Der Strauß in Brehms Tierleben

Strauß (Brehms Tierleben)

Die Unterschiede der gegenwärtig noch lebenden Kurzflügler sind so erheblich, daß fast jeder einzelne als Urbild einer besonderen Familie angesehen wird. Vertreter der ersten dieser Familien (Struthionidae) ist der Strauß, »Nâame« der Araber, »Gorojo« der Somali, »Akwir« der Begawi usw. (Struthio camelus und australis). Er kennzeichnet sich durch sehr kräftigen Leib, langen, größtentheils nackten Hals, kleinen, platten Kopf, große, glänzende Augen, deren oberes Lid Wimpern trägt, unbedeckte, offene, innen mit haarartigen Gebilden besetzte Ohren, mittellangen, stumpfen, vorn abgerundeten, an der Spitze platten, mit einem Hornnagel bedeckten, geraden Schnabel, dessen Kinnladen biegsam sind, und dessen Mundspalte bis unter das Auge reicht, längliche, ungefähr in der Mitte des Schnabels sich öffnende Nasenlöcher, hohe, starke, auf dem Schenkel nur mit einigen Borsten bekleidete, übrigens nackte Beine, groß geschuppte Läufe und zweizehige Füße, deren innere Zehe mit einem großen, breiten und stumpfen Nagel bewehrt ist, ziemlich große, zum Fliegen jedoch gänzlich untüchtige, mit doppelten Sporen besetzte Flügel, welche an Stelle der Schwingen lange, schlaffe, weiche, hängende Federn tragen, ziemlich langen Schwanz, welcher aus ähnlichen Federn besteht, und nicht undichtes, aus schlaffen, gekräuselten Federn gebildetes Gefieder, welches auf der Brustmitte eine hornige Schwiele unbekleidet läßt. Beim Männchen sind alle kleinen Federn des Rumpfes kohlschwarz, die langen Flügel- und Schwanzfedern aber blendendweiß, die nackten Halstheile hochroth, die Schenkel fleischfarben.

Das Auge ist braun, der Schnabel horngelb. Beim Weibchen ist das Kleingefieder braungrau, nur auf den Flügeln und in der Schwanzgegend schwärzlich; Schwingen und Steuerfedern sind unrein weiß. Die jungen, unreifen Vögel tragen, sobald sie das Nestkleid angelegt, ein dem Weibchen ähnliches Gefieder. Die Höhe des erwachsenen männlichen Straußes beträgt ungefähr dritthalb, die Länge von der Schnabelspitze bis zum Schwanzende mindestens zwei Meter, das Gewicht etwa fünfundsiebzig Kilogramm.

Der Strauß wird von den Alten oft erwähnt. Altegyptische Wandgemälde stellen ihn als einen dem Könige dargebrachten Pflichtzoll dar, ebenso wie seine Federn unter derartigen Gaben ihre Rolle spielen oder als Zierat des Hauptes verschiedener Gottheiten, Heerführer und Krieger Verwendung finden. Die Königin Arsinoë wurde, laut Pausanias, als auf einem Strauße reitend dargestellt; die Federn des Vogels galten als Sinnbild der Gerechtigkeit. Von den Assyrern wurde er wahrscheinlich als heiliger Vogel verehrt, und seine Federn zieren die Gewänder der auf dem ältesten Bauwerke zu Nimrud dargestellten Menschen. Herodot erwähnt, daß das lybische Volk der Maken im Kriege die Häute der Strauße zum Schutze trug, Strabo, daß die Struthophagen sich in das Fell eines Straußes kleiden, um die Riesenvögel zu berücken. Xenophon, Aristoteles, Diodorus Siculus, Plinius, Aelian und andere berichten über Gestalt und Wesen, Vorkommen und Lebensweise. Aelius Lampridius erzählt, daß der Kaiser Heliogabal bei einem Schmause die Köpfe von sechshundert Straußen, deren Gehirn verzehrt werden sollte, auftragen ließ, Julius Capitolinus, daß bei den Jagdspielen des Kaisers Gordian dreihundert roth gefärbte Strauße erschienen, Flavius Vopiscus, daß Kaiser Probus bei einer ähnlichen Gelegenheit eintausend dieser Vögel dem Volke preisgab. Alte chinesische Werke erwähnen Straußeneier, welche Kaisern des Himmlischen Reiches geschenkt wurden. In der Bibel wird der Strauß vielfach genannt, den unreinen Thieren beigezählt und als einsam lebender, geistloser Vogel geschildert. Im Mittelalter gelangten seine Federn auch auf unsere Märkte und behaupteten sich fortan als geschätzter Schmuck der männlichen und weiblichen Kleidung.

Steppen und Wüsten Afrikas und Westasiens beherbergen den Strauß. In früheren Zeiten ist er unzweifelhaft viel häufiger gewesen als gegenwärtig, hat auch Oertlichkeiten, Gegenden und Länder bevölkert, in denen er jetzt ausgerottet ist: ein Wüstenvogel aber war er von jeher. Er bewohnt die Sahara und die Lybische Wüste, alle Steppen Innerafrikas und die südlichen Ebenen des Erdtheiles, ebenso aber auch weite Landstriche Westasiens. Das Vordringen des Europäers hat ihn aus vielen Gegenden Afrikas, in denen er früher häufig war, zurückgedrängt; demungeachtet verbleiben ihm noch so viele geeignete Oertlichkeiten, daß man sagen darf, er fehlt keinem ausgedehnteren Landstriche Afrikas. Sein Wohnkreis beginnt im Süden Algeriens und reicht bis tief in das Kapland hinein, ebenso wie er, mit Ausnahme der bewaldeten Küstenländer, im Westen nicht minder als im Osten gefunden wird. In Nordegypten, wo Burkhardt ihn noch im Jahre 1860 zwischen Kairo und Sues antraf, ist er gegenwärtig ausgerottet; von Mittelegypten an nach Süden hin aber lebt er heute noch in namhafter Anzahl, obwohl auch er erst in den Steppen, also südlich von dem Wüstengürtel, häufig wird. Hartmann bemerkt, daß in der Bahiudasteppe, wo Hemprich und Ehrenberg im Jahre 1823 noch Strauße jagten, solche kaum mehr anzutreffen seien: ich kann dieser Angabe auf das bestimmteste widersprechen, da ich gerade in der Bahiuda sehr häufig Straußenfährten bemerkt habe. Meine Erfahrungen stimmen in dieser Beziehung durchaus mit denen Heuglins überein, welcher sehr richtig bemerkt, daß der Strauß heute noch in den Wüsten und Steppenwüsten zwischen dem Nile und Rothen Meere vorkomme und in den wirklichen Steppen, von der Samhara angefangen, durch das ganze Gebiet des Nils und weiter nach Westen hin, häufig auftrete. Die Länder Daka bis zum Barka, die Steppen der Schukeríe und der Dahiëna, Akhelin, nach Norden hin bis Khalabat und Sarago, die sogenannte Insel Sennâr oder alles zwischen dem Blauen und Weißen Nil liegende Land, die ganze südliche Bahiuda Kordofân, Dar el Fur und Takhale beherbergen Strauße in Menge, und ebenso findet sich der Riesenvogel, laut Heuglin, im Gebiete des Weißen Flusses, wenn auch bloß in den höheren und sandigeren Gegenden. Südöstlich des Nilgebietes meidet er auch nur Gebirgsländer, beispielsweise Abessinien, tritt aber in allen Ebenen, selbst in Hochebenen, ebenso regelmäßig auf wie dort. In der südlichen Sahara ist er nirgends selten, und von hier aus erstreckt sich sein Verbreitungsgebiet mehr oder minder ununterbrochen bis nach dem Süden des Erdtheiles. Hier begegneten ihm alle Reisenden, welche tiefer in das Innere des Landes eindrangen, vorausgesetzt, daß sie trockene, sandige, wüstenhafte Gebiete durchzogen. In Asien mag sein Verbreitungskreis vormals viel ausgedehnter gewesen sein als in der Jetztzeit; aber auch gegenwärtig noch kommt er hier, wie Hartlaub mit ebensoviel Fleiß als Gelehrsamkeit festgestellt hat, in den Wüsten des Euphratgebietes, insbesondere der Bassida und der Dekhena, auf allen geeigneten Oertlichkeiten Arabiens und endlich in einzelnen Theilen Südpersiens vor. Vâmbéry hörte sogar, daß er zuweilen noch am unteren Laufe des Oxus, in der Gegend von Kungrad, gefunden werde und dort den Namen Kamel- oder Koffervogel führe.

