Der bereits mehrfach erwähnte Pavian, welcher ebenso wohl seiner Gestalt wie seines ausgezeichneten Verstandes und vielleicht auch seiner unliebenswürdigen Eigenschaften halber in der Urgeschichte der Menschheit eine große Rolle spielt, ist der Hamadryas oder Mantelpavian (Cynocephalus Hamadryas, Cynocephalus Toth, Simia, Cercopithecus, Papio Hamadryas, Hamadryas chaeropithecus usw.). Wie er zu der Ehre gekommen ist, den Namen einer altgriechischen Baumnymphe zu tragen, weiß ich nicht; in seiner Gestalt und in seinem Wesen liegt wahrhaftig nichts Weibliches. Die alten Völker waren es nicht, welche ihm jenen Namen verliehen. Herodot, Plutarch und Plinius bezeichnen ihn mit Cynocephalus, Strabo nennt ihn Cebus, Juvenal Cercopithecus, Agatharchides Sphinx. Bei den heutigen Abessiniern heißt er Hebe, bei den Arabern Robah und in Egypten endlich Khird. Unter all diesen Namen ist nicht ein einziger, welcher an irgend welche Nymphe erinnert; man müßte denn »Sphinx« als solchen betrachten wollen.
Ueber die Verehrung, welche der Hamadryas bei den alten Egyptern genoß, hat uns Dümichen belehrt. Eine Folge davon läßt sich noch jetzt nachweisen; denn alle Bewohner der Steppenländer des inneren Afrika und auch ein großer Theil der Abessinier tragen ihre Haare genau in derselben Weise gekämmt und gescheitelt wie der Hamadryas, und er ist somit unverkennbar zum Vorbilde für jene Leute geworden, mögen diese auch mehr die Bildsäulen als das lebende Thier im Auge gehabt haben. Heutigen Tages genießt der Hamadryas in jenen Ländern keine Verehrung mehr. Seine Schädlichkeit ist zu groß, als daß er sich die Freundschaft der Menschen erwerben sollte.
Gegenwärtig findet sich das Thier in Egypten nirgends mehr wild. Auch Prosper Alpinus, welcher im Jahre 1580 in Egypten war, sagt ausdrücklich, daß es dort keine Affen gäbe, sondern daß sie aus Arabien eingeführt würden. »Sie sind so talentvoll«, fährt er dort fort, »daß man ihnen nicht den Verstand absprechen kann. Die Thierführer lehren ihnen sehr leicht, was sie wollen, zuweilen höchst sinnreiche Spiele, mit denen sie die Zuschauer ergötzen. Solche abgerichtete Affen sieht man oft in Kairo, Alexandrien und anderswo. Besonders die Männchen sind den Bewohnern aufsässig; allein man kann es nicht wohl erzählen, wie unanständig sie sich geberden. Jene, welche großen Hunden gleichen, verfolgen die arabischen Weiber auf den Feldern, und deshalb beschmieren sich diese ihr Gesicht und selbst den Leib mit Safran. Hierdurch bleiben sie von den Anfällen der Affen frei; denn letztere glauben dann, den mit Safran eingeriebenen Frauen wäre nicht wohl, und sie könnten selbe nicht gebrauchen.«
Hinsichtlich der letzten Angabe läßt sich unser Forscher zu falschen Folgerungen verleiten. Ich selbst habe beobachtet, daß sich die Frauen der Nomaden in jenen Gegenden wirklich ihr Gesicht mit Safran beschmieren: allein dies geschieht keineswegs der Affen halber, sondern aus denselben Rücksichten, welche unsere Frauen bewegen, zartes Roth auf ihre zarten Wangen zu legen.
Alvarez, welcher etwa um dieselbe Zeit als Alpinus in Afrika und zwar in Abessinien war, berichtet, daß er die Mantelpaviane in ungeheueren Herden gesehen habe, und gibt eine sehr richtige Beschreibung von ihrem Wesen und Treiben. »Sie lassen«, sagt er, »keinen Stein liegen; wenn ihrer zwei oder drei einen nicht umwenden können, so stellen sich so viele daran, als Platz haben, drehen ihn dennoch um und suchen ihre Lieblingsnahrung hervor. Auch Ameisen fressen sie gern und legen, um diese zu fangen, ihre Hände umgekehrt auf die Haufen, und sobald eine Hand mit Ameisen bedeckt ist, bringen sie dieselbe rasch zu Munde. Wenn man sie nicht abwehrt, verheeren sie die Felder und Gärten. Ohne Kundschafter gehen sie zwar nicht in die Pflanzungen; aber wenn diese ihnen das Zeichen zur Sicherheit gegeben, dringt die ganze Bande in den Garten oder das umhegte Feld und läßt nichts übrig. Anfangs sind sie ganz still und ruhig, und wenn ein unkluges Junges einen Laut hören läßt, bekommt es eine Ohrfeige; sobald sie jedoch die Furcht verlieren, zeigen sie durch gellendes Geschrei ihre Freude über ihre glücklichen Ueberfälle. Sie würden sich in entsetzlicher Weise vermehren, wenn nicht der Leopard so viele ihrer Jungen zerrisse und fräße, obgleich die Alten diese muthig zu vertheidigen suchen.«
Unter den neueren Forschern gibt Ehrenberg zuerst eine ziemlich ausführliche Beschreibung unserer Affen, welchen er in Arabien und an der Küste von Abessinien einzeln und in großen Scharen begegnete. Später erzählen Rodatz und Bayssière von ihnen. Ich meinestheils traf den Mantelpavian auf meiner ersten Reise nach Afrika im Freileben nirgends an, um so häufiger aber auf meinem leider nur zu kurzen Ausfluge nach Abessinien im Frühjahre 1862, und kann also aus eigener Erfahrung über ihn reden.
