Ein allgemein bekannter, hochbegabter Papagei, der Jako (Psittacus erithacus, cinereus, ruber, erythroleucus und varius), Vertreter der urbildlichen Sippe der Graupapageien (Psittacus), mag die Reihe der Arten eröffnen. Die Merkmale der Sippe sind kräftiger, auf der Firste abgerundeter Schnabel, lange Flügel mit wohl entwickelter Flügelspitze, mittellanger, fast gerade abgeschnittener Schwanz und großfederiges Gefieder, welches Nasenlöcher, Wachshaut, Zügel und Augenkreis unbekleidet läßt. Der Jako selbst ist leicht beschrieben, denn er zeigt eigentlich nur zwei Hauptfarben auf seinem Gefieder. Der Schwanz ist scharlachroth; alle übrigen Federn sind aschgrau, etwas lichter gerandet. An Kopf und Hals treten diese Ränder stärker hervor als im übrigen Gefieder, und deshalb erscheinen diese Theile lichter. Wenn der seine Puderstaub, welcher in der Regel das Gefieder dick bedeckt, abgewischt wird, sehen die Federn schieferschwarzblau aus. Mancherlei, zum Theil prachtvoll gefärbte Spielarten, bei denen einige Armschwingen oder auch andere Theile des Gefieders roth angeflogen sind, kommen vor, gelangen aber selten nach Europa, weil die an der Westküste wohnenden Kaufleute solche Vögel, in Westafrika »Königspapageien« genannt, für sich zu erwerben pflegen. Der junge Jako unterscheidet sich vom alten durch fahleres, bräunliches Grau des Gefieders und durch grauen Augenstern. »Die Streitfrage«, schreibt mir Reichenow, »ob die Schwanzfedern der Graupapageien in der Jugendroth oder grau sind, habe ich, trotz besonderer Aufmerksamkeit, welche ich dieser Frage widmete, nicht entscheiden können. Mehrfach erhielt ich freilich junge Vögel, bei denen die Grundtheile der Federn dunkelgrau, die Seiten schmutzig rothbraun gefärbt waren, so daß es den Anschein hatte, als wenn hier eine allmähliche Verfärbung vom Grunde aus stattfinde; solche Stücke stammten jedoch stets aus den Bergen des Binnenlandes und gehörten, wie neuerliche Forschungen festgestellt zu haben scheinen, der längst bekannten, nah verwandten Art Psittacus Timneh an.« Der Augenstern des alten Jako ist gelb, der Schnabel schwarz, der Fuß bleigrau. Das Männchen ist ein wenig größer als das Weibchen. Die Länge beträgt einunddreißig, die Breite fünfundsechzig, die Fittiglänge zweiundzwanzig, die Schwanzlänge acht Centimeter.
Das Verbreitungsgebiet des Jako erstreckt sich im Westen Afrikas von Senegambien bis Benguela und reicht nach Osten hin bis zum Tschadsee, den westlichen Quellflüssen des Nil und dem Nyanzasee, fällt also ziemlich mit dem der Oelpalme zusammen. Innerhalb dieses ungemessenen Gebietes tritt der Vogel fast überall sehr häufig auf, und es erscheint daher im hohen Grade befremdend, daß wir über sein Freileben erst in der allerneuesten Zeit Kunde erlangt haben. Meine Leser danken mit mir Reichenow, welcher den Graupapagei eingehender und sachgemäßer beobachtet hat als jeder andere und so freundlich gewesen ist, seine Erfahrungen mir zur Verfügung zu stellen, das nachstehende:
»Wohin man sich auch wendet, überall begleitet einen das Gekrächze der Jakos. Sie sind in Westafrika, namentlich aber an der Goldküste, im Nigerdelta, am Kamerun und Gabun überaus häufig; denn die Natur bietet ihnen hier in den unzugänglichen Waldungen des Schwemmlandes der Flußmündungen so außerordentlich geschützte und zusagende Wohnorte, daß die Verfolgung, welche sie seitens der Eingeborenen und der wenigen sie bedrohenden Feinde zu erleiden haben, kaum in Betracht kommt. Hauptsächlich die Mangrovewaldungen nahe der Küste sind es, in denen sie nisten, indem sie vorhandene Höhlungen in den Bäumen benutzen oder Astlöcher mit Hülfe ihres kräftigen Schnabels zu geeigneten Brutstellen erweitern.
