Der Gaukler in Brehms Tierleben

Gaukler (Brehms Tierleben)

Färbung und Zeichnung des Gauklers (Helotarsus ecaudatus, fasciatus, leuco notus und brachyurus, Falco, Theratopius und Circaëtus ecaudatus) sind ebenso auffallend wie seine Gestalt. Ein schönes Mattschwarz, Kopf, Hals, Hinterrücken und die ganze Unterseite einnehmend, sticht lebhaft ab von dem hellkastanienbraunen Mantel, dem ebenso gefärbten Schwanze, dem etwas lichteren Unterrücken sowie einer breiten Flügelbinde, welche durch die, im Gegensatze zu den tiefschwarzen ersten Handschwingen, graulichbraunen, auf der Innenfahne weißen, mit breitem, schwarzem Endrande verzierten letzten vier Hand- und die sämmtlichen Handschwingen gebildet wird. Die Deckfedern der Handschwingen sind schwarz, die der Armschwingen braunschwarz mit braunem Endsaume, die übrigen Oberflügeldeckfedern düsterbraun, heller gerandet, die Unterflügeldeckfedern weiß. Das Auge ist schön braun, goldig glänzend, das Augenlid karminroth, der Schnabel rothgelb an der Wurzel, hornblau an der Spitze, die Wachshaut blaß korallroth, der Zügel morgenroth bis blutroth, in letzterem Falle mit röthlichgelben Flecken, das untere Augenlid weißlich, der Fuß korallroth. Der junge Vogel ist dunkelbraun, auf dem Rücken gewöhnlich etwas dunkler als auf der Unterseite, wo die einzelnen Federn graubräunliche Ränder haben; die Kehl- und Stirnfedern sind lichtbraun, die Armschwingen graubraun. Das Auge ist rothbraun, der Schnabel, einschließlich Wachshaut und Zügel, blau, der Fuß bläulich mit rothem Schimmer. Die Länge des Weibchens beträgt achtundfunfzig, die Breite einhundertdreiundachtzig, die Fittiglänge achtundfunfzig, die Schwanzlänge nur dreizehn Centimeter; das Männchen ist kleiner.

Der Gaukler ist weit über Afrika verbreitet, fehlt nur dem Norden, kommt dagegen vom Senegal an bis zur Küste des südlichen Rothen Meeres und von hier an bis gegen das Vorgebirge der Guten Hoffnung hin überall vor. Er liebt Gebirge, ohne sich jedoch an sie zu binden; ich glaube sogar behaupten zu dürfen, daß er in der eigentlichen Steppe häufiger ist als in bergigen Gegenden. In den höchsten Gebirgen von Habesch hat ihn Heuglin nicht mehr bemerkt, regelmäßig aber auf allen felsigen Bergstöcken, welche sich über die Ebenen des Sudân, meist zusammenhanglos mit anderen Gebirgen, erheben, und ebenso längs der Niederungen und Sümpfe des Weißen und des Gazellenflusses beobachtet. Man sieht ihn sehr oft, ist jedoch selten im Stande, mit ihm genauer bekannt zu werden. Gewöhnlich zeigt er sich fliegend. Er streicht in hoher Luft dahin, stets außer Schußweite, und sucht von oben aus weite Strecken ab.

Heuglin erfuhr, daß er schon mit Tagesanbruch die höheren Bäume, auf denen er die Nacht zubrachte, verläßt, und von nun an, anhaltend fliegend, sein Gebiet durchkreist: ich habe ihn so früh nicht in Bewegung gesehen und nur ausnahmsweise kreisend beobachtet, vielmehr fast stets gefunden, daß er in gerader Richtung seines Weges zieht, ohne sich aufzuhalten, es sei denn, daß er eines seiner Flugspiele ausführen wolle oder eine Beute entdeckt habe. In den letzten Vormittagsstunden erscheint er regelmäßig am Wasser, verweilt hier einige Zeit und fliegt dann einem benachbarten Baume zu, um hier stundenlang zu ruhen. Gegen Abend tritt er einen neuen Jagdzug an, und erst bei einbrechender Dunkelheit begibt er sich zur Ruhe. Levaillant sagt, daß man ihn immer paarweise antreffe; ich muß das Gegentheil behaupten: nach meinen Erfahrungen zeigt er sich regelmäßig einzeln. Das Paar scheint ein sehr ausgedehntes Gebiet zu bewohnen und außer der Brutzeit nur selten sich zu vereinigen, vielmehr einzeln seine Wege zu wandeln.

