Der Kampfläufer in Brehms Tierleben

Kampfläufer (Brehms Tierleben)

Der merkwürdigste aller Strandläufer ist der Kampfläufer, Streitvogel, Kampf-, Brause-, Burr-, Strauß-, Koller- und Bruchhahn, See-, Pfau-und Hausteufel (Machetes pugnax, alticeps, planiceps, minor und optatus, Tringa pugnax, littorea, equestris, grenovicensis und rufescens, Totanus pugnax und indicus, Philomachus pugnax, Pavon cella pugnax, Limosa Hartwickii), der einzige Vertreter seiner Sippe. Der Schnabel ist so lang wie der Kopf, gerade, an der Spitze ein wenig gesenkt und nicht verbreitert, seiner ganzen Länge nach weich, der Fuß hoch und schlank, weit über der Ferse nackt, vierzehig, die mittlere mit der äußeren Zehe durch eine Spannhaut verbunden, die hintere kurz und hoch eingelenkt, der Fittig mittellang und spitzig, in ihm die erste Schwinge die längste, der Schwanz kurz, flach gerundet, das Kleingefieder weich, dicht, meist glatt anliegend, durch einen Kampfkragen, welchen die Männchen im Frühjahre tragen, besonders ausgeschmückt. Letztere zeichnen sich auch dadurch aus, daß sie ein Drittel größer sind als die Weibchen, im Hochzeitskleide eine ins unendliche abändernde Färbung und Zeichnung haben und im Gesichte eigenthümliche Warzen erhalten, welche im Herbste mit den Kragen verschwinden. Eine allgemein gültige Beschreibung kann nicht gegeben werden. Der Oberflügel ist dunkel braungrau, der schwarzgraue Schwanz auf den sechs mittleren Federn schwarz gefleckt, der Bauch weiß, das übrige Gefieder aber höchst verschieden gefärbt und gezeichnet. Letzteres gilt insbesondere für die aus harten, festen, etwa fünf Centimeter langen Federn bestehende Krause, welche den größten Theil des Halses umgibt. Sie ist auf schwarzblauem, schwarzem, schwarzgrünem, dunkel rost braunem, rothbraunem, rostfarbenem, weißem und andersfarbigem Grunde heller oder dunkler gefleckt, gebändert, getuscht oder sonstwie gezeichnet, so verschiedenartig, daß man kaum zwei männliche Kampfläufer findet, welche einander ähneln. Aus Erfahrung weiß man, daß bei einem und demselben Vogel im nächsten Jahre die gleiche Färbung und Zeichnung wieder zum Vorscheine kommt. Die Brustfedern haben entweder die Zeichnung der Krause oder sind anders gefärbt. Dasselbe gilt für den Rücken. Das Auge ist braun, der Schnabel grünlich oder grünlichgelb, mehr oder weniger ebenfalls mit der Färbung des Gefieders wechselnd, der Fuß in der Regel röthlichgelb. Die Länge beträgt neunundzwanzig bis zweiunddreißig, die Breite etwa vierundsechzig, die Fittiglänge neunzehn, der Schwanz acht Centimeter. Das Gefieder des Weibchens ändert nicht ab. Seine Färbung ist auf der Oberseite ein mehr oder weniger ins Röthliche spielendes Grau, welches durch dunkle Flecke gezeichnet wird; das Gesicht und die Stirne sind gewöhnlich hellgrau, die Federn des Oberkopfes grau, braunschwarz in die Länge gefleckt, die des Hinterhalses grau, die des Rückens und der Schultern in der Mitte braunschwarz, am Rande rostfarben, die der Kehle und Gurgel grau und die des Bauches mehr oder weniger weiß. Die Länge beträgt höchstens sechsundzwanzig, die Breite siebenundfunfzig Centimeter.

Der Norden der Alten Welt ist die Heimat des Kampfläufers; einzelne haben sich jedoch auch nach Nordamerika verirrt. Gelegentlich ihres Zuges besuchen diese Vögel nicht nur alle Länder Europas und Asiens, sondern auch ganz Afrika; denn man hat sie im Kaplande wie am Senegal oder am oberen Nile erlegt. Größere Sumpfflächen, wie sie der Kiebitz liebt, beherbergen in der Regel auch den Kampfläufer; jedoch verbreitet sich derselbe nicht so weit wie jener. Süddeutschland besucht er nur auf dem Zuge; Norddeutschland bewohnt er stellenweise regelmäßig. In der Nähe des Meeres sieht man ihn oft, eigentlichen Seevogel aber kann man ihn nicht nennen. Er folgt den Flüssen vom Meere an bis tief ins Land, hält sich allerdings meist in ihrer Nähe auf, streicht aber doch ziemlich weit von ihrem Ufer weg und wird deshalb oft inmitten der Felder oder selbst in der Steppe gefunden.

