Der Fischotter in Brehms Tierleben

Fischotter (Brehms Tierleben)

Europa beherbergt eine einzige Art der Gruppe, gewissermaßen das Urbild der Unterfamilie, die, oder wie die meisten Jäger sagen, den Fischotter, Fluß- oder Landotter und Fischdieb (Lutra vulgaris, Mustela und Viverra Lutra, Lutra nudipes), einen Wassermarder von reichlich 1,2 Meter Länge, wovon 40 bis 43 Centim. auf den Schwanz zu rechnen sind. Der Kopf ist länglichrund, die Schnauze abgerundet, das Auge klein, aber lebhaft, das sehr kurze, abgerundete, durch eine Hautfalte verschließbare Ohr fast ganz im Pelze versteckt, der Leib ziemlich schlank, aber flach, der Schwanz mehr oder weniger rundlich, an der Spitze stark verschmälert; die sehr kurzen Beine, deren Zehen durch bis zu den Nägeln vorgezogene Schwimmhäute miteinander verbunden werden, treten mit der ganzen Sohle auf. In dem ziemlich kurzen und sehr flachen Schädel ist das Hinterhaupt ungewöhnlich stark und breit entwickelt, die Stirne nur wenig niedriger als der Scheitel, die Nase vorn kaum merklich abschüssig; im Gebisse, welches aus 36 Zähnen und zwar drei Schneide-, einem Eck-, drei Lückzähnen, dem Höcker- und noch einem Backenzahne oben und unten in jedem Kiefer besteht, ist der äußere obere Vorderzahn bedeutend stärker als die vier mittelsten, und tritt der zweite untere Vorderzahn aus der Zahnreihe zurück; der sehr stark entwickelte Höckerzahn des Oberkiefers ist quer gestellt, vierseitig, rhombischen Querschnittes und nur wenig breiter als lang. Als bezeichnend für die Sippe gilt noch die nackte, netzartig gerissene und flachwarzige Haut an der Nasenspitze über dem behaarten Lippenrande, zu deren Seiten die länglichen, bogigen Nasenlöcher sich öffnen, weil die Form dieses Nasenfeldes für die Unterscheidung anderer Ottern von Wichtigkeit ist und zur Aufstellung besonderer Untersippen Veranlassung gegeben hat. Ein dichter und kurz anliegender, aus derbem, starrem, glänzendem Oberhaar von dunkelbrauner Färbung bestehender Pelz deckt den Leib; seine Färbung lichtet sich nur auf der Unterseite etwas und geht unter dem Halse und an den Kopfseiten ins Weißlichgraubraune über, während der im Pelze versteckte Ohrrand lichtbraun aussieht; ein heller, verwaschen weißlicher Flecken steht über der Mitte der Unterlippe, einzelne unregelmäßige rein weiße oder weißliche Fleckchen finden sich am Kinne und zwischen den Unterkieferästen. Das sehr feine Wollhaar ist an der Wurzel lichtbraungrau, an der Spitze dunkler braun. Manche Thiere haben eine mehr graubraune als dunkelbraune Färbung. Spielarten kommen ebenfalls vor: so wurde mir vor geraumer Zeit ein Balg zugeschickt, welcher auf der ganzen Oberseite ziemlich große, runde, graugelblichweiße Flecken zeigte.

In der Weidmannssprache heißt der männliche Fischotter Rüde, der weibliche Feh oder Fehe, der Schädel Grind, der Schwanz Ruthe, das Fleisch Kern, das Fell Balg, das weibliche Geschlechtsglied Nuß. Der Fischotter ranzt und die Fehe bringt Junge, er steigt aus oder an das Land, wenn er das Wasser verläßt, geht über Land, wenn er auf dem Trockenen eine Strecke zurücklegt, steigt, fällt oder fährt in das Wasser; er wittert, scherzt oder spielt, pfeift, fischt, hat eine Fährte und einen Bau, keine Wohnung oder Höhle.

Unser Fischotter bewohnt ganz Europa und außerdem den größten Theil von Nord- und Mittelasien, sein Verbreitungsgebiet nach Osten hin bis zur Mündung des Amur ausdehnend. In den Polarländern scheint er nicht weit nach Norden vorzudringen, obwohl er einzeln noch in Lappland lebt; in Sibirien geht er nur bis gegen den Polarkreis hinauf. In Indien, China und Japan wird er durch verwandte Arten vertreten, in Afrika und Amerika durch solche, welche man gegenwärtig besonderen Untersippen zuzählt. In Mittel- und Südeuropa haust er in jedem nahrungversprechenden Gewässer, auch in Flüssen und Bächen der bewohntesten Theile stark bevölkerter Staaten, in Mittelasien fehlt er an geeigneten Orten ebensowenig.

Der Fischotter liebt vor allem Flüsse, deren Ufer auf große Strecken hin mit Wald bedeckt sind. Hier wohnt er in unterirdischen Gängen, welche ganz nach seinem Geschmacke und im Einklange mit seinen Sitten angelegt wurden. Die Mündung befindet sich stets unter der Oberfläche des Wassers, gewöhnlich in einer Tiefe von einem halben Meter. Von hier aus steigt ein etwa zwei Meter langer Gang schief nach aufwärts und führt zu dem geräumigen Kessel, welcher regelmäßig mit Gras ausgepolstert und stets trocken gehalten wird. Ein zweiter, schmaler Gang läuft vom Kessel aus nach der Oberfläche des Ufers und vermittelt den Luftwechsel. Gewöhnlich benutzt der Fischotter die vom Wasser ausgeschwemmten Löcher und Höhlungen im Ufer, welche er einfach durch Wühlen und Zerbeißen der Wurzeln verlängert und erweitert; in seltenen Fällen bezieht er auch verlassene Fuchs- oder Dachsbaue, wenn solche nicht weit vom Wasser liegen. Unter allen Umständen besitzt er mehrere Wohnungen, es sei denn, daß ein Gewässer außerordentlich reich an Fischen ist, er also nicht genöthigt wird, größere Streifereien auszuführen. Bei hohem Wasser, welches seinen Bau überschwemmt, flüchtet er sich auf nahestehende Bäume oder in hohle Stämme und verbringt hier die Zeit der Ruhe und Erholung nach seinen Jagdzügen im Wasser.

