Unter ihnen steht das gefürchtetste aller Raubthiere der neuen Welt, der Jaguar oder die Unze (Leopardus Onza, Felis onza, panthera), als das größte und stärkste Mitglied der Gruppe obenan.
Wir kennen ihn schon aus den ersten Nachrichten, welche uns über Amerika zugekommen sind; doch hat auch jetzt noch immer fast jeder Reisende etwas über ihn zu berichten. Daß bei den Beschreibungen viele Fabeln unterlaufen, ist leicht erklärlich: letztere beweisen eben nur die Furchtbarkeit, oder besser noch das Ansehen, in welchem das Thier bei den einheimischen und eingewanderten Amerikanern steht. Durch Azara, Humboldt, Prinz von Wied und vor allem durch Rengger sind wir mit ihm genau bekannt geworden.
Der Jaguar steht hinsichtlich seiner Größe wenig hinter dem Tiger zurück und übertrifft somit alle übrigen Mitglieder der Familie, selbstverständlich noch mit Ausnahme des Löwen. Seine Gestalt zeigt mehr den Ausdruck von Kraft als von Gewandtheit und erscheint etwas schwerfällig. Der Körper ist nicht so lang wie der des Leoparden oder Tigers, und die Gliedmaßen sind im Verhältnis zum Rumpfe kürzer als bei jenen Katzen. Ein vollkommen erwachsener Jaguar mißt nach Rengger 1,45 Meter von der Schnauzenspitze bis zur Schwanzwurzel und 68 Centim. von hier bis zur Schwanzspitze; Humboldt berichtet aber auch von einzelnen, welche mindestens ebenso groß wie der Königstiger waren. Am Wiederriste wird die Unze etwa 80 Centim. hoch, etwas darüber oder darunter. Der Pelz ist kurz, dicht, glänzend und weich, an der Kehle, dem Untertheile des Halses, der Brust und dem Bauche länger als an dem übrigen Körper. Die Färbung ändert vielfach ab, ebenso wohl was die Grundfarbe als was die Fleckenzeichnung anbelangt. Bei den meisten ist jene röthlichgelb, ausgenommen im Inneren des Ohres, an der unteren Schnauze, den Kinnladen, der Kehle und der übrigen Unterseite sowie an der Innenseite der vier Beine, wo Weiß vorherrscht. Das Fell ist überall gezeichnet, theils mit kleineren schwarzen, kreisförmigen, länglich oder auch unregelmäßig gestalteten Flecken, theils mit größeren Flecken und Ringen, welche gelblichroth und schwarz umrandet sind und in ihrer Mitte einen oder zwei schwarze Punkte tragen. Die vollen Flecken befinden sich besonders am Kopfe, am Halse, an der Unterseite des Leibes und an den Gliedmaßen, sind da, wo die Grundfarbe weiß ist, spärlicher, aber größer und unregelmäßiger als an den übrigen Theilen und bilden zuweilen an der inneren Seite der Beine Querstreifen. Auch an der hinteren Körperhälfte sind sie größer als an der vorderen, und am hinteren Drittheile des Schwanzes, welches schwarz ist, bilden sie zwei bis drei volle, d.h. um den Ober- und Untertheil des Schwanzes sich ziehende Ringe. Bei allen Abänderungen findet sich immer ein schwarzer Flecken an jedem Mundwinkel und ein anderer mit einem weißen oder gelben Punkte in der Mitte an dem hinteren Theile des Ohres. Auf dem Rücken fließen die unregelmäßigen Streifen, welche auf dem Kreuze sich in zwei theilen, zusammen; an den Seiten des Körpers bilden sie mehr oder minder gleichlaufende Reihen. Etwas genaueres läßt sich nicht sagen, denn man findet kaum zwei oder drei Felle, welche durchaus gleichmäßig gezeichnet sind. Der weibliche Jaguar hat im allgemeinen etwas blässere Färbung als der männliche, auch weniger ringförmige Flecken am Halse und auf den Schultern, dafür aber mehr und deshalb natürlich kleinere an den Seiten des Leibes. Eine schwarze Spielart ist nicht allzuselten. Das Fell hat bei ihr so dunkle Färbung, daß die schwarzen Flecken wenig sich abheben. Ein allgemein verbreiteter Glaube schreibt, laut Hensel, ungerechtfertigter Weise solchen schwarzen Jaguars besondere Wildheit zu.
Der Name Jaguar stammt aus der Sprache der Guaraner, welche das Thier »Jaguarette«, d.h. »Körper des Hundes« nennen. Bei den Spaniern heißt er Tiger, bei den Portugiesen gemalte Onze oder Unze; und unter diesem Namen wird er auch oft von den Reisebeschreibern erwähnt. Sein Verbreitungskreis reicht von Buenos-Ayres und Paragay durch ganz Südamerika bis nach Mejiko und in den südwestlichen Theil der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Am häufigsten findet er sich in den gemäßigten Theilen von Südamerika, längs der Ströme Panama, Paragay und Urugay, am seltensten in den Vereinigten Staaten, wo ihn der vordringende Weiße mehr und mehr verdrängt. Gegenwärtig ist er überall weit seltener, als er es früher war, auch schon weit seltener als zu Ende des vorigen Jahrhunderts, um welche Zeit, wie Humboldt angibt, alljährlich noch zweitausend Jaguarfelle nach Europa gesandt wurden. Er bewohnt die bewaldeten Ufer der Ströme, Flüsse und Bäche, den Saum der Waldungen, welche nahe an Sümpfen liegen, und das Moorland, wo über zwei Meter hohe Gras- und Schilfarten wachsen. Auf offenem Felde und im Inneren der großen Wälder zeigt er sich selten und nur, wenn er aus einer Gegend in die andere zieht. Wo ihn die Sonne überrascht, legt er sich nieder, im Dickichte des Waldes oder im hohen Grase, und verweilt dort den Tag über. In den größeren Steppen, zumal in den Pampas von Buenos-Ayres, wo ihm die Wälder mangeln, verbirgt er sich, laut Azara, im hohen Grase oder in den unterirdischen Höhlen, welche die dort sich umhertreibenden wilden oder verwilderten Hunde anlegen. Manchmal benutzt er eine verlassene Indianerhütte zeitweilig zu seiner Wohnung. »Ein Indianer«, erzählt Humboldt, »fand, als er seine Hütte wieder aufsuchte, dieselbe von einem Jaguarweibchen und dessen beiden Jungen besetzt. Die Thiere hatten seit mehreren Monaten sich hier aufgehalten, und es gelang dem Eigenthümer erst nach langem Kampfe sie herauszubringen.«
