Portrait: Spitzmaulnashorn

Ordnung: Unpaarhufer (Perissodactyla)
Familie: Nashörner (Rhinocerotidae)
Gattung: Diceros
Art: Spitzmaulnashorn (Diceros bicornis)
Spitzmaulnashorn (Erlebniszoo Hannover)

Spitzmaulnashorn (Erlebniszoo Hannover)

Das Spitzmaulnashorn ist die kleinere der beiden afrikanischen Nashornarten.
Es erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von bis zu 350 cm – hinzu kommt noch ein bis zu 70 cm langer Schwanz. Die Schulterhöhe beträgt um die 160 cm. Das Gewicht variiert zwischen den Geschlechtern: Kühe werden in der Regel bis zu 900 kg schwer, während Bullen bis zu 1,4 t wiegen können. Damit ist es die kleinere der beiden afrikanischen Nashornarten. Allgemein haben sie einen robusten Körperbau mit kräftigen, kurzen Beinen. Diese enden wie bei allen heutigen Nashörnern in drei Zehen, wobei die Vorderfüße deutlich größer als die Hinterfüße sind. Die Rückenlinie weist ein leichtes Hohlkreuz auf. Markantestes Kennzeichen des Spitzmaulnashornes sind seine beiden Hörner, von denen das vordere größere auf der Nase (Nashorn) und das hintere kleinere auf der Stirn (Frontalhorn) sitzt.
Die Farbe der Haut des Spitzmaulnashorns ist überwiegend grau, kann aber auch einen gelblich-braunen bis dunkelbraunen Farbton annehmen, je nach Intensität der Sonneneinstrahlung. Dabei ist die Haut im Bereich des Bauches etwas heller gefärbt. Die Haut weist keine Falten auf mit Ausnahme am Ellenbogen und Knie sowie am Nacken hinter den Ohren. An den Körperseiten bilden sich teils rippenähnliche Falten.
Des Weiteren ist das Spitzmaulnashorn fast vollständig unbehaart, nur an den Ohren, den oberen und unteren Augenlidern und an der Schwanzspitze befinden sich Haaransätze. Ein deutliches Unterscheidungsmerkmal zum Breitmaulnashorn, der nächstverwandten Art, ist die namensgebende fingerförmige spitze Oberlippe, mit der das Spitzmaulnashorn Blätter und Zweige von Büschen zupft.
Einst war das Spitzmaulnashorn über weite Teile des afrikanischen Kontinents südlich der Sahara verbreitet; es war damit immer viel weiter verbreitet als das Breitmaulnashorn. Das Spitzmaulnashorn lebt überwiegend in Regionen, in denen eine hohe Anzahl an Gehölzpflanzen oder krautiger Vegetation vorkommt. Dadurch schließt sein Lebensraum nicht nur offene Wälder, Waldlandschaften oder Savannen ein, sondern auch Halbwüstenkräuter oder subalpine Heidelandschaften. Die Besiedlungsdichte ist dabei abhängig vom Angebot an Nahrung. Sie kann in Gebieten mit reicher Vegetation und einem hohen Nahrungsangebot bei einem Tier je Quadratkilometer liegen, während in Halbwüsten wie Kunene in Namibia nur ein Tier auf 100 Quadratkilometer kommt.
Heute existieren vier anerkannte Unterarten des Spitzmaulnashorns, deren regionale Verbreitung teilweise aber stark begrenzt ist. Die östliche Unterart (Diceros bicornis michaeli) lebt heute in Kenia und Tansania, während die südwestliche (D. b. bicornis) weitgehend auf Namibia beschränkt ist, einige Individuen aber auch nach Südafrika wechseln. Das Südzentralafrikanische Spitzmaulnashorn (D. b. minor) ist heute die häufigste Unterart und kommt vor allem in Südafrika, Simbabwe, Swasiland und teilweise auch im südlichen Tansania vor. Einige Tiere aus Südafrika wurden in Sambia, Ruanda, Botswana und Malawi wieder eingeführt, nachdem es dort bereits ausgerottet worden war. Die Unterart des westlichen Spitzmaulnashorns (D. b. longipes) ist nur in Kamerun verbreitet, umfasst aber nur wenige Individuen und ist möglicherweise neueren Berichten zufolge ausgestorben. Das letzte Exemplar dieser Unterart wurde 1996 beobachtet.

