Der Greifstachler in Brehms Tierleben

Greifstachler (Brehms Tierleben)

Der Greifstachler oder Cuandu (Cercolabes prehensilis, Hystrix und Synetheres prehensilis), Vertreter der obenerwähnten Untersippe, hat im allgemeinen die Gestalt des Baumstachlers, ist jedoch merklich größer und erscheint kräftiger gebaut als dieser. Seine Länge beträgt 1,1 Meter, wovon 45 Centim. auf den Schwanz kommen. Die Stacheln beginnen gleich am Gesicht, setzen sich über den ganzen Oberleib fort, bekleiden die Beine bis zum Wur zelgelenk hinab, die obere Schwanzhälfte und auch den ganzen Unterleib, liegen jedoch keineswegs glatt am Körper an. Einzelne Haare, welche zwischen ihnen hervortreten, werden größtentheils von ihnen überdeckt und erst sichtbar, wenn man die Stacheln auseinander nimmt. Letztere stecken ebenfalls sehr lose in der Haut, sind alle von gleicher Gestalt, hart und stark, glatt und glänzend, an der Wurzel schwach, im übrigen gleichmäßig dick, nadelförmig und gegen die sehr feine Spitze hin plötzlich stark verdünnt, erreichen auf dem Hinterrücken eine Länge von ungefähr 12 Centim., verkürzen sich gegen den Unterleib allmählich und gehen auf dem Bauche nach und nach in wahre Borsten über, welche auf der Unterseite des Schwanzes wieder stachelartig, d.h. steif und stechend werden. Ihre Farbe ist ein lichtes Gelblichweiß, unterhalb der Spitze aber tritt eine dunkelbraune Binde lebhaft hervor. Das Haar auf Nase und Schnauze ist röthlich, das des übrigen Leibes rothbraun, dazwischen sind einzelne weißliche Borsten eingestreut. Die sehr starken und langen Schnurren, welche sich in Längsreihen ordnen, sehen schwarz aus.

Ueber das Freileben des Greifstachlers ist wenig bekannt. Das Thier bewohnt einen ziemlich großen Theil von Süd- und Mittelamerika und ist an manchen Orten keineswegs selten. Nach Art seiner Verwandten verschläft es den Tag, in der oben angegebenen Stellung in einem Baumwipfel sitzend; nachts läuft es langsam, aber geschickt im Gezweige umher. Seine Nahrung besteht in Blättern aller Art.

Das Fleisch wird von den Eingeborenen geschätzt, und auch die Stacheln finden vielfache Verwendung. Unter den Indianern laufen über den Cuandu ähnliche Sagen um, wie bei uns über das Stachelschwein. Bei manchen Indianerstämmen werden die Stacheln in der Heilwissenschaft benutzt, weil man glaubt, daß sie wie Blutegel wirken, wenn man sie in die Haut des Kranken einbohrt.

Ich habe zwischen einem von mir gepflegten Cuandu und dem Baumstachler hinsichtlich des Betragens keine wesentlichen Unterschiede bemerken können. Stellungen und Bewegungen sind dieselben wie bei diesem, und das Einzige, was ich wahrnahm, ist, daß der Cuandu nur höchst selten auf den Baumzweigen seines Käfigs seine Nacht- oder richtiger Tagruhe hält, sondern immer auf dem ihm bereiteten Heulager sich niedersetzt, ja förmlich in ihm sich verbirgt, indem er sich unter das Heu einwühlt. Die Stimme ist etwas stärker als beim Baumstachler, der des letzteren aber ganz ähnlich. Berührungen jeder Art scheinen ihm sehr unangenehm zu sein, und er läßt sich dieselben auch nicht so ruhig gefallen, wie seine Verwandten, sondern versucht, den sich ihm Nähernden durch plötzliches Vorwärtsbewegen zu schrecken; möglich ist, daß er dabei beabsichtigt, von seinem Stachelpanzer Gebrauch zu machen. Wenn er einmal am Schwanze gepackt ist, läßt er sich berühren, ohne sich zu vertheidigen: so kann man ihn auf den Arm setzen und hin- und hertragen, ohne daß er daran denkt, nach anderer Nager Art um sich zu beißen. Im Zorne sträubt er seine Stacheln nach allen Seiten hin und erscheint nun fast noch einmal so dick, als er wirklich ist. Seine Färbung wird dann, weil das Gelb der Stachelmitte zur Geltung kommt, eine andere.

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