Der Helmkasuar in Brehms Tierleben

Helmkasuar (Brehms Tierleben)

Der Helmkasuar (Casuarius galeatus, Struthio Casuarius), die am längsten bekannte Art der Sippe, ist schwarz, das Gesicht grünblau, der Hinterkopf grün, der Hals vorn violett, seitlich blau, hinten lackroth, das Auge rothbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß graugelb. Junge Vögel sehen bräunlich aus.

Der holländische Reisende Forsten sah den Helmkasuar in den Wäldern Cerams, und fast scheint es, daß der Vogel auf diese einzige Insel beschränkt ist.

Alle Reisenden, welche uns über das Freileben der Kasuare etwas mitzutheilen wissen, stimmen darin überein, daß sie im Gegensatze zu den bisher erwähnten Verwandten die dichtesten Waldungen bewohnen und hier ein sehr verborgenes Leben führen, auch bei der geringsten Gefahr augenblicklich davon eilen und sich den Blicken der Menschen zu entziehen suchen. Auf den dünn bevölkerten Inseln sollen sie keineswegs selten, im Gegentheile häufig sein, immer aber einzeln gefunden werden. Wie schwer es ist, sie zu beobachten, mag daraus hervorgehen, daß Müller auf Neuguinea niemals Gelegenheit hatte, einen Kasuar zu sehen, obschon er dessen Fährte fand und den flüchtigen Vogel durch das Gebüsch rauschen hörte, und daß Wallace auf Ceram auch nicht einen einzigen erbeuten konnte, obgleich der Vogel an allen von ihm besuchten Orten vorkommt. Wir erfahren daher von ihm auch nichts weiter als folgendes: »Diese Vögel wandern durch die ungeheuren Bergwälder, welche die Insel Ceram bedecken, und nähren sich hauptsächlich von abgefallenen Früchten, Kerb-und Krebsthieren. Das Weibchen legt drei bis fünf große, schön gekörnelte grüne Eier auf ein Blätterbett, und Männchen und Weibchen sitzen abwechselnd einen Monat lang darauf«. Inwieweit letztere Angabe richtig ist, will ich dahin gestellt sein lassen; zu beklagen ist, daß Wallace es nicht der Mühe werth erachtet zu haben scheint, genauere Erkundigungen einzuziehen.

Alle Kasuare, welche man nach Europa bringt, sollen von den Eingeborenen als Küchlein gefangen und groß gezogen werden. Dies ist vielleicht die Ursache, daß die meisten verhältnismäßig zahm, sanft und zutraulich erscheinen, während doch ihn ursprüngliches Wesen auf die Gegensätze von allen diesen Eigenschaften hindeutet. Bennett berichtet, daß zwei Muruks (Casuarius Bennetti), welche er erhielt, von den Eingeborenen Neubritanniens an Bord des Schiffes Oberon gebracht und dem Kapitän Davlin zum Kaufe angeboten wurden. Die Leute erzählten, daß es unmöglich sei, alte Kasuare zu fangen, weil sie ungemein scheu wären, bei dem geringsten Geräusche davon eilten und vermöge ihrer Fertigkeit im Laufen und ihrer Ausdauer rasch eines jener Dickichte erreichten, welche kein Mensch zu durchdringen vermöge. Die Jungen würden bald nach dem Ausschlüpfen gefangen und wie Küchlein groß gezogen. Bennetts gefangene Kasuare waren sehr zahm, liefen im Hause und Hofe überall umher und ohne Besorgnis auf jeden zu, welchen sie sahen, weil man sie durch Füttern verwöhnt hatte. Mit der Zeit wurden sie so zudringlich, daß sie die Dienerschaft in ihren Arbeiten störten; denn sie drangen durch offen stehende Thüren ein, folgten den Leuten auf Schritt und Tritt, durchstöberten in der Küche alle Winkel, sprangen auf Tisch und Stühle und beunruhigten den Koch aufs höchste. Wenn man versuchte, sie zu fangen, liefen sie äußerst schnell umher oder verkrochen sich unter die Geräthschaften, wehrten sich auch wohl muthig mit Schnabel und Füßen. Ließ man sie frei, so gingen sie von selbst wieder nach ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsorte zurück. Wollte die Magd sie wegtreiben, so schlugen sie nach ihr oder zerrissen ihr die Kleider. Sie liefen in den Stall zwischen die Pferde und fraßen mit diesen aus der Krippe. Nicht selten kamen sie in Bennetts Studirzimmer, nachdem sie selbst die klaffende Thür geöffnet, liefen ruhig in demselben umher, besahen alles und gingen wieder ihres Weges. Jedes ungewohnte Ereignis fesselte sie, ein Geräusch, welches sie vernahmen, zog sie herbei.