Sandige Strecken der Wüste, denen aller Pflanzenwuchs mangelt, können Strauße selbstverständlich nicht ernähren; man begegnet ihnen innerhalb des Wüstengürtels daher nur in Niederungen, in denen ein wenn auch spärlicher Pflanzenwuchs den Boden deckt; wohl aber sieht man, wie Heuglin richtig hervorhebt, auch auf gänzlich pflanzenlosen Strecken, sogenannten Hammadas, nicht allzuselten die Fährten des Vogels, welcher, von einer Niederung zur anderen ziehend, solche Sandmeere durchwandert. In Südafrika scheinen derartige Reisen regelmäßiger zu geschehen als im Norden; wenigstens gedenken alle Reisenden, welche Gelegenheit hatten, eingehendere Beobachtungen zu sammeln, des zeitweiligen Auftretens und Wiederverschwindens von Straußen in einem und demselben Gebiete. Eintretende Dürre zwingt die Vögel, bestimmte Weidegebiete zu verlassen und andere, oft weit entfernte, sogar auf sonst gemiedenen Höhen gelegene, aufzusuchen, und ihre außerordentliche Bewegungsfähigkeit setzt sie in den Stand, weite Reisen mit Leichtigkeit zurückzulegen. Selbst in den reichen Steppen, deren endlose Graswälder, mit Buschwald bestandene Einsenkungen und Felder jahraus jahrein Nahrung gewähren, führen die Strauße, ohne eigentlich Zugvögel zu sein, ein Wanderleben und schweifen, so lange sie die Brut nicht an eine bestimmte Stelle bindet, in engeren oder weiteren Grenzen umher.

Einige Reisende, unter ihnen Lichtenstein, sprechen von sehr ansehnlichen Straußenherden, welche sie von ihrem Wege aus gesehen haben, und auch Heuglin erwähnt, daß er im Herbste des Jahres 1854 Trupps von meist jungen Vögeln begegnet sei, deren Anzahl wohl funfzig bis sechzig betragen mochte. Regel ist dies nicht, vielmehr immer nur Ausnahme. Gewöhnlich lebt der Strauß im Süden wie im Norden des Erdtheiles in kleinen Trupps von fünf bis sechs Stück oder selbst in Familien, in denen man dann meist mehr Hennen als Hähne bemerkt. Eine solche Familie scheint ein ziemlich ausgedehntes Weidegebiet zu haben und an demselben mit einer gewissen Zähigkeit festzuhalten. Die erste Bedingung, welche der Vogel an seinen Aufenthalt stellt, ist Vorhandensein von Wasser. Da, wo solches reichlich vorhanden und nicht überall von Menschen in Besitz genommen wurde, stößt man jederzeit, wenn auch nicht auf Strauße selbst, so doch auf unverkennbare Anzeichen ihres Vorkommens, auf ihre Fährten, welche nicht verwechselt werden können, Lichtenstein beobachtete, daß sie nach den Quellen, aus welchen sie zu trinken pflegen, immer auf einem und demselben Wege gehen, so daß dadurch gerade Bahnen ausgetreten werden, welche in den unbewohnten Gegenden oft auf die Vermuthung führen, daß man Fußsteige von Menschen vor sich habe. Da, wo der Unterschied der Jahreszeiten und ihre Einwirkung auf die Pflanzenwelt nicht so groß ist, daß der Strauß zum Wandern gezwungen wird, behält er das einmal gewählte Gebiet wahrscheinlich jahraus, jahrein bei und entfernt sich selten über die Grenzen desselben.

Das tägliche Leben des Straußes verläuft ziemlich regelmäßig. In den Früh- und Nachmittagsstunden sind alle Mitglieder eines Trupps mit der Weide beschäftigt. Hierbei wandeln sie, gemächlich schreitend, etwas von einander getrennt, durch ihr Gebiet, von einer genießbaren Pflanze zur anderen sich wendend. Gegen die Mittagszeit hin haben sie ihren Magen gefüllt und ruhen nun entweder einige Stunden, bald auf den Fußwurzeln hockend, bald auf dem Bauche liegend, oder tummeln sich munter und übermüthig umher, führen die wunderlichsten Tänze aus, indem sie wie toll in einem engen Kreise hin- und herlaufen, die Flügel heben und zitternd schwingen, als ob sie versuchen wollten, in die Luft sich zu erheben. Die drückendste Sonnenhitze scheint sie nicht im mindesten zu belästigen, ebensowenig als der glühende Sand sie behelligt. Später gehen sie vielleicht zur Tränke, nehmen sogar, wie Heuglin beobachtete, ein Bad im Meere, indem sie auf Sandbänken in das Wasser waden und hier, oft weit vom Ufer entfernt, bis an den Hals eingetaucht, längere Zeit stehend verweilen. Nachmittags weiden sie wiederum, und gegen Abend suchen sie an irgend einer geeigneten Stelle ihr Nachtlager, legen sich mit zusammengeknickten Beinen auf den Bauch und schlafen, ohne jedoch auch jetzt noch ihre Sicherung zu vernachlässigen. Vor drohenden Gewitterstürmen legen sie sich ebenfalls nieder; im allgemeinen aber lieben sie Bewegung mehr als Ruhe.

Die starken und behenden Läufe ersetzen dem Strauße zwar nicht das Flugvermögen anderer Vögel, verleihen ihm aber doch eine Bewegungsfähigkeit, welche wahrhaft in Erstaunen setzt. Bei meiner Reise durch die Bahiuda überritt ich eine sandige Stelle, auf welcher Straußenfährten in allen Richtungen sich kreuzten. Man konnte an ihnen deutlich erkennen, ob der Vogel behaglichen Schrittes gegangen oder trabend gelaufen war. Im ersteren Falle waren die Fußstapfen ein bis anderthalb, im letzteren zwei bis drei Meter von einander entfernt. Anderson versichert, daß der Strauß, gejagt und auf geringe Entfernung hin, die englische Meile vielleicht in einer halben Minute durchlaufen könne, weil seine Füße den Boden kaum zu berühren scheinen und jeder Schritt nicht selten vier bis fünfthalb Meter weit sei. Diese Angabe ist gewiß übertrieben, wohl aber ist es richtig, daß der Vogel mit einem Rennpferde an Schnelligkeit nicht nur wetteifert, sondern es überholt; das Wort der Bibel: »Zur Zeit, wenn er hoch fähret, erhebt er sich und verlachet beide, Roß und Mann«, enthält also die vollständige Wahrheit. Bei sehr eiligem Laufe breitet der Strauß seine Flügel, vielleicht weniger, um sich im Gleichgewichte zu halten, als infolge der Erregung, welche sich seiner unter solchen Umständen bemächtigt, und welche er auch sonst in derselben Weise zu bekunden pflegt.

Als den am besten entwickelten Sinn des Straußes hat man unzweifelhaft das Gesicht anzusehen. Das Auge ist wirklich schön und seine Sehkraft erstaunlich groß. Alle Beobachter stimmen darin überein, daß man aus dem Gebaren des Riesenvogels deutlich wahrnehmen kann, wie er auf Meilen hin sein nacktes Gebiet beherrscht. Nächstdem sind Gehör und Geruch am meisten entwickelt, Gefühl und Geschmack aber wohl sehr stumpf; wenigstens läßt das Gebaren des Vogels hierauf schließen. Ueber die geistigen Fähigkeiten lautet das Urtheil verschieden; denn während einige Forscher mit der Bibel übereinstimmen, welche sagt, daß Gott ihm die Weisheit genommen und keinen Verstand zuertheilt habe, rühmen andere die Klugheit, namentlich die Vorsicht und Scheu des Vogels. Ich habe jahrelang mit Straußen verkehrt und muß ebenfalls der Bibel beipflichten. Meiner Ansicht nach gehört der Strauß zu den dümmsten, geistlosesten Vögeln, welche es gibt. Daß er sehr scheu ist, unterliegt keinem Zweifel: er flieht jede ihm ungewohnte Erscheinung mit eiligen Schritten, würdigt aber schwerlich die Gefahr nach ihrem eigentlichen Werthe, weil er sich auch durch ihm unschädliche Thiere aus der Fassung bringen läßt. Daß er unter den klugen Zebraherden lebt und sich deren Vorsicht zu Nutze zu machen scheint, spricht keineswegs für seinen Verstand; denn die Zebras schließen sich ihm an, nicht er ihnen, und ziehen aus dem schon durch seine Höhe zum Wächteramte berufenen Vogel, welcher davon stürmt, sobald er etwas ungewohntes sieht, bestmöglichsten Vortheil. Das Betragen gefangener Strauße läßt auf einen beschränkten Geist schließen. Sie gewöhnen sich allerdings an den Pfleger und noch mehr an eine gewisse Oertlichkeit, lassen sich aber zu nichts abrichten und folgen augenblicklichen Eingebungen ihres schwachen Gehirnes blindlings nach. Empfangene Züchtigungen schrecken sie zwar für den Augenblick, bessern sie aber nicht: sie thun dasselbe, wegen dessen sie bestraft wurden, wenige Minuten später zum zweiten Male: sie fürchten die Peitsche, so lange sie dieselbe fühlen. Andere Thiere lassen sie gewöhnlich gleichgültig; während der Paarungszeit aber, oder wenn sie sonst in Erregung gerathen, versuchen sie, an denselben ihr Müthchen zu kühlen und mißhandeln sie ohne Grund und Ursache, oft auf das abscheulichste. Ein männlicher zahmer Strauß, welchen wir besaßen, verwundete ein Weibchen, ehe er sich an dasselbe gewöhnt hatte, mit den scharfen Nägeln seiner Zehen gefährlich. Er schlug dabei immer nach vorn aus und zwar mit solcher Kraft und Sicherheit, daß er jedesmal die Brust der bedrängten Straußin entsetzlich zerfleischte. Uns fürchtete er ebensowenig wie die Thiere, und wenn er sich gerade in Aufregung befand, durften wir uns ohne die Nilpferdpeitsche in der Hand nicht auf den ihn beherbergenden Hof wagen. Niemals haben wir bemerkt, daß er zwischen uns oder Fremden unterschieden hätte; doch will ich damit nicht behaupten, daß er nicht nach und nach sich an eine bestimmte Persönlichkeit gewöhnen könne. Gern stimme ich mit Heuglin überein, wenn er sagt, daß sein ganzes Wesen das Gepräge von Hast und Eile trage, obschon er zuweilen auch längere Zeit wie träumend und gedankenlos ins weite starre; entschieden aber muß ich meinem verstorbenen Freunde widersprechen, wenn er das Wesen auch als friedlich bezeichnet.

