Die Puffotter in Brehms Tierleben

Puffotter (Brehms Tierleben)

Die Puffotter (Vipera arietans, Coluber Lachesis, Clotho, Bitin und intumescens, Vipera inflata und brachyura, Echidna arietans, Clotho arietans und lateristriga) ist zwar ebenfalls eine gewaltige Viper, steht aber doch der vorhergehend beschriebenen und anderen Verwandten nach. Die größte Puffotter, welche nachweislich in eine Sammlung gelangte, habe ich selbst gepflegt und nach ihrem Tode gemessen: ihre Länge betrug 1,47 Meter. Eine noch größere, 1,63 Meter lange versichert Baker erlegt und gemessen zu haben: mit diesem Maße dürfte die äußerste Grenze der Größe, welche diese Art erreicht, bezeichnet sein.

Sie ist die einzige Viper, deren verhältnismäßig kleine Nasenlöcher oben auf der Schnauze, hinter deren Spitze liegen und nach oben gerichtet sind, und unterscheidet sich von ihren nächsten Verwandten durch die einfach gekielten Obernasenschilder, mit diesen aber von den zunächststehenden Dabojavipern da durch, daß die Brauengegend mit kleinen Schildchen, welche flach oder hornartig aufgerichtet sein können, bekleidet wird. Man verleumdet sie nicht, wenn man sie als eine der häßlichsten aller Schlangen bezeichnet; doch bezieht sich dies nur auf die Gestalt, nicht auf die Färbung. »Derjenige«, sagt Günther, »welcher die Vipern die Kröten unter den Schlangen genannt hat, ist gewiß gerechtfertigt, wenn er dieses Bild von der Puffotter entlehnte.« In der That, mit einer Kröte darf man sie vergleichen, diese glotzäugige, flach- und breitköpfige, unförmlich dickleibige Schlange. Der fast dreieckige oder, besser gesagt, ungleichseitig viereckige, am Schnauzenende plump zugerundete Kopf ist erheblich vom Halse abgesetzt, dieser aber keineswegs schlank, sondern ebenfalls dick, der Leib aber, welcher vom Halse an rasch an Umfang zunimmt, außer allem Verhältnis verdickt oder verbreitert, da sein Durchschnitt ein flaches, an den Ecken abgerundetes Dreieck darstellt, dessen breitesten Schenkel, die Grundfläche, der Bauch bildet; der Schwanz endlich, in welchem der Leib ohne ersichtliche Begrenzung sich fortsetzt, läßt sich mit einem stumpfen, an einer Stelle des Mantels, der Unterseite, flachgedrückten Kegel vergleichen. Kopf und Leib sind mit ähnlich gestalteten, nur in der Größe verschiedenen, gekielten Schindelschuppen bekleidet, welche auf dem Rumpfe in ein- bis zweiunddreißig Längsreihen sich ordnen und zwischen Auge und Oberlippenschildern drei oder vier Reihen bilden. Färbung und Zeichnung ändern bis zu einem gewissen Grade, aber nicht in besonders auffallender Weise ab, falls man in Betracht zieht, daß die Puffotter wie jede andere Schlange kurz nach der Häutung um vieles lebhafter als vor derselben erscheint, und man zuweilen versucht sein möchte, in einem und demselben Stücke zwei verschiedene Spielarten zu erblicken. Kurz nach der Häutung ist die Grundfärbung des ganzen Leibes ein ansprechendes, lebhaftes Sandgelb, welches bis zur nächsten Häutung mehr oder minder dunkelt und kurz vor der Verjüngung des Thieres bis zu schmutzig graubraun getrübt worden sein kann. Quer über die Vorderschnauze, die Augen durchschneidend, zieht sich eine dunkelbraune oder schwärzliche Binde; unmittelbar an sie, fast von einem Auge zum andern reichend, stößt der Wurzeltheil einer leierförmigen, lichten Zeichnung, welche sanft geschwungen vom Auge aus über die Schläfengegend verläuft, sich dann nach unten biegend dem Ende der Mundspalte zuwendet und zwischen beiden Schenkeln einen ebenfalls dunkel gefärbten Raum umschließt. Auf dem Halse beginnen drei Reihen von denjenigen Zeichnungen, welche bei der Mittelreihe die Spitze stets nach hinten richten, während bei den seitlichen Reihen die Winkel nach unten sich öffnen. Dazwischen schieben sich Streifen und Flecke der verschiedensten Form ein. Die Winkelzeichnungen sind in der Regel lebhaft lichtgelb bis gelblichweiß gefärbt, stets aber zu beiden Seiten schwarz umsäumt, und da nun auch die Flecke derartige Säume tragen und die Säume die Binden an Breite übertreffen können, entstehen die verschiedenartigsten Abänderungen. Im Grunde sind diese bedeutungslos, und jedenfalls muß man, wenn man angibt, daß kaum zwei Puffottern in der Färbung und Zeichnung sich ähneln, hinzufügen, daß das Gepräge der Färbung wie der Zeichnung im wesentlichen bei allen dasselbe bleibt.