In der Morgen- und Abenddämmerung, oder auch bei hellem Mond- und Sternenscheine, nie aber in der Mitte des Tages oder bei sehr dunkler Nacht, geht der Jaguar auf Raub aus. Alle größeren Wirbelthiere, deren er habhaft werden kann, bilden seine Nahrung. Er ist ein in jeder Hinsicht furchtbarer Räuber. So plump sein Gang auch erscheint, so leicht und geschwind kann er im Falle der Noth sich bewegen. Seine Kraft ist für ein Thier von seinem Wuchse außerordentlich groß und kann nur mit der des Tigers und des Löwen verglichen werden. Die Sinne sind scharf und gleichmäßig ausgebildet. Das unstäte Auge, welches in der Nacht oft leuchtet, ist lebendig, wild und scharf, das Gehör vortrefflich, der Geruch aber, wie bei allen Katzen, nicht eben besonders entwickelt; doch vermag er immerhin noch eine Beute auf gewisse Entfernung zu wittern. So erscheint er leiblich vollkommen ausgerüstet, um als äußerst gefährliches Raubthier auftreten zu können. Er ist kein Kostverächter. Azara fand in seinem Kothe die Stacheln eines Stachelschweins, Rengger im Magen Theile von Ratten und Agutis, woraus hervorgeht, daß er auch auf kleinere Thiere Jagd machen muß. Ebenso beschleicht er im Schilfe Sumpfvögel und versteht Fische sehr gewandt aus dem Wasser zu ziehen. Ja, es unterliegt keinem Zweifel, daß er sogar den Kaiman nicht verschont, obschon die nachstehende Angabe Hamiltons als ein albernes Märchen angesehen werden muß: »Jaguar und Alligator sind Todfeinde und leben in beständigem Kriege mit einander. Wenn der Jaguar den Alligator auf den heißen Sandbänken schlafend antrifft, packt er ihn unterhalb des Schwanzes, wo er weiche und verwundbare Theile hat. Die Bestürzung des Alligators ist dann so groß, daß er nicht leicht an Flucht oder Gegenwehr denkt. Gelingt es dagegen dem Alligator, den Feind im Wasser, seinem eigentlichen Elemente, zu überfallen, so ist er im Vortheile; gewöhnlich glückt es ihm dann, den Jaguar zu ersäufen, worauf er ihn frißt. Der Jaguar, seine Ohnmacht im Wasser wohl erkennend, erhebt, wenn er durch einen Fluß schwimmen will, zuvor am Ufer ein fürchterliches Geheul, um die etwa in der Nähe befindlichen Alligatoren zu verscheuchen.« Man braucht eben nicht Naturforscher zu sein, um die Abgeschmacktheit solcher Erzählungen zu erkennen und sie ohne weiteres zu widerlegen. Daß die Unze Kriechthiere verzehrt, ist nach den Beobachtungen von Humboldt, des Prinzen von Wied und Bates nicht in Abrede zu stellen. »Der Jaguar«, sagt Humboldt, »der grausamste Feind der Arrua-Schildkröte, folgt dieser an die Gestade, wo sie ihre Eier legt. Er überfällt sie auf dem Sande und, um sie bequemer verzehren zu können, wendet er sie um. Die Schildkröte kann sich nicht wieder aufrichten, und weil der Jaguar ungleich mehr derselben mordet, als er in einer Nacht frißt, so benutzen die Indianer öfters seine List zu ihrem Vortheile. Man kann übrigens die Gewandtheit der Pfote des Tigers nicht genug bewundern, die den gedoppelten Panzer der Schildkröte ausleert, als wären die Muskularbande mit einem chirurgischen Instrumente gelöst worden.« Prinz von Wied bestätigt diese Angabe. »Die rein ausgeleerten Panzer der Waldschildkröte«, so erzählt er, »findet man häufig in den großen Wäldern, und die brasilianischen Jäger wenigstens behaupten, daß es die Unze gethan habe. Oefters waren diese Schalen der Schildkröte ausgeleert, wahrscheinlich mit den Klauen, und dabei übrigens nicht beschädigt, öfters aber ein Theil des Panzers weggebissen.« Auch der Hamilton’schen Erzählung liegt ein Körnlein Wahrheit zu Grunde. Der glaubwürdige Bates sah bei einem Jagdausfluge eine frische Jaguarfährte an einem Tümpel mit sehr schlammigen, frisch aufgerührtem Wasser, hörte bald darauf das Rauschen der Gebüsche, in denen das gestörte Raubthier verschwand und fand einige Schritte weiter hin die Ueberreste eines bis auf den Kopf, das Vordertheil und die Panzerhaut aufgefressenen Alligators. Das Fleisch war noch ganz frisch und um den Leichnam herum die Fährte des Jaguar deutlich erkennbar; es konnte also keinem Zweifel unterliegen, daß der Alligator der Unze zum Frühstücke gedient hatte.
»Für einen geübten Jäger«, sagt Rengger, »ist es nichts seltenes, den Jaguar auf seinen Jagden beobachten zu können, besonders längs der Ströme. Man sieht ihn dann langsam und leisen Schrittes nach dem Ufer heranschleichen, wo er insbesondere den größeren Halbhufern oder Wasserschweinen und den Fischottern nachstellt. Von Zeit zu Zeit bleibt er wie horchend stehen und sieht aufmerksam um sich; niemals aber konnte ich bemerken, daß er, durch den Geruch geleitet, mit zur Erde gestreckter Nase die Spur eines Wildes verfolgt hätte. Hat er z.B. ein Meerschweinchen bemerkt, so ist es unglaublich, mit welcher Geduld und Umsicht er demselben sich zu nähern sucht. Wie eine Schlange windet er sich auf dem Boden hin, hält sich dann wieder Minuten lang ruhig, um die Stelle seines Opfers zu beobachten, und macht oft weite Umwege, um diesem von einer anderen Seite, wo er weniger bemerkt werden kann, beizukommen. Ist es ihm gelungen, ungesehen dem Wilde sich zu nähern, so springt er in einem, selten in zwei Sätzen auf dasselbe hin, drückt es zu Boden, reißt ihm den Hals auf und trägt das noch im Todeskampfe sich sträubende Thier im Munde in das Dickicht. Oefters aber verräth ihn das Knistern der unter seinem Gewichte brechenden dürren Reiser, ein Geräusch, auf welches auch die Fischer achten, wenn sie abends am Ufer des Stromes ihr Nachtlager aufschlagen, oder die Wasserschweine wittern ihn von ferne und stürzen sich mit einem lauten Schrei ins Wasser. Man will übrigens Jaguare gesehen haben, welche hinter den Thieren her ins Wasser sprangen und sie im Augenblicke des Untertauchens erhaschten. Hat er seinen Sprung auf das Wild verfehlt, so geht er sogleich und wie beschämt schnellen Schrittes weiter, ohne sich nur umzusehen. Im Augenblicke, wo er ein Thier beschleicht, ist seine Aufmerksamkeit so sehr auf dasselbe gerichtet, daß er nicht achtet, was um ihn her vorgeht und sogar starkes Geräusch nicht wahrnimmt. Kann er dem Wilde nicht sich nähern, ohne bemerkt zu werden, so legt er sich im Gebüsche auf die Lauer. Seine Stellung ist alsdann die einer Katze, welche auf eine Maus paßt, niedergeduckt, doch zum Sprunge fertig, das Auge unverwandt nach dem Gegenstande seiner Raubgier gerichtet und nur den ausgestreckten Schwanz hin und wieder bewegend. Aber nicht immer geht der Jaguar dem Wilde nach, oft versteckt er sich bloß in das Röhricht der Sümpfe und am Ufer kleinerer Bäche und erwartet hier ruhig die zur Tränke gehenden Thiere. Auf Bäumen lauert er niemals, obgleich er sehr gut klettert.«
