(Erstveröffentlichung am 19. November 2013)
Unter Kryptiden werden Tier- und Pflanzenarten zusammengefasst, die nach wissenschaftlichem Verständnis dem Reich der Phantasie angehören, also keinen wissenschaftlichen Beweis für ihre Existenz haben, bzw. noch unentdeckt sind.
Eine gängige Systematik teilt die Kryptiden in folgende Gruppen ein:
Unbekannte Tiere
Hierbei handelt es sich um unbekannte Organismen, die sich von allen bekannten Tierarten unterscheiden. Aufgrund ihrer Beschreibung und ihres Verhaltens lassen sie sich nicht in das bestehende zoologische System einordnen. In diese Gruppe gehören vor allem Organismen, die aus der Mythologie bekannt sind.
Potentiell ausgestorbene Tiere
In diese Gruppe werden Kryptiden eingeordnet, die beim aktuellen Stand der Wissenschaft als ausgestorben gelten. Dazu gehören etwa moderne Formen von Dinosauriern oder Flugsaurier, aber auch Arten, deren Aussterben erst in historischer Zeit stattfand, wie der Moa oder wie der im 19. Jahrhundert ausgestorbene neuseeländischen Riesengecko Hoplodactylus delcourti, der in den Maori-Legenden in drachenartiger Form als Kawekaweau beschrieben wird. Auch der Beutelwolf gehört in diese Gruppe, wobei dieser nicht als definitiv ausgestorben gilt.
Tiere, die bekannten Arten ähneln
In diese Gruppe gehören Tierarten, die bekannten Arten sehr stark ähneln, sich jedoch durch spezifische Merkmale von ihnen unterscheiden. Dabei kann es sich um Mutationen oder um unbekannte Verwandte dieser Tiere handeln. Eine Einordnung in das System der Zoologie kann entsprechend problemlos erfolgen. Beispiele für Tiere dieser Gruppe sind etwa die Onza oder die Spiralhornantilope (deren Existenz jedoch bisher widerlegt werden konnte). Zuweilen sind auch einzelne oder auch Gruppen von Tieren durch Krankheiten derart entstellt, dass sie für völlig andere Wesen gehalten werden, etwa bei massiver Räude.
Beschriebene Tiere, derer die Wissenschaft nicht habhaft ist
Dies sind die wahren Kryptiden. Sie sind wissenschaftlich benannt und definiert, durch Foto oder Zeichnung belegt, entbehren aber des musealen Typen-Materials. Das Okapi zählte eine Zeitlang dazu, da man anfangs nur (ungenaue) Fotos hatte. Neben zahlreichen Wirbellosen gehören auch einige Fischarten hierher (wie Bathysphaera intacta, ‚Bathyembix istiophasma‘), die der Ichthyologe William Beebe 1932–34 aus seiner Tiefseekugel beobachtet haben will, die er auch publizierte, die aber seither nicht wieder gesichtet oder gar gefangen werden konnten, so dass man sie jetzt mitunter als Fantasie-Produkte einstuft.
Bekannte Tiere in untypischen Gegenden
Eine große Gruppe der kryptozoologischen Beobachtungen bezieht sich auf bekannte Tierarten, die jedoch in für sie vollkommen untypischen Lebensräumen gesichtet werden. Solche Fälle werden mit der Bezeichnung „Out of Place Sightings“ betitelt, was so viel wie Sichtung am falschen Ort bedeutet. So gibt es regelmäßig Berichte über Tiger und Leoparden in Großbritannien. In diesen Fällen gilt es aufzuklären, ob es sich um ausgesetzte oder entlaufene Tiere handelt oder ob es eine echte Population der Tiere an diesen Orten gibt.
Ursprünge mythischer Wesen
Auch mit den Ursprüngen und Hintergründen von mythologischen Wesen befasst sich die Kryptozoologie. Dabei geht es aber keineswegs darum, die ehemalige Existenz von Riesen, Drachen oder Greifen zu beweisen. Ziel ist, die tatsächlichen Wurzeln von Sagengestalten zu finden, die in vielen Fällen auf tatsächlich existierende oder ausgestorbene, aber keineswegs mysteriöse Lebewesen zurückgehen. Ein Beispiel wäre der Zyklop, ein einäugiger Riese der griechischen Mythologie, dessen Ursprünge mit größter Wahrscheinlichkeit auf in Höhlen gefundene Schädel ausgestorbener Zwergelefanten zurückzuführen sind, deren große Nasenöffnung für eine Augenhöhle gehalten wurde. Ein anderes Beispiel wäre der ägyptische Totenvogel Benu, der möglicherweise auf den ausgestorbenen Riesenreiher Ardea bennuides zurückgeht.