Während der Brutzeit, welche in die Regenmonate, je nach Lage der betreffenden Oertlichkeit nördlich oder südlich des Gleichers, also in unsere Sommer- oder Wintermonate fällt, leben die Paare mehr oder weniger einzeln; nach der Brutzeit dagegen schlagen sie sich nebst ihren Jungen mit anderen Artgenossen zu Gesellschaften zusammen, welche vereint umherstreifen, gemeinschaftlich Nahrung suchen und gemeinsam Nachtruhe halten. Sie wählen nunmehr zu bestimmten Schlafplätzen die höchsten Bäume eines Wohngebietes und vereinigen sich hier allabendlich. Aus verschiedenen Richtungen her erscheinen um Sonnenuntergang größere oder kleinere Trupps, so daß die Anzahl der endlich versammelten Vögel oft viele hunderte erreichen kann. Solche Schlafplätze werden bald bemerkbar. Weithin durch die Gegend schallt das Gekrächze der ankommenden und aufbäumenden Vögel, und erst mit dem Eintritte der Dunkelheit verstummt es gänzlich. Am nächsten Morgen erhebt es sich von neuem und verkündet jetzt den allgemeinen Aufbruch. Fortwährend lärmend, krächzend und kreischend, ziehen die Graupapageien dem Binnenlande zu, um sich in den auf den Hochebenen mit Vorliebe angelegten Maisfeldern der Neger gütlich zu thun. Halbreifer Mais bildet ihre Lieblingsnahrung, und erschreckend sind die Verheerungen, welche sie in den Feldern anrichten. Gegen Sonnenuntergang erst treten sie den Rückzug an, um sich wiederum auf ihren Schlafplätzen zu versammeln. Bei diesen regelmäßigen Streif-und Raubzügen halten sie stets dieselben Zugstraßen ein, insofern sie auf letzteren nicht beunruhigt werden. Wir benutzten solche bald erkundeten Wechsel zum Anstande, um unserer Küche aufzuhelfen, konnten jedoch einen und denselben Platz niemals längere Zeit nach einander behaupten, weil die klugen Vögel die betreffenden Stellen sich merkten und in weitem Bogen umflogen.
Der Flug der Graupapageien ist erbärmlich zu nennen. Mit kurzen, schnellen Flügelschlägen streben sie in gerader Richtung ihrem Ziele zu: es gewinnt den Anschein, als ängstigten sie sich und fürchteten, jeden Augenblick herabzufallen. Als wir die Küste betraten und zum erstenmale in der Ferne fliegende Jakos bemerkten, glaubten wir Enten vor uns zu sehen; denn deren Fluge glich der ihrige. Ein Schuß bringt die fliegenden Jakos vollständig außer Fassung: sie stürzen nach dem Knalle, oft förmlich sich überschlagend, tief herab und erheben sich erst langsam wieder. Lautes Krächzen, wie sie es sonst nur angesichts eines sie bedrohenden Raubvogels ausstoßen, verräth die Angst, welche sie ausstehen. Schreckhaft zeigen sie sich überhaupt bei jedem ungewöhnlichen Ereignisse.«
Ueber das Brutgeschäft selbst vermochte Reichenow eigene Beobachtungen nicht zu gewinnen, und wir sind daher auf die Angaben von Keulemans angewiesen. Auf der Prinzeninsel, wo der letztgenannte Reisende sammelte, findet die Brutzeit im December, nach der Regenzeit, statt. Als Nest dient eine meist sehr tiefe Baumhöhlung. Das Weibchen legt bis fünf reinweiße, ungleichhälftige, nach dem stumpfen Ende sanft, nach dem spitzen stark abfallende und stumpf zugespitzte Eier. Da die Vögel ihre Nester nur im unzugänglichsten Waldesdickichte anlegen, ist es nicht leicht, diese zu finden. In einem gewissen Umkreise findet man oft einige hundert brütende Paare, meist aber nur ein Nest in je einem Baume. Die Alten wissen ihre Brut gut zu vertheidigen und werden hierbei von ihren Genossen unterstützt. Die Eingeborenen nehmen die Jungen nicht aus dem Neste, weil sie glauben, in demselben herrsche eine solche Hitze, daß man sich die Finger verbrennen würde, wollte man mit der Hand in die Nesthöhle greifen.
»Unter den gefiederten Räubern«, fährt Reichenow fort, »scheint namentlich der Geierseeadler (Gypohierax angolensis) ein gefährlicher Feind der Graupapageien zu sein. Ich sah ihn mehrfach letztere verfolgen und erkannte an ihrer entsetzlichen Angst, wie sehr sie diesen Raubvogel fürchteten. Daß dieser, trotzdem er kein gewandter Flugkünstler ist, die ungeschickten Flieger einzuholen und zu überwältigen vermag, unterliegt keinem Zweifel.« Reichenows Angabe steht mit einer von Keulemans ausgesprochenen Behauptung durchaus im Widerspruche. Letzterer bezeichnet die Jakos als sehr unverträgliche Gesellen und versichert, daß Raubvögel von ihnen gemeinschaftlich angegriffen und in die Flucht geschlagen würden. Ich weiß nicht, ob diese Behauptung auf bestimmte Beobachtungen sich stützt, glaube aber nicht an die Thatsächlichkeit derselben, weil alle Papageien, über deren Freileben wir Kunde haben, sich so benehmen, wie Reichenow schildert.
Dohrn rühmt den Braten, welchen ein zweckentsprechend zubereiteter Jako liefert, als vortrefflich von Geschmack; Reichenow dagegen läßt nur einer aus dem sehr fetten Fleische gekochten Suppe Gerechtigkeit widerfahren und sagt von dem Fleische, welches wie Rindfleisch aussieht, es sei so zähe, daß man trotz scharfer Messer und guter Zähne es nicht zu zerkleinern vermöge. Die Eingeborenen urtheilen wie Dohrn; doch ist hierauf nicht viel zu geben, weil die Neger und alle Innerafrikaner überhaupt jeden Vogel, welcher in ihre Hände fällt, nachdem sie ihn getödtet, mit Haut und Federn und Eingeweiden ins Feuer werfen und, sobald er äußerlich verkohlt ist, als Leckerbissen betrachten und verspeisen. Den Jako jagt man übrigens weniger seines Fleisches als seiner rothen Schwanzfedern halber, weil alle Neger die letzteren zu kriegerischem Kopfputze und anderem Zierath benutzen oder auch wohl zu vorgeblichem Zauberwerke, als »Medicin« verwenden.
