Ausgestorbene Primaten 3 – Lemuren (Archiv)

(Erstveröffentlichung am 4. August 2016)

Megaladapis edwardsi, Life restoration based on photos of skeletal remains and supported with correspondence with Dr. Laurie Godfrey (Michael B. H.)

Megaladapis edwardsi, Life restoration based on photos of skeletal remains and supported with correspondence with Dr. Laurie Godfrey (Michael B. H.)

Unter den Lemuren Madagaskars gibt es neben den bekannten Vertretern wie Kattas und Varis auch zahlreiche kaum bekannte ausgestorbene Vertreter. Darunter befinden sich vor allem die Arten, die man auch als Riesenlemuren bezeichnet.
Megaladapis, auf deutsch gelegentlich als „Koalalemuren“ bezeichnet, ist eine Gattung von Primaten Madagaskars, die um 1500 ausgestorben sind. Ihre nächsten lebenden Verwandten sind die Wieselmakis.
Mit einem Gewicht von 40 bis 80 Kilogramm und einer Körperlänge von bis zu 1,50 Metern war Megaladapis nach Archaeoindris die größte madagassische Primatengattung. Ihr Schädel wies einige ungewöhnliche Merkmale auf, die Schnauze war stark verlängert und das Gesicht nach oben „gekippt“. Knochenformationen über der Nasenöffnung deuten an, dass die Schnauze sehr beweglich war. Im Oberkiefer besaßen sie keine Schneidezähne, vermutlich hatten sie stattdessen eine Hornplatte wie manche Wiederkäuer. Die Backenzähne besaßen komplexe Höcker und waren ungewöhnlich groß.
Die Füße und auch die Hände waren stark verlängert und ermöglichten einen kräftigen Griff um die Äste. Hingegen waren die Arme und Beine relativ kurz, aber sehr kräftig und leicht gebogen, wobei die Vorderbeine länger als die Hinterbeine waren. Trotz ihres Gewichtes waren diese Riesenlemuren hervorragend an das Leben auf Bäumen angepasst. Aufgrund des Körperbaus vermutet man, dass Megaladapis in Fortbewegung und Lebensweise dem Koala ähnelte. Mit allen vier Beinen umklammerten sie Baumstämme oder große Äste und bewegten sich langsam kletternd oder durch kurze Hopser fort. Am Boden konnten sie sich wahrscheinlich jedoch nur langsam und schwerfällig bewegen. Megaladapis hat sich wahrscheinlich von Blättern ernährt, welche sie mit den Händen zum Mund führten.Die gefundenen Knochen waren 2850 bis 600 Jahre alt. Über die Gründe des Aussterbens dieser Riesenlemuren ist viel spekuliert worden. Es steht wohl mit der Besiedelung Madagaskars in Verbindung, die malaiischen Einwanderer rodeten den größten Teil der Wälder und jagten die riesenhaften Tiere, die bislang ohne natürliche Feinde lebten. Auch klimatische Veränderungen werden ins Spiel gebracht, in dieser Zeit kam es zu einer Trockenperiode und so zum Rückgang der Wälder, was die Populationen dezimierte, sodass sie dem neuen Druck der Einwanderer nicht mehr standhalten konnten. Generell sind große, auf Inseln lebende Tiere gegenüber menschlicher Bejagung besonders gefährdet, da sie sich einerseits oft nur sehr langsam fortpflanzen, und zum anderen durch fehlende Furcht vor dem Menschen und der großen Menge an Fleisch begehrte Jagdobjekte darstellen. Auch über eine tödliche Seuche, die die Menschen oder die von ihnen mitgebrachten Tiere auf die Insel einschleppten, ist spekuliert worden. Etwa um das Jahr 1500 dürfte Megaladapis ausgestorben sein, es gibt allerdings einen Bericht über eine riesenhafte Primatenart aus dem 17. Jahrhundert, die aber auf jeden Vertreter der Riesenlemuren zutreffen könnte.
Es gab drei Arten:
Megaladapis edwardsi war die größte Art und ist aus dem südlichen Madagaskar bekannt. Möglicherweise verbrachte die Art mehr Zeit am Boden als die anderen Vertreter seiner Gattung.
Megaladapis grandidieri ist aus dem mittleren und nördlichen Teil der Insel belegt.
Von Megaladapis madagascariensis wurde subfossile Reste in Südwest- und Nordmadagaskar gefunden.
Megaladapis wird in einer eigenen Familie, Megaladapidae eingeordnet.