Die Puffotter bewohnt vom siebzehnten Grade nördlicher Breite an ganz Afrika, wird aber gegen die Südspitze des Erdtheils hin wieder seltener. An der Westküste ist sie gemein, im Südosten nirgends selten, im Innern wahrscheinlich überall verbreitet.

Ihren Namen hat sich diese Viper durch das heftige Zischen erworben, welches sie verlauten läßt, sobald sie beunruhigt und, was damit gleichbedeutend, erzürnt wird. Bei solcher Gelegenheit pflegt sie sich so dick aufzublasen, daß ihr Leib fast den doppelten Umfang erreicht; Burchell fand sich deshalb auch veranlaßt ihr den Namen Vipera inflata zu geben. Dabei erhebt sie sich mit dem Kopfe bis dreißig Centimeter über den Boden, verfolgt mit glühenden Augen jede Bewegung des sich ihr nahenden Gegners und wartet den günstigen Augenblick ab, sich vorzuwerfen. Ries versichert, daß der Kopf im Zorne nicht nur viel breiter wird als sonst, wie bei anderen Schlangen ja auch der Fall, sondern sich gleichzeitig verfärbe und bald ins Blaue, bald ins Rothbläuliche spiele; diese Angabe ist aber, wie ich mich durch Beobachtungen an Gefangenen hinlänglich überzeugen konnte, vollständig aus der Luft gegriffen.

Ueber das Freileben der Puffotter ist wenig bekannt, vielleicht auch wenig zu berichten. Ich habe erst durch Fritsch ein Lebensbild der Schlange erhalten. »In Südafrika«, so schreibt mir der treffliche Reisende, »ist die Puffotter am eigentlichen Kap selten; desto häufiger kommt sie in den östlichen Provinzen vor und am häufigsten in den Freistaaten oder weiter im Inneren. Sie zeichnet sich durch ihre Trägheit aus, bewegt sich äußerst langsam und schnellt sich nur beim Beißen blitzartig auf ihre Beute, wobei sie sich meist mehr oder weniger um ihre Achse zu drehen pflegt. Die Leute behaupten, daß sie so hoch vom Boden springen könne, um einen Reiter vom Pferde noch zu erreichen. Bei Tage liegt sie gewöhnlich still in Gebüschen oder unter Grasbüscheln versteckt, nachts kriecht sie umher und kommt dann der Mäuse wegen gern in die Nähe der Wohnungen, richtet hier auch nicht selten Unheil an. Eine Frau in Transvaal trat beim Verlassen ihres Hauses im Dunkeln auf eine vor der Thür liegende Puffotter, wurde gebissen und starb im Verlaufe des nächsten Tages. Noch gefährlicher wird die Schlange dem weidenden Kleinviehe oder den Jagdhunden, da sie sie, wenn Sträucher ihr Deckung gewähren, sich fest- und zur Wehre setzt. Ein Herr in Bloemfontein büßte durch sie gleichzeitig zwei seiner Hunde ein, und zwar starb der eine innerhalb zehn Minuten, der andere einige Stunden nach dem Bisse.