Ueberall, wo der Jako vorkommt, wird er von den Eingeborenen gefangen, gezähmt und zum Sprechen abgerichtet, auch als Tauschgegenstand oder als Handelswaare verwerthet. Denham, Clapperton und Oudney brachten lebende Jakos vom Tschadsee nach England, Heuglin traf denselben Vogel im Lande der Niamniam und Bongo, Livingstone in der Umgegend des Nyanzasees als gezähmten Hausgenossen der Neger an; alle Reisenden, welche die Westküste Afrikas besuchten, fanden ihn lebend im Besitze der Eingeborenen, bei dem einen Stamme häufiger, bei dem anderen seltener. »Der Jako«, bemerkt Reichenow ferner, »ist der einzige Vogel, welcher von Westafrika aus regelmäßig auf den europäischen Thiermarkt gelangt; denn die verhältnismäßig wenigen anderen Käfigvögel, welche aus diesen an anziehenden und fesselnden Erscheinungen so reichen Gegenden zu uns kommen, treffen mehr oder weniger unregelmäßig ein. Der Grund zur Erklärung dieser Thatsache liegt in der Theilnahmlosigkeit und Unzugänglichkeit der Eingeborenen jener Gegenden. Die Neger der Westküste Afrikas sind zu träge, um sich mit dem Vogelfange zu befassen. Vollständig stumpf gegen die sie umgebende Natur, empfinden sie auch keine Freude an gefiederten Hausgenossen. Die Vogelwelt hat für ihren Haushalt nur die eine Bedeutung: den Magen zu füllen. Ich sah daher auch bloß bei den geweckten Bewohnern der Goldküste kleine Käfigvögel. Der Jako aber macht fast aller orten eine Ausnahme von dieser Regel.«
Keulemans gibt an, daß man die Graupapageien auf der Prinzeninsel immer erst nach dem Ausfliegen in Schlingen fange, daß dieselben leicht in Fallstricke aller Art fallen sollen und dann durch entsetzliches Geschrei sich verrathen. Auch diese Angabe gilt, nach Reichenow, für das Festland nicht. »Kein einziger aller Jakos, welcher lebend zu uns gelangt«, schließt mein Gewährsmann, »wird als alter Vogel gefangen; alle werden jung, noch vor dem Ausfliegen, von den Negern aus den Nestern gehoben. Im Binnenlande sammeln die Häuptlinge oder die vornehmsten Bewohner der Negerdörfer die jungen Vögel auf, welche sie nach und nach erlangen, um dieselben später in größerer Anzahl gleichzeitig nach der Küste zu bringen. Inzwischen lassen sie die Thiere mit beschnittenen Flügeln frei umherlaufen. Man sieht daher die Papageien in den Dörfern allenthalben auf den Strohdächern der Hütten oder auf Bäumen, welche für sie vor den Hütten aufgerichtet sind, nach Art unserer Haustauben sitzen und erfreut sich des ungewohnten Schauspiels in so hohem Maße, daß das entzückte Auge das gemarterte Ohr beschwichtigt. Unmittelbar nach der Brutzeit kann man einen jungen Jako an der Küste mit drei Mark unseres Geldes kaufen und im Innern des Landes gegen Waaren von noch viel geringerem Werthe eintauschen; später steigen die Preise, und auf den englischen Postdampfern werden oft funfzehn bis achtzehn Mark für einen Graupapagei gezahlt. Aeltere, durch längere Gefangenschaft bereits gezähmte Vögel stehen höher im Preise als junge, weshalb die Neger an vielen Orten, besonders die gewinnsüchtigen, halbgebildeten, in den Missionshäusern erzogenen oder besser verdorbenen Schwarzen Jakos längere Zeit zu halten und ihnen einige Worte ihrer Sprache oder kauderwelsches Englisch zu lehren pflegen. Jedes Schiff, welches die Küste Westafrikas verläßt, führt eine mehr oder minder erhebliche Anzahl von Jakos mit sich. Von dieser Anzahl gehen während der kurzen Seereise, trotz der höchst mangelhaften Pflege, nur wenige ein; um so bedeutender aber ist die Sterblichkeit unter denen, welche nach Europa gelangten. Die schlechte Behandlung unterwegs legt den Todeskeim. Der größte Mangel der Pflege beruht darin, daß ein absonderlicher, aber allgemein verbreiteter Irrthum die Schiffer verleitet, den Papageien unterwegs Trinkwasser vorzuenthalten. Da nun hauptsächlich trockenes Hartbrod als Futter gereicht, Trinkwasser aber entzogen wird, müssen nothwendigerweise Verdauungsstörungen und damit Krankheiten der Verdauungswerkzeuge eintreten, denen die Vögel zum größten Theile erliegen. Das Schiff, auf welchem ich zurückkehrte, brachte einige dreißig Graupapageien mit herüber. Sie erhielten, auf meine Veranlassung, zweimal täglich Trinkwasser und kamen, bis auf einen einzigen, in bester Gesundheit in Europa an. Beachtet man ferner, daß die Jakos in der Freiheit vorzugsweise mehlige Sämereien fressen, und reicht man ihnen anfänglich nur solche, nicht aber Hanf und andere Oelsamen, so wird man schwerlich Verlust dieser harten Vögel zu beklagen haben.«
