Der Basstölpel in Brehms Tierleben

Basstölpel (Brehms Tierleben)

Der Tölpel oder weiße Seerabe (Sula bassana, alba, major und americana, Pelecanus bassa nus und maculatus, Disporus bassanus), dessen Schilderung für die Lebenskunde seiner Familie genügen darf, ist mit Ausnahme der braunschwarzen Schwingen erster Ordnung weiß, auf Oberkopf und Hinterhals gelblich überflogen, in der Jugend auf der Oberseite schwarzbraun, weiß gefleckt, unten auf lichtem Grunde dunkler gefleckt und gepunktet. Das Auge ist gelb, der Schnabel bläulich, der Fuß grün, die nackte Kehlhaut schwarz. Die Länge beträgt achtundneunzig, die Breite einhundertundneunzig, die Fittiglänge zweiundsechzig, die Schwanzlänge sechsundzwanzig Centimeter. Das Weibchen unterscheidet sich durch etwas geringere Größe vom Männchen.

Alle Meere der nördlichen Erdhälfte vom siebzigsten Grade der Breite an nach Süden hin bis gegen den Wendekreis beherbergen den Tölpel. Er ist häufig um Island und die Färinseln, Orkaden und Hebriden, seltener um die Küste Norwegens, kommt vereinzelt in die Nähe Norddeutschlands, Hollands und Frankreichs, tritt aber an der amerikanischen Küste und ebenso im nördlichen Theile des Stillen Meeres in großer Anzahl auf. Einzelne sind bis ins Innere Deutschlands verschlagen worden. Wie es scheint, zeigt auch er eine gewisse Vorliebe für bestimmte Inseln oder Stellen der Küste. Wenn er es irgend im Stande, verbringt er die Nächte auf dem Festlande, in der Regel auf hohen und schroff abfallenden Felsen, welche sich unmittelbar aus dem Meere erheben, und von denen aus er wenigstens die See beständig vor sich sieht. Er scheint übrigens wählerisch zu sein, sich wenigstens an gewisse Inseln mehr als an andere, welche anscheinend dieselben Bedingungen erfüllen, zu binden.

Im Fliegen bekundet er seine Meisterschaft; zum Schwimmen entschließt er sich seltener, vielleicht bloß, um auf kurze Zeit ein wenig auszuruhen, und das Land betritt er außer der Brutzeit nur, um zu schlafen. Schon das Stehen scheint ihn zu ermüden, sieht wenigstens im höchsten Grade unbeholfen aus; das Gehen kann kaum ein Watscheln genannt werden, und das Schwimmen ist, trotz der mächtigen Ruder, auch nicht weit her; denn er läßt sich lieber vom Winde treiben, als daß er rudert, scheint überhaupt jede Bewegung mit den Füßen nur als Nothhülfe anzusehen. Der Flug ist eigenthümlich, minder ausgezeichnet wohl als der der Sturmvögel und anderer Langschwinger, aber doch noch immer vortrefflich. Nach einigen rasch sich folgenden Flügelschlägen gleitet der Tölpel eine Zeitlang pfeilschnell durch die Luft, nicht in ruhiger Weise schwebend, sondern unter Annahme der verschiedensten Stellungen eilfertig dahinschießend, plötzlich schwenkend, wieder flatternd, von neuem schwebend, zeitweilig kreisend, ohne Flügelschlag sich drehend und wieder dahinstürmend, bald dicht über dem Wasser hinfliegend, bald zu bedeutenden Höhen emporstrebend. Als echter Stoßtaucher erwirbt er sich seine Nahrung nur fliegend, indem er sich aus einer gewissen Höhe auf das Wasser herabstürzt und mit solcher Gewalt in dasselbe eindringt, daß er sich zuweilen den Kopf an verborgenen Klippen zerschellt. Seine Stimme besteht aus kurzen, abgebrochenen, krächzenden Lauten, welche man ungefähr durch die Silben »Rab, rab, rab« ausdrücken kann. Die Jungen sollen abscheulich kreischen. Hinsichtlich der geistigen Eigenschaften gilt ungefähr dasselbe, was ich weiter oben von den Seevögeln überhaupt bemerkte. Die Tölpel haben keine Gelegenheit, den Menschen kennen zu lernen, und benehmen sich ihm gegenüber oft so, daß sie ihren Namen wirklich bethätigen, verlieren, wenn sie sich nicht mehr auf dem Meere befinden, förmlich die Besinnung und lassen dann, obschon nicht widerstandslos, vieles über sich ergehen, scheinen auch wenig durch fortgesetzte Verfolgung zu lernen. Anderen Vögeln gegenüber zeigen sie sich hämisch und bissig, und in den großen Vereinen nimmt das Zanken und Beißen kein Ende. Ihr gewaltiger Schnabel ist eine so furchtbare Waffe, daß sie sich vor keinem anderen Seevogel zu fürchten brauchen; gleichwohl sollen sie durch den Fregattvogel und die Schmarotzermöven vielfach geängstigt und zum Ausbrechen aufgenommener Nahrung genöthigt werden.