Ein sehr zuverlässiger Beobachter ging, wie er mir selbst erzählte, im Walde spazieren und bemerkte zu seiner Verwunderung, daß eine der großen südafrikanischen Feldmäuse wie festgewurzelt in geringer Entfernung vor ihm sitzen blieb. Als er sich nach der Ursache umschaute, welche das scheue Thier abhielt, vor ihm die Flucht zu ergreifen, erblickte er dicht vor sich eine große Puffotter, welche die Maus zu ihrer Beute ausersehen hatte und nicht aus dem Auge ließ. Einige Zeit später sprang die Schlange plötzlich auf die Beute, ergriff sie und war mit ihr in einem dicht daneben befindlichen Loche verschwunden, ehe der überraschte Zuschauer Zeit gefunden, seinen Stock mit Erfolg zu gebrauchen. Es scheint, daß die Schlange ihren Feind wohl gesehen hatte, aber nicht gewillt war, von der Beute abzulassen, weshalb sie dieselbe mit sich wegnahm, anstatt zu beißen und den Tod nach dem Bisse abzuwarten. Der letzte Akt des kleinen Trauerspieles verlief sehr schnell, und die sonst sehr träge Puffotter führte eine Reihe rascher Bewegungen aus, um zu ihrem Ziele zu gelangen.

Eine derartige Regsamkeit des Thieres gehört übrigens zu den seltenen Ausnahmen. Ich selbst habe einmal im Betschuanenlande neben einer halbwüchsigen Puffotter, welche sich unter hohem Grase zusammengeringelt hatte, über eine halbe Stunde gelegen, ohne daß sie sich rührte. Als ich, um der Sonne zu entgehen, mich etwas weiter schieben wollte und gerade im Begriffe war, den Elnbogen auf sie zu stemmen, bemerkte ich sie. Ich erhob mich vorsichtig, um mich meines zolldicken Zjamboks zu bemächtigen, und auch jetzt noch blieb die Schlange regungslos liegen. Ein kräftig geführter Schlag machte sie für immer unschädlich.«

Mit dieser Schilderung stimmen auch die übrigen sehr dürftigen Berichte überein, welche uns bisher geworden sind. Anderson erzählt, daß sein Reitochse einmal fast von einer solchen Schlange gebissen worden wäre, welche quer über dem Wege ausgestreckt lag, sich aber nicht rührte, obgleich der Ochse fast auf sie trat, und daß ein andermal die Frau eines der Diener des Reisenden ein solch ekelhaftes Thier, anscheinend schlafend, in den Falten ihrer Lederschürze fand.

Hinsichtlich ihrer Nahrung und wahrscheinlich auch ihrer Fortpflanzung dürfte die Puffotter von anderen Schlangen nicht wesentlich sich unterscheiden. Auch ihre Beute besteht nur in Kleinwild verschiedener Art, hauptsächlich wahrscheinlich in Ratten, Mäusen, Erdeichhörnchen und ähnlichen Nagern, dann und wann auch wohl in einem Vogel, welcher sich unbedachtsam dem gefährlichen Thiere nähert. Daß sie andere Schlangen oder überhaupt Kriechthiere und Lurche frißt, glaube ich nicht: ihr Benehmen im Käfige angesichts solcher Thiere spricht dagegen.

Es wird erzählt, daß die Buschmänner sie eifrig verfolgen, um von ihr das zur Verfertigung ihrer Pfeile nöthige Gift zu erwerben. Sie sollen beim Fange des Thieres ebensoviel Muth als Geschicklichkeit an den Tag legen, der ruhenden Schlange vorsichtig sich nähern, ihr plötzlich den Fuß ins Genick setzen, sie so fest auf den Boden drücken und den Kopf mit einem raschen Schnitte vom Leibe trennen, sodann die Giftdrüsen ausdrücken und die derart gewonnene Flüssigkeit mit dem klebrigen Safte einer Pflanze vermischen, welcher letztere dazu dient, es an den Pfeilspitzen zu befestigen: ob etwas wahres an dieser Geschichte ist, lasse ich, wie billig, dahingestellt.