Der Jako ist einer der beliebtesten aller Stubenvögel und verdient die Gunst, welche er genießt; denn er besitzt Sanftmuth, Gelehrigkeit und Anhänglichkeit an seinen Herrn, welche Bewunderung erregen. Sein Ruhm wird so zu sagen in allen Sprachen verkündigt; von ihm erzählt jede Naturgeschichte, ja jedes Buch überhaupt, welches einen Theil des Thierlebens behandelt. Eine Menge anmuthiger Geschichten von ihm sind aufgezeichnet worden. Schon Levaillant erzählt sehr ausführlich von einem dieser Papageien, welcher in der Gefangenschaft eines Kaufmanns in Amsterdam lebte, und rühmt die guten Eigenschaften des Vogels. »Karl, so hieß dieser Papagei, sprach fast so gut wie Cicero; denn ich würde einen ganzen Band mit den schönen Redensarten anfüllen können, welche er hören ließ und welche er mir, ohne eine Silbe zu vergessen, wiederholte. Dem Befehle gehorsam, brachte er die Nachtmütze und die Pantoffeln seines Herrn und rief die Magd herbei, wenn man sie im Zimmer brauchte. Sein bevorzugter Aufenthalt war der Kaufladen, und hier erwies er sich nützlich; denn er schrie, wenn in Abwesenheit seines Herren ein Fremder eintrat, so lange, bis jemand herbeikam. Er hatte ein vortreffliches Gedächtnis und lernte ganze Sätze und Redensarten des Holländischen vollkommen genau. Erst im sechzigsten Jahre seiner Gefangenschaft wurde sein Gedächtnis schwach, und er vergaß täglich einen Theil von dem, was er schon konnte. Er wiederholte nie mehr als die Hälfte einer Redensart, indem er selbst die Worte versetzte oder die eines Satzes mit denen eines anderen mischte.«
Levaillant hat mit vorstehendem keineswegs eine erschöpfende Beschreibung gegeben. Nach ihm haben viele über den Papagei berichtet und mehr oder minder wichtige Beobachtungen gesammelt. Aus ihnen geht zur Genüge hervor, daß fast alle Gefangenen im wesentlichen dieselben Eigenschaften besitzen. Doch gibt es unter ihnen ausgezeichnete, und ein solcher, vielleicht der ausgezeichnetste aller Papageien überhaupt, lebte jahrelang in Wien und Salzburg und fand treue und fleißige Beobachter. Die Mittheilungen derselben sind bereits wiederholt gedruckt worden, demungeachtet müssen sie hier ihre Stelle finden. Lenz hat vollkommen Recht, wenn er sagt, daß vielleicht niemals, seit Vögel auf Erden leben, ein Papagei oder sonst ein Vogel höheres in Kunst und Wissenschaft geleistet habe als gedachter Papagei. Das Wunderthier wurde im Jahre 1827 von dem Ministerialrath Andreas Mechletar im Auftrage des Domkapitulars Josef Marchner zu Salzburg von einem Schiffskapitän zu Triest für fünfundzwanzig Gulden erkauft und kam im Jahre 1830 in den Besitz des Domceremoniarius Hanikl. Dieser gab ihm täglich vormittags von neun bis zehn oder abends von zehn bis elf regelrechten Unterricht, beschäftigte sich außerdem viel mit ihm und bewirkte so die hohe Ausbildung seiner geistigen Fähigkeiten. Nach Hanikls Tode wurde der Papagei für hundertundfunfzig Gulden und im Jahre 1840 zum zweiten Male für dreihundertundsiebzig Gulden verkauft. Ein Freund meines verstorbenen Vaters, Graf Gourcy Droitaumont, war der erste, welcher im Jahre 1835 in Okens »Isis« einen Bericht über den Vogel gab. Diesen Bericht hat der letzte Besitzer, von Kleimayrn, auf Wunsch unseres Lenz vervollständigt, und so konnte letzterer das ihm mitgetheilte zusammenfassen, wie folgt:
»Der Jako achtet auf alles, was um ihn her vorgeht, weiß alles zu beurtheilen, gibt auf Fragen die richtige Antwort, thut auf Befehl, was ihm geheißen wird, begrüßt Kommende, empfiehlt sich Gehenden, sagt nur früh ›Guten Morgen‹ und nur abends ›Gute Nacht‹, verlangt Futter, wenn er Hunger hat. Jedes Mitglied der Familie ruft er bei seinem Namen, und das eine steht mehr bei ihm in Gunst als das andere. Will er mich bei sich haben, so ruft er: ›Papa komm her!‹ Was er spricht, singt und pfeift, trägt er ganz so vor wie ein Mensch. Zuweilen zeigt er sich in Augenblicken der Begeisterung als Improvisator, und seine Rede klingt dann genau wie die eines Redners, den man von weitem hört, ohne ihn zu verstehen.