Soviel Aerger ein Fischotter seines großen Schadens wegen Besitzern von Fischereien und leidenschaftlichen Anglern verursacht, so anziehend wird er für den Forscher. Sein Leben ist so eigenthümlicher Art, daß es eine eigene Beobachtung verlangt und deshalb jeden an der schädlichen Wirksamkeit des Thieres unbetheiligten Naturfreund fesseln muß. An dem Fischotter ist alles merkwürdig, sein Leben und Treiben im Wasser, seine Bewegungen, sein Nahrungserwerb und seine geistigen Fähigkeiten. Er gehört unbedingt zu den anziehendsten Thieren unseres Erdtheiles. Daß er ein echtes Wasserthier ist, sieht man bald, auch wenn man ihn auf dem Lande beobachtet. Sein Gang ist der kurzen Beine wegen schlangenartig kriechend, aber keineswegs langsam. Auf Schnee oder Eis rutscht er oft ziemlich weit dahin, wobei ihm das glatte Fell gut zu statten kommt und selbst der kräftige Schwanz zuweilen Hülfe gewähren muß. Dabei wird der breite Kopf gesenkt getragen, der Rücken nur wenig gekrümmt, und so gleitet und huscht er in wirklich sonderbarer Weise seines Weges fort. Doch darf man nicht glauben, daß er ungeschickt wäre; denn die Geschmeidigkeit seines Leibes zeigt sich auch auf dem Lande. Er kann den Körper mit unglaublicher Leichtigkeit drehen und wenden, wie er will, und ist im Stande, ohne Beschwerde sich aufzurichten, minutenlang in dieser Stellung zu verweilen und, ohne aus dem Gleichgewichte zu kommen, sich vor- und rückwärts zu wenden, zu drehen oder auf-und niederzubeugen. Nur im höchsten Nothfalle macht er auch noch von einer anderen Fertigkeit landlebender Thiere Gebrauch, indem er durch Einhäkeln seiner immer noch ziemlich scharfen Krallen an schiefstehenden Bäumen, aber freilich so tölpisch und ungeschickt als möglich, emporklettert.

Ganz anders bewegt er sich im Wasser, seiner eigentlichen Heimat, welche er bei der geringsten Veranlassung flüchtend zu erreichen sucht, um der ihm auf dem feindlichen Lande drohenden Gefahr zu entgehen. Der Bau seines Körpers befähigt ihn in unübertrefflicher Weise zum Schwimmen und Tauchen: der schlangengleiche, breite Leib, mit den kurzen, durch große Schwimmhäute zu kräftigen Rudern umgewandelten Füßen, der starke und ziemlich lange Schwanz, welcher als treffliches Steuer benutzt werden kann, und der glatte, schlüpfrige Pelz vereinigen alle Eigenschaften in sich, welche ein rasches Durchgleiten und Zertheilen der Wellen ermöglichen. Zur Ergreifung der Beute dient ihm das scharfe, vortreffliche und kräftige Gebiß, welches das einmal Erfaßte, und sei es noch so glatt und schlüpfrig, niemals wieder fahren läßt. In den hellen Fluten der Alpenseen oder des Meeres hat man zuweilen Gelegenheit, sein Treiben im Wasser zu beobachten. Er schwimmt so meisterhaft nach allen Richtungen hin, daß er die Fische, denen er nachfolgt, zu den größten Anstrengungen zwingt, falls sie ihm entgehen wollen; und wenn er nicht von Zeit zu Zeit auf die Oberfläche kommen müßte, um Athem zu schöpfen, würde wohl schwerlich irgend welcher Fisch schnell genug sein, ihm zu entrinnen. Dem Fischotter ist vollkommen gleichgültig, ob er auf- oder niedersteigt, seitwärts sich wenden, rückwärts sich drehen muß; denn jede nur denkbare Bewegung fällt ihm leicht. Gleichsam spielend tummelt er sich im Wasser umher. Wie ich an Gefangenen beobachtete, schwimmt er manchmal auf einer Seite, und oft dreht er sich, scheinbar zu seinem Vergnügen, so herum, daß er auf den Rücken zu liegen kommt, zieht hierauf die Beine an die Brust und treibt sich noch ein gutes Stück mit dem Schwanze fort. Dabei ist der breite Kopf in ununterbrochener Bewegung, und die Schlangenählichkeit des Thieres wird besonders auffallend. Auch bei langem Aufenthalte im Wasser bleibt das Fell glatt und trocken. Zur Nachtzeit will man bemerkt haben, daß es bei raschen Bewegungen einen elektrischen Schein von sich gibt. Die Wasserschicht, in welcher ein Fischotter schwimmt, ist leicht festzustellen, weil von ihm beständig Luftblasen aufsteigen, und auch das ganze Fell gewissermaßen eine Umhüllung von feinen Luftbläschen wahrnehmen läßt. Zur Zeit des Winters sucht er, wenn die Gewässer zugefroren sind, die Löcher im Eise auf, steigt durch dieselben unter das Wasser und kehrt auch zu ihnen zurück, um Luft zu schöpfen. Solche Eislöcher weiß er mit unfehlbarer Sicherheit wieder aufzufinden, und ebenso geschickt ist er, andere, welche er auf seinem Zuge trifft, zu entdecken. Ein Eisloch braucht bloß so groß zu sein, daß er seine Nase durchstecken kann, um zu athmen: dann ist das zugefrorene Gewässer vollkommen geeignet, von ihm bejagt zu werden.

Im Freien vernimmt man die Stimme des Fischotters viel seltener als in der Gefangenschaft, wo man ihn weit leichter aufregen kann. Wenn er sich recht behaglich fühlt, läßt er ein leises Kichern vernehmen; verspürt er Hunger, oder reizt man seine Freßgier, so stößt er ein lautes Geschrei aus, welches wie die oft und rasch nacheinander wiederholten Silben » girrk« klingt und so gellend ist, daß es die Ohren beleidigt; im Zorne kreischt er laut auf; verliebt, pfeift er hell und wohlklingend.

Skelett des Fischotter (Brehms Tierleben)

Die Sinne des Fischotters sind sehr scharf; er äugt, vernimmt und wittert ausgezeichnet. Schon aus einer Entfernung von mehreren hundert Schritten gewahrt er die Annäherung eines Menschen oder Hundes, und eine solche Erscheinung ist für ihn dann stets die Aufforderung zur schleunigsten Flucht nach dem Wasser. Die unablässigen Verfolgungen, denen er ausgesetzt ist, haben ihn sehr scheu und vorsichtig, aber auch sehr listig gemacht, und so kommt es, daß man tagelang auf ihn lauern kann, ohne ihn wahrzunehmen. Zwar trifft man ihn zuweilen auch bei Tage außerhalb seines Baues oder des Wassers, behaglich hingestreckt auf einem alten Stocke oder einer Kaupe, hier sich sonnend, manchmal sogar so weit sich vergessend, daß er von heranschleichenden Menschen erschlagen werden kann: dies aber sind seltene Ausnahmen. In der Regel zieht er erst nach Sonnenuntergang zum Fischfange aus und betreibt diesen während der Nacht, am liebsten und eifrigsten bei hellem Mondscheine. Gelegentlich solcher Jagden nähert er sich den menschlichen Wohnungen nicht selten bis auf wenige Schritte, durchzieht auch Ortschaften, welche an größeren Flüssen oder Strömen liegen, regelmäßig, meist ohne daß man von seinem Vorhandensein etwas merkt. Unter Umständen legt er seinen Bau in der Nähe einer Mühle an: Jäckel berichtet, daß ein Müller drei junge, wenige Tage alte Ottern in der Nähe seines Mahlwerkes erschlagen hat, und theilt noch mehrere andere ähnliche Fälle mit.