In Viehherden richtet der Jaguar bedeutenden Schaden an. Er stellt besonders dem jungen Hornvieh, den Pferden und Mauleseln nach. Azara behauptet, daß er diese Thiere in ganz außergewöhnlicher Weise tödte, indem er auf den Hals seiner Beute springe, eine Klaue in den Nacken oder an das Gehörn setze, mit der anderen die Spitze der Schnauze packe und den Kopf so schnell herumdrehe, daß er seiner Beute augenblicklich das Genick breche. Rengger hat dies nie beobachtet und auch bei todten Thieren keine Spur davon auffinden können. »Im Gegentheil«, fährt er fort, »habe ich immer bemerkt, daß der Jaguar seiner Beute, wenn sie in einem großen Thiere besteht, den Hals aufreißt oder, wenn sie nur ein kleines Thier ist, durch einen Biß im Nacken tödtet. Stiere und Ochsen greift er selten und nur in der Noth an; sie gehen muthvoll auf ihn los und verscheuchen ihn. In Paragay hört man zuweilen sonderbare Erzählungen von solchen Kämpfen, und mehrmals sollen Menschen durch den Muth eines Stieres gerettet worden sein. Die Kühe sogar vertheidigen ihr Junges mit Vortheil gegen den schlimmen Feind, werden aber dabei immer schwer verwundet. Daß sie bei dessen Annäherung sich in einen Kreis stellten und die Jungen in die Mitte nähmen, wie hier und da erzählt wird, ist ein Märchen; die ganze Herde zieht sich im Gegentheil sogleich ins offene Feld zurück, wenn ihr ein Jaguar naht, und bloß die Stiere und Ochsen bleiben unter Gebrüll, mit ihren Hörnern und Füßen die Erde aufwerfend, kampflustig in der Nähe des Feindes. Pferde und Maulesel werden ihm zur leichten Beute, wenn sie den Wäldern sich nähern. Die ersteren suchen noch hier und da durch die Flucht sich zu retten; die Maulesel aber werden durch den bloßen Anblick des Thieres so geschreckt, daß sie ohne Bewegung bleiben oder gar zu Boden stürzen, ehe sie noch angefallen werden. Dagegen haben sie einen weit feineren Geruch als die Pferde, wittern den Feind bei günstigem Wetter von weitem und setzen sich somit weniger der Gefahr aus. Bloß Hengste sollen durch Beißen und Schlagen gegen den Jaguar sich vertheidigen, wenn sie nicht schon durch den ersten Sprung zu Boden geworfen werden.«
Der Jaguar erhascht seine Beute ebenso wohl im Wasser wie auf dem Lande. Man hat viel gefabelt über die Art und Weise, wie er sich Fische zu verschaffen weiß. So soll er, um nur ein Beispiel dieser Fabelei anzuführen, die Fische durch den Schaum seines Speichels oder indem er mit seinem Schwanze auf die Oberfläche des Wassers schlägt an sich heranlocken. »Ein verständiger Jäger aber«, sagt Rengger, »dem ich manche gute Beobachtungen und manchen guten Rath für meine Reisen verdanke, belehrte mich eines besseren, und eigene Beobachtungen bestätigten mir später die Wahrheit seiner Aussage. Als ich an einem schwülen Sommerabende von der Entenjagd in meinem Nachen nach Hause fuhr, bemerkte mein Begleiter, ein Indianer, am Ufer des Stromes einen Jaguar. Wir näherten uns demselben und versteckten uns hinter die überhängenden Weidenbäume, um sein Treiben zu beobachten. Zusammengekauert saß er an einem Vorsprunge des Ufers, wo das Wasser einen etwas schnellen Lauf hatte, dem gewöhnlichen Aufenthalte eines Raubfisches, welcher im Lande ›Dorado‹ heißt. Unverwandt richtete er seinen Blick aufs Wasser, indem er sich hin und wieder vorwärts bog, wie wenn er in die Tiefe spähen wollte. Etwa nach einer Viertelstunde sah ich ihn plötzlich mit der Pfote einen Schlag ins Wasser geben und einen großen Fisch aus Land werfen. Er fischt also ganz auf gleiche Art wie die Hauskatze.«
Hat der Jaguar ein kleines Thier erlegt, so zehrt er dasselbe mit Haut und Knochen sogleich auf; von großer Beute aber, wie von Pferden, Rindern und dergleichen frißt er bloß einen Theil, ohne Vorliebe für dieses oder jenes Stück des Körpers zu zeigen; nur die Eingeweide berührt er alsdann nicht. Nach der Mahlzeit zieht er sich in den Wald zurück, entfernt sich aber in der Regel nicht weiter als eine Viertelstunde von der Stelle, wo er fraß, und überläßt sich dann dem Schlafe. Des Abends oder des anderen Morgens kehrt er zu seiner Beute zurück, zehrt zum zweiten Male davon und überläßt nunmehr den Rest den Geiern. Diese machen ihm, wie Humboldt beobachtete, auch schon während seiner Mahlzeiten die Beute streitig. »Unweit San Fernando sahen wir den größten Jaguar, der uns auf unserer ganzen Reise vorkam. Das Thier lag im Schatten hingestreckt und stützte eine seiner Tatzen auf ein eben erlegtes Wasserschwein. Eine Menge Geier hatten sich um diesen amerikanischen Thierkönig versammelt, um, wenn derselbe etwas von seiner Mahlzeit übrig ließe, solches zu verzehren. Sie näherten sich dem Jaguar wohl bis auf zwei Fuß; aber die mindeste Bewegung desselben schreckte sie stets wieder zurück. Das Plätschern unserer Ruder bewog ihn, langsam aufzustehen und sich in die Gebüsche zurückzuziehen. Die Geier benutzten den Augenblick, um das Wasserschwein zu verzehren; allein der Tiger sprang mitten unter sie und trug seine Mahlzeit zürnenden Blickes in den Wald.«
Mehr als zweimal frißt der Jaguar, nach Renggers Angabe, nicht von einem getödteten Thiere, noch weniger würde er ein Aas berühren. In der Regel kehrt er, nachdem er sich gesättigt hat, überhaupt nicht wieder zum Raube zurück. Hat er seinen Fang in einiger Entfernung vom Walde gemacht, so schleppt er das erlegte Thier, es mag auch noch so schwer sein, dem Gebüsche zu. Unter Umständen trägt er eine schwere Beute sogar über einen Fluß hinweg. Nahe bei Azara’s Wohnung tödtete ein Jaguar ein Pferd, schleifte dasselbe sechszig Schritte über einen Brachacker hinweg, sprang dann mit ihm in einen tiefen und reißenden Fluß und brachte es auf der entgegengesetzten Seite in Sicherheit. Andere Reisende wollen beobachtet haben, daß er von zwei zusammengekoppelten Mauleseln oder Pferden eines getödtet und das todte Thier trotz dem Sträuben des lebenden eine große Strecke Wegs fortgeschleppt habe. Niemals tödtet die Unze mehr als ein Stück Vieh auf einmal und unterscheidet sich hierdurch sehr zu ihrem Vortheile von anderen größeren Katzenarten. Wahrscheinlich ist der Grund darin zu suchen, daß sie das Fleisch dem bloßen Blute vorzieht.