Der Hamadryas bewohnt das ganze Küstengebirge Abessiniens und Südnubiens, nach Norden hin, so weit die Regen herabreichen, in ziemlicher Anzahl. Je pflanzenreicher die Gebirge, um so angenehmer scheinen sie ihnen zu sein. Wasser in der Nähe ist unerläßliche Bedingung für das Wohlbefinden einer Herde. Von den höheren Bergen herab wandern die Gesellschaften zuweilen auf die niederen Hügelreihen der Samchara oder des Wüstenstreifens an der Meeresküste herab; die Hauptmasse bleibt aber immer im Hochgebirge. Hier bewohnt jede Herde ein Gebiet von vielleicht anderthalb oder zwei Meilen im Durchmesser. Man begegnet kleineren Gesellschaften viel seltener als größeren. Ich sah ein einzigesmal eine Schar von fünfzehn bis zwanzig Stücken, sonst aber immer Herden, welche der geringsten Schätzung nach ihrer hundert und fünfzig zählen mochten. Darunter befinden sich dann etwa zehn bis fünfzehn vollkommen erwachsene Männchen – wahrhafte Ungeheuer von bedeutender Größe und einem Gebiß, welches das des Leoparden an Stärke und Länge der Zähne bei weitem übertrifft, – und etwa doppelt so viele erwachsene Weibchen. Der Rest besteht aus Jungen und Halberwachsenen. Die alten Männchen zeichnen sich durch ihre gewaltige Größe und den langen Mantel aus – bei einem von mir erlegten mittelalten Männchen messen die Mantelhaare 27 Centim.; – die Weibchen sind kürzer behaart und dunkler, d.h. olivenbraun von Farbe; die Jungen ähneln der Mutter. Unsere Abbildung überhebt mich einer Beschreibung der sonderbaren Haarlage auf dem Kopfe des Hamadryas, welche bei den Afrikanern so großen Beifall fand; hinsichtlich der Färbung aber muß ich bemerken, daß jedes einzelne Haar abwechselnd grünlich braun und gelblich geringelt ist, wodurch eine sehr schwer zu beschreibende, dürr gewordenem Grase am meisten ähnelnde Gesammtfärbung des Pelzes entsteht. Die Kopfseiten und Hinterbeine sind immer lichter, meist aschgrau. Das Gesäß ist brennend roth, das nackte Gesicht schmutzig fleischfarben. Je älter die Männchen werden, um so mehr lichtet sich die Farbe ihres Mantels. Jedoch scheint es mir wahrscheinlich, daß es wenigstens zwei verschiedene Arten dieser Paviane gibt: eine kleinere mit aschgrauem Mantel, welche Asien bewohnt, und die bedeutend größere, afrikanische Art, bei welcher der Mantel auch im höchsten Alter immer grünlich blaugrau gefärbt ist. Unsere Abbildung stellt die erstere dar. Die Länge des ausgewachsenen Männchens beträgt 0,9 bis 1 Meter, wovon 20 bis 25 Centim. auf den Schwanz kommen, die Höhe am Widerrist 50 Centim.