Alte Fischottern leben gewöhnlich einzeln, alte Weibchen aber streifen lange Zeit mit ihren Jungen umher oder vereinigen sich mit anderen Fehen oder um die Paarungszeit mit solchen und Männchen und fischen dann in Gesellschaft. Sie schwimmen stets stromaufwärts und suchen einen Fluß nicht selten auf Meilen von ihren Wohnungen gründlich ab, befischen dabei auch in dem Umfange einer Meile alle Flüsse, Bäche und Teiche, welche in den Hauptfluß münden oder mit ihm in Verbindung stehen. Nöthingenfalls bleiben sie, wenn sie der Morgen überrascht, in irgend einem schilfreichen Teiche während des Tages verborgen und setzen bei Nacht ihre Wanderung fort. In den größeren Bächen z.B., welche in die Saale münden, erscheinen sie nicht selten drei, ja vier Meilen von deren Mündungen entfernt und vernichten, ohne daß der Besitzer eine Ahnung hat, in aller Stille oft die sämmtlichen Fische eines Teiches. Obgleich der Fischotter zu weiteren Spaziergängen keineswegs geeignet erscheint, unternimmt er erforderlichen Falles weite Streifzüge zu Lande, um aus fischarmen in fischreichere Jagdgebiete zu gelangen: »er scheut dabei«, sagt Jäckel, »um beispielsweise in die Gebirgsbäche des bayrischen Hochlandes zu kommen, selbst hohe Gebirgsrücken nicht und übersteigt sie mit überraschender Schnelligkeit. Im Steigerwaldrevier Koppenwind hatte ein Paar Ottern einen verlassenen Dachsbau inne, von wo aus der eine in einer Nacht von der Rauhen Ebrach durch die Mittelebrach über Mittelsteinach und Aschbach in die reiche Ebrach nach Heuchelheim wechselte, wie sich durch Verfolgung der Fährte bei neugefallenem Schnee zeigte. Aus der Chiemseeachen steigen Ottern bis in den Loferbach bei Reit im Winkel, in die Schwarzachen bei Rupholding, in die Rothe und Weiße Traun. Im Jahre 1850 überstieg nach Beobachtung des Forstwartes Sollacher von Staudach ein starker Otter bei mehr als anderthalb Meter tiefem Schnee den felsigen, von Gemsen bewohnten Siedleckrücken am Hochgerngebirge, etwa 1460 Meter über der Meeresfläche erhaben, um von dem Weißachenthale in das gegenüberliegende Eibelsbachthal auf dem kürzesten Wege zu kommen und in letzterem Bache zu fischen. Er mußte hierbei mindestens drei Stunden an dem sehr steilen und felsigen Gehänge aufwärts und dann zwei Stunden ebenso steil abwärts bis zum Ursprunge des Eibelsbaches, welchen er bis zu seiner Einmündung in den Achenfluß ununterbrochen verfolgte. Ein kräftiger Gebirgsjäger kann unter den obwaltenden Verhältnissen die betreffende Wegstrecke kaum in sieben Stunden zurücklegen, während sie der schwerfällige, zu Gebirgswanderungen nicht geschaffene Otter einschließlich der seinem Fischfange geopferten Zeit in dem kurzen Zeitraume von zwölf Stunden ausführte, wovon sich Forstwart Sollacher durch Hin- und Herverfolgen der frischen Fährte mit Staunen überzeugte. Im Jahre 1840 stieg nach der Beobachtung des Revierförsters Sachenbacher aus dem das Aurachthal bei Schliersee durchziehenden Aurachflüßchen bei sehr tiefem Schnee ein starker Otter an das Land und setzte unter den schwierigsten örtlichen Verhältnissen seinen Weg über das nahezu 1300 Meter über der Meeresfläche liegende Hohenwaldeckgebirge und den Rhonberg fort, um in den weit entgegengesetzt liegenden, sehr fischreichen Leitzachfluß zu gelangen. Diese durch den Otter in einer Nacht zurückgelegte Wegstrecke beträgt mit Rücksicht auf das steile Gebirgsgehänge und das damalige tiefe Schneelager für einen geübten Bergsteiger wenigstens acht Gehstunden.«

Im Wasser ist der Fischotter dasselbe, was Fuchs und Luchs im Vereine auf dem Lande sind. In den seichten Gewässern treibt er die Fische in den Buchten zusammen, um sie dort leichter zu erhaschen, oder scheucht sie, indem er mehrmals mit dem Schwanze plätschernd auf die Wasseroberfläche schlägt, in Uferlöcher und unter Steine, wo sie ihm dann sicher zur Beute werden. In tieferen Gewässern verfolgt er sie vom Grunde aus und packt sie rasch am Bauche. Nicht selten lauert er, auf Stöcken und Steinen sitzend, taucht, sobald er einen Fisch von ferne erblickt, plötzlich in das Wasser, jagt ihm in eiligster Hetzjagd eine Strecke weit nach und faßt ihn, falls er erschreckt sich zu verbergen sucht. Wenn ihrer zwei einen Lachs verfolgen, schwimmt der eine über, der andere unter ihm, und so jagen sie ihn so lange, bis er vor Müdigkeit nicht weiter kann und sich ohne Widerstand ergeben muß. Der Otter, welcher seine Jagd ohne Mithülfe anderer seiner Art ausüben muß, nähert sich den größeren Fischen, welche nicht gut unter sich sehen können, vom Grunde aus und packt sie dann von unten plötzlich am Bauche. Kleinere Fische verzehrt er während seines Schwimmens im Wasser, indem er den Kopf etwas über die Oberfläche emporhebt, größere trägt er im Maule nach dem Ufer und verspeist sie auf dem Lande. Dabei hält er die schlüpfrige Beute zwischen seinen Vorderfüßen und beginnt in der Gegend der Schulter zu fressen, schält das Fleisch vom Nacken nach dem Schwanze zu ab und läßt Kopf und Schwanz und die übrigen Theile liegen. In fischreichen Flüssen wird er noch leckerer und labt sich dann bloß an den besten Rückenstücken. So kommt es, daß er an einem Tage oft mehrere große Fische fängt und von jedem bloß ein kleines Rückenstückchen verzehrt. Die in der Umgegend solcher Gewässer wohnenden biederen Bauern stören einen so leckeren Fischotter durchaus nicht, zumal wenn der Strom oder das Fischrecht in ihm einen größeren Gutsbesitzer gehört, betrachten vielmehr den Fischotter als einen höchst willkommenen Beschicker ihres Tisches und gehen des Morgens regelmäßig an die Ufer, um die angefressenen Fische aufzuheben und für sich zu verwerthen. Bei Ueberfluß an Nahrung verleugnet der Otter die Sitten seiner Familie nicht. Auch er mordet, wie ich an Gefangenen beobachtete, so lange etwas Lebendes in seiner Nähe unter Wasser sich zeigt, und wird durch einen an ihm vorüberschwimmenden Fisch selbst von der leckersten Mahlzeit abgezogen und zu neuer Jagd angeregt. Wenn er zufällig unter einen Schwarm kleiner Fische geräth, fängt er so rasch als möglich nacheinander einen um den anderen, schleppt ihn eiligst ans Land, beißt ihn todt, läßt ihn einstweilen liegen und stürzt sich von neuem ins Wasser, um weiter zu jagen.