Ein Jaguar, welcher den Menschen nicht kennen gelernt hat, weicht ihm, wenn er ihm begegnet, ehrfurchtsvoll aus oder sieht ihn neugierig aus der Ferne an. »Nicht selten«, sagt Rengger, »stießen wir während unserer Reise in die Wildnis des nördlichen Paragay auf eine oder mehrere Unzen, welche entweder in das Dickicht des Waldes flohen oder sich am Saume niedersetzten und unseren Zug kaltblütig von weitem betrachteten. Es ist ohne Beispiel, daß in den unbewohnten Waldungen, wo das Paragaykraut gesammelt wird, ein Mensch von einem Jaguar zerrissen worden ist. Diejenigen Unzen aber, welche in bewohnten Gegenden oder an Flüssen, wo viel Schiffahrt getrieben wird, sich aufhalten, verlieren gar bald die Scheu vor dem Menschen und greifen auch ihn an. Hat ein Jaguar einmal Menschenfleisch gekostet, so wird ihm dies zur liebsten Speise, und nun fällt er nicht nur den Menschen an, wenn er von ungefähr auf ihn stößt, sondern er sucht ihn sogar gierig auf. Man hat jährlich der Beispiele genug, daß unvorsichtige Schiffer von diesen Thieren zerrissen werden. Der allgemeinen Sage nach sollen sie des Nachts auf die an das Ufer angebundenen Fahrzeuge sich gewagt und aufgehängtes Fleisch oder Hunde weggeschleppt, ja selbst Matrosen tödtlich verwundet haben; gewöhnlich aber büßen die Menschen nur durch Unvorsichtigkeit ihr Leben ein: die Vorsichtigen wissen regelmäßig sich zu retten. So laufen die Besuche, welche die Raubthiere den Fischern abstatten, während sie bei widrigem Winde ihre Abendmahlzeit bereiten, gewöhnlich unblutig ab, weil die Schiffer beim geringsten Geräusche an Bord sich flüchten. Sie überlassen dem Jaguar das am Feuer bratende Fleisch, und dieser nimmt damit gewöhnlich auch gern vorlieb. Daß er das Feuer keineswegs scheut, ist ganz sicher.« Humboldt erfuhr letzteres wiederholt. »Wir bemerkten zu unserer Ueberraschung«, sagt er, »daß die Jaguare hier unsere Feuer nicht scheueten. Sie schwammen über den Flußarm, welcher uns vom Lande trennte, und am Morgen hörten wir sie ganz in unserer Nähe brüllen.« An einer anderen Stelle seines Reisewerkes berichtet er, daß ein Jaguar den treuen Hund der Gesellschaft so zu sagen zwischen den Lagerfeuern herausholte und wegschleppte. Der Hund hatte abends, als er die Unze brüllen hörte, unter der Hängematte seines Gebieters Schutz gesucht und war am nächsten Morgen doch verschwunden.
Azara behauptet, daß der Jaguar, wenn er einen Trupp schlafender Menschen anträfe, erst die Neger oder die Indianer und nur nachher die Weißen tödte. Dies ist, wie Rengger berichtet, ein Irrthum. Der Jaguar mordet, gleich wie bei den Thieren, nie mehr als einen Menschen auf einmal, wenn er nämlich nicht sich vertheidigen muß. Soviel aber ist richtig, daß er vorzugsweise den Neger, Mulatten oder Indianer anfällt und den Farbigen dem Weißen vorzieht. Dies geht so weit, daß in Paragay ein Weißer, welcher unter freiem Himmel an einem gefährlichen Orte die Nacht zubringen muß, sich für ganz sicher hält, wenn er Schwarze oder Indianer zu Begleitern hat. Wahrscheinlich hat die starkriechende Hautausdünstung der farbigen Menschen etwas anziehendes für ihn, wie für manche andere Raubthiere. Man erzählt in Paragay, daß Menschen, welche am Tage unversehens auf einen Jaguar stießen, denselben durch lauten Zuruf oder durch unverwandtes und starres Anschauen zurückgeschreckt haben; die Angabe erscheint nach Beobachtungen an anderen großen Katzen auch durchaus nicht unglaubwürdig.
Uebrigens scheinen die Unzen manchmal besonders gute Laune zu haben. »In Altures«, erzählt Humboldt, »hörten wir einen eigenen Zug von einem Jaguar: Zwei Kinder, ein Knabe und ein Mädchen, von acht und neun Jahren hatten nahe beim Dorfe gespielt. Ein Jaguar war aus dem Walde zu ihnen gekommen und um sie herumgehüpft. Nach längerem Hin- und Herhüpfen schlug er mit der einen Klaue den Knaben auf den Kopf, erst sanft, dann derber, so daß das Blut in Masse ausströmte. Da das Mädchen dies sah, ergriff es einen Baumast, schlug damit auf das Thier ein und brachte es so zur Flucht. Der Knabe hatte noch die Narben von den Wunden.« Es scheint, als habe hier der Jaguar mit den Kindern, wie die Katze mit Mäusen gespielt. Die Schwäche der Kinder hatte ihm wohl die Vertraulichkeit eingeflößt.
Aehnliche Fälle dürften jedoch außerordentlich selten sich zutragen. In der Ebene von Maynas verstreicht, nach Pöppig, kein Jahr ohne Verlust eines Menschenlebens. Die Unzen kommen bei hellem Tage in die Ortschaften, um Hunde zu holen, welche ihre Lieblingsspeise bilden. Besonders berüchtigt ist der Weg durch die dicken Wälder von Sapuosa bis Moyobamba, weil auf ihm innerhalb eines Menschenalters gegen zwanzig Indianer zerrissen worden sind, welche man als Fußboten versandt hatte. In einem dort gelegenen Meierhofe durften sich die Bewohner nach Sonnenuntergang gar nicht mehr aus den Hütten wagen; kurz vor Pöppigs Ankunft war ein Knabe lebensgefährlich verwundet worden, welcher sich zu nahe an den starken Pfahlzaun des Hauses gelegt und deshalb eine Unze veranlaßt hatte, ihre Tatze durch die Zwischenräume zu stecken und ihm ein großes Stück Fleisch aus dem Schenkel zu reißen. Einer von Schomburgks Indianern trug auf seiner Brust die Narben von den Zähnen eines Jaguars, welcher ihn, als er noch Knabe war, an der Brust gepackt und fortgeschleppt, aber doch wieder losgelassen hatte, als seine Mutter mit dem Wildmesser auf ihn losgestürzt war. In den Urwäldern am Ufer der peruanischen Anden wohnt, laut Tschudi, die Unze am liebsten in der Nähe der Dörfer und umkreist sie allnächtlich, entführt auch Hunde, Schweine und nicht selten Menschen. Weit entfernt, sich vor den letzteren zu fürchten, stürzt sie sich auf einzelne und dringt, wenn der Hunger sie treibt, selbst bei Tage in die Walddörfer.
Die Furcht der Indianer vor dem gefährlichen Räuber ist groß; doch soll es vorgekommen sein, daß ein Indianer, welcher in der Nacht sein einziges Schwein kläglich schreien hörte, hinausging, und wie er da eine Unze sah, die sein Eigenthum bei dem Kopfe gepackt hatte, seinerseits die Hinterfüße des Schweines ergriff und so lange an diesen zog, bis die Weiber mit Feuerbränden herbeieilten und den Jaguar vertrieben, der sich nun langsam und unter fürchterlichem Gebrülle zurückzog.
Der Jaguar bleibt an einem und demselben Aufenthaltsorte, so lange er hier etwas erbeuten kann und man ihn nicht gar zu sehr beunruhigt. Wird ihm die Nahrung knapp oder die Verfolgung seitens der Menschen zu arg, so verläßt er die Gegend und zieht in eine andere. Seine Wanderungen führt er während der Nachtzeit aus. Er scheut sich dabei nicht, durch die bevölkertsten Gegenden zu streifen, und raubt bei einzelnstehenden Hütten Pferde und Hunde weg, ohne sich viel um den Menschen zu kümmern. Alte Unzen nähern sich gern den Wohnungen, weil sie erfahrungsmäßig wissen, daß sie dort leichter Nahrung finden als in der Wildnis. In den deutschen Ansiedelungen, welche nahe am Walde liegen, rauben sie, laut Hensel, hauptsächlich Hunde und Schweine. »Letztere werden des warmen Klima’s wegen gewöhnlich in Ställen aufbewahrt, welche aus dicken Stangen nach Art der Vogelbauer zusammengesetzt sind. Der Jaguar greift zwischen den Stangen hindurch, faßt das Schwein und tödtet es entweder im Stalle, oder während er es durch die Sprossen zieht. Die Hunde werden trotz ihrer Wachsamkeit unversehens überfallen und eine kleine Strecke in den Wald hineingeschleppt, wo sie der Jaguar meist erst zu tödten pflegt. In einigen Schädeln solcher Jaguare, welche längere Zeit hindurch Hunde und Schweine geraubt hatten, waren die Zähne so stark abgenutzt, daß wohl nur das hohe Alter und die damit verbundene Noth die Dreistigkeit der Thiere erklären konnten.«
Auf seinen Wanderungen oder auch auf der Flucht hält den Jaguar selbst der breiteste Strom nicht auf. Er ist, wie Rengger versichert, ein trefflicher Schwimmer und hebt dabei den Kopf und das ganze Rückgrat über die Oberfläche des Wassers empor, so daß man ihn schon aus der Ferne von jedem anderen schwimmenden Thiere unterscheiden kann. Fast schnurgerade setzt er über den bei einer deutschen Meile breiten Parana. Wenn er aus dem Wasser steigt, sieht er sich um, schüttelt den Leib und nachher jede Pfote für sich und setzt erst hierauf seinen Weg weiter fort.