Pflanzenstoffe bilden die hauptsächlichste, jedoch nicht ausschließliche Nahrung des Straußes. In der Freiheit weidet er nach Art des Truthahnes, indem er Gras, Kraut und Laub abbeißt oder Körner, Kerbthiere und kleine Wirbelthiere vom Boden aufliest; in der Gefangenschaft würgt er alles ihm erreichbare hinab. Er scheint einen unwiderstehlichen Hang zu besitzen, nach allem, was nicht niet- und nagelfest ist, zu hacken und es womöglich aufzunehmen und in den Magen zu befördern. Ein ihm vorgeworfener Ziegelbrocken, eine bunte Scherbe, ein Stein oder ein anderer ungenießbarer Gegenstand erregt seine Aufmerksamkeit und wird ebenso gut verschlungen, als ob es ein Stück Brod wäre. Daß Strauße zu Selbstmördern werden können, indem sie ungelöschten Kalk fressen, steht mit meinen Beobachtungen im Einklange. Wenn wir in Chartum etwas verloren hatten, welches für eine Straußenkehle nicht zu umfangreich und für den kräftigen Magen nicht zu schwach war, suchten wir regelmäßig zuerst im Straußenkothe nach dem vermißten Gegenstande und sehr oft mit Glück. Mein ziemlich umfangreicher Schlüsselbund hat den angegebenen Weg, wenn ich nicht irre, mehr als einmal gemacht. Berchon fand bei Zergliederung eines Straußes in dem Magen Gegenstände im Gewichte von 4,228 Kilogramm vor: Sand, Werch und Lumpen im Gewichte von 3,5 Kilogramm und drei Eisenstücke, neun englische Kupfermünzen, eine kupferne Thürangel, zwei eiserne Schlüssel, siebzehn kupferne, zwanzig eiserne Nägel, Bleikugeln, Knöpfe, Schellen, Kiesel usw. Kleinere Wirbelthiere werden gern verzehrt. Meine gefangenen Strauße in Chartum fraßen einige Küchlein, welche sich unvorsichtig in ihre Nähe gewagt hatten; Methuen beobachtete dasselbe. »Eine Ente hatte eine hoffnungsvolle Schar Junge zur Welt gebracht und führte sie mit mütterlichem Stolze im Hühnerhofe hin und her. Hier trafen sie auf den Strauß, welcher mit feierlichen Schritten auf und ab ging, und dieser verschluckte alle jungen Enten, eine nach der anderen, als wären es ebenso viele Austern gewesen.« Heuglin zählt, gewiß nicht mit Unrecht, allerlei Kriechthiere, junge Vögel und Wüstenratten zu seinen Nährstoffen.

Gefräßig kann man den Strauß gleichwohl nicht nennen; denn die Nahrungsmenge, welche er verzehrt, steht keineswegs außer Verhältnis zu seiner Größe. Für seine Genügsamkeit spricht schon sein Aufenthalt in Gegenden, welche so arm sind, daß man es oft nicht begreift, wie sich der große Vogel überhaupt ernähren kann. Sein Gebaren beim Fressen erscheint gierig, ohne es eigentlich zu sein. Dagegen nimmt er tagtäglich eine bedeutende Wassermenge zu sich. Es ist wahrscheinlich, daß auch er, wie das Kamel, mehrere Tage lang dursten kann; in der Regel aber findet er sich tagtäglich an Quellen oder Wasserlachen ein und vergißt, wenn ihn arger Durst quält, sogar die ihm sonst eigene Scheu. »Wenn Strauße an einer Quelle trinken«, sagt Anderson, »scheinen sie weder zu hören, noch zu sehen. Während unseres Aufenthaltes an einer solchen, wo ich in kurzer Zeit acht dieser prächtigen Vögel tödtete, erschienen sie regelmäßig jeden Mittag, und, obwohl ich mich nicht an sie heranschleichen konnte, ohne von ihnen gesehen zu werden, ließen sie mich doch in Schußweite kommen und zogen sich nur Schritt für Schritt zurück.« Genau dasselbe haben mir die Araber erzählt, und nach Beobachtungen angefangenen scheint mir die Angabe glaubwürdig. Ob mit dieser Menge von Getränk in Verbindung steht, daß der Strauß harnt, wie es sonst kein anderer Vogel thut, lasse ich dahingestellt sein.

Ueber die Fortpflanzung sind wir erst durch die Beobachtungen, welche angefangenen Straußen angestellt werden konnten, aufgeklärt worden. In früheren Berichten vermischen sich Wahrheit und Dichtung. Sparrmann ist der erste Naturforscher, welcher aus eigener Anschauung eine wahrheitsgetreue Schilderung gibt; aber auch er läßt sich durch Mittheilungen der Eingeborenen beirren. »Heute«, so erzählt er, »scheuchten wir einen Strauß, und zwar ein Männchen, vom Neste, welches er mitten auf dem freien Felde hatte, das indessen aus nichts weiter bestand, als aus dem Erdboden, auf dem die Eier lose und frei lagen. Der Strauß läßt also seine Eier nicht liegen, damit sie von der Sonne allein ausgebrütet werden, sondern er sitzt sie aus, zum wenigsten thut er dies in diesem Theile von Afrika. Es erhellt aus jenem Umstande, daß Männchen und Weibchen abwechselnd brüten. Die eigentliche Anzahl der Eier, welche die Strauße jedesmal legen, getraue ich mir nicht genau zu bestimmen. Derjenigen, welche wir jetzt antrafen, waren nur elf; sie waren alle frisch und sollten vermuthlich mit verschiedenen vermehrt werden; denn ein anderes Mal jagten zwei meiner Hottentotten wieder einen Strauß auf und nahmen vierzehn Eier aus dem Neste, von denen sie mir die meisten brachten, die übrigen aber liegen ließen, weil sie solche nicht für frisch hielten. Wahrscheinlich legt also der Strauß sechzehn, achtzehn oder zwanzig Eier.«

Lichtenstein beschreibt das Brutgeschäft ausführlicher. Nachdem er angegeben hat, daß während der Brutzeit nie mehr als vier bis fünf Strauße, ein Hahn und drei bis vier Hennen, beisammen leben, sagt er: »Alle die Hennen legen ihre Eier in ein und dasselbe Nest, welches aus nichts weiter besteht als aus einer runden Vertiefung in dem etwas aufgelockerten Thonboden, welche so groß ist, daß sie diese beim Brüten eben bedecken können. Rund umher scharren sie mit den Füßen eine Art von Wall, gegen welchen sich die Eier im äußersten Kreise anlehnen. Jedes Ei im Neste steht auf der Spitze, damit ihrer die größtmöglichste Zahl Platz finde. Sobald zehn bis zwölf Eier in dem Neste sind, fangen sie an zu brüten und zwar abwechselnd, indem am Tage sich die Hennen einander ablösen; bei Nacht aber brütet das Männchen allein, um die Angriffe des Schakals und der wilden Katzen, welche den Eiern gierig nachstellen, abwehren zu können. Indessen legen die Hennen während des Brütens immer fort, und nicht nur bis das Nest voll ist, welcher Fall eintritt, sobald dreißig Eier darin sind, sondern auch nachher. Diese später gelegten Eier liegen unordentlich um das Nest herum und scheinen von der Natur dazu bestimmt, die Raubsucht der oben genannten Feinde zu befriedigen, denen sie lieber diese frischen Eier, als die schon bebrüteten preisgeben will. Indessen haben sie noch eine wichtigere Bestimmung, die nämlich, den jungen Straußen, welche, wenn sie ausgekrochen sind, schon die Größe eines gewöhnlichen Hahnes haben, und deren zarte Magen doch nicht gleich das harte Futter der Alten vertragen, zur ersten Nahrung zu dienen. Die Alten selbst zertreten ihnen eines dieser Eier nach einander und bringen sie durch dieses nahrhafte Futter in kurzer Zeit so weit, daß sie selbst im Stande sind, sich im Felde ihre Nahrung zu suchen. Besonders sorgfältig suchen die Strauße den Ort zu verheimlichen, wo sie ihr Nest angelegt haben. Sie laufen nie gerade darauf zu, sondern pflegen es erst in weiten Bogen zu umkreisen. Ferner lösen sich die Weibchen im Brüten entweder nicht unmittelbar ab, und entfernen sich erst beide aus der Gegend des Nestes, damit man nicht gewahr werde, wo sie sich legen, oder sie wechseln so schnell, daß der etwaige Späher nie beide zugleich zu sehen bekommt. Am Tage verlassen sie das Nest auch wohl ganz und überlassen der Sonne das Geschäft des Brütens. Sobald sie bemerken, daß ihr Nest entdeckt ist und daß ein Mensch oder ein Raubthier dabei gewesen, die Lage der Eier verändert, oder wohl gar davon mitgenommen, zerstören sie es augenblicklich selbst, zertreten alle Eier und legen an einem anderen Orte ihr Nest an. Wenn daher die Ansiedler ein Nest finden, pflegen sie sich mit einem oder ein paar der umherliegenden, noch nicht bebrüteten Eier zu begnügen, scharren mit einem Strauche die Spuren ihrer Fußtritte wieder zu und können auf diese Art ein solches Nest zu einer wahren Vorrathskammer eines sehr angenehmen Nahrungsmittels machen, aus welcher alle zwei bis drei Tage soviel geholt werden kann, als die Haushaltung davon bedarf. In den Wintermonaten (Juli, August, September) findet man die Straußennester am häufigsten, und dann taugen die Federn, die beim Brüten viel auf der Erde abgestoßen und beschädigt werden, am wenigsten. Indessen habe ich zu allen Jahreszeiten Nester und bebrütete Eier gefunden.«