In ihrem Gange unterscheiden sich die Kasuare wesentlich von anderen Straußen. Sie laufen nicht, sondern traben und zwar mit einer wagerechten Haltung des Leibes, lüften dabei auch gewöhnlich die verlängerten Bürzelfedern etwas und erscheinen so hinten höher als vorn. Die einzelnen Schritte folgen nicht besonders schnell auf einander, und der Trab fördert demgemäß verhältnismäßig wenig; wenn aber der Kasuar wirklich flüchten will, läuft er mit erstaunlicher Eilfertigkeit, führt Wendungen aller Art mit bewunderungswürdiger Fertigkeit aus, ist auch im Stande, senkrecht ein bis anderthalb Meter hoch emporzuspringen. Daß er vortrefflich schwimmt, erfuhr Ramsay von seinem gefangenen Muruk. Die Stimme läßt sich mit einem schwachen, tief aus der Kehle kommenden »Huh, hu, hu« vergleichen. Dieser Laut drückt stets behagliche Stimmung aus; denn der gereizte Kasuar faucht nach Art einer Katze oder Eule. Unter den Sinnen steht das Gesicht unzweifelhaft oben an; das Gehör dürfte nächstdem als am meisten entwickelt betrachtet werden; aber auch der Geruch scheint ziemlich scharf zu sein. Ob der Kasuar einen ausgebildeten Geschmack besitzt, läßt sich schwer entscheiden, auch hinsichtlich des Gefühles, bezüglich des Empfindungsvermögens, nur annehmen, daß es nicht verkümmert ist. Das geistige Wesen zeichnet ihn nach meinen Beobachtungen nicht eben zu seinem Vortheile vor den Verwandten aus. Ich halte ihn für viel klüger, aber auch für entschieden boshafter als die übrigen Strauße. Jedes ungewohnte Ereignis bringt ihn, wenn nicht in Furcht, in eine Erregung, welche in förmlichen Jähzorn ausartet. Dann fällt er rücksichtslos den Gegner an, welcher ihn reizt, gleichviel ob derselbe ein Mensch oder ein Thier ist, springt wüthend an ihm empor und versucht ebensowohl mit dem Schnabel wie mit den scharf bekrallten Füßen zu schädigen. Genau ebenso geberdet er sich während der Paarungszeit. Die Wärter des Londoner Thiergartens erfuhren, daß man mit Kasuaren nicht vorsichtig genug sein kann, da das Weibchen nach geschehener Begattung oft wüthend auf das Männchen losstürzt und mehr als eines dieser boshaften Geschöpfe seinen Ehegatten getödtet hat. Einzelne werden mit der Zeit so unbändig, daß sie sich über alles ärgern, was ihnen vor die Augen kommt, auf Leute in buntfarbigen Kleidern losstürzen oder Kinder ernstlich bedrohen, ja selbst in blinder Wuth Bäume zerkratzen und entschälen. Die Wärter aller Thiergärten, in denen sich Kasuare finden, fürchten letztere mehr als die großen Katzenarten, weil man deren Stimmung stets im Ausdrucke des Gesichtes erkennt, vor dem Kasuare aber sich gar nicht genug in Acht nehmen kann und auf irgend einen boshaften Streich jederzeit gefaßt sein muß.