Man sollte glauben, ein schwimmender Jaguar wäre leicht zu tödten; allein er ist auch im Wasser noch furchtbar. Nur gewandte Kahnführer getrauen sich, ihn anzugreifen; denn so wie er sich verfolgt sieht oder gar verwundet fühlt, wendet er sich sogleich gegen den Nachen. Gelingt es ihm, eine Kralle an den Rand desselben zu setzen, so schwingt er sich an Bord und fällt über die Jäger her. »Ich war«, er zählt Rengger, »im Jahre 1819 kurz nach meiner Ankunft in Assuncion Augenzeuge eines zum Glücke bloß lächerlichen Auftrittes bei einer solchen Jagd. Es kam ein Jaguar vom jenseitigen Ufer des Stromes dahergeschwommen. Drei Schiffsleute, Ausländer, sprangen, trotz der Warnung eines Paragayers, mit einer geladenen Flinte in ihren Nachen und ruderten dem Thiere entgegen. In einer Entfernung von ein bis zwei Meter feuerte der vorderste die Flinte auf den Jaguar ab und verwundete ihn. Dieser aber ergriff, ehe sichs die Schiffer versahen, den Rand des Nachens und stieg trotz aller Ruder- und Kolbenschläge an Bord. Nun blieb den Schiffsleuten nichts übrig, als ins Wasser zu springen und sich ans Land zu retten. Der Jaguar setzte sich im Kahne nieder und ließ sich wohlgemuth stromabwärts treiben, bis er, von einigen anderen Jägern verfolgt, seinerseits ins Wasser sprang und das nahe Ufer gewann.
Das jährliche Anschwellen der Ströme und Flüsse vertreibt die Jaguare von den Inseln und den mit Wald bewachsenen Ufern, so daß sie sich zu dieser Zeit mehr den bewohnten Gegenden nähern und Schaden unter Menschen und Vieh anrichten. Sind die Ueberschwemmungen groß, so ist es nicht selten, einen Jaguar mitten in einer am hohen Ufer gelegenen Stadt oder in einem Dorfe zu sehen. In Villa-Real wurde im Jahre 1819 einer getödtet, in der Hauptstadt im Jahre 1820 ein anderer, zwei in Villa del Pilar; in Corientes, Goya, Vajada wird fast alle vier bis fünf Jahre einer erschossen. Als wir bei hohem Wasserstande im Jahre 1825 in Santa Fé landeten, erzählte man uns, daß vor wenigen Tagen ein Franziskanermönch, als er eben die Frühmesse lesen wollte, unter der Thüre der Sakristei von einem Jaguar zerrissen worden sei. Es geschieht übrigens nicht immer ein Unglück, wenn ein solches Raubthier in eine Stadt sich verirrt; denn das Gebell der verfolgenden Hunde und der Zulauf von Menschen verwirren dasselbe so sehr, daß es sich zu verbergen sucht.
Die Wunden, welche der Jaguar beibringt, sind immer höchst gefährlich, nicht nur ihrer Tiefe, sondern auch ihrer Art wegen. Weder seine Zähne noch seine Klauen sind sehr spitz und scharf, und so muß bei jeder Wunde Quetschung und Zerreißung zugleich stattfinden. Von solchen Verwundungen aber ist in jenen heißen Ländern und bei dem gänzlichen Mangel an ärztlicher Hülfe der Starrkrampf die gewöhnliche Folge. Was für Wunden ein Jaguar durch einen einzigen Griff mit der Tatze versetzen kann, mag man aus Folgendem sehen. Ein Indianer jagt am Ufer des Stromes, begegnet einem Jaguar, wirft seine Lanze nach ihm, verfehlt ihn und stürzt sich dann kopfüber ins Wasser; im Augenblicke des Sprunges aber hat ihm das Thier schon eine Tatze auf den Kopf gesetzt und skalpirt ihm den ganzen oberen Theil des Schädels, daß der Hautlappen in den Nacken herabhängt. Und doch besitzt der Indianer noch Kraft genug, um über den breiten Strom zu schwimmen.« Von einer anderen fürchterlichen Verwundung erzählt Schomburgk. Ein Neger war in Begleitung eines Indianers und drei seiner Hunde auf die Jagd gegangen. Da trieben die letzteren einen Jaguar aus seinem Lager auf, jagten ihn auf einen halbentwurzelten Baum und verbellten ihn dort. Der Neger nähert sich auf achtzig Schritte und feuert, trifft aber nicht tödtlich. Mit wenigen Sprüngen hat ihn der Jaguar erreicht und die Tatzen in seine Schultern geschlagen. In diesem grausigen Augenblicke mochte der unglückliche Weidmann unwillkürlich in den Rachen des blutgierigen Raubthieres gefahren sein; denn, als er wieder zur Besinnung kam, lag die röchelnde Katze und seine Hand neben ihm. Der Indianer war ihm zu Hülfe geeilt und hatte dem Jaguar sein langes Weidmesser durch das Herz gestoßen, ohne jedoch verhindern zu können, daß dieser dem schon mit dem Tode kämpfenden Neger noch das ganze Fleisch von den Schultern herabriß.
Den größten Theil des Jahres lebt der Jaguar, nach Renggers Beobachtungen, allein; in den Monaten August und September aber, wann die Begattungszeit eintritt, suchen sich beide Geschlechter auf. »Sie lassen dann öfter als in jeder anderen Jahreszeit ihr Gebrüll ertönen, ein fünf- bis sechsmal wiederholtes ›Hu‹, welches wohl eine halbe Stunde weit vernommen wird. Sonst vergehen oft Tage, ohne daß man die Stimme eines Jaguars hört, besonders wenn keine Wetterveränderung eintritt. Hat aber der Nordwind mehrere Wochen geweht, dann kündigen die Jaguare durch ihr oft halbe Nächte fortdauerndes Gebrüll den baldigen Eintritt des Südwindes an. Die Paragayer, welche bei Aenderung des Wetters viel an Gichtschmerzen leiden, glauben, daß dies auch bei dem Jaguar der Fall sei und sein Geschrei durch ähnliche Schmerzen erpreßt werde.
Treffen sich zur Begattungszeit mehrere Männchen bei einem Weibchen, so entsteht hier und da ein Kampf zwischen ihnen, obwohl sich der schwächere Theil gewöhnlich von selbst zurückzieht. Die Begattung geschieht unter fortwährendem eigenen Geschrei und wahrscheinlich nach längerem Sträuben des Weibchens, indem man an der Stelle, wo sich zwei Jaguare begattet haben, immer das Gras und das niedere Gebüsch einige hundert Fuß ins Gevierte theils zur Erde gedrückt, theils ausgerauft findet. Beide Geschlechter bleiben nicht lange beisammen, höchstens vier bis fünf Wochen, und trennen sich dann wieder. Während dieser Zeit sind sie für den Menschen sehr gefährlich. Obschon sie nicht mit einander auf den Raub ausgehen, bleiben sie sich doch den ganzen Tag über nahe und helfen sich in der Gefahr. So wurde einer der besten Jäger in Entre-Rios durch ein aus dem Busche hervorspringendes Männchen zerrissen, im Augenblicke, wo er am Saume des Waldes das Weibchen niederstieß.