Dieser Bericht, welcher sich theils auf eigene Beobachtung, zum größeren Theile aber wohl auf die Erzählung der Südafrikaner gründet, findet sich nicht nur in den meisten Reisebeschreibungen wieder, sondern ist auch in alle Naturgeschichten übergegangen, enthält aber, wie wir jetzt wissen, viel unrichtiges. Auch Hartmanns Angabe, daß das Weibchen zweimal im Jahre zwölf bis zwanzig, mitunter sogar dreißig, Eier lege, ist offenbar falsch.

Versucht man, die Spreu vom Weizen zu sondern, so ergibt sich, daß allerdings mehrere Hennen in ein und dasselbe Nest legen, daß aber in der Regel nicht sie sitzen, sondern daß der Strauß brütet, und jene höchstens ausnahmsweise an diesem Geschäfte sich betheiligen. Je nach der Gegend tritt die Brutzeit früher oder später ein, immer und überall aber kurz vor Beginn des Frühlings, welcher das Weidegebiet der jungen Brut ergiebig macht. Der Hahn umtanzt die Henne mit gehobenen und zitternden Flügeln und unter allerlei Sprüngen und Geberden, wie dies später noch ausführlicher geschildert werden wird, und betritt sie dann in sitzender Stellung. Nach geraumer Zeit legt das Weibchen sein erstes Ei und die übrigen in Zwischenräumen von je zwei Tagen nach, bis das Gelege vollständig ist. Nunmehr beginnt die Bebrütung, und zwar zumeist von Seiten des Männchens, welches unter Umständen die Henne überhaupt nicht zuläßt oder ihr doch nur dann zu sitzen gestattet, wenn es sich zeitweilig entfernen muß, um die nöthige Aesung aufzunehmen. In kühleren Gegenden werden die Eier während des Tages ebenso regelmäßig bebrütet wie während der Nacht, im Inneren Afrikas dagegen bei Tage ohne Schaden für sie stundenlang verlassen, dann aber gewöhnlich mit Sand zugedeckt. Letzteres wurde mir von den Beduinen erzählt und durch Tristram selbst beobachtet. »Einmal, aber auch nur einmal«, sagt dieser verläßliche Forscher, »hatte ich das Glück, ein Straußennest auszunehmen. Mit Hülfe unserer Ferngläser beobachteten wir zwei Vögel, welche längere Zeit auf einer und derselben Stelle standen, und fühlten uns veranlaßt, dahin zu reiten. Nachdem wir die schwer zu verfolgende Fährte aufgefunden hatten, ritten wir zur Stelle, auf welcher wir die Strauße hatten stehen sehen, und fanden dort den Sand niedergetrampelt. Zwei Araber begannen mit ihren Händen zu wühlen und brachten bald vier frische Eier aus einer Tiefe von ungefähr sechzig Centimeter unter der Oberfläche zum Vorscheine.« Die Eier selbst sind verschieden groß, erklärlicherweise aber die größten von allen Vögeleiern. Ihre Länge schwankt zwischen einhundertundvierzig bis einhundertfünfundfunfzig, ihr Durchmesser an der dicksten Stelle zwischen einhundertundzehn bis einhundertsiebenundzwanzig Millimeter; die Gestalt ist schön eiförmig, an beiden Enden fast gleich abgerundet, die glänzende Schale sehr hart und dick, die Färbung gilblichweiß mit hellgelblicher, marmorartiger Zeichnung. Das Gewicht beträgt nach Hardy’s Untersuchung im Durchschnitte eintausendvierhundertzweiundvierzig Gramm, eben soviel wie das von vierundzwanzig Eiern des Haushuhnes. Der Dotter ist schmackhaft, obschon bei weitem weniger mild als der des Haushuhnes. Die Eier, welche man ums Nest herum findet, haben gewiß nicht den Zweck, welchen ihnen Lichtenstein zuschreibt, sondern werden nachträglich noch von dem oder jenem Weibchen abgelegt, während das Männchen bereits brütet. Es ist erklärlich, daß eine solche Ansicht über ihre Verwendung entstehen konnte, aber schwer begreiflich, wie ein Naturforscher, welcher doch über die erste Nahrung junger hühnerartigen Vögel unterrichtet sein muß, jener Meinung Glauben beimessen konnte. Nach einer zwischen fünfundvierzig bis zweiundfunfzig Tagen schwankenden Brutzeit entschlüpfen die Jungen und werden sofort, nachdem sie abgetrocknet, vom Neste weg und zur Weide geführt. Ueber sie kann ich aus eigener Erfahrung berichten, da ich einmal zu gleicher Zeit zehn von ihnen besessen, gepflegt und beobachtet habe. Nach Versicherung der Sudâner, welche sie mir brachten, waren sie höchstens einen Tag alt; zum mindesten behaupteten die Leute, es sei unmöglich, ältere zu fangen. Es sind allerliebste Thierchen, welche aber sonderbar aussehen, da sie eher einem Igel als einem Vogel gleichen. Ihre Bedeckung besteht nämlich nicht aus Federn, sondern aus steifen, dem Igel ähnlichen Horngebilden, welche in allen Richtungen vom Körper abstehen. Der Scheitel ist, nach Heuglin, welcher eine Beschreibung von ihnen genommen hat, lebhaft roströthlich mit wenigen schwarzen Tigerflecken, der Hals schmutzigweiß, ins Fahle spielend; Wangen, Ohrgegend und Kinn sind reiner weiß, die Halsseiten durch braunschwärzliche Längsflecke, Nacken und Hinterhals durch drei deutliche, ebenso gefärbte Längsstreifen geziert; die Brust ist falbweißlich, der Bauch schmutzigweiß, der Rücken auf weißlichem Grunde mit etwas krausen, hell strohgelblichen und glänzend schwarzen, im spitzigen Theile abgeplatteten lanzettförmigen Borsten bekleidet. Ihr Betragen ist das junger Trappen oder Hühner. Sie laufen sofort nach dem Auskriechen ebenso behend und gewandt als diese umher und sind geschickt genug, ihre Nahrung zu erbeuten. Nachdem meine gefangenen ungefähr vierzehn Tage alt geworden waren, benahmen sie sich so selbständig, daß wir annehmen durften, sie vermißten die Führung ihrer Eltern nicht. Gleichwohl wissen wir, daß diese oder mindestens der Vater ihnen sorgfältige Pflege angedeihen läßt. Schon der brütende Strauß bethätigt warme Liebe zu den Eiern, tritt verhältnismäßig starken Feinden kühn gegenüber und nimmt zu allerlei Kunstgriffen seine Zuflucht, wenn er meint, einen unwillkommenen, ihm zu starken Gegner loswerden zu können. Anderson erzählt von einem Zusammentreffen mit einer Strau ßenfamilie, auf welche Jagd gemacht wurde. »Sobald die älteren Vögel unsere Absicht bemerkten, begannen sie eine eilige Flucht, das Weibchen voran, hinter ihm die Jungen und zuletzt das Männchen, welches in einiger Entfernung von den übrigen die Flucht schloß. Es lag etwas wahrhaft rührendes in der Sorge, welche die Eltern für ihre Jungen an den Tag legten. Als sie sahen, daß wir ihnen immer näher kamen, ließ das Männchen plötzlich in seinem Laufe nach und änderte seine Richtung; da wir aber doch von unserem Vorhaben nicht abstanden, beschleunigte es wieder seinen Lauf, ließ die Flügel hängen, so daß sie fast den Boden berührten, und sprang um uns herum, erst in weiteren und dann in engeren Kreisen, bis es uns auf Pistolenschußweite nahe kam. Jetzt warf es sich plötzlich auf den Boden, ahmte die Bewegung eines schwer verwundeten Vogels nach und stellte sich, als müsse es mit aller Kraft arbeiten, um wieder auf die Beine zu kommen. Ich hatte bereits nach ihm geschossen und glaubte wirklich, daß es verwundet sei, eilte deshalb zu ihm hin, mußte aber bald erfahren, daß sein Betragen nur eine Kriegslist von ihm war; denn sobald ich ihm näher kam, stand es langsam auf und rannte in entgegengesetzter Richtung dem Weibchen zu, welches mit den Jungen schon einen bedeutenden Vorsprung erlangt hatte.«

Mit dem Alter von zwei Monaten verlieren sich die Stachelfedern der jungen Strauße und machen dem unscheinbaren, grauen Gewande der Weibchen Platz. Dieses tragen beide Geschlechter bis zu ihrem zweiten Lebensjahre. In diesem sieht das Männchen schon schwarz aus, erst im dritten Jahre aber ist es ausgewachsen, ausgefärbt und zeugungsfähig.