In den Frühstunden oder bei Regen findet man die ganze Bande an ihren Schlafplätzen, größeren und kleineren Höhlungen an unersteiglichen Felswänden und auf überdachten Felsgesimsen, möglichst nahe zusammengedrückt, die Jüngeren und Schwächeren dicht an den Leib ihrer Mütter und bezüglich auch ihrer Väter geschmiegt. Bei gutem Wetter verläßt die Herde jene Wände in den Vormittagsstunden und wandert nun langsam und gemächlich längs der Felswände dahin, hier und da eine Pflanze ausziehend, deren Wurzel hauptsächlich als Nahrungsmittel zu dienen scheint, und jeden nicht allzu großen Stein umwendend, um zu besonderen Leckerbissen, den unter den Steinen verborgenen Kerbthieren, Schnecken und Würmern zu gelangen. Sobald das Frühmahl eingenommen, steigen alle nach der Höhe des Bergkammes empor. Die Männchen setzen sich ernst und würdig auf große Steine, an deren einer Seite die körperlangen gequasteten Schwänze herabhängen, den Rücken immer dem Winde zugekehrt; die Weibchen beaufsichtigen ihre ohne Unterlaß spielenden und sich balgenden Jungen und treiben sich unter diesen umher. In den späten Nachmittagsstunden zieht die Gesellschaft zum nächsten Wasser, um dort zu trinken; dann geht sie nochmals auf Nahrung aus und wendet sich schließlich nach irgend einem geeigneten Schlafplatze. Ist ein solcher besonders günstig, so darf man mit Sicherheit darauf rechnen, die Paviane gegen Abend da einziehen zu sehen, selbstverständlich, so lange man sie nicht durch wiederholte Verfolgungen gestört hat. Durrahfelder in der Nähe des Wohnplatzes gehören zu den ganz besonderen Annehmlichkeiten desselben und müssen sorgfältig gehütet werden, wenn man auf eine Ernte rechnen will; sonst erscheinen die frechen Räuber tagtäglich, verwüsten weit mehr, als sie verzehren, und richten schließlich das ganze Feld vollständig zu Grunde.
Es unterliegt wohl kaum einem Zweifel, daß sie mehr oder weniger ausgedehnte Wanderungen unternehmen, in der Absicht, ein von ihnen ausgeplündertes Gebiet mit einem noch Nahrung versprechenden zu vertauschen; wenigstens versicherten mir die dortigen Eingeborenen, daß man sie keineswegs das ganze Jahr über an einer und derselbe Stelle bemerke, sie vielmehr kämen und gingen, wie es ihnen eben beliebe. Wie alle Affen werden die Mantelpaviane durch ihr Fortpflanzungsgeschäft wenig in Anspruch genommen, mindestens nicht aufgehalten. Ich glaube nicht einmal, daß die meisten Geburten in eine bestimmte Jahreszeit fallen, schließe vielmehr aus Beobachtungen an Gefangenen, insbesondere über den Blutfluß der Weibchen, daß ihre Fortpflanzung und beziehentlich die Geburt ihrer Jungen in jedem Monate des Jahres erfolgen kann. Mein Aufenthalt in den von Hamadryaden bewohnten Gebieten war zu kurz, als daß ich mir hierüber hätte Aufklärung verschaffen können, und ich vermag deshalb nur einige Beobachtungen über die Fortpflanzung gefangener Hamadryaden hier mitzutheilen.
Von den vielen Weibchen, welche ich gepflegt habe, gebar eines zu meiner Ueberraschung anfangs Oktober ein vollkommen ausgetragenes Junge. Der letzte Blutfluß hatte 41/2 Monate früher stattgefunden; als Trächtigkeitsdauer ist dieser Zeitraum jedoch wohl kaum anzunehmen. Das Junge kam mit geschlossenen Augen zur Welt, hatte vollkommen ausgebildete Nägel und sehr seines Haar, von oben schwärzlicher, seitlich graulicher Färbung, während die Unter- und Innenseite nackt oder wenigstens fast nackt war, so daß man die einzelnen Haare kaum bemerken konnte. Die Hautfarbe dieser Stellen war hochziegelroth. Die Gesammtlänge des Thierchens betrug 38 Centim., die Schwanzlänge allein 17 Centim., die Fußlänge 5,5 Centim., die Handlänge 4,5 Centim.
Das Junge wurde in den Vormittagsstunden an einem sehr kalten Morgen geboren, während sich die Mutter in einem großen Raume mit vielen anderen Affen zusammen befand. Sofort nach der Geburt oder richtiger, nachdem diese in Erfahrung gebracht wor den war, trennten wir das Weibchen und sein Junges von der übrigen Gesellschaft ab und brachten es in einem passenden Raume unter. Die Mutter zeigte sich außerordentlich zärtlich gegen ihren Sprossen, aber auch im höchsten Grade besorgt um ihn. Sie hielt das an ihre Brust gedrückte Kind mit beiden Armen fest und leckte es fortwährend an allen Theilen des Leibes. Näherte sich Jemand, so schrie sie entsetzt auf, den gewöhnlichen Ausdruck der Angst »eck, eck, eck« ausstoßend, drehte sich auch gewöhnlich ab und kehrte dem Beobachter den Rücken zu. Die Nabelschnur, welche anfangs noch ziemlich weit herabhing, hatte sie bereits zwei Stunden nach der Geburt und zwar hart am Nabel abgebissen, ohne daß deshalb eine Blutung erfolgt wäre. Das Junge schien sehr schwach zu sein, regte sich wenig und gab nur leise, mehr tönende als schreiende Laute von sich. Bereits in den Nachmittagsstunden schien die Mutter zu merken, daß ihr Kind sterben werde; denn sie hatte es auf dem Boden des [160] Käfigs abgelegt, ging auf und ab, oft an dem Kleinen vorüber und betrachtete es dabei mit anscheinend gleichgültigem Blicke; doch duldete sie nicht, daß Jemand von uns es aufnahm, ergriff es vielmehr sofort, wenn einer Miene machte, es zu berühren, und legte es wieder an ihre Brust. Gegen Abend war das Junge bereits regungslos; am nächsten Morgen lag es verendet auf dem Boden des Käfigs.