Die Tragzeit des Jaguars kenne ich nicht bestimmt; jedoch nach der Begattungszeit und der Zeit, in welcher man schon Junge findet, mag sie von drei bis dreiundeinhalb Monate sein. Das Weibchen wirft gewöhnlich zwei, selten drei der Sage nach blinde Junge, und zwar im undurchdringlichsten Dickichte des Waldes oder in einer Grube unter einem halbentwurzelten Baume. Die Mutter entfernt sich in den ersten Tagen nie weit von ihren Jungen und schleppt sie, sobald sie dieselben nicht sicher glaubt, im Maule in ein anderes Lager. Ueberhaupt scheint ihre Mutterliebe sehr groß zu sein: sie vertheidigt die Jungen mit einer Art von Wuth und soll stundenweit den Räuber derselben brüllend verfolgen. Nach ungefähr sechs Wochen wird sie schon von der jungen Brut auf ihren Streifereien begleitet. Anfangs bleibt diese im Dickicht versteckt, während die Mutter jagt, später aber legt sie sich in Gesellschaft mit ihr auf die Lauer. Sind die Jungen zu der Größe eines gewöhnlichen Hühnerhundes herangewachsen, so werden sie von ihrer Mutter verlassen, bleiben aber oft noch einige Zeit bei einander.« In der Färbung unterscheiden sie sich von den alten; doch schon im siebenten Monate sind sie denselben gleich.
In Paragay und längs des Parana zieht man nicht selten junge Jaguare in Häusern auf. Dazu müssen sie aber als Säuglinge eingefangen werden, weil sie sonst nicht mehr sich bändigen lassen. Rengger zog seine Jaguare mit Milch und gekochtem Fleische auf; Pflanzenkost vertragen sie nicht, rohes Fleisch macht sie bald bösartig. Sie spielen mit jungen Hunden und Katzen, besonders gern aber mit hölzernen Kugeln. Ihre Bewegungen sind leicht und lebhaft. Sie lernen ihren Wärter sehr gut kennen, suchen ihn auf und zeigen Freude bei seinem Wiedersehen. Jeder Gegenstand, welcher sich bewegt, zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sogleich ducken sie sich nieder, bewegen ihren Schwanz und machen zum Sprunge sich fertig. Wenn sie Hunger und Durst oder Langeweile haben, lassen sie einen eigenen miauenden Ton hören, doch bloß, so lange sie noch jung sind; denn von den Alten vernimmt man ihn nicht mehr. Niemals hört man sie in der Gefangenschaft brüllen. Beim Fressen knurren sie, besonders wenn Jemand ihnen sich nähert. An Wasser darf man sie nicht Mangel leiden lassen. Zum Fressen legen sie sich nieder, halten mit beiden Tatzen das Fleisch, biegen den Kopf auf die Seite, um auch die Backenzähne gebrauchen zu können, und kauen nach und nach Stücken davon ab. Nicht starke Knochen fressen sie, von großen dagegen bloß die Gelenke. Nach der Mahlzeit legen sich zahme Jaguare gern in den Schatten und schlafen, und haben sie sich satt gefressen, so erzürnen sie sich nicht so leicht, und man kann dann mit ihnen spielen; auch Hausthiere und Hausgeflügel, welches ihnen sonst nicht nahen darf, können dann unbeschadet an ihnen vorbeigehen. Man hält die gefangenen in Südamerika nicht in Käfigen, sondern bindet sie mit einem ledernen Seile im Haushofe oder auch vor dem Hause unter einem Pomeranzenbaume an. Nie fällt es ihnen ein, am Seile zu nagen. Ihr Athem hat, wie bei fast allen Raubthieren, einen üblen Geruch, ebenso das frische Fell, das Fleisch und das Fett, der Harn und der Koth. Der Geruch des Fettes ist so durchdringend, daß man Füchse, Meerschweinchen und andere Thiere vertreiben kann, wenn man nur einige Bäume in deren Wohnkreise damit bestreicht. Auch selbst muthige Pferde springen scheu zurück, wenn man ihnen solches Fett unter die Nüstern hält.
In den Käfigen unserer Thiergärten und Thierbuden benimmt sich der Jaguar wie seine Verwandten, die altweltlichen Pardel. Die von mir nach Beobachtung verschiedener Jaguare in Thiergärten gefaßte Meinung, daß er schwieriger als andere Pardel sich zähmen und kaum zum »Arbeiten« abrichten lasse, ist durch Kreuzberg, einem unserer erfahrensten und geschicktesten Thierbändiger, widerlegt worden. Gerade die wildesten Jaguare werden in der Regel die gelehrigsten Schüler eines Meisters dieser gefährlichen Kunst, müssen jedoch erst vollständig sich bewußt geworden sein, daß sie an dem Bändiger einen Herrn über sich haben, gegen dessen Willen jede Auflehnung vergeblich ist.
Gefangene Jaguare haben sich wiederholt fortgepflanzt, und zwar nicht allein in Thiergärten, sondern auch in Thierschaubuden. Ebenso paaren sich Jaguar und Leopard, Panther und Sundapanther und erzielen kräftige, fortpflanzungsfähige Blendlinge. Der von Fitzinger als eigene Art aufgestellte Grauparder (Leopardus poliopardus) war, nach der von Kreuzberg mir gegebenen Versicherung, der Sprößling eines Jaguars und eines schwarzen Sundapanthers. Beide Pardel, Jaguar und Sundapanther, haben verschiedene Male erfolgreich sich gepaart und jedesmal ähnliche Blendlinge erzeugt; und einer der letzteren warf, nachdem er mit einem Leoparden gekreuzt worden war, Junge, von denen das eine dem Vater Leopard, das andere der Mutter Grauparder in allen wesentlichen Stücken glich. Dies zur Vervollständigung und beziehentlich Berichtigung der in der ersten Auflage unseres Werkes enthaltenen Angaben.
Seines furchtbaren Schadens wegen wird der Jaguar in bewohnten Gegenden auf alle mögliche Weise gejagt und getödtet. Man glaubt, daß er sein Leben auf zwanzig Jahre bringen könne; doch dürfte er bloß in den einsamsten Wildnissen ein derartiges Alter erreichen; denn in den bevölkerten Theilen Amerika’s stirbt kaum eine Unze eines natürlichen Todes. Gleichwohl trifft man auch noch hier sehr alte Thiere an. So schoß ein Franzose nahe bei einem Landhause ein Weibchen, dessen Haut krätzig und dessen Gebiß ganz abgenutzt war; hier fehlten schon die hintersten oberen Backenzähne. Solche Fälle sind selten; die meisten Jaguare sterben in der Blüte ihrer Jahre durch die Kugel, den Giftpfeil oder das Messer. Ihre Jagd kann wegen der Befriedigung, welche überwundene Gefahren und Schwierigkeiten gewähren, zur Leidenschaft werden, obschon der Jäger gewöhnlich zuletzt sein Leben unter den Krallen eines Jaguars aushaucht. Die älteste Jagdart ist wohl die tückischste und sicherste. Aus einer riesigen Bambusart fertigt sich der Indianer seine uralte Waffe, ein Blasrohr, aus der We delrippe eines Palmbaumes oder aus Dornen kleine schmächtige Pfeile, welche sicherer und tiefer treffen als die Kugeln aus der besten Büchse. Die Pfeile sind mit dem möderischen Urarigift getränkt. Haben indianische Jäger Hunde bei sich, so erlegen sie den Jaguar ohne alle Gefahr. Die Hunde stöbern das Raubthier auf, jagen es gewöhnlich auf einen schiefstehenden Baum und verbellen es. Dort wird es dem Indianer zum bequemen Zielpunkte. Aus ziemlich weiter Entfernung sendet er seine fürchterlichen Pfeile nach der gewaltigen Katze ab, einen nach dem anderen. Diese achtet kaum des kleinen Ritzes, welche die Geschosse ihr beibringen, hält vielleicht das Pfeilchen bloß für einen Dorn, der sie verwundete, erfährt aber schon nach wenigen Minuten, mit welcher furchtbaren Waffe ihr der Mensch zu Leibe ging. Das Gift beginnt zu wirken: ihre Glieder erschlaffen, die Kraft erlahmt, sie stürzt mit einigen Zuckungen auf den Boden, richtet sich noch einige Male auf, versucht, sich fortzuraffen, und bricht dann plötzlich zusammen, zuckend, verendend.