Auch von Krebsen, Fröschen, Wasserratten, kleinen und sogar größeren Vögeln nährt sich der Fischotter, obschon Fische, zumal Forellen, seine Lieblingsspeise bleiben. Selbst durch außergewöhnliche Jagden wird er schädlich. »In den schönen Gartenanlagen zu Stuttgart«, erzählt Tessin, »sind die Teiche stark mit zahmem und wildem Wassergeflügel sowie mit Fischen bevölkert. Unter ersteren trieb im Sommer 1824 ein Fischotter seine nächtlichen Räubereien sechs bis sieben Wochen lang, ohne daß irgend eine Spur seiner Anwesenheit bemerkt wurde. Während dieser Zeit wurden alle Entennester sowohl auf dem Lande als auf den Inseln zerstört und die Eier ausgesaugt, auch die jungen Enten und Gänse schnell vermindert, ohne daß Ueberreste hiervon angetroffen worden wären, ebensowenig, als man solche von den gefressenen Fischen bemerkte. Dagegen fand man täglich zwei bis sieben alte Enten, von denen nichts als Kopf und Hals verzehrt worden waren, desgleichen stark verletzte Gänse und Schwäne, welche infolge ihrer Wunden bald eingingen. In einer mondhellen Nacht entschloß sich endlich der in den Anlagen wohnende königliche Oberhofgärtner Bosch, auf dem Platze anzustehen. Von neun Uhr an bis gegen zwölf Uhr wurde das Wassergeflügel beständig beunruhigt und nach allen Richtungen hin umhergetrieben. Unaufhörlich tönte der Angstschrei, besonders der jungen Enten, und es fing erst an, ruhig zu werden, nachdem sich alle auf das Land geflüchtet hatten. Noch war es nicht möglich, zu entdecken, wodurch das Geflügel so in Angst gesetzt worden war, und vergebens versuchte Herr Bosch, dasselbe wieder in den Teich zu treiben. Nach ein Uhr fiel eine wilde Ente in kurzer Entfernung von dem Versteck des Jägers ins Wasser. Bald darauf bemerkte dieser im Wasser eine schmale Strömung, welche jedoch durchaus kein Geräusch verursachte und das Ansehen hatte, als ob ein großer Fisch hoch ginge, nur daß sich die Strömung weit schneller bewegte, als es geschehen sein würde, wenn ein Fisch die Ursache gewesen wäre. Als die Ente diese Strömung wahrgenommen hatte, stand sie schnell auf und strich weg. Die Strömung kam Bosch immer näher, und er schoß endlich mit starken Schroten auf sie hin. Nach dem Schusse blieb das Wasser ruhig, Bosch nahm einen Kahn, fuhr damit an die Stelle und untersuchte mit dem Ladestocke, an dem sich ein Krätzer befand, das Wasser. Er verspürte bald eine weiche Masse, bohrte dieselbe an und brachte einen Fischotter männlichen Geschlechts empor. Von nun an hörten alle Verheerungen unter dem Wassergeflügel auf.« Auch dieser Fall steht nicht vereinzelt da. Waltl nahm, wie Jäckel ferner mittheilt, einem Otter, welcher eine am Schwanze ergriffene Henne eben in seinen Bau unter einer Erle unter das Wasser ziehen wollte, die Beute wieder ab. Die Henne flatterte und breitete die Flügel aus; der Otter aber zerrte so lange, bis dem Huhne der Schwanz ausgerissen war. Im Jahre 1851 fand der Revierförster Schreck ein zufällig in ein Ottereisen gegangenes Wasserhuhn, welches nachts vorher von einem Otter zur Hälfte verzehrt worden war. Die andere Hälfte des Vogels wurde an dem Springer des Eisens befestigt, und am nächsten Morgen hatte sich der Otter, welcher ohne Zweifel den Rest seines gestrigen Nachtmahles holen wollte, glücklich gefangen.

Ob der Fischotter während seines Freilebens auch Pflanzenstoffe frißt, weiß ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen; wohl aber habe ich beobachtet, daß er solche in der Gefangenschaft durchaus nicht verschmäht. Eine Möhre war denen, welche ich pflegte, oft eine bevorzugte Speise, eine Birne, Pflaume, Kirsche eine Leckerei. Da nun die meisten übrigen Marder an Fruchtstoffen Gefallen finden, glaube ich annehmen zu dürfen, daß der Marder des Wassers auch im Freien Obst und dergleichen nicht liegen läßt.

Eine bestimmte Rollzeit hat der Otter nicht; denn man findet in jedem Monate des Jahres Junge. Gewöhnlich fällt die Paarungszeit in das Ende des Februar oder den Anfang des März. Männchen und Weibchen locken sich durch einen starken, anhalten den Pfiff gegenseitig herbei und spielen allerliebst miteinander im Wasser umher. Sie verfolgen einander, necken und foppen sich; das Weibchen entflieht spröde, das Männchen wird ungestümer, bis ihm endlich Sieg und Gewähr zum Lohne wird. Neun Wochen nach der Paarungszeit, bei uns gewöhnlich im Mai, wirft das Weibchen in einem sicheren, d.h. unter alten Bäumen oder starken Wurzeln gelegenen Uferbau, auf ein weiches und warmes Graspolster zwei bis vier blinde Junge. Die Mutter liebt diese zährtlich und pflegt sie mit der größten Sorgfalt. Aengstlich sucht sie das Lager zu verbergen und vermeidet, um ja nicht entdeckt zu werden, in der Nähe desselben irgend eine Spur von ihrem Raube oder ihrer Losung zurückzulassen. Nach etwa neun bis zehn Tagen öffnen die niedlichen Kleinen ihre Augen, und nach Verlauf von acht Wochen werden sie von der Mutter zum Fischfange ausgeführt. Sie bleiben nun noch etwa ein halbes Jahr lang unter Aufsicht der Alten und werden von ihr in allen Künsten des Gewerbes gehörig unterrichtet. Im dritten Jahre sind sie erwachsen oder wenigstens zur Fortpflanzung fähig.