Ob infolge der Geburt, ob aus anderen Gründen, bleibe dahin gestellt: jedenfalls zeigte das Weibchen in der nächsten Zeit ein durchaus verändertes Wesen, litt entschieden, bekundete wenig Freßlust, saß viel auf einer und derselben Stelle, versteckte sich halb im Stroh, zitterte, als ob Frost es schüttele, legte sich oft nieder und sah überhaupt höchst kläglich aus. Um andere Affen bekümmerte es sich nicht mehr, und auch als ich ihm in zwei weiblichen, sanftmüthigen Makaken Gesellschaft geben ließ, verhielt es sich abwehrend. Dies änderte sich jedoch plötzlich, als Mitte Novembers ein Makake geboren hatte. Wenige Minuten später nämlich bemerkten die Wärter das Junge in den Armen des Hamadryasweibchens, so daß sie zu der thörichten Ansicht verleitet wurden, letzteres habe ein zweites nachgeborenes Junge zur Welt gebracht. Diese Meinung wurde nun freilich sehr bald durch das Thier selbst zerstört, da es sich wenig mütterlich betrug, das Junge oft aufs Stroh legte und sich zeitweilig kaum um dasselbe kümmerte. Deshalb erhielt denn auch die wahre Mutter endlich ihr Kind zurück, leider aber doch zu spät, da es am anderen Morgen ebenfalls verendete. So unmütterlich das Betragen des Hamadryasweibchens erscheinen muß, so läßt sich kaum daran zweifeln, daß seine vorhergehende Krankheit hauptsächlich eine Folge der Gemüthsbewegung über den Verlust des Jungen war, und es vielleicht nur in der Absicht, sich schadlos zu halten, der Makakenmutter ihr Kind raubte. Es steht dies wenigstens vollständig im Einklange mit den Beobachtungen, welche ich an anderen Affen gemacht habe, im Einklange auch mit dem Benehmen der freilebenden Mantelpaviane gegen ihre Kinder oder kleine unselbständige Affen ihres Geschlechts überhaupt. Ja, nicht einmal bloß die Mütter oder die Weibchen insgemein, sondern auch die Männchen beweisen jungen Affen ihrer Art die größte Zärtlichkeit und treten unter Umständen mannhaft für sie in die Schranken.
Wenn die Mantelpaviane still sitzen, schweigt die ganze Gesellschaft, so lange sich nichts Auffälliges zeigt. Ein etwa herankommender Menschenzug oder eine Viehherde entlockt einem oder dem anderen ganz sonderbare Laute, welche am besten mit dem Gebell mancher Hunde verglichen werden können und wahrscheinlich nichts anderes bezwecken, als die Aufmerksamkeit der Gesammtheit zu erregen. Bei gefahrdrohender Annäherung eines Menschen oder eines Raubthieres aber werden die allerverschiedensten Töne laut. Am treffendsten kann man das Stimmengewirr einer erregten Hamadryadenherde mit dem Grunzen und Quieken eines zahlreichen Rudels von Schweinen vergleichen. Dazwischen vernimmt man Laute, welche bald an das Brüllen des Leoparden, bald an das dumpfe Brummen eines Herdenstiers erinnern. Die ganze Gesellschaft brüllt, brummt, bellt, schreit, grunzt und quiekt durcheinander. Alle kampffähigen Männchen rücken auf der Felskante vor und schauen aufmerksam in das Thal hinab, um die Gefahr abzuschätzen; die Jungen suchen Schutz bei den älteren; die Kleinen hängen sich an die Brust der Mütter oder klettern auch wohl auf deren Rücken, und nunmehr setzt sich der ganze Zug in Bewegung und eilt auf allen Vieren laufend und hüpfend dahin.