Der Strauß erträgt, falls er genügenden Raum zu freier Bewegung hat, die Gefangenschaft ohne Kummer, läßt sich auch, wie schon angedeutet, so an einen gewissen Ort gewöhnen, daß er nach Belieben umherschweifen darf, ebenso hüten und auf Reisen mitnehmen. Duveyrier sah auf dem Wege nach Rhat im Lande der Tuareks einen zahmen Strauß einer Karawane folgen. Dem Vogel wurden, wenn er sich sonst überlassen blieb, Fesseln an die Füße gelegt, wie sie die Kamele auf der Weide tragen, damit er sich nicht verlaufen möge; im übrigen beaufsichtigte man ihn nicht, und er erschien auch regelmäßig wieder mit den Kamelen, denen er dann fessellos folgte. Auch Heuglins gezähmte Strauße wurden mit den Pferden und Kamelen frei auf die Weide getrieben oder durften sich nach Belieben in den Straßen der Ortschaften bewegen. Im Inneren Afrikas pflegen alle wohlhabenden und vornehmen Leute, sehr häufig aber auch die Dorfbewohner der Steppe, zu ihrem Vergnügen Strauße zu halten. In der Ortschaft Haschâba in Kordofân fand ich zwei Strauße, welche in einem halbwilden Zustande lebten, nach freiem Ermessen im Dorfe oder der es umgebenden Steppe umherliefen, von uns erkauft und in einer Anwandlung von kindischer Ruhmsucht schließlich todtgeschossen und abgebalgt wurden. In Chartum schauten über die Mauern der größeren Höfe regelmäßig ein Paar Straußenköpfe weg; in anderen Ortschaften fanden wir dieselbe Liebhaberei bethätigt. Es bedurfte eines einzigen Wortes, d.h. nur des Rühmens der Vögel, um glücklicher Besitzer von Straußen zu werden. Im Sudân dachte niemand daran, letztere zu Hausthieren zu stempeln, beziehentlich sie in irgend einer Weise zu benutzen; man hielt sie einzig und allein des Vergnügens wegen und gab sich nicht die geringste Mühe, sie zu züchten, ebensowenig als man darauf ausging, ihre Federn zu verwerthen. Erst der neuesten Zeit gebührt das Verdienst, die Züchtung versucht und Erfolge erzielt zu haben.

Die ersten Strauße wurden in Algier gezüchtet. In Ham hielt man, laut Hardy, seit zehn Jahren in einem ziemlich engen Raume der dortigen Baumschule zahme Strauße. Es waren zufällig viel mehr Männchen als Weibchen vorhanden. Die Männchen bekämpften sich beständig, und die Weibchen legten nicht, sei es nun, daß sie zu jung waren, oder daß die Oertlichkeit nichts taugte. Nachdem viele weggeschenkt worden, blieben zwei Männchen und zwei Weibchen übrig. Diese sperrte man nun im Jahre 1852 in ein kreisförmiges Gehege von funfzehn Meter Durchmesser ein. Die Paare schienen sich bald gewählt zu haben; aber die beiden Männchen bekämpften sich fortwährend, bis endlich eines sich zum Alleinherrscher aufwarf. Es war um die Paarzeit, welche sich auch äußerlich bei dem Männchen durch verschiedene Zeichen kundgibt: die nackte Haut der Schenkel färbt sich lebhaft roth; das Gefieder prangt in seiner schönsten Schwärze. Der Hahn sucht seine Liebe durch eigenthümliche Geberden und Tänze auszudrücken und läßt fremdartige, heisere, tiefe Laute ertönen. Er hockt sich vor dem Weibchen auf die Fußwurzel nieder, bewegt Hals und Kopf in regelmäßiger Weise, zittert am ganzen Körper und schlägt mit den Flügeln. Beim Schreien wirft er den Hals zurück, schließt den Schnabel und stößt nun durch krampfhafte, aber willkürliche Bewegungen des ganzen Körpers die in der Lunge enthaltene Luft hervor, wobei er seine Kehle außerordentlich aufbläht. Die dreimal drei Töne, welche er oft wiederholt, erinnern an das Brüllen des Löwen, aber auch an ein dumpfes Trommeln. Der zweite ist um einige Töne höher als der erste, der dritte viel tiefer und gedehnt, gegen das Ende hin allmählich verschwächt. Es wurde ein Nest gegraben, und unmittelbar darauf begann das Weibchen zu legen. Männchen und Weibchen arbeiteten am Neste, faßten die Erde mit dem Schnabel und warfen sie so aus dem Kreise heraus, welchen sie graben wollten. Während dieser Arbeit wurden die Flügel niedergebeugt und zitternd bewegt. Der Boden war voll Schuttsteine und Kiessand, welche zusammen eine feste Masse bildeten; dennoch wurde die etwa ein Meter im Durchmesser haltende Grube nur mit dem Schnabel ausgetieft, auch ein größerer Stein mit ihm herausgefördert. Trotz dieser Vorkehrungen legten die Hennen ihre Eier nicht in die gegrabenen Nester, vielmehr bald dahin, bald dorthin.

Im December des Jahres 1856 brachte Hardy das Paar in einen geräumigeren und ruhigeren Park, welcher zur einen Hälfte mit Bäumen und Gebüsch bedeckt, zur anderen durch ein hohes Gebäude geschützt war. Im Januar gruben die Strauße ihr Nest in die Mitte des Gehölzes, gerade am dichtest belaubten Orte. Gegen den funfzehnten begann das Weibchen zu legen. Zwei Eier wurden an verschiedene Orte, die übrigen zwölf zusammen nach einander in das gegrabene Nest gelegt. In den ersten Tagen des März fingen sie an zu brüten. Eine Woche nachher fiel starker und dauernder Regen; das Wasser drang ins Nest ein, die Eier lagen bald in einer Art von Mörtel eingebettet, und die Eltern verließen ihre Brut. Hardy traf Vorkehrungen, ließ an der betreffenden Stelle ein Sandhügelchen aufführen und bedeckte die Stelle außerdem noch durch Strohmatten. Zu seiner großen Genugthuung sah er gegen Mitte des Mai die Straußen ein neues Nest und zwar auf der Spitze des künstlichen Hügels graben. Bald darauf begann das Legen wieder. In den letzten Tagen des Juni beschäftigten sich die Vögel viel um das Nest; vom zweiten Juli an brüteten sie regelmäßig. Am zweiten September sah man ein Junges neben dem Neste umherlaufen; vier Tage später gaben die Alten das Brüten auf und befaßten sich nur noch mit ihrem Sprößlinge. Hardy zerbrach die Eier und fand in ihnen drei Keimlinge, deren Entwickelung schon ziemlich weit vorgeschritten war. Der ausgeschlüpfte Strauß wuchs prächtig heran und erreichte seine volle Ausbildung.

Am achtzehnten Januar begann die Straußin wieder zu legen und zwar genau in derselben Weise wie früher. Nachdem zwölf Eier im Neste waren, schickte sie sich zu Anfang des März zum Brüten an, indem sie über Mittag bald längere, bald kürzere Zeit darauf saß. Vom zwölften März ab blieb sie fest auf den Eiern sitzen; dann, namentlich bei Nacht, theilte der Strauß das Brutgeschäft mit ihr, harrte immer länger aus, und gegen das Ende der Brütezeit hin saß er mehr als die Straußin selbst. Jedesmal, wenn sich beide ablösten, untersuchte dasjenige, welches sich zu setzen im Begriffe war, die Eier eines nach dem anderen, indem es sie umdrehte und einzeln an einen anderen Ort rollte. Bei Regenwetter legte sich derjenige Strauß, welcher nicht auf den Eiern saß, dem anderen an die Seite, um ihm im Schutze der Eier beizustehen. Schon in den ersten Tagen des Brütens war ein Ei aus dem Neste geworfen worden. Es blieb unberührt und wurde von den Straußen nicht zertrümmert. Am elften Mai sah man einige kleine Strauße den Kopf unter den Flügeln des brütenden Alten hervorstrecken, am Morgen des dreizehnten Männchen und Weibchen das Nest verlassen und eine Herde von neun Jungen anführen. Die kleinsten wankten noch mit unsicheren Schritten, die ältesten liefen schon rasch umher und pflückten die zarten Kräuter ab. Vater und Mutter wachten über ihnen mit großer Sorgfalt; insbesondere der Vater bekundete die wärmste Zärtlichkeit gegen sie und nahm sie bei Nacht unter seine Flügel.