Auch der ungeübteste Beobachter wird den Gaukler erkennen müssen. Seine Erscheinung ist so auffallend, daß sie überall zu Sagen Veranlassung gegeben hat. Speke wurde von den Eingeborenen Ostafrikas allen Ernstes versichert, daß der Schatten des Vogels unheilvoll sei; im Inneren Afrikas dagegen betrachtet man diesen mit einer gewissen Ehrfurcht, weil man ihn als den Arzt unter den Vögeln ansieht, welcher von fernher Wurzeln herbeiträgt, in denen wunderbare Heilkräfte verborgen liegen. Ich habe die anmuthige Sage in meinem »Leben der Vögel« ausführlich behandelt und darf auf das dort gesagte verweisen; ich habe auch schon an anderen Orten erwähnt, daß die Abessinier unseren Vogel »Himmelsaffen« nennen, wogegen die denkträgen holländischen Bauern am Vorgebirge der Guten Hoffnung nur den Namen »Berghahn« für ihn zu finden wußten. Jeder dieser Namen und jede Sage, welche der Gaukler ins Leben gerufen hat, begründet sich auf Gestalt und Betragen des Thieres. Vor allem ist es der Flug, welcher in seiner Art so wunderbar ist wie von keinem Vogel weiter. Meine früher gegebene Beschreibung dieser Bewegung ist von einem kenntnisreichen Freunde als zu dichterisch erachtet worden: ich kann dies aber auch heute noch nicht zugestehen. Nicht umsonst gab Levaillant unserem Raubvogel den Namen Gaukler; denn wie ein solcher bewegt sich dieser Weih in der Luft: er schwimmt, tummelt, spielt, fliegt, als sei es nur, um seines Herzens Lust Genüge zu leisten, nicht aber, um Nahrung zu suchen. Schon Levaillant erwähnt, daß er bisweilen plötzlich eine Strecke herabfällt und die Flügel so heftig zusammenschlägt, daß man glaubt, er habe einen von ihnen gebrochen und müsse auf die Erde fallen: ich habe ihn förmlich Luftsprünge ausführen sehen. Eigentlich beschreiben läßt sich der Flug des Gauklers nicht: er ist einzig in seiner Art. Die Flügel werden oft hoch über den Körper erhoben, viele Minuten lang nicht bewegt und dann wieder so heftig geschlagen, daß man ein eigenthümliches, auf weithin hörbares Geräusch vernimmt. Nur während des Fluges zeigt der Vogel seine volle Schönheit; im Sitzen erscheint er mehr auffallend als anziehend. Namentlich wenn er aufgebäumt hat, sieht er sonderbar aus. Er bläst sich manchmal zu einem wahren Federklumpen auf, sträubt Kopf- und Halsfedern und dreht und wendet den Kopf dabei bald nach oben, bald nach unten, ganz wie ein Uhu. Wenn er etwas auffallendes bemerkt, nimmt er besondere Stellungen an: er breitet dann auch die Flügel aus und begleitet dies durch noch heftigere Kopfbewegungen als sonst.

Unter seinen Sinnen steht das Gesicht unzweifelhaft obenan, wie schon das große Auge hinlänglich beweist; aber auch das Gehör ist wohl entwickelt und das Gefühl nicht verkümmert. Ueber die übrigen Sinne habe ich kein Urtheil. Das geistige Wesen ist eigenthümlicher Art. Eigentlich muthig kann man den Gaukler nicht nennen, obwohl er Kämpfe der gefährlichsten Art besteht; er scheint vielmehr ziemlich feig und gutmüthig zu sein. Im Freileben zeigt er sich außerordentlich scheu, meidet jede andere auffallende Erscheinung, unterscheidet jedoch schwerlich zwischen gefährlichen und ungefährlichen Menschen; in der Gefangenschaft hingegen wird er bald und in hohem Grade zahm, so zahm, daß er förmlich mit sich spielen läßt, wie man mit einem Papagei spielt. Alle Raubvögel leiden ungern, wenn man sie streichelt: der Gaukler scheint ein besonderes Wohlgefallen zu bekunden, wenn man ihn zwischen den Federn seines Halses kraut oder ihn streichelt. Doch muß ich bemerken, daß er sich dies nicht von jedermann, sondern nur von seinen genauesten Bekannten gefallen läßt. Anderen Vögeln gegenüber zeigt er sich höchst verträglich, denkt mindestens niemals daran, irgend einem der größeren, welche man zu ihm bringt, etwas zu Leide zu thun. Ueberhaupt ist er, wenn er sitzt, ebenso still und ruhig, als lebhaft wenn er fliegt. Von gefangenen Gauklern vernimmt man nur höchst selten einen Laut, gewöhnlich ein leises »Qua qua«, seltener ein lauteres »Kack kack« oder ein gellendes »Kau«; im Fluge hingegen stößt er gar nicht selten ein bussardartig schallendes »Hihihi« oder »Hiahia« aus.