Obgleich man annehmen darf, daß die Kasuare thierische Nahrung nicht gänzlich verschmähen, muß man sie doch den Pflanzenfressern beizählen. Man nimmt an, daß sie sich in ihren heimischen Waldungen hauptsächlich von weichen Pflanzentheilen und saftigen Früchten nähren, Körner und Sämereien, welche von ihren Verdauungswerkzeugen nicht zersetzt und zerkleinert werden können, aber verschmähen. An gefangenen hat man beobachtet, daß sie ganze Aepfel oder Orangen verschlingen, aber auch unverdaut wieder von sich geben. In den Thiergärten reicht man ihnen ein Gemisch von Brod, Körnern, klar geschnittenen Aepfeln und dergleichen, und sie halten sich dabei vortrefflich; aber man hat auch von ihnen erfahren müssen, daß sie junge Hühner oder Entchen, welche zufällig in ihren Behälter kommen, ohne weiteres hinabwürgen.

Ueber die Fortpflanzung der freilebenden Kasuare fehlen noch immer genügende Nachrichten; es läßt sich jedoch annehmen, daß sie nicht wesentlich von der der eigentlichen Strauße abweicht Gefangene legen oft Eier; aber nur in wenigen Thiergärten ist es gelungen, Junge zu erzielen. Das größte Hindernis für die Fortpflanzung hat man in der Unverträglichkeit der Vögel selbst zu suchen. Selten erhält man ein Paar, welches im Frieden lebt. Zwei Muruks, welche der Londoner Thiergarten erhielt, wurden nach und nach von einem vortrefflichen Wärter an einander gewöhnt und machten im Jahre 1862 Anstalt zum Brüten. Auch hier war es das Männchen, welches alle Geschäfte der Mutter auf sich nahm. Es brütete sieben Wochen lang mit regem Eifer und zeitigte ein Junges, welches aber leider schon an demselben Tage von Ratten getödtet wurde. Zu meiner lebhaften Freude sah ich im Sommer des Jahres 1866 in demselben Thiergarten ein eben ausgeschlüpftes Junges des Helmkasuars, welches ebenfalls vom Männchen erbrütet worden war. Die Brutzeit hatte vom sechsundzwanzigsten April bis zum dreiundzwanzigsten Juni gedauert. Der junge Kasuar ist ein allerliebstes Geschöpf, ebensowohl was Färbung und Zeichnung wie Betragen und Wesen anlangt. Sein Dunenkleid ist auf licht gelbbraunem Grunde dunkelbraun in die Länge gestreift, und zwar besteht diese Zeichnung aus einem breiten Mittelstreifen und schmalen Seitenstreifen, welche längs des ganzen Körpers herablaufen, und von denen einer sich auch über die Beine zieht. Der Helm ist als Hautplatte angedeutet, die Belappung der Kehle bereits vorhanden. Am Tage seines Eintrittes in die Welt ist das Junge noch schlecht zu Fuße, jeder seiner Schritte wird mit einer gewissen Aengstlichkeit ausgeführt, und der Lauf hat etwas sehr schwankendes. Am folgenden Tage geht die Bewegung bereits weit besser von statten, und das Thierchen läßt auch schon seine Stimme, ein dem Geschreie junger Küchlein ähnliches schwaches »Glüh, glück, glück«, vernehmen. In seinem Betragen und Wesen erinnert es an junge Hühner. Der Vater führt es mit großer Sorgfalt, hebt beim Gehen vorsichtig seine Füße auf und setzt sie behutsam erst dann wieder nieder, wenn er sich durch einen Blick überzeugt hat, daß er sein Kind nicht gefährdet. Dieses schwankt und humpelt beständig hinter dem Alten drein oder, richtiger gesagt, unter demselben dahin, ohne daß letzterer irgend welchen Lockton ausstößt. Der Wärter hatte ihm ein Futter vorgestreut, wie man es jungen Fasanen zu reichen pflegt, und es pickte auch ziemlich oft einige Bröckchen von demselben auf. Nachts wurde es von dem Alten sorgfältig gehudert.

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