Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

18.05.2020, Deutsche Wildtier Stiftung
Durcheinander beim Schutz der Alpengämse
Neue Studie zeigt: Österreich und Deutschland fallen beim europaweiten Gamsmanagement durch
Nationale Alleingänge sind im vereinten Europa leider Alltag – das macht nicht erst die Covid-19-Krise deutlich. Auch auf den Umgang mit Wildtieren, die unter besonderem EU-Schutz stehen, trifft das zu. Ein gutes Beispiel dafür ist die Alpengämse. Sie steht unter dem besonderen Schutz der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU und ist obendrein in der Berner Konvention aufgeführt. „Die Alpen-Anrainerstaaten in der EU sind daher verpflichtet, den Zustand ihrer Gamspopulationen regelmäßig zu erheben und zu bewerten“, betont Hilmar Freiherr von Münchhausen, Geschäftsführer der Deutschen Wildtier Stiftung und ergänzt: „Erst bei einem günstigen Erhaltungszustand der Populationen darf die Gämse gejagt werden.“
Eine gemeinsame Studie der Deutschen Wildtier Stiftung und des Internationalen Rates zur Erhaltung des Wildes und der Jagd (CIC) zeigt nun: Zwischen den einzelnen Staaten des Alpenraumes gibt es erhebliche Unterschiede beim Monitoring und Management ihres gemeinsamen Schutzgutes, der Alpengams. „Während Frankreich, Italien und Slowenien den Erhaltungszustand der Gämse durch ein aufwendiges Monitoring der lebenden Gamspopulation abschätzen, melden Deutschland und Österreich einfach nur die Zahl der abgeschossenen Tiere an die EU“, kritisiert Münchhausen. „Daten und Analysen zur Alters- und Sozialstruktur der Gamsbestände werden völlig außer Acht gelassen, obwohl gerade diese Angaben eine professionelle jagdliche Nutzung auszeichnen.“
Bei der Planung jagdlicher Eingriffe werden die Unterschiede noch deutlicher: In fast allen EU-Ländern wird die Abschusshöhe unter Berücksichtigung biologischer Daten wie der natürlichen Wintersterblichkeit festgesetzt; in Bayern wird die Abschusshöhe lediglich am Zustand der Waldvegetation abgeleitet. „Die mangelhafte Umsetzung der EU-Vorgaben gipfelt in Bayern in der Ausweisung von Gebieten, in denen die Gämse gar keine Schonzeit mehr hat“, so Münchhausen. Dabei weisen Untersuchungen der Deutschen Wildtier Stiftung darauf hin, dass die Gamsbestände in Bayern viel zu intensiv bejagt werden. Damit ist ihr Erhaltungszustand in Deutschland nicht günstig und die Zukunftsaussichten sind düster. Die Deutsche Wildtier Stiftung und der CIC fordern daher ein umfassendes Monitoring der Gämse in Bayern, keine lokale Verlängerung von Jagdzeiten und die Ausweisung von Gebieten mit Jagdruhe, damit sich die Populationen regional wieder erholen können.

19.05.2020, Eberhard Karls Universität Tübingen
300.000 Jahre alter Elefant aus Schöningen fast vollständig erhalten
Was am Seeufer geschah: Archäologen dokumentieren Spuren von Steinzeitmenschen und Fußabdrücke von Elefanten
Im niedersächsischen Schöningen tummelten sich vor 300.000 Jahren Elefanten. Aus der altsteinzeitlichen Grabungsstelle wurden in den vergangenen Jahren Fossilien von mindestens zehn Elefanten geborgen. Nun haben Archäologen vom Senckenberg-Zentrum für menschliche Evolution und Paläoumwelt der Universität Tübingen in Kooperation mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege erstmals ein nahezu vollständiges Skelett eines eurasischen Waldelefanten (Palaeoloxodon antiquus) freigelegt. Das Tier starb am damaligen Seeufer von Schöningen ‒ was genau geschah und wie die Umgebung vor 300.000 Jahren beschaffen war, rekonstruiert das Team nun durch Analysen und weitere Grabungen. Die ersten Erkenntnisse werden im Fachmagazin Archäologie in Deutschland veröffentlicht und wurden am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit dem niedersächsischen Wissenschaftsminister Björn Thümler in Schöningen präsentiert.
