Das Präriehuhn in Brehms Tierleben

Präriehuhn (Brehms Tierleben)

Unter den Rauchfußhühnern Nordamerikas gibt es mehrere, welche unserem Auer- und Birkgeflügel bis auf die Größe und Farbenvertheilung ähneln; andere aber bekunden ein durchaus selbständiges Gepräge. Unter ihnen scheint mir das Prairiehuhn (Cupidonia cupido und americana, Tetrao und Bonasa cupido) besonderer Auszeichnung werth. Die Sippe, welche es vertritt, unterscheidet sich von anderen Waldhühnern durch zwei lange, aus ungefähr achtzehn schmalen Federn gebildete Büschel, die zu beiden Seiten des Halses herabhängen und hier nackte Hautstellen bedecken, welche wiederum die Lage von blasenartigen, mit der Luftröhre in Verbindung stehenden Hautsäcken bezeichnen. Die Geschlechter unterscheiden sich kaum in der Färbung, sondern höchstens dadurch, daß die Schmuckfedern beim Männchen länger sind als beim Weibchen. Im übrigen ähnelt das Prairiehuhn hinsichtlich seines Leibesbaues dem Auerhuhne; doch ist der aus achtzehn breiten, zugerundeten Federn bestehende Schwanz verhältnismäßig kürzer als bei jenem, im Fittige die vierte Schwinge die längste und das Kopfgefieder einigermaßen verlängert. Die Federn der Oberseite sind schwarz, blaßroth und weiß, die Unterseite blaßbraun und weiß in die Quere gebändert, wodurch ein schwer zu beschreibendes Gemisch gedachter Farben entsteht; der Bauch ist weißlich; die Schwungfedern sind graubraun, ihre Schäfte schwarz, ihre Außenfahnen röthlich gefleckt, die Steuerfedern dunkel graubraun, mit schmutzigweißem Spitzensaume, die Federn der Wangengegend und Kehle gelblich, die ein Band unter dem Auge bildenden braun, die langen am Halse dunkelbraun an der äußeren, blaß gelbroth an der inneren Fahne.Das Auge ist kaffeebraun, die Braue scharlachroth, der Schnabel dunkel hornfarben, der Fuß, so weit er nackt, orangegelb; dieselbe Färbung zeigen auch die nackten Theile am Hinterhalse. Die Länge beträgt fünfundvierzig, die Breite fünfundsiebzig, die Fittiglänge zwanzig, die Schwanzlänge zwölf Centimeter.

»Als ich zuerst in Kentucky verweilte«, sagt Au dubon, dessen Schilderung ich vorzugsweise benutzen werde, »war das Prairiehuhn so häufig, daß man sein Wildpret nicht höher schätzte als gewöhnliches Fleisch, und daß kein wirklicher Jäger es für würdig hielt, darauf zu jagen. Man sah diese Hühner mit derselben Mißgunst an wie in anderen Theilen der Vereinigten Staaten die Krähen, und zwar infolge der Verheerungen, welche sie auf Fruchtbäumen und in Gärten während des Winters oder auf den Feldern im Laufe des Sommers anrichteten. Die Bauernkinder oder die Negerbuben waren vom Morgen bis zum Abend beschäftigt, mit Hülfe von Klappern die unwillkommenen Gäste zu vertreiben, und allerhand Fallen und Schlingen wurden gebraucht, um sie zu fangen. In jenen Tagen geschah es häufig, daß zur Winterzeit Prairiehühner ins Gehöft der Bauern kamen und hier mit den Hühnern fraßen, daß sie sich auf den Häusern freiwillig niederließen oder in den Straßen des Dorfes umherliefen. Ich erinnere mich, daß man mehrere in einem Stalle fing, welchen sie, Putern nachfolgend, freiwillig aufgesucht hatten. Im Laufe desselben Winters erlegte ein Freund von mir vierzig Stück von ihnen, zu dem einzigen Zwecke, um sich im Büchsenschießen zu üben; denn er hielt es nicht der Mühe werth, die erlegten aufzunehmen: so übersättigt war er und alle Glieder seiner Familie mit dem Wildprete jener Hühner. Meine eigenen Diener zogen fetten Speck dem Braten der Prairiehühner vor.«

Diese Erzählung klingt auffallend genug, wenn man weiß, daß sie sich auf dasselbe Land bezieht, in welchem man vor siebzig Jahren das Stück dieser Hühner für einen Cent kaufen konnte, gegenwärtig aber kaum ein einziges gefunden wird. Auch die Prairiehühner haben Kentucky verlassen und ziehen sich, wie die Indianer, weiter und weiter nach Westen zurück, um den Mordgelüsten des weißen Mannes zu entgehen. In den östlichen Staaten, wo sie noch vorhanden sind, danken sie ihr Bestehen nur Jagdgesetzen, welche man zu ihrem Schutze erlassen hat. Der Jäger, welcher sie noch in Masse finden will, muß weit nach Westen ziehen; denn auch gegenwärtig währt die Verfolgung fort, und dieselbe Klage, welche Audubon aussprach, gilt heute noch.

