Die Artenforscher Prof. Dr. Michael Schrödl (SNSB – Zoologische Staatssammlung München) und Dr. Vreni Häussermann (Biologische Forschungsstation Huinay, Chile) rufen in ihrem leicht verständlichen und aufrüttelnden Werk dazu auf, die globale Artenvielfalt endlich konsequent und rasch zu erfassen. Solange es sie noch gibt.
Insektensterben! Korallenbleiche! Überfischung! Das sind nur einige Spitzen eines Eisberges: Das 6. große Artensterben ist in vollem Gang. Wir Menschen spielen Killer-Asteroid mit unserem einzigen Planeten, insbesondere mit dem darauf in über 3 Milliarden Jahren evolvierten Leben. Erst der katastrophale Verlust an Lebewesen und an genetischer Vielfalt, dann an Arten: Keine andere der weithin anerkannten „planetarischen Grenzen“ wird rasanter überschritten, keine andere ist irreversibel – und keine andere wird dermaßen leichtfertig unterschätzt oder gar völlig ignoriert. Von der Öffentlichkeit, der Politik und leider auch der Wissenschaft.
Angeblich „Wissende bzw. Weise Menschen“, Homo sapiens, zerstören riesige Lebensräume, vergiften die Umwelt, versauern die Meere, heizen den Planeten auf, immer mehr und immer schneller. Ökologisch ein Wahnsinn, schließlich zerstören wir mit den Organismen und biologischen Systemen unsere eigene Lebensgrundlage – und ökonomisch auch: Auf mindestens 5 Billionen Dollar pro Jahr (!) wird der wirtschaftliche Schaden durch Verluste an der Artenvielfalt geschätzt! Unschätzbar ist der ideelle Wert der belebten Natur als Quelle von Erholung, Freude und Gesundheit. Dabei kennen wir wohl noch nicht einmal 20% aller Tierarten: Millionen von unbekannten Tierarten gibt es noch zu entdecken und zu beschreiben! Doch dafür gibt es weder genügend Stellen noch Forschungsmittel.
Das muss sich nach Meinung der Autoren schleunigst ändern: „Ziehen wir die Reißleine! Erforschen wir die Millionen neuer Arten! Geben wir ihnen Namen, Gesichter und Geschichten! Erkennen wir ihren Nutzen, holen wir sie aus ihrer scheinbaren Belanglosigkeit und machen wir sie für alle schützenswert! Lassen wir uns von einer echten Menschheitsaufgabe, der gemeinsamen Inventur aller Tierarten, inspirieren! Geben wir den zuständigen Museumswissenschaftlern, den Taxonomen, endlich die für ihre Arbeit nötigen Mittel!“. Und ja, wir alle müssen unsere Sichtweise und unser tägliches Verhalten schleunigst hin zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit ändern, damit aus Biodiversität nicht BiodiversiTOT wird!
Ein Euro pro Buch (336 Seiten; ISBN 978-3-7448-6827-3) geht als Spende an Nachwuchswissenschaftler.
Über diese Pressemitteilung der Zoologischen Staatssammlung München wurde ich auf das Buch mit dem seltsamen Titel aufmerksam. Biodiversität ist ein interessantes Thema und wird ständig in den Medien erwähnt, auch wenn anscheinend keiner so genau weiß, um was es geht.
Das Verschwinden der Artenvielfalt ist ein wichtiges, wenn auch trauriges Thema, das auch Teil dieses Blogs ist. Freundlicherweise wurde mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.
Leider hat mich der Inhalt, trotz des wichtigen Themas nicht überzeugen können. Allerdings lag das auch eher an der reißerischen Aufmachung von BiodiversiTOT. Die Autoren wollen provozieren und teilweise haben sie damit Erfolg. Allerdings jammern sie auch viel (Taxonomen werden unterschätzt, es gibt viel zu wenige davon und Fördergelder bekommen sie auch nicht. Mehr Taxonomen braucht die Welt, die Taxonomen brauchen mehr Geld und die ZSM braucht beides). Beides hat ihre Berechtigung, nur: Zuviel ist zuviel.
Die Autoren zeigen die Probleme auf, die in der Verarmung der Biodiversität resultieren, und geben einfach zu befolgende Tips, um die Erde (oder die Menschheit?) vor dem Untergang zu bewahren. Man muss sich nicht gleich ganz dem Veganismus verschreiben, aber jeder kann etwas tun. Es ist nur die Frage, was man bereit ist zu opfern.
Ich finde es richtig, die Menschen aufzurütteln, zu zeigen, was falsch läuft und was wir mit unserem Planeten anstellen. Aber ob es die Autoren mit ihrem Buch schaffen ist fraglich. Das haben andere schon nicht geschafft. Vielleicht ist der Mensch nicht dafür geschaffen seine Welt zu retten.
Das Thema Biodiversität ist ein riesiges Thema (und muss als ernsthafte Angelegenheit in den Köpfen der Menschheit landen).
Ich weiß nicht, ob der aggressive Tonfall des Buchs hilfreich ist. Zumal sich dieser durch fast die ganzen 336 Seiten zieht. Und mich hat das schon nach der Hälfte genervt. Man braucht Durchhaltevermögen.
Leider. Denn die Ambitionen der Autoren ist ehrenhaft und regt zum Nachdenken an. Das sollte man aber auch weniger aggressiv und mit einer geringeren Seitenzahl bewerkstelligen können.
Ob die Autoren mit diesem Buch der Taxonomie einen guten Dienst erweisen, bezweifle ich.
Die Menschheit muss aufgerüttelt werden, aber muss man dabei immer wieder darauf hinweisen, dass man Geld für die Bestimmung von Arten braucht?
Wie man sieht, hat mir das Buch nicht gefallen. Weniger wäre vielleicht mehr gewesen.
Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich während des Lesens einige interessante Links gefunden habe:
Encyclopedia of Life
EcoCrowd – Die Crowdfunding Plattform für nachhaltige Projekte
Myclimate
Taxon-omics
Und natürlich ist auch das Buch (oder die Idee dahinter) im Netz vertreten: BiodiversiTOT
Ich will nicht sagen, dass die Lektüre des Buchs Zeitverschwendung ist (auch wenn ich das fast so gesehen habe), für den einen oder anderen mag es ein sinnvoller/hilfreicher Weckruf sein.
Aber wer sich für eine Erhaltung der Artenvielfalt (bzw. eine Identifizierung derselben) und einem nachhaltigen Natur/Klima/Umweltschutz einsetzen will (oder es bereits tut), dem ist wohl besser geholfen, sich durch die Links auf der BiodiversiTOT-Seite zu lesen und die 15 € (welche das Taschenbuch kostet) gleich direkt an die ZSM zu spenden.
(Rezensionsexemplar)