Desmeure, welcher dem Thiergarten des Fürsten Demidoff in San Donato bei Florenz vorsteht, brachte im Januar 1859 eine Straußin zu einem älteren Männchen, beobachtete gegen Ende des März die erste Vereinigung der beiden Vögel und sah, daß das Männchen einige Tage nachher anfing, ein Nest an dem dazu bestimmten Orte zu graben. Erst vom zwölften Mai ab begann die Straußin regelmäßig zu legen, so daß sich am achtzehnten Juni dreizehn Eier im Neste befanden. Das Männchen stattete täglich den Eiern seinen Besuch ab, drehte sie um, streichelte sie mit den Flügeln, setzte sich aber noch nicht zum Brüten nieder. Erst am einundzwanzigsten Juni bebrütete es sie, nachdem es sie sorgfältig umgewendet, zwei Stunden lang und ebenso an den drei folgenden Tagen. Da man bemerkte, daß es die Eier nur verließ, um in seine Hütte zum Schlafen zu gehen, wurde die letztere geschlossen und der Strauß blieb nun auch nachts auf den Eiern sitzen, erhob sich erst am Morgen um acht Uhr auf eine Viertelstunde zum Fressen und hielt nachmittags eine zweite Mahlzeit. Ohne die geringste Unterbrechung befolgte er diese Zeiteintheilung einundfunfzig Tage lang, und zwar so regelmäßig, daß man ihn, wenn man ihm die Nahrung zehn Minuten vor seiner Essensstunde reichte, stets noch brütend antraf. Am sechzehnten August verließ er die Brut eine Stunde lang, und am folgenden Morgen sah man zwei junge, sehr lebhafte Sträußchen quer durch den Park laufen und Sand aufnehmen. Es wurde ihnen eilig eine Mischung aus untereinander gehackten Eiern, Salat und Brod, kurz, ein Fasanenfutter zubereitet. Sie waren sehr begierig danach, sättigten sich und kehrten sodann zu ihrem Vater zurück, welcher seinen Posten nicht verlassen hatte und jetzt nur die Flügel hob, um sie wieder darunter zu nehmen. Bis drei Uhr nachmittags blieben sie versteckt; da erhob sich der Alte nach seiner Gewohnheit und lief mit den Jungen dem Futtertroge zu. Man sah ihn hier das Futter schnabelweise nehmen, es zerkleinern und zärtlich jedem seiner Kinder davon vorlegen. Nachdem die Küchlein ihren Hunger gestillt hatten, begaben sie sich wieder unter die väterlichen Fittige. Das Weibchen nahm an dem Brutgeschäfte keinen anderen Antheil, als daß es einige Male, während das Männchen zum Fressen ging, zu den Eiern kam und dieselben vorsichtig umwendete. Sobald es dies gethan, entfernte es sich wieder. Später liebkoste es die Jungen, machte sich aber doch kein Gewissen daraus, ihnen ihr Futter wegzufressen, während das Männchen dasselbe nie anrührte. Es wurde schließlich in einen anderen Park gebracht.

Suquet, Vorstand des Thiergartens in Marseille, hatte nach vierjährigen Versuchen und Nachforschungen endlich ebenfalls die Freude, Strauße zu züchten. Zum Orte seiner Versuche wählte er die Gegend von Montredon und hier ein Hügelgelände mit sandigem Boden und afrikanischer Pflanzenwelt. Die Strauße begannen mit dem Nestbaue, nachdem sie sich in den ihnen zugewiesenen Gehegen eingerichtet hatten, indem sie zunächst eine einfache Aushöhlung im Sande ausgruben und vermittels einer sonderbaren Bewegung des Halses rings um dieselbe einen runden Wall aufhäuften, welcher dem Neste die Gestalt eines kleinen Hügels gab. Das Weibchen hatte bereits früher, ehe das Paar nach dem neuen Platze gebracht wurde, einige Eier gelegt und fuhr von jetzt an, immer in gleichen Zwischenräumen von zwei Tagen, ohne Unterbrechung fort, so daß man am zwanzigsten April funfzehn Eier im Neste zählte. »Einige Stunden vor dem ersten Legen«, sagt Suquet, »kauerte sich das Weibchen auf das Nest und brachte aus dem Brutplatze noch eine Veränderung an. Kurz vor dem Legen ließ es ein Schluchzen hören, welches ich früher nie wahrgenommen hatte, worauf das Männchen zu ihm kam und sonderbare Bewegungen mit den Flügeln und dem Körper ausführte. Nachdem einige Eier in dem Neste waren, kauerte sich die Straußin zwar auch noch darauf; aber das Legen selbst fand außerhalb des Nestes statt. Sie schleuderte nämlich immer das Ei in dem Augenblicke, in welchem es zum Vorscheine kam, durch eine eigenthümliche Bewegung außerhalb des Nestes, brachte es dann vermittels des Schnabels und des Halses wieder gegen das Nest hin und legte es in die Mitte. In den letzten Legetagen setzte sie sich schon einige Stunden vor dem Legen auf das Nest und blieb auch lange nachher, oft den ganzen Tag, darauf sitzen. Während dieser Zeit zeigte sich der Strauß besonders unruhig und lief mit großen Schritten durch den Park, besonders wenn jemand sich demselben näherte. Vom zwanzigsten Mai an wurden die Rollen gewechselt. Das Männchen brütete, und das Weibchen setzte sich nur dann auf das Nest, wenn jenes auf einige Augenblicke sich erhob. So blieb es fortan während der ganzen Brütezeit. Jeden Tag drehten die Strauße sämmtliche Eier um, ehe sie sich darauf setzten und erhöheten den Sandwall immer mehr, so daß man am Ende außer der Rückenmitte und dem auf dem Sande ausgestreckten, an eine große Schlange erinnernden Halse des Vogels nichts mehr von ihm sah. Das Weibchen hielt sich in der Nähe des Nestes in ähnlicher Lage.

Nach Hardy’s Beobachtungen in Algier sollte die Bebrütung sechsundfunfzig bis sechzig Tage, je nach der Luftwärme, in Anspruch nehmen. Zu meiner großen Ueberraschung benachrichtigte man mich aber schon am dritten Juni am Mittage, daß man glaube, ein Junges im Neste bemerkt zu haben. Nach langem Beobachten und indem wir einen Augenblick benutzten, in welchem das Männchen das Nest verließ, überzeugten wir uns vollkommen von dem Dasein des Jungen. Alle anderen Eier waren noch ganz. Die Nacht machte unseren Beobachtungen ein Ende; aber am anderen Morgen verfügte ich mich voller Erwartung nach dem Parke, weil ich fürchtete, daß der Alte das Nest verlassen möchte, um das Junge zu führen. Im Laufe des Tages wurde uns die Freude, nicht weniger als elf ausgeschlüpfte Sträußlein zu zählen. Zwei Eier hatten die Alten am Abende vorher herausgeworfen, ohne daß wir wußten warum. Von dem Tage an gerechnet, an welchem das Männchen die Brut über nahm, waren nur fünfundvierzig Tage verflossen.

Am Morgen verließ die ganze Gesellschaft das Nest und lief im Parke umher. Beide Alten führten die Jungen; der Vater aber zeigte für sie eine regere Sorgfalt als die Mutter. Obgleich die Jungen schon kräftig waren, schlugen sie doch noch häufig Purzelbäume auf den Sandhügelchen. Eines von ihnen blieb immer zurück, fiel auch oft, und da ich glaubte, daß sein schwächlicher Zustand ihm nicht gestattete, mit den anderen zu leben, so versuchte ich, es durch die Planken zu erhaschen; allein, das gelang nicht, und ich mußte flüchten, weil der Alte mit einer solchen Wuth auf mich stürzte, daß ich fürchtete, er würde die eigenen Jungen zertreten. Einige Stunden später starb der schwächliche Strauß, und die Gesellschaft bestand nun aus zehn Stück.