Vor den Eingeborenen fürchtet sich der Hamadryas so gut wie nicht. Er zieht, unbekümmert um die braunen Leute, dicht vor ihnen hin und trinkt aus demselben Bache mit ihnen. Ein Weißer erregt jedoch schon mancherlei Bedenken, obwohl man nicht gerade behaupten kann, daß die Affen vor ihm scheu entfliehen. Mehr noch als andere Familienverwandte zeigen unsere Paviane jene bedächtige Ruhe, welche niemals um einen Ausweg verlegen ist, die Gefahr mag noch so nah sein. Anders verhält sich die Sache, wenn die Herde Hunde oder gar Leoparden gewahrt. Dann erheben die alten Männchen ein furchtbares Gebrüll und Gebrumm, schlagen erzürnt mit der einen Hand auf den Felsen, fletschen die Zähne und schauen funkelnden Auges auf jene Störenfriede hinab, augenscheinlich bereit, gemeinsam über sie herzufallen.
Die erste Gesellschaft, welcher ich begegnete, ruhete eben von ihrer Frühwanderung aus. Sie saß auf der Kante eines nach beiden Seiten hin ziemlich steil abfallenden Grates. Ich hatte schon von weitem die hohen Gestalten der Männchen gesehen, dieselben aber für auf dem Kamme liegende Felsblöcke gehalten; denn mit solchen haben die Affen, so lange sie ruhig sind, die größte Aehnlichkeit. Erst ein wiederholtes einlautiges Bellen, ungefähr dem hoch ausgestoßenen Laute »Kuck« vergleichbar, belehrte mich. Aller Köpfe richteten sich nach uns hernieder; nur die Jungen spielten noch unbesorgt weiter, und einige Weibchen gaben ihr Lieblingsgeschäft nicht auf, sondern durchsuchten noch eifrig den Pelz eines alten Herrn nach Ungeziefer. Wahrscheinlich würde die ganze Gesellschaft in beobachtender Haltung geblieben sein, hätten wir nicht zwei muntere und thatenlustige Hunde mit uns geführt, schöne, schlanke Windspiele, gewohnt, die Hiäne von den Wohnungen abzutreiben, erprobt selbst im Kampfe gegen den Wolf jener Länder. Sie antworteten mit Gebell auf besagte Laute, und sofort entstand ein allgemeiner Aufstand unter der Herde. Es mochte den Affen daran zu liegen scheinen, einen noch sichereren Aufenthaltsort zu suchen. Sie zogen deshalb bis auf die letzten Posten längs des Kammes dahin und verschwanden unseren Blicken. Doch sahen wir zu unserer Ueberraschung bei der nächsten Biegung des Thales die ganze Herde, diesmal an einer senkrecht erscheinenden, sehr hohen Felsenwand, wo sie in langer Reihe, in einer heute noch mir unbegreiflichen Weise gleichsam an den Felsen klebten. Diese Reihe erschien uns zu lockend, als daß wir sie hätten ungestört in ihrer Ruhe lassen können. Die Jagdlust wurde allzumächtig. Von dem Bedauern, welches jeder Jäger verspürt, wenn er kleine Affen jagt oder jagen will, fühlten wir jetzt keine Regung in uns aufsteigen; denn die Hamadryaden erschienen uns durchaus nicht als Abbild des Menschen, sondern als wüthende, grimmige Raubthiere, keiner Schonung werth und zur Jagd durchaus geeignet. Leider war die Wand so hoch, daß an ein sicheres Schießen nicht zu denken war. Wir gedachten also die Gesellschaft wenigstens aufzustören. Der Knall des ersten Schusses brachte eine unbeschreibliche Wirkung hervor. Ein rasendes Brüllen, Heulen, Brummen, Bellen und Kreischen antwortete; dann setzte sich die ganze Kette in Bewegung und wogte an der Felswand dahin mit einer Sicherheit, als ob die Gesellschaft auf ebenem Boden sich fortbewege, obgleich wir nicht absehen konnten, wie es nur möglich war, festen Fuß zu fassen. Ein schmales Gesims schien von den Affen als höchst bequemer Weg betrachtet zu werden. Nur an zwei Stellen, wo sie einmal gegen drei Meter in die Tiefe und beinahe ebenso wieder aufsteigen mußten, bewegte sich der Zug langsamer und vorsichtiger. Wir feuerten etwa sechs Schüsse ab; aber es war uns unmöglich, sicher zu zielen, auch schon weil der Anblick so viel Ueberraschendes hatte, daß uns alle Ruhe verloren ging. Immerhin aber waren unsere Kugeln noch gut genug gerichtet, um die Aufregung der Affen bis zum Entsetzen zu steigern. Ueberaus komisch sah es aus, wie die ganze Herde nach einem Schusse urplötzlich sich an einem Felsen anklammerte, als fürchte sie, durch die