Eine wüthende Puffotter sieht abschreckend aus. »Einst«, so erzählt Drayson, »sah ich ein Weibchen dieser Art in der größten Wuth. Es war sammt seinen Jungen von einigen Kaffern aus seinem Schlupfwinkel, einem umgefallenen Baumstamme, hervorgetrieben worden und hatte offenbar die Absicht, sich tapfer zu vertheidigen. Die Kaffern beschlossen, die ganze Familie zu vernichten, fürchteten sich aber, dem ingrimmigen Thiere auf den Leib zu rücken. Zufälligerweise kam ich kurz nach der Entdeckung der Schlangen zu den noch rathlosen Männern, ordnete sie zum Angriffe, ließ große Steine herbeischaffen und mit diesen den Kampf eröffnen. Nach wenigen Minuten war das wüthende Thier sammt seinen Jungen getödtet und die ganze Gesellschaft auf einen Scheiterhaufen gelegt worden, um verbrannt zu werden, damit keiner der barfüßigen Männer Gefahr laufe, zufällig auf einen Kopf zu treten und an den noch lange nach dem Tode wirksamen Giftzähnen sich zu verwunden.«

Drayson hebt als auffallend hervor, daß man in Südafrika, einem mit Giftschlangen förmlich verpesteten Lande, so selten von einem durch die Schlange verursachten Unglücksfalle vernimmt und erklärt sich dies durch die Furchtsamkeit der Schlangen selbst. Im allgemeinen mag der Mann recht behalten; was aber die Puffotter anlangt, so gehört diese, den übereinstimmenden Nachrichten der Reisenden gemäß, sicherlich nicht zu denjenigen Arten, welche ihr Heil in der Flucht suchen, wenn ein Mensch sich nähert: dazu ist sie übertages zu träge und nachts, wenn sie munter, zu dumm oder zu boshaft, bezüglich zu sehr von der Unfehlbarkeit ihrer Waffen überzeugt. Aber man reist in Südafrika entweder zu Pferde oder zu Wagen und ist dadurch noch mehr vor Schlangen gesichert als der Eingeborene durch sein Falkenauge; man reist auch nur selten nach Sonnenuntergang, wenn die gefährlichen Schlangenarten munter sind, und umgibt, wenn man im Freien übernachtet, das Lager mit einem Kreise von Feuern, welche die Giftschlangen zwar herbeilocken, das Innere des Lagers aber doch auch vor ihnen schützen, da die Thiere, wie ich aus eigener Erfahrung versichern kann, wohlweislich umkehren, wenn sie der Flamme sehr nahe gekommen sind.