Bei uns zu Lande erscheint der Kampfläufer flugweise im Anfange des Mai, selten schon in den letzten Tagen des April, bezieht seine Sommerplätze und beginnt bereits im Juli und August wieder umherzustreifen, bezüglich sich auf die Wanderschaft zu begeben. Auch er reist des Nachts und immer in Gesellschaften, welche dann in der Regel Kettenzüge in Keilform bilden. Die Männchen ziehen getrennt von den Weibchen und Jungen, wie sich auch beide Geschlechter abgesondert in der Winterherberge aufhalten. Zahlreiche Scharen, welche ich am Mensaleh-See und in den Flußniederungen im Sudân antraf, bestanden regelmäßig aus Weibchen; Männchen kamen mir nur einzeln und immer selten zu Gesicht. Erstere verlassen uns zuerst und kehren am spätesten zurück; es finden sich aber unzweifelhaft dieselben Vögel auch wieder auf denselben Plätzen ein.

Vor und nach der Brutzeit unterscheiden sich Männchen und Weibchen in ihrem Betragen nicht. Ihr Gang ist anmuthig, nicht trippelnd, sondern mehr schrittweise, die Haltung dabei eine stolze, selbstbewußte, der Flug sehr schnell, viel schwebend, durch leichte und rasche Schwenkungen ausgezeichnet. Bis gegen die Brutzeit hin vertragen sich die Kampfläufer sehr gut, zeigen sich gesellig, halten treu zusammen, mischen sich auch wohl zuweilen, immer aber nur für kurze Zeit, unter ähnliches Geflügel und treiben sich munter in einem bestimmten Gebiete umher, zu regelmäßigen Tageszeiten bald an dieser, bald an jener Stelle desselben sich beschäftigend. Nach Art ihrer Verwandten sind sie munter und rege, noch ehe der Tag angebrochen und bis tief in die Nacht hinein, bei Mondscheine auch während derselben, schlafen und ruhen also höchstens in den Mittagsstunden. Morgens und abends beschäftigen sie sich eifrig mit Aufsuchung der Nahrung, welche in dem verschiedensten Wassergethiere, aber auch in Landkerfen und Würmern und ebenso in mancherlei Sämereien besteht. In Indien fressen sie, so lange sie sich in der Winterherberge aufhalten, fast ausschließlich Reis; in Egypten wird es nicht anders sein, da ich sie dort ebenfalls oft in Reisfeldern gefunden habe. So lange sie Nahrung suchen, pflegen sie sehr ruhig und still dem wichtigen Geschäfte nachzugehen; man vernimmt dann höchstens beim Auffliegen ihre sehr schwache Stimme, welche wie ein heiseres »Kak, kak« klingt. Mit Einbruch der Nacht werden sie rege und schwärmen nun scheinbar zu ihrem Vergnügen oft längere Zeit umher.

Dieses Betragen ändert sich gänzlich, sobald die Paarungszeit eintritt. Jetzt bethätigen sie ihren Namen. Die Männchen kämpfen, und zwar fortwährend, ohne wirklich erklärliche Ursache, möglicherweise gar nicht um die Weibchen, wohl aber um eine Fliege, einen Käfer, einen Wurm, um einen Sitzplatz, um alles und nichts; sie kämpfen, gleichviel ob Weibchen in der Nähe sind oder ob sie keine solchen sehen, ob sie sich ihrer vollen Freiheit erfreuen oder in der Gefangenschaft befinden, ob sie erst vor wenigen Stunden ihre Freiheit verloren oder schon jahrelang im Käfige gelebt haben; sie kämpfen zu jeder Tageszeit, kurz, unter allen Umständen. Im Freien versammeln sie sich auf besonderen Plätzen, welche da, wo sie häufig vorkommen, fünf- bis sechshundert Schritte von einander entfernt liegen, alljährlich wieder aufgesucht und benutzt werden und sich wohl infolge der beständigen Kämpfezeit, nicht aber an und für sich von dem umliegenden Boden unterscheiden. Eine etwas erhöhte, immer feuchte, mit kurzem Rasen bedeckte Stelle von anderthalb bis zwei Meter Durchmesser wird zum Kampfplatze ausgewählt und nun täglich von einer gewissen Anzahl Männchen mehrmals besucht. Hier erwartet jedes den Gegner, und mit ihm kämpft es. Bevor die Federn des Kragens sich nicht ausgebildet haben, erscheint kein Kampfläufer auf dem Walplatze; sowie er aber sein volles Hochzeitskleid angelegt hat, findet er sich ein und hält nun mit einer bewunderungswürdigen Zähigkeit an ihm fest.