bloße Erschütterung zur Tiefe herabgestürzt zu werden. Wie es schien, entkamen alle unversehrt unseren Geschossen. Allein der Schreck mochte ihnen doch wohl einen Streich gespielt haben; denn es wollte uns dünken, als hätten sie die ihnen sonst eigene Berechnung diesmal ganz außer Acht gelassen. Beim Umbiegen um die nächste Wendung des Thales trafen wir die Gesellschaft nicht mehr in der Höhe, sondern in der Tiefe an, eben im Begriffe, das Thal zu überschreiten, um auf den gegenüberliegenden Höhen Schutz zu suchen. Ein guter Theil der Herde war bereits am jenseitigen Ufer angekommen, die Hauptmasse jedoch noch zurück. Unsere Hunde stutzten einen Augenblick, als sie das wogende Gewimmel erblickten; dann stürzten sie sich mit jauchzendem Bellen unter die Bande. Jetzt zeigte sich uns ein Schauspiel, wie man es nur selten zu schauen bekommt. Sobald die Hunde herbeieilten, warfen sich von allen Felsen die alten Männchen herab in das Thal, jenen entgegen, bildeten sofort einen Kreis um die Rüden, brüllten furchtbar, rissen die zähnestarrenden Mäuler weit auf, schlugen mit den Händen grimmig auf den Boden und sahen ihre Gegner mit so boshaften, wüthend funkelnden Blicken an, daß die sonst so muthigen, kampflustigen Thiere entsetzt zurückprallten und ängstlich bei uns Schutz suchen wollten. Selbstverständlich hetzten wir sie von neuem zum Kampfe, und es gelang uns, ihren Eifer wieder anzufachen. Das Schauspiel hatte sich jedoch inzwischen verändert: die sich siegreich wähnenden Affen waren unterdeß auf die erkorene Seite gezogen. Als die Hunde von frischem anstürmten, befanden sich nur wenige in der Tiefe des Thales, unter ihnen ein etwa halbjähriges Junges. Es kreischte laut auf, als es die Hunde erblickte, flüchtete eilends auf einen Felsblock und wurde hier kunstgerecht von unseren vortrefflichen Thieren gestellt. Wir schmeichelten uns schon, diesen Affen erbeuten zu können: allein es kam anders. Stolz und würdevoll, ohne sich im geringsten zu beeilen und ohne auf uns zu achten, erschien vom anderen Ufer herüber eines der stärksten Männchen, ging furchtlos den Hunden entgegen, blitzte ihnen stechende Blicke zu, welche sie vollkommen in Achtung hielten, stieg langsam auf den Felsblock zu dem Jungen, schmeichelte diesem und trat mit ihm den Rückweg an, dicht an den Hunden vorüber, welche so verblüfft waren, daß sie ihn mit seinem Schützlinge ruhig ziehen ließen. Diese muthige That des Stammvaters der Herde erfüllte uns ebenfalls mit Ehrfurcht, und keiner von uns dachte daran, ihn in seinem Wege zu stören, obgleich er sich uns nah genug zur Zielscheibe bot. In dem Gebüsche, welches die bereits übergesetzte Herde noch zu durchschreiten hatte, wurden währenddem alle nur denkbaren Töne laut, und einigemal vermeinten wir so deutlich das Gebrumm des Leoparden zu vernehmen, daß ich mich schließlich verleiten ließ, diesem Raubthiere nachzuspüren, glaubend, es möchte durch die Affen aufgestört worden und vielleicht mit ihnen im Kampfe begriffen sein; doch waren es nur die Paviane gewesen, welche die merkwürdigen Töne ausgestoßen hatten.
Am folgenden Tage sollte ich übrigens Gelegenheit erhalten, Affen und Leoparden zusammen zu sehen; ich verspare mir aber die Erzählung dieses Auftritts bis zur Beschreibung des Räubers selbst, weil dieser es war, welcher dabei die hervorragendste Rolle spielte.
Auf späteren Jagden lernte ich die Hamadryaden noch besser kennen und dabei die unglaubliche Lebenszähigkeit dieser Thiere bewundern. Wenn sie die Kugel nicht unmittelbar aufs Blatt oder in den Kopf erhielten, gingen sie uns regelmäßig verloren. Sie eilten, auch wenn sie stark verwundet waren, noch so rüstig davon, daß sie immer entkamen. Schrotschüsse fruchteten gar nichts. Sie griffen dann nur nach der verwundeten Stelle, rieben sie mit der Hand und setzten ihren Weg weiter fort, als ob nichts geschehen wäre. Schließlich waren wir so kühn geworden, daß wir nicht daran glaubten, bei solchen Jagden irgendwie gefährdet zu sein. Allein auch hierüber sollten wir bald eines Besseren belehrt werden.