Unter den bis jetzt in Gefangenschaft gehaltenen Vipern gehört die Puffotter zu denjenigen Arten, welche am leichtesten an das Futter gehen, wohl deshalb, weil es nicht schwierig ist, ihren Ansprüchen an das Leben zu genügen. Ein warmer Käfig, dessen Boden mit Sand oder kleinen Kieselsteinen bestreut wurde, bietet ihr einen durchaus behaglichen Aufenthalt, und wenn ihr dann Beute vorgeworfen wird, besinnt sie sich selten lange, zuzugreifen. Aus diesem Grunde sieht man sie in der Regel in allen Thiergärten, in denen überhaupt Schlangen gehalten werden. Ihr Fang scheint trotz ihrer furchtbaren Giftzähne wenig Umstände zu verursachen; ihre Versendung aber ist eben so leicht wie die irgend einer Schlange, da sie, auch ohne unterwegs gefüttert zu werden, eine monatelange Reise sehr gut aushält. Ich selbst habe zwei Puffottern mehrere Jahre gepflegt und während dieser Zeit eingehend beobachten können. Die beiden Thiere waren längere Zeit im Besitze Effeldts gewesen und von diesem sozusagen an die Gefangenschaft gewöhnt worden; von einer eigentlichen Zähmung war aber nichts zu bemerken. Die blinde Wuth, welche Giftschlangen an den Tag legen, äußerte sich, sobald man dem Käfige nahte, durch Fauchen und Blasen; doch unterließen es beide Thiere wenigstens, wie sie früher gethan, nach den an sie herantretenden Menschen zu beißen, vorausgesetzt natürlich, daß ihnen keinerlei Störung erwuchs. Ihre Unlust, bei Tage sich zu bewegen, spottet wirklich jeder Beschreibung. Wo die Puffotter am Morgen sich hingelegt hat, bleibt sie bis zum Abende liegen, gibt sich anscheinend dem Schlafe hin und läßt sich so leicht durch nichts aus ihrer Lage bringen, geräth aber in den heftigsten Zorn, wenn solches versucht wird. Günther erzählt, daß er einmal an Bord eines Schiffes neu angekommene und erst vor kurzem gefangene Schlangen besichtigt habe, und daß bei dieser Gelegenheit die Versandkisten geöffnet werden mußten. Ein Kasten, welcher eine Aspis beherbergte, mußte sofort wieder geschlossen werden, weil die Schlange augenblicklich einen Angriff versuchte; die andere Kiste aber, in welcher zwischen zwanzig bis dreißig Puffottern lagen, konnte geöffnet bleiben: denn die Schlangen versuchten nicht zu entwischen, ja nicht einmal zu beißen, obgleich Günther dieselben mit dem Stocke herausholte. Ich kann diese Beobachtungen insofern bestätigen, als ich auch meine Puffottern eigentlich nicht der Bissigkeit zeihen darf. Sie waren bloß wüthend, in höchstem Grade ergrimmt, wenn sie gestört wurden, veränderten deshalb aber ihre Stellung noch nicht im geringsten. Unter allen mir bekannten Giftschlangen sind sie die trägsten. Ohne die größte Noth regen sie sich übertages nie, und wenn sie es thun, geschieht es mit dem äußersten Widerstreben. Nachts dagegen kriechen sie langsam in ihrem Käfige hin und her, und zwar mit einer gewissen Ausdauer, wie ich an meinen Gefangenen unter anderem daran erkennen konnte, daß sie frisch aufgeschütteten Sand schon in der ersten Nacht überall platt gedrückt hatten. Uebertages läßt sie die Außenwelt vollkommen gleichgültig. Um die Schlangen in dem Nebenkäfige bekümmerten sie sich ebenso wenig wie um den dicht an sie herantretenden Zuschauer. Während eine Klapperschlange auch nach jahrelanger Gefangenschaft schon dann zu rasseln beginnt, wenn ein Mensch den Raum betritt, in welchem ihr Käfig steht, bekundet die Puffotter die ersten Zeichen ihrer Wuth nicht eher, als bis sie wiederholt auf das äußerste gereizt worden ist. Am ersichtlichsten zeigt sich ihre Trägheit, wenn man ihnen übertages lebende, zu ihrer Nahrung bestimmte Thiere in den Käfig bringt. Mit der Schlange Afrikas, »die jedes Thier ohne Ursach biß«, hat sie nichts gemein; denn sie beißt und tödtet die ihr vorgeworfenen Beutethiere in der Regel nur dann, wenn sie wirklich hungrig ist. Hat sie Tags vorher gefressen, so läßt sie Kaninchen förmlich mit sich spielen, ohne von ihren furchtbaren Waffen Gebrauch zu machen. Ihre Enthaltsamkeit ist aber beinahe ebenso groß wie ihre Trägheit; zuweilen vergehen zwei bis drei Wochen, bevor eine Puffotter sich entschließt, zu fressen, und wenn sie inzwischen ein mit ihr des Nachts den Käfig theilendes kleines Säugethier tödtet, so geschieht dies wahrscheinlich nur, weil sie die durch dasselbe verursachte Störung erzürnt hat. Nur wenn sie sehr hungrig ist, beißt sie sofort nach dem ihr geopferten Thiere, beginnt dann aber auch sogleich mit dem Verschlingen.