Junge, aus dem Neste genommene und mit Milch und Brod aufgezogene Fischottern können sehr zahm werden. Die Chinesen benutzen eine Art der Sippe zum Fischfange für ihre Rechnung, und auch bei uns zu Lande hat man mehrmals Fischottern zu demselben Zwecke abgerichtet. Ein zahmer Otter ist ein sehr niedliches und gemüthliches Thier. Seinen Herrn lernt er bald kennen und folgt ihm zuletzt wie ein treuer Hund auf Schritt und Tritt nach. Er gewöhnt sich fast lieber an Milch- und Pflanzenkost als an Fleischspeise und kann dahin gebracht werden, Fische gar nicht anzurühren. Ich habe viele gepflegt und bald in hohem Grade gezähmt, ziehe es jedoch vor, Andere für mich reden zu lassen. Eine Dame hatte einen jungen Otter mit Milch aufgezogen und so gezähmt, daß er ihr überall nachlief und, sobald er konnte, an ihrem Kleide emporstieg, um sich in ihren Schoß zu legen. Er spielte mit der Herrin oder in drolliger Weise mit sich selbst, suchte sich einen zu diesem Zwecke hingelegten Pelz auf, wälzte sich auf demselben herum, legte sich auf den Rücken, haschte nach dem Schwanze, biß sich in die Vorderpfoten und setzte dies so lange fort, bis er sich selbst in Schlummer wiegte. Die Gebieterin konnte mit ihm thun, was sie wollte. »So sehr ich das liebe Thierchen«, schreibt sie meinem Vater, »mit meinen Leibkosungen plagte, so ruhig duldete es dieselben. Ich legte es minutenlang um meinen Hals, dann auf den Rücken, ergriff es mit beiden Händen und vergrub mein Gesicht in seinem Felle; dann hielt ich es unter den Vorderfüßen umfaßt und drehte es wie einen Quirl herum: alles dieses ließ es sich geduldig gefallen. Nur wenn ich es von mir that, bekam es wieder eigenen Willen, den es dadurch kund gab, daß es an mir in die Höhe zu klettern suchte, dabei auch wohl in mein Kleid biß und dasselbe zerriß. Mit diesem Beißen und seinen schmutzigen Pfötchen konnte es mich recht plagen; denn nie blieb ein Unterkleid einen Tag lang sauber. Ich konnte aber doch nicht umhin, das Thierchen schlafen zu lassen, wo es wünschte. So gestaltete sich unsere gegenseitige Liebe immer inniger, je größer und verständiger der Otter wurde.«

»Ein Fischotter«, sagt Winkell, »welcher unter der Pflege eines in Diensten meiner Familie stehenden Gärtners aufwuchs, befand sich, noch ehe er halbwüchsig wurde, nirgends so wohl als in menschlicher Gesellschaft. Waren wir im Garten, so kam er zu uns, kletterte auf den Schoß, verbarg sich vorzüglich gern an der Brust und guckte mit dem Köpfchen aus dem zugeknöpften Oberrocke hervor. Als er mehr heranwuchs, reichte ein einziges Mal Pfeifen nach der Art des Otters, verbunden mit dem Rufe des ihm beigelegten Namens hin, um ihn sogar aus dem See, in welchem er sich gern mit Schwimmen vergnügte, heraus und zu uns zu locken. Bei sehr geringer Anweisung hatte er apportiren, aufwarten und nächstdem die Kunst, sich fünf- bis sechsmal über den Kopf zu kollern, gelernt und übte dies sehr willig und zu unserer Freude aus. Beging er, was zuweilen geschah, eine Ungezogenheit, so war es für ihn die härteste Bestrafung, wenn er mit Wasser stark besprengt oder begossen ward; wenigstens fruchtete dies mehr als Schläge. Sein liebster Spielkamerad war ein ziemlich starker Dachshund, und sobald sich dieser im Garten nur blicken ließ, war auch gewiß gleich der Otter da, setzte sich ihm auf den Rücken und ritt gleichsam auf ihm spazieren. Zu anderen Zeiten zerrten sie sich spielend umher; bald lag der Dachshund oben, bald der Otter. War dieser recht bei Laune, so kicherte er dabei in einem weg. Ging man mit dem Hunde in ziemlicher Entfernung vorüber und schien er nicht willens, seinen Freund zu besuchen, so lud dieser durch wiederholtes Pfeifen ihn ein. Jener folgte, wenn es sein Herr erlaubte, augenblicklich dem Rufe.«

Die Abrichtung eines gezähmten Otters zum Fischfange ist ziemlich einfach. Das Thier bekommt in der Jugend niemals Fischfleisch zu fressen und wird bloß mit Milch und Brod erhalten. Nachdem er ziemlich erwachsen ist, wirft man ihm einen roh aus Leder nachgebildeten Fisch vor und sucht ihn dahin zu bringen, mit diesem Gegenstande zu spielen. Später wird der Lehrfisch in das Wasser geworfen und schließlich mit einem wirklichen, todten Fische vertauscht. Nimmt der Otter einmal diesen auf, so wirft man denselben in das Wasser und läßt ihn von dort aus herausholen. Schließlich bringt man lebende Fische in einen großen Kübel und schickt den Otter dahinein. Von nun an hat man keine Schwierigkeiten mehr, letzteren auch in größere Teiche, Seen oder Flüsse zu senden, und man kann ihn, wenn man die Geduld nicht verliert, soweit bringen, daß er in Gesellschaft eines Hundes sogar auf andere Jagd mitgeht und so wie dieser die über dem Wasser geschossenen Enten herbeiholt. Man kennt Beispiele, daß er wie der Hund zur Bewachung der Hausgegenstände verwendet werden konnte.