Wenn man einmal Tölpel in der Nähe ihrer Brutplätze sah, begreift man, daß durch sie Guanoberge entstehen konnten.

»Ihre Flüge beeinträchtigen das Sonnenlicht, und ihre Stimmen betäuben die Sinne desjenigen, welcher sich den Brutplätzen nähert.« Sie erscheinen gegen das Ende des April auf diesen Inseln und verlassen sie gegen den Oktober wieder. Ihre Nester werden dicht neben einander angelegt, so daß man an vielen Stellen kaum dazwischen durchgehen kann. Die ersten, welche erbaut werden, sind sehr groß, die späteren klein, weil sich die letzten Paare einfach begnügen müssen, zwischen denen der erstangekommenen zu bauen. Allerlei ohne Ordnung durch einander geschichtete Land- und Meergräser bilden die Wandungen. Jedes Weibchen legt nur ein einziges, verhältnismäßig kleines, acht Centimeter langes und fünf Centimeter dickes, kalkkrustiges Ei, welches im Anfange weiß aussieht, während der Bebrütung aber von den Neststoffen schmutzig gelbbraun gefärbt wird. Zu Anfange des Juni findet man die eben ausgeschlüpften Jungen; zu Ende des Juli sind sie bereits halb erwachsen, jedoch noch immer mit kurzen, gelbweißen Flaumen bekleidet. »Im Jahre 1821«, schildert Faber, »war ich zu dieser Zeit auf den Westmanöern und bestieg die kleine Felseninsel, auf welcher dieser Vogel brütet. Junge und Alte stimmten bei meiner Ankunft eine übelklingende Musik an, welche aus einem einzigen Laute, einem tiefen, harten ›Arrr‹, bestand, rührten sich aber nicht von der Stelle, so daß ich so viele Alte nebst den Jungen mit den Händen greifen konnte, wie ich wollte. Die Nester lagen dicht nebeneinander, der Boden war aber infolge der schmutzigen Nester und ausgewürgten Fische und anderweitigen Nahrungsmittel so schlüpfrig, daß ich Gefahr lief, von der schrägen Klippe herabzustürzen. Merkwürdig war, daß beinahe ein Drittel der Nester faule Eier hatte, diese aber dennoch von den Alten bebrütet wurden; ja, daß die letzteren sogar, von dem zu dieser Jahreszeit erwachten Ernährungstriebe irregeführt, sowohl vor den Nestern mit faulen Eiern, wie vor denen, welche Junge enthielten, Nahrung ausgewürgt hatten. Es war für mich eines der anziehendsten Schauspiele, die Tölpel ununterbrochen fischen zu sehen. Wenn sie volle Ladung in der Speiseröhre hatten, flogen sie schweren Fluges zu ihren Jungen zurück. Gegen das Ende des August, auf Grimsö erst um Michaelis, sind die Jungen befiedert und dann auch fast größer, jedenfalls viel fetter als die Alten. Die Einwohner nehmen von ihnen soviel, wie sie erreichen können, zum Einsalzen aus.« Auf St. Kilda hält man alljährlich eine förmliche Jagd auf die Jungen ab, welche schließlich in eine wahre Metzelei ausartet. Die erlegten werden dann von der Höhe hinab in den See geworfen, dort in Booten aufgesammelt und nach Edinburg und anderen Städten auf den Markt gebracht, wo sie stets willige Käufer finden.

Gefangene Tölpel habe ich nur im Thiergarten zu Amsterdam gesehen, mich aber nicht mit ihnen befreunden können, weil sie einen zu kläglichen Eindruck machen.

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