Von dem Augenblicke des Ausschlüpfens an hatte ich, obgleich ich wußte, daß schon jetzt Nahrung nicht nöthig war, dennoch an die Wand ein Gemenge von Salat, hart gesottenen Eiern und Brodkrumen gestellt; aber einige Tage lang wurde diese Nahrung gänzlich verschmäht. Die Jungen wühlten nach dem Beispiele ihres Vaters im Sande und warfen sich zu meinem großen Erstaunen auf den Koth der Alten. Endlich begannen sie das Grüne zu fressen, und es mußte diese Nahrung täglich mehrmals erneuert werden. Die harten Eier dagegen fraßen sie niemals mit Begierde, und schon nach einigen Tagen zogen sie die ganzen Salatblätter allem anderen vor. Niemals haben wir bemerkt, daß die Alten für ihre Jungen die Sorge und Aufmerksamkeit einer Henne bekunden. Sie zeigen ihnen die Nahrung nicht, nahmen im Gegentheile das beste davon für sich. Die Jungen wuchsen rasch heran, liefen bald dahin, bald dorthin, selbst aus dem Pferche heraus, und machten auf Kerbthiere und Sämereien Jagd. Leider verloren sie den Vater, welcher, ihnen nachgehend, die Umzäunung sprengte und, anstatt die Familie zurückzuführen, sich mit ihr in dem Walde verlor. Man hoffte auf seine Zurückkunft, bis man ihn nach langem Suchen todt fand am Fuße eines Felsens, von welchem er herabgestürzt war. Die Erziehung der Küchlein verlief nun unter Leitung der Mutter auf das beste. Es mußte jedoch das für jene bestimmte Futter vor dieser gesichert werden, da sie mit Ausnahme des Schutzes, welchen sie den Kleinen während der Nacht gewährte, in keiner Weise für ihre Jungen Sorge trug. Man war erstaunt über die rasche Entwickelung der jungen Strauße. Nach Verlauf eines Monates hatten sie schon das Ansehen einer Trappe. Der Hals hatte sich entwickelt, der Körper bedeutend erhoben und das Gefieder ausgebildet.«

Als bemerkenswerth hebt Suquet noch hervor, daß die beiden Eier, welche einige Tage vor dem Ausschlüpfen aus dem Neste geworfen worden waren und zwölf Tage ohne bebrütet zu werden auf dem Sande gelegen hatten, zwei vollständig ausgebildete Keimlinge enthielten, welche noch Lebenszeichen von sich gaben. »Ich sehe mich deshalb genöthigt, zu glauben«, sagt er, »daß das Ausschlüpfen der Eier auf natürlichem Wege stattgefunden hätte, wenn sie unversehrt geblieben wären, und es scheint mir dies in der That ein Beweis für die Möglichkeit der so vielbestrittenen Ausbrütung durch die Sonne. Während der zwölf Tage war die Hitze eine sehr bedeutende, mit der Nordafrikas übereinstimmende.«

Die von den genannten erzielten Erfolge eiferten zur Nachahmung an. In Grenoble züchtete Bouteille, in Madrid Graells; in einzelnen Thiergärten, beispielsweise in Berlin, hatte man wenigstens die Freude, Strauße zum Legen und zum Brüten schreiten zu sehen. Von außerordentlichem Einflusse waren die gewonnenen Ergebnisse für das Kapland. Hier hatte man auf Hühnerhöfen und Landgütern von jeher Strauße gehalten, einzelne von ihnen auch wohl vor leichte Wagen gespannt oder selbst zu Reitthieren verurtheilt; hier faßte man jetzt den Entschluß, die Zucht im großen zu versuchen. Im Jahre 1865 wurden im Kaplande die ersten Strauße in Gefangenschaft gezüchtet, vier Jahre später eine zweite Zucht glücklich groß gezogen. Ein Besitzer von neunundzwanzig Stück, unter denen funfzehn Männchen waren, begann, seine gefangenen Strauße zu rupfen und erlöste aus den gewonnenen Federn jedes männlichen Vogels nicht weniger als acht Pfund Sterling jährlich. Dies gab den Anstoß zu der gegenwärtig in ganz Kapland bestehenden und blühenden Straußenzucht. Nach einer Zählung, welche im Jahre 1865 vorgenommen wurde, gab es in den Ansiedelungen nicht mehr als achtzig gezähmte Strauße; zehn Jahre später, im Jahre 1875 also, hatte sich der Bestand auf zweiunddreißigtausend und einige hundert Stück gehoben, und heutzutage bildet die Straußenzucht einen der wichtigsten Erwerbszweige ganz Südafrikas, soweit es von Europäern bevölkert ist.

Um Strauße zu züchten, umgibt man zunächst ausgedehntere Flächen leichten, womöglich kalkhaltigen Bodens mit einer aus Steinen zusammengetragenen oder aus Eisendraht hergestellten Umzäunung, säet innerhalb dieses Raumes Luzerne an und überläßt da, wo der Boden selbst alles erforderliche enthält, die Strauße möglichst sich selbst, wogegen man an anderen Orten zur künstlichen Fütterung schreiten, auch wohl unter das Futter zertrümmerte Knochen und Kalksteine mengen muß. Hat man über hinreichenden Raum zu verfügen, so läßt man die Vögel selbst brüten; ist dies nicht der Fall, so sondert man wenigstens die alten, brutlustigen Paare oder doch Männchen und Weibchen ab und sammelt die von letzteren gelegten Eier, um sie in besonderen, eigens für diese Zucht eingerichteten Brutmaschinen zu zeitigen. Die auf diese Weise erbrüteten Strauße bedürfen zwar in den ersten Tagen einer ebenso sorgsamen Pflege wie mutterlose Küchlein, gewöhnen sich aber besser als die von den eigenen Eltern erbrüteten und geführten an den Menschen und lassen sich später von eingeborenen dunkelhäutigen Knaben oder, wenn erwachsen, von berittenen Hirten wie Truthühner auf die Weide treiben, also auch außerhalb der eingehegten Grundstücke verwenden. Einzelne Ansiedler, welche eine glückliche Hand besitzen und sich die nöthige Erfahrung erworben haben, ziehen die künstliche Ausbrütung der natürlichen vor und züchten gegenwärtig nicht allein für den eigenen, sondern ebenso für fremden Bedarf, versichern auch, daß ihre Pfleglinge den unter der Brust der eigenen Eltern groß gewordenen Jungen vollständig gleichen.

Die erwachsenen Strauße beraubt man binnen je acht Monaten einmal ihrer Federn. Bevor man hinreichende Erfahrungen gesammelt hatte, rupfte man diese einfach aus, indem man eine Herde in einem bestimmten engen Raume zusammenpferchte und damit allen Widerstand der Vögel lähmte; das gewaltsame Ausziehen frisch entwickelter Federn wirkte jedoch oft sehr ungünstig und zog selbst Todesfälle nach sich. Aus diesen Gründen schneidet man gegenwärtig alle Federn hart über der Haut ab und entfernt etwa sechs Wochen später die Spulreste, welche in dieser Zeit noch nicht ausgestoßen wurden. Strauße, welche zur Brut schreiten sollen, dürfen selbstverständlich nicht gerupft werden; alle übrigen aber, auch die Weibchen, erleiden in den angegebenen Zeitabständen dieses Schicksal, da man Mittel gefunden hat, alle Federn zu bleichen und beliebig zu färben. Infolge der massenhaften Erzielung brauchbarer Federn sinkt der Preis derselben allerdings von Jahr zu Jahr; dafür ist man aber auch im Stande, der mehr und mehr sich steigernden Nachfrage gerecht zu werden, ohne wie vormals durch rücksichtslose Jagd die Gefahr der Ausrottung der Vögel heraufzubeschwören.

Die Straußenjagd wird in ganz Afrika mit Leidenschaft betrieben. Den Beduinen gilt sie als eines der edelsten Vergnügen; denn gerade in der Schwierigkeit, welche sie verursacht, liegt für Menschen dieses Schlages ein besonderer Reiz. Die Araber Nordostafrikas unterscheiden den Strauß nach seinem verschiedenen Geschlechte und Alter genau. Der erwachsene männliche Vogel heißt »Edlím« (der Tiefschwarze), das Weibchen »Ribéda« (die Graue), der junge Vogel »Ermud« (der Bräunliche). Da Erbeutung der Federn das hauptsächlichste Ziel der Jagd ist, verfolgt man vorzugsweise, ja fast ausschließlich den »Edlím«; aber gerade dadurch schadet man der Vermehrung besonders empfindlich. Aus Tristrams Bericht ersehe ich, daß man in der nördlichen Sahara genau in derselben Weise jagt wie in der Bahiuda oder in der Steppe Kordofâns. Auf flüchtigen Pferden oder ausgezeichneten Dromedaren reiten die Jäger in die Wüste oder Steppe hinaus und suchen eine Straußenherde auf. Einige mit Wasserschläuchen belastete Kamele folgen in gewisser Entfernung; ihre Treiber halten sich auch während der Jagd stets in möglichster Nähe der Verfolger. Wenn diese ihr Wild entdeckt haben, reiten sie so lange auf den Trupp der Vögel zu, bis ein vorsichtiger »Edlím« durch sein Beispiel das Zeichen zur Flucht gibt. Je zwei oder drei Jäger wählen sich jetzt ein Männchen aus und reiten in gestrecktem Galoppe hinter ihm her; während einer von ihnen dem Vogel auf allen Krümmungen seines Laufes folgt, sucht der andere dieselben abzuschneiden, übernimmt, wenn es ihm gelang, die Rolle des ersteren und läßt diesen die kürzere Strecke durchreiten. So wechseln sie mit einander ab, bis sie den mit aller ihm möglichen Schnelligkeit dahin eilenden Strauß ermüdet haben. Gewöhnlich sind sie schon nach Verlauf einer Stunde dicht hinter ihm her, zwingen ihre Pferde zu einer letzten Anstrengung und versetzen dem Vogel schließlich einen heftigen Streich über den Hals oder auf den Kopf, welcher ihn sofort zu Boden wirft. Unmittelbar nach dem Falle des Wildes springt der eine Jäger vom Pferde, schneidet ihm unter Hersagen des üblichen Spruches: »Im Namen Gottes des Allbarmherzigen, Gott ist größer«, die Halsschlagader durch und steckt, um Beschmutzung der Federn durch das Blut zu verhüten, den Nagel der langen Zehe eines Fußes in die Wunde. Nachdem sich der Strauß verblutet hat, zieht ihm der Jäger das Fell ab, dreht es um und benutzt es gleich als Sack, um in ihm die Schmuckfedern aufzubewahren. Von dem Fleische schneidet er soviel ab, wie er braucht; das übrigbleibende hängt er an einen Baum zum Trocknen und für etwa vorüberziehende Wanderer auf.