»Das zuerst angekommene Männchen«, schildert Naumann trefflich und wahr, »schaut sich verlangend nach einem zweiten um; ist dieses angelangt und nicht gerade rauflustig, so wird ein drittes, viertes usw. abgewartet, und bald gibt es nun Streit. Es haben sich die Gegner gefunden, sie treffen sich, fahren auf einander los, kämpfen eine kurze Zeit mit einander, bis sie erschöpft sind, und jeder nimmt sein erstes Plätzchen wieder ein, um sich zu erholen, frische Kräfte zu sammeln und den Kampf von neuem zu beginnen. Dies geht so fort, bis sie es überdrüssig werden und sich vom Platze entfernen, jedoch dies gewöhnlich nur, um bald wieder zu kommen. Ihre Balgereien sind stets nur eigentliche Zweikämpfe; nie kämpfen mehrere zugleich gegen einander; aber es fügt sich oft, wenn mehrere am Platze sind, daß zwei und drei Paare, jedes für sich, zugleich kämpfen und ihre Stechbahnen sich durchkreuzen, welches ein so wunderliches Durcheinanderrennen und Gegeneinanderspringen gibt, daß der Zuschauer aus der Ferne glauben möchte, diese Vögel wären alle toll und vom bösen Geiste besessen. Wenn sich zwei Männchen gegenseitig auf das Korn genommen haben, fangen sie zuerst, noch aufrecht stehend, zu zittern und mit dem Kopfe zu nicken an, biegen nun die Brust tief nieder, so daß der Hinterleib höher steht als sie, zielen mit dem Schnabel nach einander, sträuben dazu die großen Brust- und Rückenfedern, richten den Nackenkragen aufwärts und spannen den Halskragen schildförmig aus: so rennen und springen sie auf einander los, versetzen sich Schnabelstöße, welche der mit Warzen bepanzerte Kopf wie ein Helm und der dichte Halskragen wie ein Schild auffangen, und dies alles folgt so schnell auf einander, und sie sind dabei so hitzig, daß sie vor Wuth zittern, wie man besonders in den kleinen Zwischenräumen der mehrmaligen Anläufe, die auch schnell auf einander folgen, deutlich bemerkt, und deren mehr oder weniger, je nachdem die Kampflust bei den Parteien gerade heftiger oder gemäßigter ist, zu einem Gange gehören, auf welchen eine längere Pause folgt. Der Kampf schließt fast, wie er anfängt, aber noch mit heftigerem Zittern und Kopfnicken; letzteres ist jedoch auch von anderer Art, ein Zucken mit dem Schnabel gegen den Gegner, welches wie Luftstöße aussieht und Drohung vorzustellen scheint. Zuletzt schütteln beide ihr Gefieder und stellen sich wieder auf ihren Stand, wenn sie es nicht etwa überdrüssig sind und sich auf einige Zeit ganz vom Schauplatze entfernen.

Sie haben keine andere Waffe als ihren weichen, an der Spitze kolbigen, übrigens stumpfschneidigen Schnabel, ein sehr schwaches Werkzeug, mit welchem sie sich nie verletzen oder blutrünstig beißen können, weshalb bei ihren Raufereien auch nur selten Federn verloren gehen, und das höchste Unglück, was einem begegnen kann, darin besteht, daß er vom Gegner bei der Zunge erfaßt und eine Weile daran herumgezerrt wird. Daß ihr Schnabel bei zu heftigen Stößen gegen einander sich zuweilen zur Ungebühr biegen mag, ist nicht unwahrscheinlich und wohl möglich, daß dadurch an den zu arg gebogenen oder fast geknickten Stellen desselben jene Auswüchse oder Knollen entstehen, die namentlich alte Vögel, welche die wüthendsten Kämpfer sind, öfters an den Schnäbeln haben.«

Zuweilen findet sich ein Weibchen auf dem Kampfplatze ein, nimmt ähnliche Stellungen an wie die kämpfenden Männchen und läuft unter diesen herum, mischt sich aber sonst nicht in den Streit und fliegt bald wieder davon. Dann kann es geschehen, daß ein Männchen es begleitet und ihm eine Zeitlang Gesellschaft leistet. Bald aber kehrt es wieder zum Kampfplatze zurück, ohne sich um jenes zu kümmern. Niemals kommt es vor, daß zwei Männchen einander fliegend verfolgen. Der Streit wird auf einem Platze ausgefochten, und außerhalb desselben herrscht Frieden.