Abweichend von den bisher beschriebenen Familienverwandten bewohnt das Prairiehuhn ausschließlich wald- und baumlose Ebenen. Dürre, sandige Strecken, welche nur spärlich mit Buschwerk bestanden, aber mit Gras bewachsen sind, bilden seine Aufenthaltsorte; von dem bebauten Lande zieht es sich jedoch nicht zurück, sondern sucht Felder eher auf, weil sie ihm reichliche Nahrung gewähren. Mehr als andere Rauchfußhühner gleicher Größe ist es auf den Boden gebannt, bäumt höchstens bei schwerem Wetter oder um Beeren und Früchte von Büschen und Bäumen abzupflücken und verbringt auch die Nacht in der Tiefe zwischen Gras und Gestrüpp. Im Winter tritt es Streifzüge an, welche man in gewissem Sinne Wanderungen nennen kann, weil sie einigermaßen regelmäßig geschehen; doch haben sie bloß den Zweck, günstige Weideplätze aufzusuchen und werden deshalb auch keineswegs überall, sondern nur hier und da und in gewissen Wintern ausgeführt, so daß viele Jäger unsere Hühner mit Recht als Standwild ansehen.

In seinen Bewegungen erinnert es vielfach an unser Haushuhn; jedenfalls ist es viel plumper und schwerfälliger als das Haselhuhn. Wenn es plötzlich gestört wird, erhebt es sich; wenn es aber den Verfolger von fern wahrnimmt, und der Raum vor ihm offen ist, läuft es mit größter Eile davon, einem der nächsten Grasbüsche oder Buschdickichte zu, verbirgt sich hier und drückt sich, bis ihm der Jäger sehr nahe kommt. Auf frisch gepflügten Feldern sah es Audubon mit aller Macht unter Zuhülfenahme der Flügel dahinrennen, hinter größeren Schollen sich niederdrücken und dann wie durch Zauberei aus dem Auge verschwinden. Auf dicken Baumzweigen bewegt es sich mit Geschick, auf schwächeren erhält es sich nur mit Hülfe der Flügel im Gleichgewichte. Der Flug ist kräftig, regelmäßig und ziemlich schnell, auch recht anhaltend, das Schwingengeräusch minder laut als bei anderen Rauchfußhühnern. Es bewegt sich durch die Luft mit wiederholten Flügelschlägen, auf welche dann bei stark niedergebeugten Schwingen ein langsames Gleiten folgt; währenddem pflegt es das unter ihm liegende Gebiet zu übersehen. Beim Aufstehen ruft es gewöhnlich vier- oder fünfmal nach einander. Von dem Hunde läßt es sich nicht stellen, sucht vielmehr lieber sein Heil in der Luft, und erhebt sich wo möglich in weiter Entfernung von dem Schützen. Die gewöhnliche Stimme unterscheidet sich wenig von dem Gackern unseres Haushuhnes; während der Paarungszeit aber läßt der Hahn höchst eigenthümliche Laute vernehmen. Er bläst die Luftsäcke zu beiden Seiten des Halses auf, so daß sie in Gestalt, Farbe und Größe einer kleinen Orange ähneln, biegt den Kopf zum Boden herab, öffnet den Schnabel und stößt nach einander mehrere, bald lauter, bald schwächer rollende Töne aus, welche denen einer großen Trommel nicht ganz unähnlich sind, erhebt sich hierauf, füllt die Luftsäcke von neuem und beginnt wiederum zu »tuten«. An einem Prairiehahne, welchen Audubon zahm hielt, bemerkte er, daß die Luftsäcke nach dem Ausstoßen jener Töne ihre Rundung verloren und einen Augenblick lang wie geborstene Blasen aussahen, aber nach wenigen Minuten wieder ihre Fülle erlangt hatten. Dies veranlaßte ihn, die Luftsäcke vermittels einer Nadel zu öffnen, und das Ergebnis war, daß der Vogel jene Laute nicht mehr hervorbringen konnte. Ein Hahn, bei welchem unser Forscher nur eine Zelle geöffnet hatte, vermochte noch zu tuten; die Laute waren aber viel schwächer als früher. Sobald die Paarungs- und Kampfzeit vorüber ist, schrumpfen die Luftsäcke zusammen, und während des Herbstes und Winters haben sie sich bedeutend verringert. Bei jungen Hähnen treten sie mit Ausgang des ersten Winters in Thätigkeit, vergrößern sich aber noch mit den Jahren mehr und mehr.

