Der Flötenvogel (Gymnorhina tibicen, Coracias, Barita und Cracticus tibicen), welcher in den letzten Jahren ein Bewohner aller Thiergärten geworden ist, kommt einer Saatkrähe an Größe ungefähr gleich. Seine Länge beträgt dreiundvierzig, die Fittiglänge siebenundzwanzig, die Schwanzlänge vierzehn Centimeter. Das Gefieder ist der Hauptsache nach schwarz, auf Nacken, Unterrücken, den oberen und unteren Schwanzdeckfedern und den vorderen Flügeldeckfedern aber weiß. Das Auge ist röthlichnußbraun, der Schnabel bräunlichaschgrau, der Fuß schwarz.
Nach Gould ist der Flötenvogel besonders in Neusüdwales häufig und ein in hohem Grade augenfälliger Vogel, welcher die Gefilde sehr zu schmücken weiß, da, wo man ihn nicht verfolgt oder vertreibt, in die Gärten der Ansiedler hereinkommt, bei einiger Hegung sogar die Wohnungen besucht und ihm gewährten Schutz durch größte Zutraulichkeit erwidert. Sein buntes Gefieder erfreut das Auge, sein eigenthümlicher Morgengesang das Ohr. Offene Gegenden, welche mit Baumgruppen bewachsen sind, bilden seine bevorzugten Wohnsitze; deshalb zieht er das Innere des Landes der Küste vor. Die Nahrung besteht hauptsächlich aus Heuschrecken, von denen er eine unschätzbare Menge verzehrt. Im August beginnt und bis zum Januar währt die Brutzeit, da jedes Pärchen zweimal nistet. Das runde und offene Nest wird aus Reisholz und Blättern erbaut und mit zarteren Stoffen, wie sie eben vorkommen, ausgefüttert. Die drei bis vier Eier, welche das Gelege ausmachen, konnte Gould nicht erhalten; dagegen beschreibt er die eines sehr nahen Verwandten. Sie sind auf düster bläulichweißem, zuweilen ins Röthliche spielendem Grunde mit großen braunrothen oder licht kastanienbraunen Flecken zickzackartig gezeichnet.
Als Gould Australien bereiste, gehörte ein gefangener Flötenvogel noch zu den Seltenheiten; gegenwärtig erhalten wir ihn häufig lebend. Er findet viele Liebhaber und ist in Thiergärten geradezu unentbehrlich. Schon der schweigsame Vogel zeigt sich der Theilnahme werth; allgemein anziehend aber wird er, wenn er eines seiner sonderbaren Lieder beginnt. Ich habe Flötenvögel gehört, welche wunderherrlich sangen, viele andere aber beobachtet, welche nur einige fugenartig verbundene Töne hören ließen. Jeder einzelne Laut des Vortrages ist volltönend und rein; nur die Endstrophe wird gewöhnlich mehr geschnarrt als geflötet. Unsere Vögel sind, um es mit zwei Worten zu sagen, geschickt im Ausführen, aber ungeschickt im Erfinden eines Liedes, verderben oft auch den Spaß durch allerlei Grillen, welche ihnen gerade in den Kopf kommen. Gelehrig im allerhöchsten Grade, nehmen sie ohne Mühe Lieder an, gleichviel, ob dieselben aus beredtem Vogelmunde ihnen vorgetragen, oder ob sie auf einer Drehorgel und anderweitigen Tonwerkzeugen ihnen vorgespielt werden. Sämmtliche Flötenvögel, welche ich beobachten konnte, mischen bekannte Lieder, namentlich beliebte Volksweisen, in ihren Gesang; sie scheinen dieselben während der Ueberfahrt den Matrosen abgelauscht zu haben. Bekannte werden regelmäßig mit einem Liede erfreut, Freunde mit einer gewissen Zärtlichkeit begrüßt. Die Freundschaft ist jedoch noch leichter verscherzt als gewonnen; denn nach meinen Erfahrungen sind diese Raben sehr heftige und jähzornige, ja rachsüchtige Geschöpfe, welche sich bei der geringsten Veranlassung, oft in recht empfindlicher Weise, ihres Schnabels bedienen.
Erzürnt, sträuben sie das Gefieder, breiten die Flügel und den Schwanz und fahren wie ein erboster Hahn gegen den Störenfried los. Auch mit ihresgleichen leben sie viel im Streite und Kampfe, und andere Vögel fallen sie mörderisch an.
Ihre Haltung im Käfige verursacht keine Schwierigkeiten. Sie bedürfen allerdings thierischer Nahrung, nehmen aber auch gerne mit Pflanzenstoffen vorlieb. Fleisch, Brod und Früchte bilden den Haupttheil ihrer Mahlzeit. Gegen die Witterung zeigen sie sich wenig empfindlich, könnten wohl ohne Gefahr auch während des Winters im Freien gehalten werden.