Weit verwegener als diese heimtückische Jagd ist folgende. Der Jäger umwickelt mit einem Schaffelle den linken Arm bis über den Elnbogen und bewaffnet sich mit einem zweischneidigen Messer oder Dolche von etwa zwei Fuß Länge. So ausgerüstet, sucht er mit zwei oder drei Hunden den Jaguar auf. Dieser bietet wenigen Hunden sogleich die Spitze; der Jäger naht sich ihm und reizt ihn gewöhnlich mit Worten und Geberden. Plötzlich springt der Jaguar mit einem oder zwei Sätzen auf den Jäger zu, richtet sich aber zum Angriffe wie unser Bär in die Höhe und öffnet brüllend den Rachen. In diesem Augenblicke hält der Jäger den beiden vorderen Tatzen des Thieres den umwundenen Arm vor und stößt ihm, mit dem Körper etwas nach rechts ausweichend, den Dolch in die linke Seite. Der getroffene Jaguar fällt durch den Stoß um so eher zu Boden, als es ihm schwer wird, in aufrechter Stellung das Gleichgewicht zu bewahren, und die Hunde werfen sich über ihn her. War die erste Wunde nicht tödtlich, so steht er mit Blitzesschnelle wieder auf, macht sich von den Hunden los und stürzt sich von neuem auf seinen Gegner, welcher ihm alsdann einen zweiten Stich versetzt. Rengger kannte einen Indianer aus der Stadt Bajada, welcher über hundert Jaguare auf diese Weise erlegt hatte. Er war ein leidenschaftlicher Jäger, büßte aber im Jahre 1821 auf einer solchen Jagd doch das Leben ein. Göring hörte von einem Gaucho erzählen, welcher wegen seiner Jagden den Namen »Matador de Tigres« (Tigertödter) erhalten hatte. Dieser kühne Mann hatte viele Jaguare ebenfalls mit dem Messer erlegt.
Wie man Rengger versicherte, gibt es tollkühne Jäger, welche bloß mit einer Keule den Jaguar angreifen. Auch sie sollen sich den linken Arm mit einem Schaffelle umwinden und ihrem Feinde im Augenblicke, wo er gegen sie aufsteht, einen Schlag auf die Lendenwirbel versetzen, so daß er zusammensinkt und des gebrochenen Rückgrates wegen nicht mehr aufstehen kann. Einige Schläge auf die Nasenwurzel vollenden seine Niederlage. »Diese zweite Art, den Jaguar zu jagen«, sagt Rengger, »habe ich nie selbst gesehen; jedoch scheinen mir die darüber erhaltenen Nachrichten nicht unglaubwürdig, da ich bei mehreren zahmen Jaguaren beobachtet habe, daß man sie durch einen nicht sehr starken Schlag auf die Lendenwirbel, wenigstens für einige Tage, an den hinteren Gliedern lähmen kann.« Nach Angabe desselben Beobachters wird die Unze in Paragay meist auf folgende Art gejagt: Ein guter Schütze, in Begleitung von zwei Männern, von denen der eine mit einer Lanze, der andere mit einer fünf Fuß langen zweizackigen Gabel bewaffnet ist, sucht mit sechs bis zehn Hunden den Jaguar auf. Wenn dieser schon mehrmals gejagt worden ist, geht er auf das erste Anschlagen der Hunde davon; sonst aber stellt er sich zur Gegenwehr oder klettert auf einen Baum. Widersetzt er sich den Hunden, so schließen diese einen Kreis um ihn und bellen ihn an. Sie müssen schon sehr beherzt und geübt sein, um ihn anzugreifen, und werden dennoch oft das Opfer ihres Muthes. Ohne sonderliche Anstrengung bricht ihnen der Jaguar mit einem Schlage den Rücken oder reißt ihnen den Bauch auf; denn nicht einmal zwanzig der besten Doggen können einen ausgewachsenen Jaguar überwältigen. Sowie nun die Jäger des Jaguars ansichtig werden, stellen sie sich neben einander, den Schützen in der Mitte. Dieser sucht ihm einen Schuß in den Kopf oder in die Brust beizubringen. Nach einem Treffschusse fallen die Hunde über ihren grimmig gehaßten Feind her und drücken ihn zu Boden, wo seine Niederlage leicht vollendet wird. Fehlt aber der Schuß, oder wird der Jaguar nur leicht verwundet, so springt er unter fürchterlichem Gebrülle auf den Schützenlos. Sobald er sich auf die hinteren Beine stellt, hält ihm der mit der Gabelbewaffnete Jäger diese vor, und der Lanzenträger gibt ihm von der Seite einen Stich in die Brust, zieht aber die Lanze sogleich wieder zurück und macht sich auf einen zweiten Stoß gefaßt; denn der niedergeworfene Jaguar steht mit der größten Schnelligkeit wieder auf und stürzt sich auf seine Gegner, welche ihn mit neuen Stößen empfangen, bis er seine Kraft verliert und endlich von den anspringenden Hunden auf dem Boden festgehalten wird. Während des Kampfes suchen die letzteren den Jaguar niederzureißen, indem sie ihn beim Schwanze fassen; nur sehr starke Hunde greifen ihn auch von der Seite an. Der Lanzenstich darf ja nicht von vorn gegeben wer den, sondern muß von der Seite erfolgen, indem die Brust des Jaguars beinahe keilförmig und seine Haut durch lockeres Zellgewebe mit den Muskeln verbunden, also sehr beweglich ist; es könnte demnach das Eisen leicht zwischen der Haut und den Rippen durchgleiten. Auch muß man sich hüten, das umgeworfene Thier mit der Lanze an den Boden festnageln zu wollen; denn es ist ihm, obschon durchbohrt, ein leichtes, durch einen Schlag mit der Tatze den Schaft der Lanze zu brechen. Ist dann kein zweiter Lanzenträger da, und hat der Jaguar noch einige Kraft, so kann er seinen Gegner sehr übel zurichten. Es fällt auf, daß der Jaguar, obschon ihm die Hunde nichts anhaben können, sich doch öfters vor ihnen fürchtet und, sowie er gejagt wird, auf einen Baum klettert. Nun hat der Jäger wohl einen sicheren Schuß auf ihn, wird jedoch nichtsdestoweniger von ihm angefallen, wenn er ihn fehlt oder nur leicht verwundet. Blitzschnell läßt er sich vom Baume herunter und stürzt brüllend mitten durch die Hunde auf den Schützenlos, dessen Begleiter ihn dann empfangen. Diese letzteren müssen erprobte Männer sein, sonst ist der Schütze verloren. Fremde haben sich daher zu überlegen, mit wem sie auf eine solche Jagd gehen. Es ist nicht daran zu denken, daß man sich dann mit Kolbenschlägen, Lanzenstößen oder Säbelhieben vertheidigen könnte; denn, ehe sichs der Schütze versieht, steht der Jaguar brüllend und mit offenem Rachen vor ihm, schlägt mit einer Tatze nach Kopf und Schultern und wendet mit der anderen die vorgehaltenen Waffen ab. In solchen Augenblicken verlassen oft die erprobtesten Jagdgefährten einander, und auch die beherztesten und geübtesten Männer laufen immer einige Gefahr; denn da der Kampfplatz gewöhnlich im Dickicht des Waldes ist, bedarf es nur eines geringen Hindernisses, um den Stoß des Lanzenträgers unsicher zu machen.