Die Aesung des Prairiehuhnes besteht ebensowohl aus Pflanzenstoffen wie aus Kleingethier der verschiedensten Art. Im Laufe des Sommers werden Wiesen und Kornfelder, im Herbste die Gärten und Weinberge, im Winter Gegenden, in denen es viele Beeren gibt, aufgesucht. Beeren aller Art liebt dieses Huhn ganz ungemein, auch Baumfrüchte, Aepfel z.B., behagen ihm sehr, und Getreide aller Art bildet einen Haupttheil seiner Nahrung: es frißt ebensowohl die jungen Spitzen der Blätter wie die reifen Körner desselben, kann deshalb im Felde wie im Garten lästig werden. Anderseits nutzt es aber auch wieder durch Aufzehren von schädlichen Kerfen, Schnecken und dergleichen. Besonders erpicht scheint es auf Heuschrecken zu sein, und wenn ein Glied der Gesellschaft solchen fetten Bissen erspäht hat, rennen alle übrigen hinter ihm drein, um womöglich an der Mahlzeit theilzunehmen. Daß es andere Kerbthiere, namentlich Ameisenhaufen, auch nicht verschmäht, braucht kaum erwähnt zu werden.

Gegen den Winter hin schlägt sich das Prairiehuhn da, wo es häufig ist, in zahlreiche Flüge zusammen, welche sich erst mit Anbruch des Frühlings wieder sprengen. Dies geschieht, sobald der Schnee geschmolzen ist und die ersten Grasblätter sich zeigen; es bleiben dann jedoch immer noch Trupps von zwanzig und mehr Stücken bei einander. Jede dieser Gesellschaften wählt sich jetzt einen besonderen Platz, auf welchem sie täglich zusammenkommt, um die nunmehr beginnenden Liebesspiele und Tänze aufzuführen. Erregt durch den Paarungstrieb, fliegt das Männchen, ehe noch der erste Schimmer des Tages im Osten sich zeigt, eilig jenen Balzplätzen zu, um die Nebenbuhler, welche dort sich einfinden, zum Kampfe herauszufordern und mit ihnen zu streiten. Es trägt in dieser Zeit sein Hochzeitkleid, und zwar mit einem Selbstbewußtsein, welches von keinem anderen Vogel übertroffen werden kann. Jeder einzelne Hahn spreizt sich, so viel er kann, blickt voll Verachtung auf den anderen herab, und geht mit den stolzesten Geberden an ihm vorüber. Gesenkten Leibes, das Spiel ins Rad geschlagen und nach vorwärts übergebogen, die fächerförmig zertheilten Federn am Halse wie eine gesteifte Halskrause gebreitet, die orangegelben Luftbehälter zu Kugeln ausgeblasen, die Schwingen wie bei anderen balzenden Hühnern vom Leibe ab und gesenkt getragen, auch auf dem Boden unter hörbarem Geräusche geschleift: so rennen sie eilig neben einander dahin und gegen einander los. Ihre Augen leuchten von Kampfeslust, die erwähnten sonderbaren Laute, welche durch jene Behälter merkwürdig verstärkt werden, erfüllen die Luft, und der erste Lockton einer Henne gibt das Zeichen zur Schlacht. Die kämpfenden Hähne gehen gegen einander an, springen hoch vom Boden empor, abgeschlagene Federn wirbeln hernieder, und einzelne Blutstropfen, welche von dem zerkratzten Halse herabrieseln, beweisen zur Genüge, daß der Kampf ernsthaft gemeint ist. Hat ein starker Hahn einen schwächeren in die Flucht geschlagen, so sucht er sich einen zweiten Gegner heraus, und oft kann man sehen, daß einer nach dem anderen vor diesem Recken unter den nächsten Büschen Zuflucht suchen muß. Wenige von ihnen verweilen auf dem Plane und behaupten, so abgehetzt sie auch sind, das Schlachtfeld, langsam und stolz auf ihm hin- und herschreitend; sodann suchen Sieger und Besiegter die Hennen auf, um von ihnen der Minne Lohn zu empfangen. Nicht selten geschieht es, daß ein bereits verehelichtes Männchen plötzlich von einem Nebenbuhler überfallen wird, welcher, durch das Liebesgeplauder der Vermählten herbeigezogen, sich fliegend mit rasender Eile auf den Glücklichen stürzt. Dann drückt sich die Henne sofort auf den Boden nieder, unter die Brust ihres Gemahles, welcher, stets zum Kampfe bereit, sich dem Gegner stellt und alle seine Kraft aufbietet, um ihn zu vertreiben.