Wie alle Nashörner ist das Spitzmaulnashorn ein Einzelgänger. Unter Bullen gibt es dominante und weniger dominante oder untergeordnete Tiere, wobei letztere meist subadulte Jungbullen sind, die erst ein eigenes Territorium finden müssen oder Altbullen, die auf kleinere Areale zurückgedrängt wurden. In diesen Lebensphasen besteht die höchste Gefahr, bei Territorialkämpfen mit dominanten Bullen verletzt oder gar getötet zu werden. Die Größe der Reviere ist abhängig vom Nahrungs- und Wasserangebot und kann zwischen 6 und 40 km² umfassen; eine Wasserstelle sollte in weniger als 10 km Entfernung vorhanden sein. Reviere dominanter Bullen sind strikt getrennt, während bei Kühen die Territorialränder sich überlappen können. Das Spitzmaulnashorn markiert sein Revier, indem es Urin gezielt an Büsche verspritzt, was Bullen wesentlich häufiger tätigen als Kühe. Weiterhin verteilen sie ihren Dung an die Revierränder und scharren es zu länglichen Grenzmarkierungen oder produzieren Kothaufen. Der Haufen ist umso größer, je dominanter der Bulle ist.

Spitzmaulnashorn (Zoo Berlin)

Spitzmaulnashorn (Zoo Berlin)

Die normale Fortbewegungsart des Spitzmaulnashorns ist der Trab. Wird es jedoch aufgeschreckt oder gestört, reagiert es schnell und versucht die Quelle ausfindig zu machen, wobei sein Sehvermögen es dabei stark behindert. Meist läuft es in die Richtung des Ursprungs. Häufig wird dann eine Drohhaltung mit erhobenem Kopf und aufgerichtetem Schwanz eingenommen. Ein aggressives oder wütendes Spitzmaulnashorn kann sehr schnell rennen und erreicht Geschwindigkeiten von über 50 km/h. Dabei vermag das Tier die jeweilige Richtung sehr schnell zu ändern und überrennt auch Hindernisse, wie beispielsweise Büsche. In dieser Phase ist der Kopf meist sehr stark gesenkt, so dass die Hörner als Waffe eingesetzt werden können.

Das Spitzmaulnashorn bevorzugt weiche Pflanzennahrung (browsing), wie Blätter, Äste, Zweige oder Rinde, aber auch Dornen, die mit der fingerförmigen Oberlippe gegriffen, zwischen die Kiefer geführt und mit den Backenzähnen abgetrennt werden. Sie hinterlassen dabei typische Bissmuster, die sich von anderen Pflanzenfressern durch einen geraden Schnitt abheben („Rosenscherentyp“). Zu den am häufigsten verspeisten Pflanzen gehören die verschiedenen Akazienarten, die gut ein Drittel der Nahrungsgrundlage ausmachen. Das Nahrungsspektrum ist aber wesentlich größer und umfasst dabei mehr als 100 Pflanzenarten, die in Abhängigkeit von Landschafts- und Klimabedingungen aufgenommen werden. Zu den wichtigsten zählen unter anderem Tambothi, Kapern und Hibiskus. Gras wird dagegen nur zufällig beim Grasen nach Kräutern aufgenommen, wobei grünes, saftiges Gras unter Umständen auch verzehrt wird. Nur bei Nahrungsknappheit frisst das Spitzmaulnashorn auch größere Mengen Gras. Wasser trinkt ein Spitzmaulnashorn meist täglich, es kann aber auch mehrere Tage ohne Wasser auskommen. Lange Dürrezeiten führen jedoch zum Tod des Tieres. Sind dann Wasserquellen am Versiegen, versucht das Spitzmaulnashorn diese mit den Füßen frei zu scharren. Das Spitzmaulnashorn ist hauptsächlich in der Dämmerung und nachts aktiv, tagsüber ruht oder schläft es im Schatten oder nimmt Schlammbäder.