»Ein wohlbekannter Jäger«, erzählt Wood, »besaß einen Otter, welcher vorzüglich abgerichtet war. Wenn er mit seinem Namen ›Neptun‹ gerufen wurde, antwortete er augenblicklich und kam auf den Ruf herbei. Schon in der Jugend zeigte er sich außerordentlich verständig, und mit den Jahren nahm er in auffallender Weise an Gelehrigkeit und Zahmheit zu. Er lief frei umher und konnte fischen nach Belieben. Zuweilen versorgte er die Küche ganz allein mit dem Ergebnisse seiner Jagden, und häufig nahmen diese den größten Theil der Nacht in Anspruch. Am Morgen fand sich Neptun stets an seinem Posten, und jeder Fremde mußte sich dann verwundern, dieses Geschöpf unter den verschiedenen Vorstehe- und Windhunden zu erblicken, mit denen es in größter Freundschaft lebte. Seine Jagdfertigkeit war so groß, daß sein Ruhm sich von Tag zu Tag vermehrte und mehr als einmal die Nachbarn des Besitzers zu dem Wunsche veranlaßte: man möge ihnen das Thier auf einen oder zwei Tage leihen, damit es ihnen eine Anzahl von guten Fischen verschaffe.«

Richardson berichtet von einem anderen Otter, welchen er gezähmt hatte. Er war ganz an ihn gewöhnt und folgte ihm bei seinen Spaziergängen wie ein Hund, in der anmuthigsten Weise neben ihm her spielend. Bei Ankunft an einem Gewässer sprang der Otter augenblicklich in die Wellen und schwamm hier nach seinem Ermessen umher. Trotz aller Anhänglichkeit und Freundschaft, welche er seinem Herrn bewies, konnte er jedoch niemals dahin gebracht werden, diesem seine gemachte Beute zu überliefern. Sobald er sah, daß Richardson in der Absicht auf ihn zuging, einen gefangenen Fisch ihm zu entreißen, sprang er schnell mit ihm ins Wasser, schwamm an das andere Ufer, legte ihn dort nieder und verzehrte ihn daselbst in Frieden. Zu Hause durchstreifte der Otter nach Behagen Hof und Garten und fand auch dort seine Rechnung; denn er fraß das verschiedenartigste Ungeziefer, wie z.B. Schnecken, Würmer, Raupen, Engerlinge und dergleichen. Die Schnecken wußte er mit der größten Geschicklichkeit aus ihrem Gehäuse zu ziehen. In dem Zimmer sprang er auf Stühle und Fenster und jagte dort nach Fliegen, welche er sehr gewandt zu fangen wußte, wenn sie an den Glastafeln herumschwärmten. Mit einer schönen Angorakatze hatte er eine warme Freundschaft geschlossen, und als seine Freundin eines Tages von einem Hunde angegriffen wurde, eilte er zu ihrer Hülfe herbei, ergriff den Hund bei den Kinnbacken und war so erbittert, daß sein Herr die Streitenden trennen und den Hund aus dem Zimmer jagen mußte.

Die anmuthigste aller Erzählungen über einen gezähmten Fischotter rührt von dem polnischen Edelmann und Marschall Chrysostomus Passek her: »Im Jahre 1686, als ich in Ozowka wohnte, schickte der König den Herrn Straszewski mit einem Briefe zu mir; auch hatte der Kronstallmeister mir geschrieben und mich ersucht, dem König meinen Fischotter als Geschenk zu bringen, indem mir dies durch allerlei Gnadenbezeigungen würde vergolten werden. Ich mußte mich zur Herausgabe meines Lieblings bequemen. Wir tranken Branntwein und begaben uns dann auf die Wiesen, weil der Fischotter nicht zu Hause war, sondern an den Teichen umherkroch. Ich rief ihn bei seinem Namen ›Wurm‹; da kam er aus dem Schilfe hervor, zappelte um mich herum und ging mit mir in die Stube. Straszewski war erstaunt und rief: ›Wie lieb wird der König das Thierchen haben, da es so zahm ist!‹ Ich erwiderte: ›Du siehst und lobst nur seine Zahmheit; Du wirst aber noch mehr zu loben haben, wenn Du erst seine anderen Eigenschaften kennst‹. Wir gingen zum nächsten Teiche und blieben auf dem Damme stehen. Ich rief: ›Wurm, ich brauche Fische für die Gäste, spring ins Wasser!‹ Der Fischotter sprang hinein und brachte zuerst einen Weißfisch heraus. Als ich zum zweiten Male rief, brachte er einen kleinen Hecht, und zum dritten Male einen mittleren Hecht, welchen er am Halse verletzt hatte. Straszewski schlug sich vor die Stirn und rief: ›Bei Gott, was sehe ich!‹ Ich frug: ›Willst Du, daß er noch mehr holt? Denn er bringt so viele, bis ich genug habe.‹ Straszewski war vor Freude außer sich, weil er hoffte, den König durch die Beschreibung jener Eigenschaften überraschen zu können, und ich zeigte ihm deshalb vor seiner Abreise alle Eigenschaften des Thieres.

Der Fischotter schlief mit mir auf einem Lager und war dabei so reinlich, daß er weder das Bett, noch das Zimmer beschmutzte. Er war auch ein guter Wächter. In der Nacht durfte sich Niemand meinem Bette nahen; kaum daß er dem Burschen erlaubte, meine Stiefel auszuziehen, dann durfte er sich aber nicht mehr zeigen, weil das Thier sonst ein solches Geschrei erhob, daß ich selbst aus dem tiefsten Schlafe erwachen mußte. Wenn ich betrunken war, trat der Otter so lange auf meiner Brust herum, bis ich erwachte. Am Tage legte er sich in irgend einen Winkel und schlief so fest, daß man ihn auf den Armen umhertragen konnte, ohne daß er die Augen öffnete. Er genoß weder Fische noch rohes Fleisch. Wenn mich Jemand am Rocke faßte und ich rief: ›Er berührt mich!‹ so sprang er mit einem durchdringenden Schrei hervor und zerrte jenen an den Kleidern und Beinen wie ein Hund. Auch liebte er einen zottigen Hund, welcher Korporal hieß. Von diesem hatte er alle jene Künste erlernt; denn er hielt mit ihm Freundschaft und war sowohl in der Stube als auf Reisen stets bei ihm. Dagegen vertrug er sich mit anderen Hunden gar nicht. Einst stieg Stanislaus Ozarawski nach einer Reise, welche wir zusammen gemacht hatten, bei mir ab. Ich hieß ihn willkommen. Der Fischotter, welcher mich drei Tage hindurch nicht gesehen hatte, kam an mich heran und konnte sich in Liebkosungen gar nicht mäßigen. Der Gast, welcher einen sehr schönen Windhund bei sich hatte, sagte zu seinem Sohne: ›Samuel, halt den Hund, damit er den Fischotter nicht zerreiße!‹ ›Bemühe Dich nicht!‹ rief ich; ›dies Thierchen, so klein es auch ist, duldet keine Beleidigung‹. ›Wie! Du scherzest!‹ erwiderte er, ›dieser Hund packt jeden Wolf, und ein Fuchs athmet nur einmal unter ihm.‹ Als der Fischotter genug mit mir gespielt hatte, sah er den fremden Hund, trat an ihn heran und sah ihm starr unter die Augen; auch der Hund betrachtete den Fischotter; dieser aber ging im Kreise herum, beroch ihn bei den Hinterfüßen, trat zurück und entfernte sich. Ich dachte bei mir: er wird dem Hunde nichts thun. Kaum aber fingen wir an, etwas zu sprechen, als der Fischotter sich an den Hund schlich und ihn mit der Pfote über die Schnauze schlug, so daß er zur Thüre und von dort hinter den Ofen sprang. Auch dahin folgte er ihm nach. Als der Hund keinen anderen Ausweg sah, sprang er auf den Tisch und zerbrach zwei geschliffene, mit Wein gefüllte Gläser; darauf wurde er hinausgelassen und kam nicht mehr ins Zimmer, obgleich sein Herr erst am folgenden Mittag abreiste. Wenn ein Hund auf der Straße den Fischotter beroch, so schrie er so laut, daß jener fortlief.