Wenn die Legezeit herannaht, sieht man ein Männchen in Gesellschaft zweier Weibchen oder umgekehrt, ein Weibchen in Gesellschaft mehrerer Männchen, auch fern vom Kampfplatze in der Nähe der Stelle, welche später das Nest aufnehmen soll. Letzteres steht selten fern vom Wasser, oft auf einer erhöhten Stelle im Sumpfe, und ist eine mit wenigen dürren Hälmchen und Grasstoppeln ausgelegte Vertiefung. Vier, seltener drei Eier, von bedeutender Größe, etwa vierzig Millimeter Längs-, zweiunddreißig Millimeter Querdurchmesser, welche auf olivenbräunlichem oder grünlichem Grunde röthlichbraun oder schwärzlich, am dickeren Ende gewöhnlich stärker als am schwächeren gefleckt sind, bilden das Gelege. Das Weibchen brütet allein, siebzehn bis neunzehn Tage lang, liebt die Brut sehr und geberdet sich am Neste ganz nach Art anderer Schnepfenvögel, wie denn auch die Jungen in derselben Weise leben wie ihre Verwandten. Das Männchen bekümmert sich nicht um seine Nachkommenschaft, es kämpft mit anderen, so lange es brünstige Weibchen gibt, beendet die Kampfspiele in den letzten Tagen des Juni und treibt sich nun bis gegen die Zugzeit hin nach Belieben im Lande umher.

Kein Schnepfenvogel läßt sich leichter fangen, keiner leichter an die Gefangenschaft gewöhnen als der Kampfläufer. Wenn man auf dem Kampfplatze Schlingen stellt, bekommt man die Männchen gewiß in seine Gewalt; auch auf dem Wasserschnepfenherde fängt man sie, oft in erheblicher Anzahl. Im Käfige zeigen sie sich augenblicklich eingewöhnt, gehen ohne weiteres an das Futter und halten sich recht gut. In einem größeren Gesellschaftsbauer nehmen sie sich allerliebst aus und gewähren jedermann beständige Unterhaltung, mindestes so lange die Brutzeit währt; denn auch hier enden ihre Kämpfe nie: jede ihnen zugeworfene Semmelkrume erregt die ganze Gesellschaft. Nach der Paarungszeit tritt Frieden ein, und die wackeren Recken leben fortan sanft, gemüthlich und ruhig unter einander, obwohl einer und der andere sich noch zu drohenden Stellungen verleiten lassen.

Außer dem Menschen stellen die bekannten vierfüßigen und gefiederten Feinde der kleinen Stelzvögel überhaupt auch dem Kampfläufer nach, und namentlich die Raubvögel nehmen viele weg. Ueberschwemmungen vernichten die Bruten; die Eier werden wie Kiebitzeier aufgesammelt und verspeist. Das Fleisch ist wohlschmeckend.

»Zwei norwegische Meilen von dem Gehöfte Melbo auf den Lofoten liegt die Pfarrkirche Bö und dicht neben ihr das Pfarrhaus. In ihm lebt ein liebenswürdiger Mann, bekannt als Pfarrer, bekannter noch als Maler. Den suchen Sie auf, und wenn Sie es nicht seinetwegen thun wollen, so müssen Sie es thun der Wassertreter halber, welche Sie dort in unmittelbarer Nähe finden werden. Dreihundert Schritte östlich von diesem Pfarrhause liegen fünf kleine mit Gras umstandene Süßwasserteiche; auf ihnen werden Sie die Vögel finden, nach denen Sie mich gefragt haben.«

So sagte mir der Forstmeister Barth, ein vogelkundiger Norman, bei dem ich mir Raths erholte, bevor ich mich den Ländern zuwandte, in denen vier Monate im Jahre die Sonne nicht untergeht. Ich begab mich auf die Reise, benutzte jede Gelegenheit, um mit der Vogelwelt bekannt zu werden, suchte jeden riedumstandenen Süßwassersee ab und spähte vergeblich nach den ersehnten Vögeln. Endlich kam ich nach Bö, fand bei dem Pfarrer freundliche Aufnahme und ließ mir die köstlichen Bilder zeigen, welche der einsame Mann da oben zu seiner eigenen Genugthuung malt; dann aber fragte ich, zu nicht geringer Ueberraschung des Wirtes, nach den bewußten kleinen Seen. Wir brachen auf, erreichten sie nach wenigen hundert Schritten, und – auf dem ersten derselben schwamm ein Pärchen des Wassertreters umher, auf dem zweiten ein zweites, auf einem der übrigen noch ein drittes. Später habe ich freilich noch viele andere gefunden; denn in Lappland gehören sie nicht zu den Seltenheiten, und in der Tundra der Samojedenhalbinsel sind sie überaus häufig: so aber, wie an jenem Tage, haben sie mich doch nie wieder entzückt und hingerissen.

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