Die Paragayer greifen den Jaguar übrigens auch bloß mit der Lanze an. Wenn er auf einen Baum geklettert ist, suchen sie ihre Schlinge, welche sie immer mit sich führen, ihm um den Hals zu werfen oder dieselbe vermittels einer oben eingekerbten Stange ihm anzulegen. Hiergegen scheint er wenig sich zu sträuben, muß aber bald sehen, wie unbedachtsam dies war; denn sobald ihm die Schlinge um den Hals geworfen ist, bringt der Reiter sein Pferd, an dessen Bauchriemen das andere Ende befestigt wurde, in Galopp, reißt den Jaguar vom Baume herunter und schleift ihn aufs offene Feld hinaus. Hier wirft ein zweiter Reiter ihm, falls er noch lebend und kräftig ist, eine andere Schlinge um die Beine, und beide Männer reiten nun in entgegengesetzter Richtung davon und erdrosselnden Räuber. Auf gleiche Weise aber noch leichter erwürgt man ihn, wenn man ihn im offenen Felde antrifft, weil er hier, vom Walde oder Röhricht entfernt, es gar nicht wagt, sich zu vertheidigen, sondern in großen Sprüngen zu entfliehen sucht. Auf dem Anstande wird der Jaguar auch erlegt. Der Schütze versteckt sich in der Nähe eines lebenden Thieres oder eines von der Unze bereits getödteten auf einem Baume und schießt von dort herab auf das zurückkehrende Raubthier. Doch soll es vorgekommen sein, daß Jaguare, welche auf diese Weise leicht verwundet wurden, den Jäger auf dem Baume angegriffen und zerrissen haben. Hier und da gräbt man auch Fallgruben aus oder stellt bei einem vom Jaguar getödteten Opfer Selbstschüsse.
Eine der Erwähnung werthe Jagdgeschichte erzählt Tschudi nach Mittheilungen eines eingeborenen leidenschaftlichen Jägers. »Vor einigen Wochen wäre diesem seine Leidenschaft beinahe theuer zu stehen gekommen. Er hatte vormittags im Walde gejagt und wollte später das erlegte Wild abholen. Von einem kleinen Buben und ein Paar Hunden begleitet, begab er sich an die Stelle, wo er das erlegte Reh an einen Baum gehängt hatte. Eben im Begriffe es los zu lösen, erblickt er auf fünfzehn Schritte Entfernung eine mächtige Unze auf einem niedrigen Felsen sich sprungbereit machen. Der Bube schreit auf und klammert sich an seinen Vater. In demselben Augenblicke springt einer der Hunde, welcher das in der Höhe lauernde Raubthier nicht gewittert hatte, herbei, und dieses stürzt sich auf letzteren. Es gelingt dem Jäger, von seinem geängstigten Kinde sich losmachend, die Unze durch einen Schrotschuß auf kaum drei Schritte Entfernung zu erlegen. Es war ein Weibchen von seltener Größe, welches gewöhnlich in einer nah gelegenen Höhle hauste. Nach dem Schusse sah unser Nimrod zwei schon starke Junge in die Höhle sich flüchten; es war ihm jedoch nicht möglich, sie heraus zu bekommen, und er versetzte daher den Eingang mit Steinen. Zehn bis zwölf Tage später führte ihn sein Weg auf der Jagd wieder an dieser Stelle vorbei, und zu seiner Ueberraschung erblickt er die eine der jungen Unzen gierig an den Knochen ihrer Mutter nagen. Er erlegte sie. Sie war ganz ausgehungert und hatte wahrscheinlich mehrere Tage lang in der Höhle gelegen, bevor es ihr gelang durchzubrechen. Nur der größte Hunger konnte das Thier bewogen haben, diesen Fraß anzunehmen.«
»Die meisten Hunde«, berichtet Hensel, »haben solche Furcht vor ihrem Erbfeinde, daß sie bei der bloßen Witterung desselben die Haare sträuben und knurrend Schutz bei ihrem Herrn suchen. Besonders muthige Rüden nehmen die Fährte auf und treiben das Raubthier, ohne sich jedoch in seine unmittelbare Nähe zu wagen, und nur selten zeigt ein Hund so viel Kühnheit oder besser Frechheit, bis dicht an den Jaguar heranzugehen, während seine Jagdgenossen in einiger Entfernung zurückbleiben und ihn nur durch heftiges Bellen unterstützen.«
Das Fell des Jaguars hat in Südamerika nur geringen Werth und wird höchstens zu Fußdecken und dergleichen verwendet. Das Fleisch essen bloß die Botokuden. Manche Indianer sollen auch das Fett genießen, trotz seines widrigen Geruches. Gewisse Theile des Jaguarleibes werden als Arzneimittel angewendet. So meint man, daß das Fett gegen Wurmkrankheiten und die gebrannten Krallen gegen Zahnschmerzen gute Mittel seien. Außerdem wird das Fett von den Wilden zum Einreiben ihres Körpers benutzt, und sie glauben dadurch ebenso stark und muthig zu werden wie das Raubthier selbst. Besonders gefährliche Jaguare, welche sich nur schwer aus der Nähe der Dörfer vertreiben lassen und die Bewohner derselben stets mit ihren Ueberfällen bedrohen, werden, wenn sie getödtet worden sind, nicht benutzt; denn die Indianer sind überzeugt, daß sie eigentlich gar keine Thiere, sondern zauberhafte Wesen oder die Hüllen verstorbener lasterhafter Menschen seien.
Schon seit Aristoteles und Plinius besteht unter den Forschern ein noch heutigen Tages nicht ausgefochtener Streit, hinsichtlich der genauen Bestimmung dreier altweltlichen Katzen, welche man Leopard, Pardel oder Parder, Panther und Sundapanther genannt und bald als Abänderungen ein und desselben Thieres, bald als besondere Arten betrachtet hat. Zwei dieser Katzen, Leopard und Panther, wurden bereits von den Alten unterschieden, und darf man hierauf mehr Gewicht legen, als gemeiniglich geschieht. Uns möchte es schwer werden, auch nur halb so viele Felle zusammenzubringen, als die Römer lebende Leoparden und Panther bei einem einzigen ihrer Kampfspiele verwendeten; wir haben daher nicht das Recht, die von ihnen ausgesprochene Ansicht unbedingt in Abrede zu stellen. Sie zu widerlegen, dürfte nach unserer heutigen Kenntnis der lebenden Thiere unmöglich sein. Schlecht ausgestopfte Pardel wird man nur sehr schwer bestimmen können, lebende dagegen erkennen erfahrene Thiergärtner, Händler und Thierbändiger auf den ersten Blick. Ich habe mich seit geraumer Zeit angelegentlich mit den altweltlichen Pardeln beschäftigt und glaube die Behauptung aussprechen zu dürfen, daß sie unter sich mindestens in demselben Grade von einander abweichen wie der Jaguar von ihnen, hoffe auch im Stande zu sein, diese Unterschiede durch nachstehende Beschreibungen, welche von lebenden Thieren entnommen wurden, genügend hervorzuheben.