Als ich mit dem Herzoge von Koburg-Gotha, seinen fürstlichen Begleitern und der übrigen Reisegesellschaft das zweite Mal durch das Thal von Mensa zog, machte uns einer der Abessinier auf einige Mantelpaviane aufmerksam, welche auf ziemlich hohen Bäumen saßen. Ich erwähne dies ausdrücklich, weil die Paviane, wie ich oben sagte, gewöhnlich nur im Nothfalle Bäume ersteigen. Selbstverständlich wurde sofort auf die entdeckten Schelme Jagd gemacht, obgleich ich davon abrieth, weil ich richtig vermuthete, daß die Hauptmenge auf der anderen Seite des Berges sitzen würde. Beim Umgehen einer Thalbiegung sahen wir denn auch eine der größten Herden, welche uns überhaupt vorgekommen, langsam an den Bergwänden dahinschreiten. Ihnen wurde jetzt eine wahre Schlacht geliefert. Mehr als zwanzig Schüsse fielen von uns, mehrere der Paviane wurden getödtet, viele verwundet und die ganze Herde nach und nach auf den Kamm des Berges getrieben. Anfänglich schossen wir vom Thalgrunde aus: bald aber suchten wir an der gegenüberliegenden Wand geschütztere Standorte; denn die von uns durch unsere Schüsse ebenso erschreckten wie erzürnten Thiere griffen jeden Stein auf, welchen sie auf ihrem Wege liegen sahen, und rollten ihn in die Tiefe hinab. Der Büchsenspanner des Herzogs versicherte, ein großes Männchen gesehen zu haben, welches mit einem gewaltigen Steine unter dem Arme einen Baum erstiegen und von dort aus seine Bürde nach uns zu in die Tiefe hinabgeschleudert habe. Mehrere der Rollsteine flogen uns im Anfange so nahe an den Köpfen vorbei, daß wir das Lebensgefährliche unserer Stellung augenblicklich einsahen und förmlich flüchteten, um bessere Plätze zu gewinnen. Während des Gefechtes blieb die Thalsohle für unsere nachkommende Karawane vollständig gesperrt; denn die Hamadryaden rollten Steine von mehr als Kopfgröße zur Tiefe hernieder. Daß die gesunden, den Indianern gleich, ihre Leichen vom Schlachtfelde weggetragen hätten, wie Bayssière beobachtet haben will, ist von uns nicht gesehen, auch etwas darauf Bezügliches anderweitig nicht vernommen worden. Dagegen unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß die fernere Erzählung jenes Reisenden ihre Richtigkeit hat. Bayssière erlegte nämlich ein Weibchen, welches ein Junges trug, und beobachtete, daß letzteres seine Mutter im Tode nicht verließ, sondern sich willig von den Todfeinden fangen ließ und ungeachtet seiner anfänglichen Störrigkeit bald zahm und sanft wurde. Auch dieser Reisende wurde durch das Herabrollen von Steinen durch Paviane arg belästigt.
Mir ist es, seitdem ich die Thiere selbst in ihrer Freiheit sah, durchaus nicht mehr unwahrscheinlich, daß sie auf einen nicht mit dem Feuergewehre bewaffneten Menschen im Augenblicke der höchsten Gefahr muthig losgehen und ihn gemeinsam angreifen, wie die Araber und Abessinier oder übereinstimmend gute Beobachter, namentlich Rüppell und Schimper, erzählen. Wir selbst haben zwar keine Erfahrungen gesammelt, welche jene Beobachtungen bestätigen könnten, wohl aber gesehen, daß die Hamadryaden selbst vor dem Bewaffneten nur höchst langsam und mit sehr vielsagendem Zähnefletschen und Brüllen sich zurückziehen. Schimper versicherte mir, daß der Hamadryas ohne Umstände Menschen nicht nur angreife, sondern auch bewältige und tödte; alte Männchen sollen sich sogar ungereizt und zwar wiederholt über holzsammelnde Mädchen hergemacht und sie umgebracht haben, wenn sie sich widersetzten. Auch Rüppell gibt an, daß der scheußliche Affe unter die gefährlichsten Gegner des Menschen gerechnet werden muß.
In Egypten und namentlich in Kairo sieht man oft Mantelpaviane im Besitze von Gauklern und Volksbelustigern. Wahrscheinlich werden noch heute genau dieselben Spiele dem Volke zur Schau gegeben, welche schon Alpinus sah, wie ja auch heutigen Tages noch mit der Brillenschlange in derselben Weise gegaukelt wird, in welcher Moses vor Pharao gaukelte. Zumal an Festtagen findet man auf jedem größeren Platze der Hauptstadt einen Affenführer und Schlangenbeschwörer. Die bezüglichen Vorstellungen stehen unter der Mittelmäßigkeit oder vielmehr, sie sind pöbelhaft gemein. Der Schausteller hat die Gelehrigkeit des Pavians benutzt, um seine eigene Unsauberkeit im scheußlichsten Zerrbilde wiederzugeben, und die Naturanlage des Affen kommt seinem Herrn nur zu gut zu Statten. Uebrigens benutzten die egyptischen Gaukler gewöhnlich Weibchen; denn die Männchen werden mit der Zeit zu bösartig und gefährlich. Sogar in Egypten dürfen sie nicht ohne Beißkorb ausgeführt werden. Dieser hindert sie jedoch immer noch nicht, Unfug zu stiften. Ich ritt einst durch die Straßen Kairo’s und stieß dabei mit dem Fuße an einen auf der Straße sitzenden Hamadryas; mein Reitesel lief im schnellsten Galopp: gleichwohl hatte der Pavian im nächsten Augenblicke mich am Beine gepackt und riß mir mit wenigen Griffen die Gamasche, den Strumpf und Schuh vom Fuße, mir zugleich als Zeichen seiner Gewandtheit und Freundlichkeit noch ein paar ziemlich tiefe Wunden hinterlassend.