Nun das Verzeichnis dessen, was der Jako spricht, singt, pfeift usw.: ›Geistlicher Herr! guten Morgen.‹ ›Geistlicher Herr! ich bitt um a Mandl.‹ ›Magst a Mandl? Magst a Nuß? Bekommst schon ‚was. Da hast ‚was.‹ ›Herr Huptmann, grüß Gott, Herr Hauptmann.‹ ›Frau Baumeisterin, gehorsamer Diener.‹ ›Bauer, Spitzbub, Spitzbub, Bauer, Wilddieb, gehst weiter? gehst weiter, gehst nach Haus, gehst nach Haus oder nicht? wart du Kerl!‹ ›Du Lump du! Du Kerl, du abscheulicher du!‹ ›Braver Paperl, guter Paperl!‹ ›Du bist a braves Buberl, gar a brav’s Buberl!‹ ›Bekommst an Kukuruz, bekommst schon ‚was.‹ ›Nani! Nani!‹ ›Herr Nachbar! Zeit lassen! Herr Nachbar! Zeit lassen!‹ Wenn jemand an der Thüre klopft, so ruft er sehr laut, sehr deutlich und ungemein täuschend, wie ein Mann: ›Herein, herein! Befehl mich, Herr Bräu, gehorsamer Diener! Freut mich, daß ich die Ehre hab, freut mich, daß ich die Ehre hab.‹ Er klopft auch selbst an sein Haus und ruft obiges. – Er ahmt den Kukuk sehr gut nach. – ›Gib mir a Busserl, a schön’s Busserl; kriegst a Mandl.‹ ›Schau her da!‹ ›Komm heraus!‹ ›Komm herauf, komm her da!‹ ›Mein liebes Paperl!‹ ›Bravo, bravissimo!‹ ›Beten, gehen wir zum Beten!‹ ›Gehen wir zum Essen!‹ ›Gehen wir zum Fenster!‹ ›Hieronymus, steh auf!‹ ›Ich geh, bfiet Gott!‹ (behüt dich Gott.) ›Es lebe unser Kaiser! er lebe recht lange!‹ ›Wo kommst du her? Verzeihen Ihr Gnaden, ich hab glaubt, Sie sein a Vogel.‹ – Wenn er etwas zerbeißt oder in seinem Hause etwas ruinirt, so sagt er: ›Nicht beißen, gib Ruh! Was hast ‚than?‹ ›Was hast du gethan? Wart, du Spitzbub du! Du Kerl du! Wart, ich hau dich!‹ ›Paperl, wie geht’s dir denn, Paperl?‹ ›Hast ‚was z’essen?‹ ›Guten Appetit!‹ ›Bst! Bst! Gute Nacht!‹ ›Der Paperl darf herausgehen, komm, allo komm!‹ ›Paperl, schieß, schieß, Paperl!‹ Dann schießt er, indem er laut ruft ›Puh!‹ ›Gugu! Gugu!‹ (da da da da da) ›Geh nach Haus! Gehst nach Haus? Allo marsch!‹ ›Gleich geh nach Haus! Wart, ich hau dich!‹ Er läutet an einer Glocke, die in seinem Hause angebracht ist und ruft laut: ›Wer läut? Wer läut? Der Paperl.‹ ›Kakadu, Kakadu!‹ ›Gagagaga! Wart mit dein Ga, du –– du!‹ ›’s Hunderl ist da, a schön’s Hunderl ist da, gar a schön’s Hunderl!‹ Dann pfeift er dem Hunde. – Er fragt: ›Wie spricht’s Hunderl?‹ Dann bellt er. Darauf spricht er: ›Pfeif’n Hunderl!‹ Dann pfeift er dem Hunde. Wenn man ihm befiehlt: ›Schieß!‹ so schreit er ›Puh!‹ Dann macht er ein ordentliches Kommando: ›Halt! richt euch! Halt, richt! Macht euch fertig! Schlagt an, hoch! Feuer! Puh! Bravo, bravissimo!‹ Bisweilen läßt er das ›Feuer‹ aus und ruft nach dem ›Schlagt an, hoch!‹ gleich ›Puh!‹ Worauf er aber nicht ›Bravo, bravissimo!‹ ruft, gleichsam im Bewußtsein seines Fehlers. – ›Bfiet Gott, a Dio! Bfiet Ihnen Gott!‹ So sagt er zu den Leuten, wenn sie fortgehen. ›Was? mich beuteln? was? mich beuteln?‹ Er macht ein Zetergeschrei, als wenn er gebeutelt würde, dann ruft er wieder: ›Was? mich beuteln? mich beuteln? Wart du Kerl! Mich beuteln?‹ ›Ja, ja, ja, so geht’s auf der Welt! A so, A so!‹ Dann lacht er mit der größten Deutlichkeit. ›Der Paperl ist krank, der arme Paperl ist krank.‹ ›Hörst den Hansel?‹ ›Gugu, Gugu! Da ist der Paperl!‹ ›Wart, ich will dich beuteln, dich!‹ Wenn er den Tisch decken sieht, oder von dem zweiten oder dritten Zimmer aus es hört, so ruft er gleich: ›Gehen wir zum Essen! Allo! komm zum Essen!‹ Wenn sein Herr im zweiten oder dritten Zimmer frühstückt, so ruft er: ›Kakau! (Kakao) bekommst an Kakau, bekommst schon was!‹
Wenn er zur Chorzeit das Glöcklein von der Domkirche läuten hört, so ruft er: ›Ich geh, bfiet Gott! ich geh!‹ Wenn sein Herr außer der Chorzeit ausgeht, so ruft der Papagei, ist er auch die ganze Zeit still gewesen, beim Oeffnen der Thüre fast jederzeit so recht gutherzig: ›Bfiet Gott!‹ Waren aber fremde Personen da, so ruft er bei ihrem Fortgehen: ›Bfiet Ihnen Gott!‹ Wenn er bei Nacht im Zimmer seines Herren ist, so bleibt er so lange ruhig, als sein Herr schläft. Ist er aber bei Nacht in einem anderen Zimmer, so fängt er mit Tagesanbruch zu sprechen, zu singen und zu pfeifen an.