Dieses Thierchen war auch auf der Reise sehr nützlich. Wenn ich während der Fastenzeit an einen Fluß oder Teich kam und den Fischotter bei mir hatte, so stieg ich ab und rief: ›Wurm, spring hinein!‹ Das Thierchen sprang ins Wasser und brachte Fische heraus, soviel ich für mich und meine Dienerschaft brauchte. Auch Frösche, und was es sonst fand, schleppte es herbei. Die einzige Unannehmlichkeit, welche ich mit auf Reisen hatte, war, daß allerwegens die Leute in Haufen zusammenströmten, als wenn das Thierchen aus Indien gewesen wäre. Ich besuchte einmal meinen Oheim Felix Chociewski, bei welchem sich auch der Priester Srebienski befand, welcher bei Tische neben mir saß, während hinter mir der Fischotter auf den Rücken gestreckt lag, weil er am liebsten auf diese Art ruhte. Als der Priester ihn bemerkte, glaubte er einen Muff zu sehen und faßte ihn an. Der Otter wachte auf, schrie und biß den Priester in die Hand, so daß dieser vor Schreck ohnmächtig wurde.

Straszewski begab sich nun zum Könige und erzählte ihm alles, was er gesehen und gehört hatte. Der König ließ mich schriftlich befragen, wieviel ich für den Fischotter verlangte; auch der Kronstallmeister Piekarski schrieb an mich: ›Um Gotteswillen, schlage dem König die Bitte nicht ab, gib ihm den Fischotter, weil Du sonst keine Ruhe haben wirst!‹ Strazewski überbrachte mir die Briefe und erzählte, daß der König immer sagte: bis dat, qui cito dat. Der König ließ auch zwei sehr schöne türkische Pferde von Jaworow holen, sie mit prächtigem Reitzeuge versehen und mir als Gegengeschenk überschicken. Ich sandte nun den Otter in den neuen Dienst. Er bequemte sich ungern dazu, denn er schrie und lärmte in dem Käfige, als er durch das Dorf gefahren wurde. Das Thierchen grämte sich und wurde mager. Als es dem König überbracht wurde, freute er sich unmäßig und rief: ›Das Thierchen sieht so abgehärmt aus, doch soll es schon besser mit ihm werden.‹ Jeder, der es berührte, wurde von ihm in die Hand gebissen. Der König aber streichelte es, und es neigte sich zu ihm hin; darüber erfreute er sich sehr, streichelte es noch länger, befahl, ihm Speisen zu bringen, reichte sie ihm stückweis, und er verzehrte auch einiges. Er ging in den Zimmern frei und ungehindert zwei Tage umher; auch wurden Gefäße mit Wasser hingestellt und kleine Fische und Krebse hineingesetzt. Daran ergötzte sich der Otter und brachte die Fische heraus. Der König sagte zu seiner Gemahlin: ›Holde Maria, ich werde keine anderen Fische essen als die, welche der Otter fängt. Wir wollen morgen nach Wilanow fahren, um zu sehen, wie er sich aufs Fischen versteht‹. Der Fischotter aber schlich sich in nächster Nacht aus dem Schlosse, irrte umher und ward von einem Dragoner erschlagen, welcher nicht wußte, daß er zahm war. Das Fell verkaufte er sogleich an einen Juden. Als man im Schlosse aufstand und ihn vermißte, wurde geschrieen, gejammert, nach allen Seiten ausgeschickt. Da findet man den Juden und Dragoner, ergreift sie und führt sie vor den König. Als dieser das Fell erblickte, bedeckte er mit einer Hand seine Augen, fuhr mit der anderen in seine Haare und rief: ›Schlag zu, wer ein ehrlicher Mann ist; hau zu; wer an Gott glaubt!‹ Der Dragoner sollte erschossen werden. Da erschienen Priester, Beichtväter und Bischöfe vor dem Könige, baten und stellten ihm vor, daß der Dragoner nur in Unwissenheit gesündigt habe. Sie wirkten endlich soviel aus, daß er nicht erschossen, sondern nur durchgepeitscht wurde.«