Levaillant sagt, daß der Gaukler junge Gazellen, Lämmer und kranke Schafe anfalle, jungen Straußen gefährlich werde und wie ein Geier auf das Aas falle; Heuglin hat ihn als Feind kleiner Säugethiere kennen gelernt. Ich habe nie beobachtet, daß er so große Säugethiere anfällt. Seine Beute besteht in Kriechthieren der verschiedensten Art, namentlich aber in Schlangen und Eidechsen; erstere sieht man ihn oft durch die Lüfte tragen. Ohne vorher zu kreisen oder nach Art eines Bussards oder Thurmfalken zu rütteln, hält er plötzlich in seinem scharfen Zuge an, und wie ein fallender Stein stürzt er sich mit brausendem Geräusche auf die erspähete Schlange hernieder. Er raubt kleine ebensowohl als große, giftzähnige nicht minder als giftlose. Hierauf begründet sich die Sage, welche ich oben erwähnte: die Araber halten die Schlangen, welche der fliegende Vogel aufgenommen hat, für heilkräftige Wurzeln. Wie alle übrigen schlangenvertilgenden Raubvögel Mittelafrikas eilt unser Vogel von weitem herbei, wenn das Gras der Steppe angezündet wird, jagt beständig längs der Feuerlinie auf und nieder und streicht oft durch die dichtesten Rauchwolken hindurch, hart über den Flammen dahin, um eines der Kriechthiere aufzunehmen, welche das Feuer in Bewegung setzte. Daß er auch kleine Säugethiere, Vögel und selbst Heuschrecken erjagt, hat Heuglin durch Untersuchung des Magens festgestellt; daß er auch auf das Aas fällt, unterliegt keinem Zweifel: Kirk erhielt einen, welcher das von einer Hiäne ausgebrochene vergiftete Fleisch gefressen und davon betäubt worden war.

Lavaillant sagt, daß der Gaukler auf hohen Bäumen horste und drei bis vier weiße Eier lege; Speke dagegen behauptet, daß der Horst nur ein Ei enthalte. Die Wahrheit scheint in der Mitte zu liegen; denn Heuglin erhielt zwei flügge Junge aus einem Horste. Die Brutzeit fällt mit dem Beginne der Dürre zusammen, weil diese dem Vogel leichtere Jagd gewährt als der Frühling, welcher unter der üppigen Grasdecke die Kriechthiere verbirgt.

In neuerer Zeit sind öfters lebende Gaukler nach Europa gebracht worden, und gegenwärtig fehlen sie in keinem der größeren Thiergärten. Doch gehören sie noch immer zu den gesuchtesten Vögeln, und namentlich die ausgefärbten werden gut bezahlt. In der That fesselt kaum ein anderer Raubvogel den Beschauer so wie der farbenprächtige und außerdem noch durch sein Betragen so auffallende Gaukler. Seine Haltung verursacht kaum Schwierigkeiten. Er ist gewohnt, erhebliche Wärmeunterschiede mit Gleichmuth zu ertragen und kann deshalb in milden Wintern im Freien gehalten werden, läßt sich auch leicht an das gewöhnliche Futter der Raubvögel, rohes Fleisch, gewöhnen und ist überhaupt höchst bescheiden in seinen Ansprüchen. Ich muß ihn nach meinen Erfahrungen für einen der liebenswürdigsten Käfigvögel erklären, welchen die Ordnung überhaupt uns liefern kann.

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