Der Eigenthümer des Jako hatte eine Wachtel. Als sie im Frühjahre das erste Mal ihr ›Pickerwick‹ schlug, kehrte sich der Papagei gegen sie und rief: ›Bravo! Paperl! Bravo!‹ Um zu sehen, ob es möglich wäre, ihm auch etwas singen zu lehren, wählte man anfangs solche Worte, welche er ohnehin aussprechen konnte, z.B. wie folgt: ›Ist der schöne Paperl da? ist der brave Paperl da? ist der liebe Paperl da? ist der Paperl da? Ja, ja!‹ Später lernte er das Liedchen singen: ›O Pitzigi, o Pitzigi, blas anstatt meiner Fagot, blas anstatt meiner Fagot, blas, blas, blas, blas anstatt meiner Fagot, blas anstatt meiner Fagot!‹ Er stimmt auch Akkorde an und pfeift eine Skala hinauf und herunter sehr geläufig und sehr rein, pfeift andere Stückchen und Triller; doch pfeift und singt er dieses alles nicht jederzeit im nämlichen Tone, sondern bisweilen um einen halben oder ganzen Ton tiefer oder höher, ohne daß er falsche Töne hervorbringt. In Wien lernte er auch eine Arie aus der Oper ›Martha‹ pfeifen, und da ihm dabei von seinem Lehrmeister nach dem Takte vorgetanzt wurde, so ahmte er den Tanz wenigstens dadurch nach, daß er einen Fuß nach dem anderen hob und dabei den Körper possierlich hin und her bewegte.
Kleimayrn starb im Jahre 1853. Jako begann, und wie es schien aus Sehnsucht nach seinem geliebten Herrn, zu kränkeln, wurde im Jahre 1854 ganz matt in ein kleines Bettchen gelegt, sorgfältig gepflegt, schwatzte da noch fleißig, sagte oft mit trauriger Stimme: ›Der Paperl ist krank, armer Paperl ist krank‹, und starb.«
Von einem anderen Jako berichtet mir eine hochstehende Dame folgendes:
»Der Papagei, von welchem ich einiges mittheilen will, wurde uns von einem Manne, welcher lange in Ostindien gelebt hatte, zum Geschenke gemacht. Er sprach schon viel, aber nur Holländisch. Bald jedoch lernte er Deutsch und Französisch. In diesen drei Sprachen schwatzte er so deutlich wie ein Mensch. Dabei war er so aufmerksam, daß er oft Redewendungen auffaßte, welche ihm niemals vorgesagt worden waren; sie wandte er dann zu aller Erstaunen gelegentlich passend an.
Er sprach einzelne Worte und zusammenhängende Sätze in holländischer Sprache, brachte aber auch holländische Worte sinnig zwischen deutschen an, wenn ihm in dieser Sprache das passende Wort mangelte oder nicht einfiel. Er fragte und antwortete, forderte und bedankte sich; er wandte die Worte mit Verständnis der Zeit, des Ortes, der Personen an.
›Papchen will Klukkluk machen (trinken).‹
›Papchen will ‚was zu fressen haben.‹ Erhielt er das verlangte nicht sogleich, so rief er: ›Papchen will und muß aber ‚was zu fressen haben.‹ Geschah es noch nicht, so warf er alles durcheinander, um seinen Zorn auszulassen.
Er grüßte des Morgens mit ›bon jour‹, des Abends mit ›bon soir‹; er verlangte nach Ruhe und nahm Abschied. ›Papchen will schlafen gehen.‹ Wurde er weggetragen, so empfahl er sich durch wiederholtes ›bon soir, bon soir‹.
Seiner Gebieterin, welche ihm gewöhnlich Futter reichte, war er überaus zugethan. Wenn er von ihr Nahrung empfing, drückte er ihr küssend Schnabel auf die Hand und sagte: ›Küss‘ der Frau die Hand.‹ Er nahm an allem Theil, was seine Gebieterin that, und oft, wenn er sie mit irgend etwas beschäftigt sah, fragte er sie mit unendlich komischem Ernst: ›Ja, was macht denn da die Frau?‹ Und als er sie nicht mehr sah, weil der Tod sie entführt, da fühlte auch er den Verlust und den Schmerz. Mann hatte Mühe, ihm Speise beizubringen, und ihn am Leben zu erhalten. Ja, oft weckte er von neuem den herben Kummer der Trauernden, indem er sie fragte: ›Wo ist denn die Frau?‹
Er pfiff wundervoll, namentlich die Weise: ›Ich dank die schon durch deinen Sohn‹; er sang auch ganz prächtig. ›Das Papchen muß ‚mal singen‹, ermahnte er sich selbst, und dann begann er:
›Perrouquet mignon,
Dis-moi sans façon,
Qu’a-t-on fait dans ma maison
Pendant mon absence?‹
oder:
›Ohne Lieb und ohne Wein,
Können wir doch leben.‹
Nun setzte er bisweilen auch zusammen:
›Ohne Lieb und ohne maison,
Können wir doch leben.‹
oder:
›Ein Kuß – sans-façon‹,
was ihn dann so erheiterte, daß er in ein lautes Gelächter ausbrach.