Ich habe später vielfach Gelegenheit gehabt, gefangene Hamadryaden zu beobachten, und mehrere von ihnen, junge wie alte, auch längere Zeit selbst gepflegt. In der Jugend sind alle liebenswürdig, zuthunlich, ihren Pflegern im höchsten Grade anhänglich, gegen andere Menschen freundlich, gegen andere Affen friedfertig; sie gleichen den in Geberden und Wesen artigen Babuinen und erwerben sich eine allgemeine Zuneigung. Dies aber ändert sich, sobald sie halbwegs mannbar werden, und mit zunehmendem Alter treten die unliebenswürdigen Eigenschaften immer schärfer hervor. Niemals habe ich einen alten Mantelpavian gesehen, welcher nicht die verkörperte Wuth und Bosheit gewesen wäre, und nur einen einzigen habe ich kennen gelernt, welcher mit seinem Wärter auf wenigstens erträglichem Fuße stand. Die Peitsche vermag viel, aber nicht alles, und die Tücke dieses Affen bleibt unter allen Umständen zu fürchten. Einen Mantelpavian von einem Käfige in den anderen zu bringen, ist ein schwieriges Unternehmen, weil er, gereizt, auch auf seinen Pfleger mit blinder Wuth sich zustürzt und bei seiner Stärke ein keineswegs zu unterschätzender Gegner ist. Nur durch Erregung seiner Leidenschaft gelingt es, ihn in die ihm gestellte Falle zu locken, und wenn er wirklich einmal wüthend ge macht wurde, fällt er auch der plumpesten Vorkehrung zum Opfer. Falls ihn seine Neugier nicht lockt, treibt ihn seine Wuth, seine Rachsucht dahin, wohin man ihn haben will. Im Zorne vergißt er alles, sich selbst sogar. Ein einziger Blick macht ihn wüthend, Gelächter rasend, Strafe geradezu toll und unsinnig. Andere Affen lassen sich, wenn sie erkrankt oder verwundet sind, behandeln und verbinden; beim Mantelpavian ist dies gänzlich unausführbar. Ein Gefangener, welchen ich pflegte, litt an einem unbedeutenden Ausschlage, welcher namentlich auf einem seiner Beine hervortrat; es war aber unmöglich, ihm zu helfen, weil es nach einem misgeglückten Versuche Niemand mehr wagen wollte, ihn mit dem Sacknetze einzufangen und festzuhalten. Der Ausschlag mochte ihm zuweilen ein heftiges Jucken bereiten; denn er zuckte oft mit dem einen Beine, und begann sodann heftig sich zu kratzen. Dies verursachte ihm endlich Schmerzen, und darüber wurde er allgemach so wüthend, daß er das Bein mit beiden Händen packte und wüthend in dasselbe biß, als habe er es mit einem tödtlich gehaßten Gegner zu thun. Diese Leidenschaftlichkeit zeigte sich auch im Umgange mit dem zarteren Geschlechte. Im Freileben hat der weibliche Hamadryas wenigstens Raum, um den stürmischen Liebesanträgen des Männchens auszuweichen; im Käfige dagegen muß es trotz seiner Willfährigkeit oft sehr viel leiden. Denn so heiß und glühend auch das Verlangen des Thieres ist: seine unsinnige Leidenschaft findet in der Erreichung des Erstrebten kein volles Genügen. Ohne Knüffe und Bisse geht es bei einer Paarung dieser Affen nie ab, und sehr oft entwindet sich das Weibchen nur blutend den stürmischen Umarmungen seines Gatten oder Ueberwältigers.
In unmittelbarer Nähe des Hamadryas wohnt ein zweiter Mantelpavian, welcher neuerdings zum Vertreter einer besonderen Sippe erhoben worden ist, obgleich er sich vom Hamadryas nur durch die nicht endständigen, sondern zurückliegenden Nasenlöcher, eine nackte Stelle auf Hals und Brust, reicheren Mantel, längere Schwanzquaste und unwesentliche Eigenthümlichkeiten im Zahnbau unterscheidet.