Bullen und Kühe sind mit vier bis sechs Jahren geschlechtsreif, Bullen wahrscheinlich etwas früher. Abhängig von der Entwicklung der Kuh, bekommt diese ihr erstes Kalb mit sieben bis acht Jahren, manchmal auch früher. In der Regel gebären Kühe alle zwei Jahre. Dieses Intervall kann abhängig vom Alter oder dem Ernährungszustand der einzelnen Tiere auch länger sein. Männliche und weibliche Spitzmaulnashörner finden nur wenige Tage während der Paarungszeit zueinander. In dieser Zeit sind Bullen äußerst aggressiv anderen Bullen, aber auch älteren Jungtieren gegenüber, so dass es zu Kämpfen mit manchmal sogar tödlichem Ausgang kommen kann. Die Paarung verläuft nach einem bestimmten Schema und ist durch ein mehrfaches Aufsitzen des Bullen auf der Kuh charakterisiert, insgesamt dauert der Geschlechtsakt bis zu 40 Minuten. Die Tragzeit wird in der Regel mit 15 Monaten (rund 450 Tage) angegeben, kann unter Umständen aber auch bis zu 18 Monate (540 Tage) andauern. Sofern die Kuh vorher schon ein Kalb hatte, wird dieses fort getrieben, welches sich dann manchmal in die Obhut anderer Kühe begibt, gelegentlich akzeptiert auch ein Breitmaulnashorn ein solches. Das Muttertier selbst sucht für die Geburt eine abgelegene, meist buschige Region auf.
Das einzige Kalb hat ein Geburtsgewicht von etwa 25 bis 40 Kilogramm und ist etwa einen halben Meter hoch. In der Regel werden mehr männliche als weibliche Kälber geboren, die Sterberate der männlichen ist aber höher. Das Neugeborene kann nach drei Stunden bereits laufen und besitzt an der Stelle, an der das vordere Horn wachsen wird, bereits nach der Geburt eine etwa einen Zentimeter hohe Verdickung; die Wachstumsstelle für das zweite Horn ist nur als etwas hellerer runder Fleck markiert. Das Kalb wird etwa zwei Jahre gesäugt und von der Mutter während dieser Zeit gegen jede potenzielle Gefahr verteidigt. Beinahe ebenso lang ist die Mutter nicht in der Lage, ein weiteres Kalb zu bekommen. Das Kalb wird während dieser Zeit in höherem Gebüsch versteckt und das Muttertier verlässt dieses meist nur zum Aufsuchen einer Wasserstelle. Nach bis zu acht Monaten erlaubt das Muttertier die Rückkehr des zuvor geborenen Kalbes. Männliche Jungbullen verlassen das Muttertier erst mit sechs oder sieben Jahren. Die Lebensdauer eines Spitzmaulnashorns kann 45 Jahre betragen, wobei Bullen durch aggressive Kämpfe häufig früher sterben. Kühe erreichen oft ein hohes Alter.