›Papchen, wie sagt denn Lottchen?‹ fragte er sich bisweilen und antwortete darauf ebenso, als ob diese Frage von sonst jemand gethan worden wäre: ›O, mein schönes, schönes Papchen, komm, küsse mich‹. Und das sagte er mit dem richtigen Ausdrucke der Zärtlichkeit, wie es Lottchen nur sagen konnte. Seine Selbstzufriedenheit drückte er mit den Worten aus: ›Ach, ach, wie ist doch das Papchen schön‹ und dabei strich er sich mit seinem Fuße über den Schnabel.
Er war aber keineswegs schön, denn auch er hatte die Unart, seine Federn sich auszuziehen. Es wurden nun als Gegenmittel Weinbäder verordnet, welche man ihm vermittels einer feinen Brause beibrachte. Die Bäder waren ihm höchst unangenehm; sobald er merkte, daß man dazu Anstalten traf, begann er flehentlich zu bitten: ›Papchen doch nicht naß machen, – ach, das arme Papchen – nicht – naß – machen‹.
Fremde liebte er nicht, und diejenigen, welche seinetwegen kamen und ihn sprechen hören wollten, erreichten ihren Wunsch gewöhnlich nur dann, wenn sie sich vor ihm verbargen. In ihrer Gegenwart blieb er mäuschenstill. Um so lebhafter schwatzte er, wenn sie sich versteckt oder wirklich empfohlen hatten: es schien als wolle er sich für den sich selbst angethanen Zwang entschädigen. Doch konnte man sich seine Zuneigung erwerben, und mit solchen Leuten, welche oft zu uns kamen, sprach er gern, machte wohl auch, sie betreffend, einen seiner Witze. Ein dicker Major, welchen er gut kannte, machte eines Tages Versuche, ihm Kunststücke zu lehren. ›Geh auf den Stock, Papchen, auf den Stock!‹ befahl der Krieger. Papchen war entschieden verdrossen. Da plötzlich lacht er laut und sagt: ›Major auf den Stock, Major!‹
Ein anderer seiner Freunde war längere Zeit nicht im Hause zu Besuch gewesen. Es wurde darüber gesprochen und erwartet, daß Roth, so hieß der ersehnte, heute sich einstellen werde. ›Da kommt Roth‹, sagte plötzlich Papchen: er hatte zum Fenster hinaus gesehen und den erwarteten von fern erkannt.
Ein Sohn des Hauses, George, wurde nach längerer Abwesenheit erwartet und darüber natürlich in der Familie gesprochen. George kam erst spät abends an, als Papchen bereits im Dunkel seines verdeckten Käfigs schlief. Nach der ersten Begrüßung wandte sich der heimgekehrte zu aller Liebling und lüftete die Decke: ›Ah, George, bist du da? Das ist schön, sehr schön‹, sagte der Vogel.
Er hatte bemerkt, daß sein Herr, wenn er ans Fenster ging, oft den Verwalter oder Vogt aus dem Hofe heraufrief. Sah er nun, daß sein Gebieter wiederum dem Fenster rasch zuging, so rief er jedesmal die Namen, aber die beider, weil er ja doch nicht wissen konnte, welchen der Herr rufen wollte.
Was der Vogel sonst noch alles gesprochen und gethan, vermag ich nicht aufzuzählen: er war ein halber Mensch!
Papchen endete auf klägliche Weise. Er wurde einem alten Verwandten des Hauses, welcher kindisch geworden war und den Vogel kindisch lieb gewonnen hatte, geschenkt. Alle weinten als das herrliche Thier weggetragen wurde; Papchen weinte zwar nicht, die Trennung von seinen Lieben konnte er aber doch nicht ertragen: wenige Tage später war er todt.«
Ich könnte noch von mehreren grauen Papageien berichten, welche es ebenfalls weit brachten in der Kunst zu sprechen; doch schließt vorstehendes eigentlich alles in sich ein, was ein Vogel dieser Art hierin leisten kann. Nur erwähnen will ich noch, daß das wundervolle Gedächtnis und die Nachahmungsgabe des geistvollen Thieres auch ihre Schattenseiten hat. Die ersten Lehrmeister des grauen Papageis pflegen die Matrosen zu sein, welche später oft in den Bedienten des Hauses entsprechende Hülfe finden. Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, daß in solcher Schule der Wortschatz des Papageis nicht immer mit dem edelsten und feinsten bereichert wird. Leider kommen später auch dem wohlgezogensten Vogel oft genug alte Worte wieder in Erinnerung, und mitten unter seine hübschen Sätze und Redensarten mischt er die rohesten und gemeinsten. Zudem findet der Papagei die absonderlichsten Töne, Laute und Geräusche oft äußerst nachahmenswerth, lernt mit derselben Fertigkeit wie Worte, das Knarren einer Thüre in seiner Nähe, das Bellen des Hundes, das Miauen der Katzen, das Husten eines alten Menschen nachahmen und stört durch alles dies oft wesentlich sein im übrigen liebenswürdiges Geplauder.
Unnöthig würde es sein, über die geistigen Fähigkeiten dieser Vögel noch ein Wort zu sagen. Das vorstehende spricht für sich selbst, und so viel leuchtet auch wohl dem Befangensten ein, daß hier nicht von sogenanntem unbewußten Instinkte, sondern nur von klarem Verstande die Rede sein kann.
Aber nicht bloß über den Verstand, sondern auch über das Gemüth des grauen Papageis sind hübsche Beobachtungen bekannt geworden. »Ein Freund von mir«, erzählt Wood, »besaß einen Vogel dieser Art, welcher die zierlichste und liebenswürdigste Pflegemutter anderer kleiner hülflosen Geschöpfe war. In dem Garten seines Eigners gab es eine Zahl von Rosenbüschen, welche von einem Drahtgehege umwoben und von Schlingpflanzen dicht umsponnen waren. Hier nistete ein Paar von Finken, welches beständig von den Einwohnern des Hauses gefüttert wurde, weil diese gegen alle Thiere freundlich gesinnt waren. Die vielen Besuche des Rosenhaines fielen Polly, dem Papagei, bald auf; er sah, wie dort Futter gestreut wurde und beschloß, so gutem Beispiele zu folgen. Da er sich frei bewegen konnte, verließ er bald seinen Käfig, ahmte den Lockton der alten Finken täuschend nach und schleppte den Jungen hierauf einen Schnabel voll nach dem anderen von seinem Futter zu. Seine Beweise von Zuneigung gegen die Pflegekinder waren aber den Alten etwas zu stürmisch; unbekannt mit dem großen Vogel, flogen sie erschreckt von dannen, und Polly sah jetzt die Jungen gänzlich verwaist und für ihre Pflegebestrebungen den weitesten Spielraum. Von Stund an weigerte sie sich, in ihren Käfig zurückzukehren, blieb vielmehr Tag und Nacht bei ihren Pflegekindern, fütterte sie sehr sorgfältig und hatte die Freude, sie groß zu ziehen. Als die Kleinen flügge waren, saßen sie auf Kopf und Nacken ihrer Pflegemutter, und dann kam es vor, daß Polly sehr ernsthaft mit ihrer Last umherging. Doch erntete der Papagei wenig Dank; als den Pflegekindern die Schwingen gewachsen waren, flogen sie auf und davon.«
Einen noch auffallenderen Zug aus dem Gemüthsleben des Jako theilt Buxton mit. »Der elterliche Trieb eines Pärchens grauer Papageien, welche zu den freifliegenden Ausländern des Parkes gehörten, nahm eine sehr närrische Form an. Eine Katze richtete sich in einem der Nistkästen ein und nährte dort ihre Jungen. Unsere Papageien, welche nicht unternehmend genug sein mochten, um es zu einer eigenen Familie zu bringen, schienen diese Kätzchen als ihre Kinder zu betrachten. Sie lebten auf beständigem Kriegsfuße mit der alten Katze, und sobald diese den Kasten verließ, schlüpfte einer der Papageien hinein und setzte sich neben die Kätzchen. Ja, sie achteten auf letztere selbst dann mit Aufmerksamkeit und Spannung, wenn die Mutterkatze zu Hause war.«
Gefangene Jakos schreiten selten zur Fortpflanzung. Doch sind einige Fälle bekannt, daß sie auch im engen Gebauer legten, brüteten und Junge zogen. Schon Buffon berichtet von einem Pärchen, welches fünf bis sechs Jahre nacheinander jedes Mal vier Eier legte und seine Jungen regelmäßig aufbrachte. Auch Labac erzählt ähnliches, und neuerdings hat Buxton an seinen freifliegenden Jakos erfahren, daß sie in einer Baumhöhlung drei Junge aufzogen. Eines von diesen starb; die beiden anderen aber flogen lustig mit den übrigen Papageien, welche Buxton aussetzte, umher und fanden sich mit ihnen jeden Morgen ein, um ihr Futter in Empfang zu nehmen.
Zweckmäßig gepflegte, möglichst einfach gefütterte Jakos erreichen ein hohes Alter. Derjenige, welchen der Kaufmann Minninck-Huysen in Amsterdam besaß, hatte, bevor er durch Erbschaft seinem späteren Besitzer zufiel, bereits zweiunddreißig Jahre in der Gefangenschaft gelebt und hielt dann noch einundvierzig Jahre aus. Ungefähr vier bis fünf Jahre vor seinem Ende wurde er altersschwach. Seine Lebhaftigkeit und seine Geistesfähigkeiten, namentlich sein Gedächtnis, nahmen ab und schwanden endlich gänzlich dahin. In den letzten zwei Jahren konnte er nicht mehr auf seiner Stange sitzen, sondern nur noch auf dem Boden hocken. Zuletzt war er nicht mehr im Stande, selbst zu fressen und mußte geatzt werden. Auch seine Mauser ging in den letzten Jahren seines Lebens nur sehr unvollkommen von statten. Altersmatt und schwach schwand er ganz allmählich dahin. Aus diesem einen Beispiel geht hervor, daß die von Humboldt mitgetheilte und von Curtius bearbeitete Sage, welcher ich oben Raum gegönnt habe, auf thatsächlichem Grunde beruht.