Mittlerweile sind die Kamele nachgekommen; der Jäger erquickt sich und sein Pferd nach der anstrengenden heißen Jagd, ruht einige Stunden aus und kehrt mit seiner Beute beladen nach Hause zurück. Hier sucht er die Federn je nach ihrer Güte aus, bindet die kostbaren weißen, deren ein vollkommen ausgebildeter Strauß höchstens vierzehn Stück besitzt, in einzelne Bündel zusammen und bewahrt sie zu gelegentlichem Verkaufe in seinem Zelte auf. Der Händler muß sich, um die Federn zu bekommen, selbst zum Jäger verfügen und erlangt von diesem die gesuchte Waare erst nach wirklich lächerlichen Umständlichkeiten. Dieses Zurückhalten der Jagdbeute erscheint dem wohl begründet, welcher weiß, daß alle Fürsten und Regierungsbeamten Afrikas noch heutigen Tages, wie zu Zeiten der alten Egypter, von ihren Unterthanen oder den von ihnen unterjochten Völkerschaften Straußenfedern als Königszoll verlangen und sich kein Gewissen daraus machen, diesen durch ihre Unterbeamten gewaltsam eintreiben zu lassen. Der Araber vermuthet in jedem, welcher ihn nach Federn fragt, einen Abgesandten seines Oberherrn und gibt seine Schätze erst, nachdem er sich durch die sorgfältigsten Vorfragen von der Redlichkeit des Käufers überzeugt hat, diesem preis.

In den Steppen am Euphrat tödtet man den Strauß, wie Wetzstein mittheilt, mit seltenen Ausnahmen immer über seinen Eiern. »Die Henne, welche gegen Ende der Brutzeit nicht mehr flieht, duckt sich bei Ankunft des Jägers, neigt den Kopf auf die Seite und schaut ihren Feind regungslos an. Mehrere Beduinen haben mir gesagt, daß man ein hartes Herz haben müsse, um zu schießen. Ist das Thier getödtet, so verscharrt der Jäger das Blut, legt die Henne wieder auf die Eier, gräbt sich in einiger Entfernung in den Sand und wartet bis zum Abende, wo der Hahn kommt, diesmal, um neben seinem Weibchen erschossen zu werden. Wird die Henne von den Eiern verscheucht, so sucht sie stets mit lautem Geschreie den Hahn auf, welcher sie dann, wie die Jäger einstimmig behaupten, mit Gewalt zum Neste zurückbringt; daher sein arabischer Name ›Salím‹, der Gewaltige. Für Dummheit mag es gelten, daß sich das Thier bei Windstille reitenden Jägern gegenüber, statt zu fliehen, gern hinter Hügeln und in Bodeneinsenkungen zu verstecken sucht; unterstützt ihn aber der Luftzug, so spannt der fliehende Strauß die Federn des Flügels und des Schwanzes gleich Segeln aus und entkommt unter beständigem Rudern und ausgebreiteten Flügeln seinen Verfolgern mit Leichtigkeit.« Durch Heuglin erfahren wir, daß man im Ostsudân die Strauße auch in den sogenannten Tellern fängt, welche ich gelegentlich der Schilderung der Gazellenjagd (Bd. 3, S. 211) beschrieben habe. Die Eisahirten halten, nach Angabe desselben Reisenden, zahme Strauße, mittels deren sie sich dem Wilde zu nähern suchen, um letzteres mit kurzen, vergifteten Pfeilen zu schießen; auch sollen dieselben Somalen es verstehen, durch die schmermüthig klingenden Töne ihrer Rohrflöten die Riesenvögel anzulocken und zu bezaubern.

Anderson erzählt, daß in gewissen Gegenden Südafrikas der Strauß von einigen Jägern zu Fuße gejagt wird, und daß er am Ngamisee Buschmänner bei dieser Gelegenheit habe beobachten können. Diese umzingelten meistentheils eine ganze Herde, worauf die erschreckten Vögel gewöhnlich unter Geschrei und Lärmen ins Wasser getrieben wurden. Außerdem lauern dieselben Jäger dem Strauße an seinem Neste oder am Wasser auf, sollen auch, wie Moffat angibt, um sich unter die Herden der weidenden Vögel zu begeben, ein flaches Doppelkissen mit Stroh ausstopfen, es ungefähr wie einen Sattel formen, mit Federn bekleiden, außerdem den abgetrennten Hals und Kopf eines Straußes vorrichten, indem sie das Fell über einen mit Stroh umwickelten Stock ziehen und sich die Beine weiß anmalen. Der Jäger soll hierauf den mit Federn besteckten Sattel auf den Kopf, den Untertheil des Straußenhalses fest in die rechte, den Bogen in die linke Hand nehmen und der Straußenherde zugehen, den Kopf wie ein sich umschauender Strauß drehen, den Sattel mit den Federn schütteln und die Strauße zuweilen so täuschen, daß einzelne von ihnen auf den vermeintlichen Vogel zugehen und mit ihm Streit anfangen wollen.

Am Vorgebirge der Guten Hoffnung ist die Straußenjagd seit dem Jahre 1870 durch ein Gesetz geregelt, welches Zuwiderhandeln mit hohen Strafen belegt und nicht allein die Vögel selbst, sondern auch deren Nester und Eier zu schützen sucht, eine je nach der Gegend verschiedene Schonzeit feststellt, die Jagd selbst an besondere Bedingungen knüpft und Eier und junge Strauße als unverletzlich hinstellt. Man hofft, durch strenge Aufrechterhaltung dieses Gesetzes das ganze Kapland allmählich wieder ebenso mit Straußen zu bevölkern, wie es dies vor Zeiten war.

Der Preis der Federn ist je nach der verschiedenen Oertlichkeit erheblichen Schwankungen unterworfen; auch liefern nicht alle Gegenden gleichgeschätzte Waare, weil die Beschaffenheit des Bodens und der Witterung ihre Reinheit erhöht oder mindert. Als die besten gelten die sogenannten Aleppofedern, welche von den in der syrischen Wüste lebenden Straußen stammen; auf sie folgen der Reihe nach die Berber-, Senegal-, Nil-, Mogador-, Kap- und Jemenfedern, welche in der Sahara, den Steppen am Senegal, den Nilländern, Marokko, Südafrika und Südarabien gewonnen werden. Zahmen Straußen entnommene sind immer weniger werth als von wilden Vögeln herrührende. Im Norden Afrikas wird ein Fell mit den Federn bis zu hundert spanischen Thalern bezahlt; im Inneren des Erdtheiles kann man es gelegentlich ziemlich billig kaufen. Ein Kilogramm weißer Flügelfedern bester Güte wird schon im Sudân mit tausend bis zwölfhundert Mark unseres Geldes bezahlt, wogegen die kleineren weißen Schwingen- und Bürzelfedern kaum den vierten Theil jener Summe eintragen und ein Kilogramm schwarzer Rückenfedern selten über funfzig Mark kostet. Die von dem Vorgebirge der Guten Hoffnung kommenden Federn bezahlt man minder hoch, die im Handel sehr seltenen Aleppofedern erheblich höher. Der Werth der gesammten Einfuhr wird auf zwölf Millionen Mark geschätzt. Die Eier werden von allen Süd- und Mittelafrikanern ebenfalls vielfach, hauptsächlich als Gefäße, gebraucht. Man umgibt sie mit leichtem Flechtwerke, hängt sie gefüllt in den Hütten auf oder nimmt sie auch auf Reisen mit. In Kordofân benutzt man sie, um die Spitze der runden, kegelförmigen Strohhütten zu schmücken; in den koptischen Kirchen dienen sie zur Verzierung der Schnüre, welche die Lampen tragen. Eier und Fleisch werden von allen Innerafrikanern gegessen. Nach Burchell ist die unter den Hottentotten übliche Art, erstere zu kochen, höchst einfach. Man bohrt an dem einen Ende ein kleines rundes Loch durch die Schale und quirlt das Innere vermittels einer biegsamen Astgabel wohl durcheinander, setzt das Ei auf das Feuer, quirlt von Zeit zu Zeit den Inhalt durch und fährt in dieser Arbeit fort, bis das Eiweiß geronnen ist. Lichtenstein erzählt, daß unter den von ihm aufgefundenen Straußeneiern nur wenige waren, welche noch zum Essen taugten, weil die meisten bereits ausgewachsene Küchlein enthielten. »Unsere Hottentotten verschmähten indessen auch diese nicht und brieten sie sich in den Schalen mit Hammelfett. Ich habe in der Folge die nach unseren Begriffen wohl ekelhafte Kost selbst versucht und in der That sehr schmackhaft gefunden.« Junge Strauße haben ein höchst zartes, wohlschmeckendes Fleisch; das älterer ist härter, dem Rindfleische ähnlich.

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