreitung in Europa vorhergesagt.
Mit Hilfe dieser sogenannten mechanistischen SDMs lässt sich die zukünftig prinzipiell mögliche Verbreitung einer Art genauer vorhersagen als mit den vorher verwendeten Methoden. „Durch den innovativen methodischen Ansatz war es sogar möglich die physiologischen Limits verschiedener Entwicklungsstadien, wie Kaulquappen und erwachsene Frösche, in das Model einzuspeisen, was vorher ebenfalls nicht möglich war“ legt Rödder dar. Die Ergebnisse der Studie von Ginal et al. (2020) zeigen, dass allein in Europa ein Gebiet von fast zwei Millionen km2 für den Afrikanischen Krallenfrosch geeignet ist. Die vorherigen Methodenansätze hatten dagegen lediglich maximal die Hälfte der Fläche vermuten lassen. Insbesondere Süd- und Westeuropa sind laut den Modellen der Forscher besonders gut für den Frosch geeignet. Aber auch vereinzelte Gebiete in Deutschland scheinen dem Klima des Froschs zu entsprechen.
Dies wirft ein ganz neues Licht auf die Bewertung des Invasionsrisikos des Krallenfroschs, berücksichtigt man, dass es auch schon die ersten Anzeichen gibt, dass sich die in Frankreich eingeschleppten Tiere bereits an das dortige Klima anzupassen beginnen und stark auf dem Vormarsch sind. In zukünftigen Studien planen die Forscher die Auswirkungen der lokalen Anpassung an das europäische Klima zu untersuchen, um weitere Erkenntnisse über den Afrikanischen Krallenfrosch in Europa zu sammeln und so den höchst invasiven Froschlurch von seinem Vormarsch abzuhalten.
Literatur: Ginal, P., Mokhatla, M., Kruger, N., Secondi, J., Herrel, A., Measey, J., & Rödder, D. (2020). Ecophysiological models for global invaders: Is Europe a big playground for the African clawed frog?. Journal of Experimental Zoology Part A: Ecological and Integrative Physiology.
https://doi.org/10.1111/j.1469-7998.2012.00919.x

22.01.2021, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Befreundete Schimpansen kämpfen gemeinsam gegen Rivalen
Menschen kooperieren in großen Gruppen miteinander, um Territorien zu verteidigen oder Krieg zu führen. Doch was liegt der Evolution dieser Art von Kooperation zugrunde? Forscher des Max-PIanck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und der Harvard University zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen sozialen Bindungen und der Beteiligung an großangelegten Kooperationen geben könnte: Schimpansen schließen sich ihren engen Bindungspartnern an, wenn sie gegen Rivalen kämpfen. Auch beim Menschen könnten soziale Bindungen wesentlich an der Evolution kooperativer Fähigkeiten beteiligt gewesen sein.
Schimpansen, eine der nächsten Verwandten des Menschen, kooperieren auf Gruppenebene – bei kämpferischen Auseinandersetzungen arbeiten sie dabei sogar mit Gruppenmitgliedern zusammen, mit denen sie nicht verwandt sind. Die Beteiligten an Kämpfen mit benachbarten Gruppen setzen sich dabei der Gefahr aus, schwere Verletzungen zu erleiden oder sogar getötet zu werden.
Die Forscher des Taï-Schimpansenprojekts beobachteten drei Schimpansen-Gemeinschaften im Taï-Nationalpark in der Elfenbeinküste und dokumentierten unter anderem soziale Beziehungen, Reviergrenzen und Begegnungen zwischen benachbarten Gruppen. „Insgesamt analysierten wir fast 500 feindliche Auseinandersetzungen – vokale und physische – aus den letzten 25 Jahren, an denen wenigstens eine der drei habituierten Gemeinschaften beteiligt war, und die für einige Tiere schwere Verletzungen oder den Tod zur Folge hatten“, sagt Liran Samuni, Erstautorin der Studie.
Die Studie zeigt, dass sowohl Männchen als auch Weibchen an den Kämpfen teilnehmen und dass drei Faktoren die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme erhöhten: wenn viele Individuen teilnahmen, wenn Verwandte der mütterlichen Linie sich beteiligten und wenn nicht verwandte soziale Bindungspartner anwesend waren. „Schimpansen berücksichtigen nicht nur, wie viele Gruppenmitglieder sich beteiligen, wenn sie in den Kampf ziehen, sondern wer sich beteiligt. Insbesondere, ob Gruppenmitglieder dabei sind, denen sie vertrauen und die sie im Falle eines Angriffs unterstützen“, fügt Catherine Crockford, Seniorautorin der Studie, hinzu. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin“, so Liran Samuni weiter, „dass es auch beim Schimpansen eine Verbindung zwischen starken, dauerhaften sozialen Beziehungen und riskanten kollektiven Handlungen geben könnte – wie es beim Menschen der Fall ist.“
„Diese Studie ist Teil einer Reihe von Studien, die Zusammenhänge zwischen der Kooperation innerhalb einer Gruppe und der Konkurrenz zu anderen Gruppen erforschen“, erklärt Roman Wittig, Leiter des Taï-Schimpansenprojekts und Seniorautor der Studien. „Wir konnten zeigen, dass Rivalität durch feindliche Gruppen sich negativ auf den Fortpflanzungserfolg der Schimpansen und die Größe ihres Reviers auswirkt. Auf der anderen Seite erhöht dieser Wettbewerb aber auch den Zusammenhalt innerhalb der Gruppe und verringert, wahrscheinlich unterstützt durch das Neurohormon Oxytocin, die Wahrscheinlichkeit, im Kampf alleine gelassen zu werden.“
Die Daten des Taï-Schimpansenprojekts, im Rahmen dessen vier benachbarte Schimpansen-Gemeinschaften täglich beobachtet werden, sind auch längerfristig eine sehr wichtige Quelle für Wissenschaftler, die erforschen, was der Kooperation auf Gruppenebene zugrunde liegt. „Von den Taï-Schimpansen können wir lernen“, so Roman Wittig, „welche sozialen Voraussetzungen die einzigartige Fähigkeit des Menschen zur Kooperation in großen Gruppen mit anderen nicht verwandten Menschen ermöglichen“.
Originalpublikation:
Liran Samuni, Catherine Crockford, Roman Wittig
Group-level cooperation in chimpanzees is shaped by strong social ties
Nature Communications, 22 January 2021
https://doi.org/10.1038/s41467-020-20709-9

Dieser Beitrag wurde unter Wissenschaft/Naturschutz veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

  1. Enrico sagt:

    Eine echt tolle Zusammenfassung über den Lungenfisch. Ich Interessiere mich auch für Wissenschaft und Naturschutz . Aber dieses Thema war für mich auch neu und hab einiges dazu gelernt. Vielen Dank.

Schreibe einen Kommentar zu Enrico Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert