India Kandel: Queere Tiere (Rezension)


In den letzten Jahren sind Debatten um Veganismus und Tierrechte immer mehr in den Fokus der breiten Öffentlichkeit gelangt. Dabei verdeutlicht nicht zuletzt die Klima­krise, wie sehr wir alle auf diesem Planeten miteinander verbunden sind. Auch zwischen Queerness, queerer Community, Mensch-Tier-Beziehungen, Tierrechten und Veganismus gibt es diverse Zusammenhänge. Von Ernährung und binären Geschlechterklischees, über tierliche (und menschliche) Queerness, Leben am Rande gesellschaftlicher Normen, Mechanismen der Abwertung und Unterdrückung bis hin zu Selbstbestimmung über das eigene Leben, den eigenen Körper und die eigene Sexualität zeigt dieser Sammelband, dass uns mit anderen Tieren eigentlich mehr verbindet als trennt. Queere Tiere möchte informieren, reflektieren und zur Diskussion einladen – mal mit ganz persönlichen Erfahrungen, mal kulturell, soziologisch, philosophisch oder historisch, mal künstlerisch, mal literarisch, aber immer mit ganz viel Herz: Für ein freies L(i)eben auf unserem bunten Planeten!
Queere Tiere spricht ein schwieriges Thema an, das zum einen reflektiert, polarisiert und dadurch zum Diskutieren anregt (oder anregen soll). Aber passen Tierrechte und Veganismus und Queerness zusammen?
Nun, man kann queer sein (was auch immer das bedeuten mag und auch wenn ich das vielleicht anders sehe als viele andere, aber für mich sagt dieses Wort nichts aus. Vielleicht ist es das aus meinem Umfeld bestehende Schubladendenken, aber das Wort bedeutet mir nichts und sagt mir auch nichts über die Person, die es von sich behauptet. Aber das ist ein anderes Thema) und sich vegan ernähren und sich für Tierrechte einsetzen. Aber, man kann auch queer sein ohne vegan zu leben oder sich für Tierechte einsetzen. Man kann aber auch nicht queer sein um vegan zu leben. So wirkt das Buch für mich auch wie ein zusammengestelltes Konstrukt, das viele Aspekte des heutigen Lebens anspricht, aber Zusammenhänge erstellt, die vielleicht für manche der Autoren zutreffen, aber im Allgemeinen ein unausgegorenes Bild abgeben.
Ich muss zugeben, dass ich anhand des Titels andere Erwartungen hatte und anhand des Klappentextes neugierig auf die Zusammenstellung war, aber ich kann nicht sagen, dass ich am Ende irgendeine Erkenntnis davongetragen habe.
India Kandel, deren erstes Buch das ist, hat Beiträge von Agnes Trzak, Amelie Fink, Blu Doppe, Daniel Hellmann (aka Soya the Cow), Eni Lane, Hannah Engelmann-Gith, Hilal Sezgin, Jana Haskamp, Jchj V. Dussel, Jeff Mannes, Juli Decker, k_unstwerken, Kantom Azad, Lea Henke, Lea Marignoni, Linus Hanne, Lovis Noah Cassaris, Lydia Käufer, Lynn Fuchs, Max Helmich, Nafas, rosa* kato glück, Simon Kleinert und Smillo Ebeling zusammengetragen. Personen, die einen guten Querschnitt durch queere Lebensweisen geben und in den Beiträgen auch ihre Individualität und Vielfalt zum Ausdruck bringen. Was dabei etwas auf der Strecke bleibt und was kaum eine Rolle spielt und wenn meist nur am Rande: Das, was man als Queere Tiere bezeichnen würde (wobei die Diskussion auch in die Richtung gehen kann in wie weit Tiere, und in diesem Zusammenhang ist immer von nicht-menschlichen Tieren die Rede, denn was man nie vergessen darf: Auch wir sind Tiere, auch wenn wir das gerne vergessen oder ignorieren) wird nur zur Erklärung hinzu gezogen, ohne wirklich eine Rolle zu spielen).
Und so beginnt das Buch sehr vielversprechend mit einigen wichtigen Erklärungen. Und dabei hätte es die Herausgeberin vielleicht belassen sollen, bzw. das von ihr gesagte vertiefen sollen. Die nachfolgenden Beiträge verwirren nur und geben viele Möglichkeiten zur Diskussion sind aber insgesamt zu heterogen. Da schreiben Personen unterschiedlicher Identität, unterschiedlicher Hintergründe über sich und ihre Sicht der Dinge … was am Ende die Frage aufwirft: Was will mir dieses Buch sagen.
Ich habe keine Antwort gefunden und zumindest hat mich das Buch zum Nachdenken gebracht … nur … worüber ich nachdenke und was das über mich oder die Situation der Menschheit im Allgemeinen aussagt … das ist nichts was sich in wenigen Sätzen beantworten kann.
Und so kann ich nur sagen (auch wenn ich bis dahin viele Worte benutzt habe), dass am Ende des Lesens von QUEERE TIERE nur ein Fragezeichen übrig blieb und ich nicht weiß, was ich von diesem Buch halten soll.
(und mit dem Wort mensch anstatt man kann ich nichts anfangen …)

Dekonstruktion und Selbstdefinition von Queerness bzw. der Queer-Theorie
Das bevorzugte methodische Werkzeug innerhalb der Queer-Theorie ist die Dekonstruktion von vergegenständlichten Kategorien, die Auflösung der Fixierung auf machtasymmetrische Binaritäten wie Weiß/Schwarz oder männlich/weiblich. Die Offenheit des Begriffs queer wurzelt in der dekonstruktivistischen Praxis, nach dem Ausgeschlossenen zu fragen und sich selbst durch Inklusion des Außenstehenden zu erweitern. Dem universalistischen Anspruch von queer sind trotzdem Grenzen gesetzt. Queer-Theorien gehen davon aus, dass Menschen sich selbst definieren sollen und dass diese Selbstdefinition die einzig gültige „Identitätserklärung“ ist. Das bedeutet, dass jeder Mensch den Begriff queer auf seine sexuelle Orientierung anwenden könne, um sich so zu inkludieren. Damit wird die Queer-Theorie immer weiterentwickelt und bleibt endlos.

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