In Gegenden, wo das Prairiehuhn wenig vom Menschen zu leiden hat, hört man sein Brummen oder Tuten nicht allein in den frühen Morgenstunden, sondern von Sonnenaufgang bis zum Niedergange, während man da, wo die kampfeslustigen Thiere den stärkeren Feind über sich wissen, selten nach Sonnenuntergang noch einen Laut von ihnen vernimmt. Hier wird stets ein verborgener Kampfplatz gewählt, und der Streit selbst so rasch wie möglich ausgekämpft. Junge Hähne streiten auch im Herbste, während die jungen Hennen um diese Zeit zu friedlicherem Thun sich zusammenscharen.

Je nach der südlicheren oder nördlicheren Lage eines Standortes legt die Henne früher oder später, von Anfang des April an bis zu Ende des Mai. Audubon fand in Kentucky Nest und Eier schon in den ersten Tagen des April, glaubt aber, daß die eigentliche Nistzeit doch erst in den Mai fällt. Das Nest wird ohne jegliche Sorgfalt aus trockenen Blättern und Gräsern zusammengebaut, unter allen Umständen aber zwischen hohem Grase oder unter dicht zum Boden herabhängendem Gebüsche wohl verborgen. Die acht bis zwölf Eier, welche in der Größe denen des Haushuhnes gleichkommen, etwa fünfundvierzig Millimeter lang, zweiunddreißig Millimeter dick und lichtbräunlich, fast wie Perlhuhneier gefärbt sind, werden in achtzehn bis neunzehn Tagen gezeitigt, die Jungen, sobald sie gehfähig, von der Mutter ohne Mithülfe des Männchens erzogen und unterrichtet. Eine Prairiehenne mit ihren Küchlein erinnert in jeder Hinsicht an eine Familie unserer Haushenne: die Alte bekundet ihren Kindern gegenüber dieselbe Zärtlichkeit und Mütterlichkeit wie jene. Anfangs werden die Küchlein ebenfalls vorzugsweise mit Kerbthieren geatzt, später auf Waldwege und an ähnliche nahrungversprechende Orte geführt. Oft sieht man sie Düngerhaufen durchscharren, um hier die noch unverdauten Getreidekörner aufzunehmen. Bei Annäherung eines Raubthieres oder Menschen stößt die Henne einen Warnungslaut aus: die Jungen verschwinden darauf wie durch Zauberschlag, und jene sucht nun durch die bekannten Künste der Verstellung den Feind von ihnen abzuführen. »Einmal«, erzählt Audubon, »scheuchte mein Pferd eine solche Familie vom Wege auf. Die kleinen Küchlein erhoben sich sofort in die Luft, zerstreuten sich, einige Meter weit wegfliegend, nach allen Seiten hin, fielen auf den Boden herab und hielten sich hier so still und versteckt, daß ich nicht ein einziges mehr auffinden konnte, obgleich ich einen großen Theil meiner Zeit darauf verwendete, sie aufzusuchen.«

Ungestört brütet das Prairiehuhn nur einmal im Jahre; werden ihm jedoch die ersten Eier geraubt, so sucht es diesen Verlust zu ersetzen; das zweite Gelege enthält aber immer weniger Eier als das erste. Im August sind die Küchlein etwa so groß wie die Baumwachteln und bereits im Flattern wohl geübt, um die Mitte des Oktober vollkommen ausgewachsen.