Infolge dieser Trägheit und Enthaltsamkeit gestaltet sich die Fütterung einer Puffotter zu einem ungemein aufregenden Schauspiele. Das Kaninchen oder Meerschweinchen, welches der Schlange gereicht wird, hat von der ihm drohenden Gefahr keine Ahnung. Sein sogenannter »Instinkt« läßt es jetzt unverantwortlicherweise vollständig im Stiche. Es nähert sich neu gierig der Schlange. Niemals hat es eine solche gesehen: seine Neugier ist daher erklärlich und zu entschuldigen. Es beschnuppert seinen Feind; denn noch weiß es nicht, daß es mit einem solchen zu thun hat. Die Schlange erhebt den dreieckigen Kopf, beugt den Hals zurück, nimmt eine schauerlich schöne Angriffsstellung an: das Kaninchen merkt noch nichts, schnuppert wiederum, erschnuppert nichts, wird dreister und nähert sich dem Schlangenkopfe. Die Puffotter züngelt tastend; ihre Zunge und die Schnurrhaare des Kaninchens berühren sich. Letzteres, ein Bild der Arglosigkeit, steht noch immer ahnungslos vor dem entsetzlichen Räuber, durch dessen Gebaren augenscheinlich gefesselt, gleichsam verwundert, ein solches Wesen betrachten zu können. Die Schlange bekundet mehr und mehr sich steigernde Erregung, athmet in tiefen Zügen, so daß der Leib sich hebt und senkt, erweitert und verengert; sie faucht zwar nicht eigentlich, aber sie schnauft hörbar genug für das Kaninchen, gleichsam, als ob sie dieses warnen wolle; aber auch solche Drohung ist vergeblich: der Nager achtet ihrer nicht. Die Schlange läßt das Haupt wieder sinken, um eine andere Stellung einzunehmen, ihre Rippen stemmen sich gegen den Boden, hunderte von Fußpaaren arbeiten, sie gleitet langsam dahin; das Kaninchen wird stutzig, springt zur Seite, richtet die Augen scharf auf den ihm unbekannten Gegenstande, spitzt die Ohren und stellt sie nach vorn, schnuppert, dreht die Schnurrhaare nach allen Richtungen und – beruhigt sich wieder. Von neuem liegt die Schlange regungslos, von neuem nähert sie sich dem neugierigen Opfer, von neuem erhebt sie angriffsfertig das Haupt, züngelt, droht, und nochmals verläuft die Begegnung wie früher. Der Nager hat das Wasserbecken gefunden und getrunken, streckt sich sodann auf dem warmen Sande aus, frißt auch wohl ein wenig von einer ihm zugeworfenen Rübe. Es scheint ihm in dem Käfige zu gefallen; er wird übermüthig, springt auf und nieder, über die Schlange weg, ihr auf den Rücken. Sie ihrerseits, entrüstet über die Dreistigkeit, schnellt wüthend auf und faucht mit voller Lunge. Das Kaninchen stutzt wiederum, setzt alle Sinneswerkzeuge in Bewegung, kommt noch immer nicht zur Erkenntnis und beginnt nochmals seine gefährlichen Untersuchungen. So kann es stundenlang währen, und je länger es dauert, um so dreister wird das Kaninchen, um so lebhafter die Schlange. Endlich aber hat sich letztere doch besonnen, daß sie hungrig ist und kriecht entschieden auf das Opfer zu. Das Kaninchen erwartet sie wie früher, geht ihr entgegen. Hoch hebt sie den Kopf; der Hals hinter ihm scheint sich zusammenzuschnüren, die Giftdrüsen zu jeder Seite ihre Hülle sprengen zu wollen, die gespaltene Zunge tastet noch einmal, und – blitzartig schnellt der Kopf zurück und wieder vor; im Vorwerfen öffnet sich der Rachen, richten sich die bisher in ihrer Muskelscheide zurückgelegten, zwei Centimeter langen Gifthaken auf und dringen tief in den Leib des Opfers. Noch ein Schrei aus dem Maule des Kaninchens: der tödtliche Streich ist gefallen. Ebenso schnell als die Schlange vorgeschnellt war, ist sie wieder zurückgezuckt, legt ruhig das Haupt auf den Boden, faßt ihr Opferscharf in das Auge und erwartet dessen Verenden. Das leichte Bewegen der Schwanzspitze nur verräth, wie gespannt sie den sicheren Ausgang verfolgt.

Nach dem einzigen Schreie, welchen das Kaninchen ausgestoßen, hat es noch einen oder einige Sätze gemacht, dann aber still sich hingesetzt. Die Ohren werden schlaff, die Augenlider fallen herab. Ein-, zweimal schüttelt es mit dem Kopfe, dann hat es das Bewußtsein verloren. Langsam neigt es sich auf die Seite, bewegungslos liegt es zehn, zwanzig, höchstens hundert Sekunden lang; plötzlich schnellt es noch einmal zuckend auf, und ein Leichnam fällt auf den Boden zurück. Der höllische Tropfen hat seine Wirkung gethan.

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