Durch die Jagd wurde das Spitzmaulnashorn schon sehr früh immer seltener. In Südafrika wurde bereits 1853 das vermeintlich letzte Spitzmaulnashorn geschossen. Von der Unterart D. b. bicornis wurden in Südafrika 2001 nur 50 und 2003 nur 71 Tiere gezählt während in Namibia 2003 der Bestand 1238 Exemplare betrug. Der Bestand von D. b. bicornis nimmt zu, die International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN) gab 2008 die Zahl geschlechtsreifer Exemplare mit weniger als 1000 an und stuft die Unterart als gefährdet (Vulnerable, VU) ein.
In den Steppen südlich der Sahelzone wurde das Spitzmaulnashorn ebenfalls am Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend ausgerottet. Das Westafrikanische Nashorn (D. b. longipes) listet die IUCN als „vom Aussterben bedroht, möglicherweise ausgestorben“. Während 2003 noch von möglicherweise 5 Exemplaren ausgegangen wurde, fanden sich bei einer Suche 2006 keine Exemplare der Unterart und man kam zu dem Schluss, dass die Unterart „aller Wahrscheinlichkeit nach“ ausgestorben ist.
In den 1960ern verschwanden auch die ostafrikanische (D. b. michaeli) und die südzentralafrikanische Unterart (D. b. minor) durch zunehmende Wilderei aus weiten Teilen ihres Verbreitungsgebiets. Die IUCN stufte das Spitzmaulnashorn hiernach als gefährdet ein, später als bedroht und schließlich als stark bedroht. Trotzdem wurde es selbst noch zu einer Zeit, als Schutzmaßnahmen für andere Wildtiere längst griffen, immer seltener. 1970 gab es noch geschätzte 65.000 Spitzmaulnashörner, 1980 waren es bereits nur noch 15.000 Individuen, 1990 etwa 3.000, und 1995 war der Bestand schließlich auf nur noch 2.500 Tiere gefallen. In der Zentralafrikanischen Republik gab es noch 1980 einen gesunden Bestand von 3.000 Nashörnern, der binnen weniger Jahre restlos ausgerottet wurde.
Im Jahr 2010 wurde in Afrika wieder ein Bestand von 4.800 Spitzmaulnashörnern (unter anderem im Addo Elephant Park, Kruger-Nationalpark, Etoscha-Nationalpark, Hwange National Park, Mana Pools, Südluangwa, Tsavo-National Park, Serengeti) registriert. Vor allem die Populationen in Südafrika und Namibia tragen zum Gesamtbestand bei, da in den dortigen Nationalparks Schutzmaßnahmen wirklich greifen und damit der Bestand des Spitzmaulnashorns wieder wächst. Allerdings wurde auch dort eine Zunahme der Wilderei festgestellt, der allein im Jahr 2010 über 300 Breit- und Spitzmaulnashörner zum Opfer fielen.

Spitzmaulnashorn (Zoo Magdeburg)

Spitzmaulnashorn (Zoo Magdeburg)

Der Name „Schwarzes Nashorn“ ist eine Entlehnung aus dem Englischen, wo es als „black rhinoceros“ bezeichnet wird und das Gegenstück zum „white rhinoceros“, dem Breitmaulnashorn, bildet. Beide Nashornarten sind aber anhand ihrer Hautfarbe nicht zu unterscheiden. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Spitzmaulnashorn als Afrikanisches Nashorn bezeichnet, da es die einzige in Europa bekannte Nashornart von diesem Kontinent war. Als der britische Naturforscher William John Burchell (1782–1863) im Jahr 1812 in Südafrika das Breitmaulnashorn entdeckte und 1817 nach seiner Rückkehr nach Europa als Rhinoceros simus bezeichnete, benutzte er aber keine Namensübersetzung für diese Tierart.
Das erste Aufkommen der Bezeichnung „weißes“ Nashorn erfolgte bereits Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts, ebenfalls in Südafrika. Dort erlegten englische Jäger mehrere Exemplare des ihnen damals unbekannten Breitmaulnashorns und bezeichneten es als „white“, obwohl sie in ihren Berichten die graue Hautfarbe ausdrücklich erwähnten. Wie diese irreführende Namensgebung letztendlich zustande kam, ist unklar, es existieren mindestens zehn verschiedene Theorien darüber. Die am häufigsten vertretene ist die einer Fehlübersetzung des Begriffes wijd oder wyd aus dem Afrikaans, wo dies „breit“ bedeutet, aber aufgrund des gleichartigen phonetischen Klangs zum englischenen Wort „white“ mit „weiß“ übersetzt wurde. Geklärt ist diese Frage bis heute nicht, erstmals verwendet wurden die Bezeichnungen „schwarzes Nashorn“ und „weißes Nashorn“ zur Unterscheidung von Spitz- und Breitmaulnashorn 1838.
Die deutschen Benennungen Breit- und Spitzmaulnashorn beziehen sich dagegen auf die Ausbildung der Maulpartie und sollten daher bevorzugt werden. Das Spitzmaulnashorn hat eine zum Greifen befähigte spitz nach vorn gezogene Oberlippe, während das Breitmaulnashorn eine flache und breite Lippe hat. Diese Merkmale stellen Anpassungen an die unterschiedliche Ernährungsweise der beiden Nashornarten dar.

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