Archaeoindris fontoynonti (Zoo Zürich)

Archaeoindris fontoynonti (Zoo Zürich)

Die Palaeopropithecinae sind eine ausgestorbene Gruppe von Primaten, die bis vor rund 500 bis 1000 Jahren auf Madagaskar lebte. Sie werden heute meist als Unterfamilie der Indriartigen (Indriidae) klassifiziert, früher galten sie als Palaeopropithecidae als eigene Familie. Sie wiesen in ihrem Körperbau und vermutlich auch in ihrer Lebensweise Ähnlichkeiten mit den Faultieren auf und werden gelegentlich als „Faultier-Lemuren“ bezeichnet.
Die Palaeopropithecinae waren mittel- bis sehr große (10 bis 200 Kilogramm) Primaten, sie hatten einen schwer gebauten Schädel, pro Kieferhälfte besaßen sie nur einen unteren Schneidezahn. Ihre Zahnformel lautete 2-1-2-3/1-1-2-3, genau wie bei ihren nächsten lebenden Verwandten, den Indriartigen. Die zum Schneiden geeigneten Höcker der Backenzähne deuten an, dass sie sich hauptsächlich von Blättern ernährten.
Die Gliedmaßen waren kräftig, wobei die Vorderbeine deutlich länger als die Hinterbeine waren. Aus dem Bewegungsapparat schließt man, dass ihre Körperhaltung und Fortbewegung suspensorisch, das heißt wie die heutigen Faultiere nach unten hängend war. Vermutlich waren auch ihre Bewegungen langsam und gemächlich.
Die gefundenen subfossilen Überreste dieser Tiere waren 1000 bis 8000 Jahre alt, vermutlich sind sie spätestens vor rund 500 Jahren ausgestorben. Der Hauptgrund für ihr Aussterben war die Bejagung. Ihre Heimat Madagaskar wurde erst vor rund 1500 Jahren von Menschen besiedelt, und die großen, langsamen Tiere dürften ein leichtes Ziel für Jäger gewesen sein. Möglicherweise haben auch klimatische Veränderungen (Trockenperioden mit damit verbundenem Rückgang der Wälder) ihren Niedergang beschleunigt. In der madagassischen Mystik gibt es ein Tier, das Tretretretre genannt wird und möglicherweise auf einen Vertreter dieser Familie zurückzuführen ist.
Heute sind vier Gattungen der Palaeopropithecinae bekannt:
Mesopropithecus war mit rund 10 Kilogramm Gewicht die kleinste Gattung.
Babakotia war etwas schwerer und erreichte rund 15 bis 20 Kilogramm Gewicht.
Palaeopropithecus war mit 40 bis 60 Kilogramm deutlich schwerer und wohl die größte baumbewohnende Gattung dieser Gruppe.
Archaeoindris war mit bis zu 200 Kilogramm der größte bislang bekannte Feuchtnasenprimat. Vermutlich lebte die Gattung größtenteils am Boden, sie zeigt bemerkenswerte Konvergenzen zu den bodenbewohnenden Riesenfaultieren Amerikas.