Der Fischotter wird wegen der argen Verwüstungen, welche er anrichtet, zu jeder Zeit unbarmherzig gejagt. Seine Schlauheit macht viele Jagdarten, welche man sonst anwendet, langweilig oder unmöglich. Es ist ein seltener Fall, daß man einen Otter auf dem Anstande erlegt; denn wenn er die Nähe eines Menschen wittert, kommt er nicht zum Vorscheine. Im Winter ist der Anstand ergiebiger, zumal wenn man dem Thiere an den Eislöchern auflauert. Unter allen Umständen muß der Schütze unter dem Winde stehen, wenn er zum Ziele kommen will. Am häufigsten fängt man den Otter im Tellereisen, welches man vor seine Ausstiege ohne Köder so in das Wasser legt, daß es fünf Centim. hoch überspült wird. Das Eisen wird mit Wassermoos ganz bedeckt. Kann man eine solche Falle in einem Bache oder Graben aufstellen, durch welche er fischend von einem Teiche zum anderen zu gehen pflegt, so ist es um so besser. Man engt alsdann den Weg durch Pfähle derart ein, daß das Thier über das Eisen weglaufen muß. Letzteres wird, mehr oder weniger mit zweifelhaftem Erfolge, ebenfalls verwittert, und zwar entweder mit wilder Krausemünze allseitig berieben oder mit Fett eingesalbt, welchem man Baldrianwurzel, Biebergeil, Kampher oder Karpfenfett, Ottergeil oder Biebergeil, Kampher oder Angelikawurzel beigemischt hat. Auch verwendet man wohl die Losung des Otters selbst, vermischt mit gestoßener Baldrianwurzel und weißem Fischthran, oder stößt Hechtleber, Karpfengalle, Krebseier und Otterlosung zusammen in einen gereinigten Mörser und bereibt damit das Eisen. Erfolgreicher als jede Witterung ist jedenfalls die richtige Wahl des Ortes, auf welchen man das Eisen stellt. Erfahrene Otterfänger beobachten ihr Wild sorgfältig bei seinem Aus- und Einsteigen, stellen in der Nähe dieses Ausstieges das Eisen ohne jede Witterung ins Wasser und erbeuten mehr Fischottern als andere Jäger trotz aller Witterung. Zufällig fängt man den einen oder anderen Otter auch in Reußen oder sackförmigen Fischnetzen, in welche er bei seinen Fischjagden kommt und, weil er keinen Ausweg findet, erstickt. In meiner Heimat wurde ein Otter mit einem Hamen aus dem Wasser gefischt. Hier und da überrascht man ihn wohl auch bei seinen Landgängen; doch nehmen nur wenige Hunde seine Fährte an, ebensowohl, weil sie die Ausdünstung des Thieres verabscheuen, als auch, weil sie sich vor dem Gebisse desselben fürchten. Der in die Enge getriebene Otter ist ein furchterregender Gegner, welcher jeden Kampf aufnimmt und mit seinem starken Gebisse sehr gefährlich verwunden kann. Dies erfuhr ein Jäger, welcher einen von seinem Hunde verfolgten Otter in dem Augenblick ergriff, als er sich in das Wasser stürzen wollte. Der Mann hatte das Thier am Schwanze erfaßt, dieses aber drehte sich blitzschnell herum, schnappte nach der Hand und hatte im Nu das Endglied des Daumens abgebissen. Was der Otter gefaßt hat, läßt er nicht wieder los, eher läßt er sich todtschlagen. Auf größeren Seen und Teichen verfolgt man ihn in leichten Kähnen und schießt auf ihn, sobald er an die Oberfläche kommt, um Luft zu schöpfen. Die aufsteigenden Luftblasen verrathen den Weg, welchen er unter dem Wasser nimmt, und leiten die Jäger auf ihrer Verfolgung. In tiefem Wasser ist diese Jagdart nicht anwendbar, weil der Otter wie Blei zum Grunde und dadurch verloren geht; denn wenn er halb verfault wieder emporkommt, ist sein Fell natürlich nicht mehr zu gebrauchen. In Flüssen, in denen es viele Ottern gibt, kann man noch eine andere Jagdweise anwenden. Man zieht in aller Stille große Netze quer durch den Fluß und läßt den Otter durch die erwähnten Hunde treiben. Mehrere Leute mit Gewehren und Spießen stehen an den Netzen oder gehen, wo dies thunlich, mit den Hunden im Flusse fort. Dann versucht man, das Raubthier entweder zu erlegen oder anzuspießen und trägt es dann stolz auf den Spießen nach Hause. So jagt man hauptsächlich in Schottland. Der gefangene Otter zischt und faucht fürchterlich, vertheidigt sich bis zum letzten Lebenshauche, wird auch unvorsichtigen Hunden höchst gefährlich, da er ihnen nicht selten die Beiknochen zerbeißt. Geübte Otterhunde wissen derartigen Unfällen freilich auszuweichen und werden ihres Wildes bald Herr. Im Augenblicke des Todes stößt der Otter klagende und wimmernde Laute aus.

Schon in den ältesten Jagdgesetzen wird die Ausrottung des Fischotters nachdrücklich befohlen und jedem Jäger oder Fänger möglichst Vorschub geleistet. In früheren Jahrhunderten zählte man, laut Jäckel, den Fischotterfang zur Fischerei, weil sie denjenigen zu Nutze kommen sollte, welche von ihnen den Schaden hatten ertragen müssen. Doch gab es eigene Otterjäger; dieselben standen aber unter den Fischmeistern und waren minder angesehen als andere Weidmänner. Als Auslösung zahlte man ihnen sehr geringe Summen; doch hatten sie das Recht, Balg und Kern des Thieres zu eigenem Nutzen zu verwenden. Das Fleisch stand einst in Bayern und Schwaben in hohem Werthe und wurde in die Klöster als beliebte Fastenspeise, das Pfund zu einem Gulden verkauft, während gegenwärtig da, wo man solchen Braten zu schätzen vorgibt, höchstens der dritte Theil gedachter Summe dafür gezahlt wird; denn selbst die frömmsten Gläubigen, welche in unseren Tagen noch glauben, daß der Fischotter zu den Fischen, nicht aber zu den Säugethieren gezählt und in der Fastenzeit gegessen werden dürfe, scheinen den Geschmack an dem so wenig versprechenden und schwer verdaulichen Wildpret, welches erst durch allerlei Kunst des Kochens einigermaßen schmackhaft gemacht werden kann, verloren zu haben. Sogar in dem glaubenseifrigen Bayern erachtet man jetzt Fischotterfleisch an vielen Orten für werthlos und verschenkt es im besten Falle an arme Leute, welche sonst keinen Sonntagsbraten zu erwerben im Stande sind. Ungleich werthvoller als der Kern ist der allerorten sehr geschätzte Balg, für welchen bei uns zu Lande 12 bis 60 Mark gezahlt werden. Nach Lomer erbeutet man in Mitteleuropa jährlich ungefähr 12,000 Fischotterfelle, welche einen Gesammtwerth von 135,000 Mark haben. Eine größere Anzahl gelangt deshalb nicht auf unseren Markt, weil das Fischotterfell bei fast allen nördlichen Völkerschaften sehr beliebt ist und fast ebenso hoch oder höher im Preise steht als bei uns. Fischotter und Luchs gelten, laut Radde, bei allen mongolischen Völkern als werthvolle Pelzthiere und werden von ihnen ungleich theuerer als von den europäischen Händlern bezahlt; für gute Fischottern erlegen die Mongolen der Hochsteppen 20 bis 25 Rubel Silber, also ebensoviel wie für die besten Zobel. Man verwendet das Fell allgemein zu Verbrämungen der Pelze und Winterkleider, in Süddeutschland zu den sogenannten Ottermützen, wie sie von Männern und Frauen in Hessen, Bayern und Schwaben getragen werden, in Norddeutschland zu Pelzkragen und der gleichen, in China zum Besatz der Mützen, in Kamtschatka endlich zum Einpacken der sehr theueren Zobelfelle, weil man annimmt, daß es alle Nässe und Feuchtigkeit an sich zieht und dadurch die Zobelfelle schön erhält. Aus den Schwanzhaaren fertigt man Malerpinsel und aus den feinen Wollhaaren schöne und dauerhafte Hüte. Wohl mit Unrecht gelten die Pelze der Fischottern, welche an kleinen Flüssen und Bächen wohnen, für besser als die solcher, welche an großen Flüssen und Seen leben. Früher wurden auch Blut, Fett und manche Eigenweide des Thieres als Arzneimittel gebraucht.

Der Fischotter war schon den alten Griechen und Römern bekannt, obwohl sie über sein Leben viel fabelten. So glaubte man, daß unser Thier selbst den Menschen anfalle und, wenn es ihn mit seinem fürchterlichen Gebisse erfaßt habe, nicht eher loslasse, als bis es das Krachen der zermalmten Knochen vernehme, und dergleichen mehr.

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