Alle geeigneten Raubthiere Nordamerikas, insbesondere Prairiewolf und Fuchs, die verschiedenen Marder und Stinkthiere, Falken und Eulen, sind schlimme Feinde der wehrlosen Hühner, schlimmere vielleicht als der Mensch, welcher wenigstens neuerdings eingesehen hat, daß die Jagd nur dann erhalten werden kann, wenn seiner Zeit strenge Hegung stattfindet. In den dreißiger Jahren erschien ein Gesetz zum Schutze der Prairiehühner, welches jeden mit zehn Dollars Strafe bedroht, der ein Stück dieses Wildes außer der auf die Monate Oktober und November beschränkten Jagdzeit erlegte. Es ist wahrscheinlich, daß infolge dieses Gesetzes die Zahl der Hühner an gewissen Orten sich wieder beträchtlich vermehrt hat; denn gegenwärtig erhalten wir allwinterlich Massen von ihnen auch auf unsere Märkte geliefert, und zuweilen können wir hunderte von lebenden kaufen. Die Jagd selbst wird auf verschiedene Weise ausgeführt und von einzelnen Jägern mit Leidenschaft betrieben. Früher wurden viele Hühner auf ihren Balzplätzen erlegt, diese auch wohl mit Asche beschüttet und die balzenden Hähne mit Stöcken erschlagen, nachdem sie durch die aufgewirbelte Asche gewissermaßen erblindet waren. In viel größerer Anzahl noch wurden und werden die Hühner gefangen. »Ich beobachtete« sagt Audubon, »mehrere Nächte nach einander viele Prairiehühner beim Schlafengehen auf einer nicht weit von meinem Hause entfernten Wiese, welche mit hohem Grase dicht bedeckt war, und beschloß, nachts einen Fangversuch zu machen. Zu diesem Zwecke nahm ich ein großes Zugnetz und ging in Begleitung einiger Neger, welche Laternen und lange Stöcke trugen, auf die betreffende Stelle; die Netze wurden aufgestellt, und die Jagd begann. Als wir das erste Huhn aufscheuchten, flog es glücklicherweise gerade gegen das Netz, und als einen Augenblick später eine erhebliche Anzahl anderer geräuschvoll sich erhob, strichen auch diese derselben Richtung zu. Das Netz wurde sodann flach auf den Boden niedergedrückt und ein gefangener nach dem anderen in Sicherheit gebracht. Dreimal wiederholten wir unseren Versuch mit demselben Erfolge; dann aber mußte ich die Jagd aufgeben, weil die Neger ein lautes Gelächter nicht mehr unterdrücken konnten. Mit Beute beladen zogen wir heim. Am nächsten Morgen ließ sich kein einziges Huhn auf jener Wiese sehen, obgleich gewiß mehrere hunderte von ihnen entkommen waren.«

»Gefangene Prairiehühner«, berichtet Audubon ferner, »werden sehr bald zahm, brüten auch leicht. Ich habe oft mich gewundert, daß man sie nicht längst schon zu Hausthieren gemacht hat. Während ich mich in Henderson aufhielt, kaufte ich sechzig lebende, meist junge Prairiehühner, welche für mich gefangen worden waren, verschnitt ihnen die Flügel und ließ sie in einem Garten von vier Acker Flächeninhalt frei umherlaufen. Nach einigen Wochen waren sie bereits so an mich gewöhnt, daß ich mich ihnen nähern durfte, ohne sie zu erschrecken. Ich gab ihnen Getreide, und sie selbst suchten sich verschiedene andere Pflanzenstoffe. Im Laufe des Winters legten sie vollends alle Furcht ab, liefen im Garten umher wie zahme Hühner, vermischten sich auch wohl mit diesen und fraßen meiner Frau sozusagen aus der Hand. Einige Hähne von ihnen waren so muthig geworden, daß sie es mit Haus- und Truthähnen aufnahmen. Jeder einzelne von ihnen wählte sich abends seinen besonderen Sitzplatz und richtete seine Brust stets dem Winde entgegen. Als der Frühling kam, brüsteten sie sich und tuteten und kämpften wie in der Freiheit. Viele Hennen von ihnen legten auch Eier, und eine gute Anzahl von Jungen wurde erbrütet. Aber die Hühner thaten meinem Garten zuletzt so viel Schaden, daß ich sie abschlachten mußte.«

In unseren Thiergärten haben wir uns bisher vergeblich bemüht, ein ähnliches Ergebnis zu erzielen. Wir haben die Prairiehühner dutzendweise gekauft, ihnen das verschiedenste Futter vorgelegt, sie in geschlossenen oder in freien Gehegen gehalten, immer aber erfahren müssen, daß sie starben, ohne daß wir uns erklären konnten, warum. Diese Erfahrung haben wir nicht bloß in Deutschland, sondern auch in England, Belgien und Holland machen müssen und gegenwärtig beinahe die Lust verloren, uns fernerhin mit dem undankbaren Versuche, gedachte Hühner bei uns einzubürgern, zu befassen. Gleichwohl zweifle ich nicht, daß wir Prairiehühner bei uns eingewöhnen könnten; der Versuch müßte aber im großen ausgeführt werden. Man sollte mindestens einige Dutzend kräftige Vögel an einer geeigneten Oertlichkeit freigeben und sie gänzlich sich selbst überlassen. Unter solchen Umständen würden sie wahrscheinlich gedeihen, so verschieden unsere Heiden und die Prairien Amerikas auch sein mögen. Jedenfalls ist das Prairiehuhn einen solchen Versuches werth.

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