Die Archaeolemurinae sind eine ausgestorbene Gruppe von Primaten, die bis vor rund 1000 Jahren auf Madagaskar lebte. Sie werden heute meist als Unterfamilie der Indriartigen (Indriidae) klassifiziert, früher galten sie als Archaeolemuridae als eigene Familie. Sie wiesen in ihrem Körperbau und vermutlich auch in ihrer Lebensweise Ähnlichkeiten mit den Pavianen auf.
Diese Primaten erreichten vermutlich ein Gewicht von 15 bis 25 Kilogramm. Ihr Schädelbau ähnelt den der lebenden Indriartigen, war aber massiver und wies unter anderem einen kräftigeren Unterkiefer auf. Die oberen Schneidezähne waren stark vergrößert und ragten ebenso nach vorne wie die unteren Schneidezähne, die jeweils drei Prämolaren waren vergrößert und bildeten eine durchgehende Scherkante. Die Molaren besaßen nur kleine, abgerundete Höcker.
Die Gliedmaßen dieser Tiere waren kurz und kräftig, ihre Anatomie deutet – in konvergenter Entwicklung zu manchen Meerkatzenverwandten – auf eine vorwiegend bodenbewohnende Lebensweise hin.
Subfossile Überreste mit einem Alter von 3000 bis 1000 Jahren wurden in mehreren Teilen Madagaskars gefunden. Ihr Aussterben dürfte in direktem Zusammenhang mit der Besiedlung dieser Insel vor 1500 Jahren stehen. Im Zuge dieser Besiedlung sind eine Reihe von Großtieren, auch Primatenarten wie die Riesenlemuren, vermutlich aufgrund der Bejagung und der weitflächigen Zerstörung des Lebensraums durch Brandrodung ausgerottet worden.
Es werden zwei Gattungen mit drei Arten unterschieden.
Die Gattung Archaeolemur umfasste zwei Arten, A. majori und A. edwardsi. Sie erreichte ein Gewicht von 15 bis 25 Kilogramm und besaß kurze, kräftige Gliedmaßen, die in ähnlicher Weise wie bei den Pavianen entwickelt haben. Auch die Backenzähne weisen Konvergenzen zu diesen Tieren auf, sodass eine omnivore Ernährung (Früchte, Samen und Kleintiere) vermutet werden kann.
Die Gattung Hadropithecus umfasste nur eine Art, H. stenognathus. Er war annähernd gleich groß wie Archaeolemur und ähnelte diesem im Körperbau, war aber noch stärker an eine terrestrische Lebensweise angepasst. Sein Schädelbau und die Zähne zeigen auffallende Ähnlichkeiten mit denen des Dschelada. Man vermutet, dass er sich ähnlich wie dieser vorwiegend von Gräsern ernährte, eine unter Primaten äußerst seltene Ernährungsweise.

Pachylemur ist eine ausgestorbene Primatengattung aus der Familie der Gewöhnlichen Makis (Lemuridae), die bis vor mindestens 1000 Jahren auf der Insel Madagaskar lebte.
Das Skelett von Pachylemur ähnelt stark dem der Varis, und manchmal werden die Tiere in dieselbe Gattung (Varecia) eingeordnet. Ihr Schädel war allerdings etwas größer (rund 11 bis 13 Zentimeter lang) und breiter gebaut, auch die Gliedmaßen waren etwas robuster, was auf eine stärker terrestrische Lebensweise hindeutet. Ihr Gewicht wird auf rund 8 bis 10 Kilogramm geschätzt. Die Nahrung dürfte aus Früchten und eventuell auch aus härterem pflanzlichen Material bestanden haben.
Die Fossilien zweier Arten, Pachylemur insignis und Pachylemur jullyi, wurden im nördlichen, mittleren und südöstlichen Madagaskar gefunden; diese werden auf ein Alter von 1000 bis 2000 Jahren datiert. Wann die Gattung ausstarb, ist nicht genau bekannt, man vermutet, dass sie bis vor 500 Jahren überlebt haben könnte.
Die Gründe für das Aussterben dürften in der Bejagung liegen. Madagaskar wurde erst vor rund 1500 Jahren von Menschen besiedelt, und in der Folge sind eine Reihe von Tieren, darunter viele Primatenarten, verschwunden, vornehmlich die größeren Arten. Pachylemur zählt zu den kleinsten ausgestorbenen madagassischen Primaten, die teilweise bodenbewohnende Lebensweise dieser Tiere dürfte diese Vorgänge begünstigt haben.

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