„Die Kooperation mit Senckenberg und der Universität Tübingen trägt reiche Früchte. Vor wenigen Wochen erregte eine Studie zu einem in Schöningen entdeckten 300.000 Jahre alten Wurfstock international Aufmerksamkeit. Nun folgt eine weitere Sensation: Der Fund des fast vollständig erhaltenen Skeletts eines Waldelefanten zusammen mit den Spuren hier lebender und jagender Frühmenschen. Dies unterstreicht einmal mehr, um welch einen spannenden und wissenschaftlich bedeutenden Fundort es sich handelt“, sagt Wissenschaftsminister Björn Thümler. „Der ehemalige Tagebau Schöningen ist ein Klimaarchiv ersten Ranges, das uns in einzigartiger Weise vorführt, wie sich Klimaschwankungen auswirken. Dies muss künftig noch deutlicher herausgearbeitet werden. Ein Ort, an dem nachverfolgt werden kann, wie der Menschen vom Naturbegleiter zum Kulturgestalter wurde.“
Das Elefantenskelett sei, wie die meisten Funde in Schöningen, außerordentlich gut erhalten, erklärt Dr. Jordi Serangeli, Ausgrabungsleiter in Schöningen. „Wir haben die 2,3 Meter langen Stoßzähne, den Unterkiefer, zahlreiche Wirbel und Rippen sowie Knochen von drei Beinen und sogar alle fünf Zungenbeine.“ Das Skelett sei an einer Stelle geborgen worden, an der sich vor 300.000 Jahren das Seeufer befunden habe, je nach Jahreszeit mit wechselndem Wasserspiegel.
Die Knochen des Elefanten erzählen eine eigene Geschichte: Nach der ersten Analyse handelt es sich um ein älteres, wahrscheinlich weibliches Tier mit stark abgenutzten Zähnen, wie der Archäozoologe Ivo Verheijen erklärt. „Das Tier hatte eine Schulterhöhe von ca. 3,2 Metern und ein Gewicht von ca. 6,8 Tonnen – es war somit grösser als heutige afrikanische Elefantenkühe.“
Vermutlich starb es aus Altersgründen und ohne Einwirkung durch Menschen. „Elefanten halten sich oft am und im Wasser auf, wenn sie krank oder alt sind“, sagt Verheijen. „Allerdings zeigen zahlreiche Bisspuren auf den Knochen, dass sich nach seinem Tod Raubtiere am Kadaver bedienten.“ Auch hätten die damaligen Menschen profitiert: Dies beweisen ca. 30 Absplisse von Feuersteinen, die das Team im Umkreis und zwischen den Elefantenknochen fand. Zudem stieß es auf zwei Langknochen, die den Spuren nach zu urteilen, als Werkzeuge genutzt wurden. „Die Steinzeitjäger schnitten vermutlich Fleisch, Sehnen und Fett aus dem Kadaver.“
Verendete Elefanten dürften für den damaligen Homo heidelbergensis eine vielfältige Nahrungs- und Materialquelle gewesen sein. Zwar seien die Menschen der Altsteinzeit schon erfolgreiche Jäger gewesen, sagt Serangeli, „aber nach den derzeitigen Daten bestand für sie kein zwingender Grund, ausgewachsene Elefanten zu jagen und sich dabei in Gefahr zu bringen.“ Waldelefanten gehörten für sie selbstverständlich zu ihrer Umgebung, und sie dürften gewusst haben, dass diese immer wieder am Seeufer starben.
Dass am Schöninger See zahlreiche Artgenossen des Elefanten unterwegs waren, beweisen Fußabdrücke, die rund 100 Meter von der Grabungsstelle entfernt dokumentiert werden konnten. Ein bisher einmaliger Fund in Deutschland, wie Flavio Altamura von der Universitá Sapienza in Rom erläutert, der die Spuren analysierte. „An dieser Stelle muss eine kleine Herde, Erwachsene und jüngere Tiere, durchgelaufen sein. Die schweren Tiere liefen auf nassen Seesedimenten, parallel zum Seeufer. Ihre Füße hinterließen im Schlamm kreisförmige Abdrücke mit einem maximalen Durchmesser von 60 Zentimetern.“
Aus der Fundstelle Schöningen im Landkreis Helmstedt konnten bereits viele Erkenntnisse über Flora, Fauna und das Leben der Menschen vor 300.000 Jahren während der Reinsdorf-Warmzeit gewonnen werden. Das damalige Klima war vergleichbar mit dem heutigen, die Landschaft jedoch viel reicher an Wildtieren. Rund 20 Großsäuger lebten damals im Umfeld des Schöninger Sees, darunter nicht nur Elefanten sondern auch Löwen, Bären, Säbelzahnkatzen, Nashörner, Wildpferde und weitere Huftiere. „Der Reichtum an Wildtieren ähnelte dem des heutigen Afrika“, sagt Serangeli.
Unter anderem wurden in Schöningen einige der ältesten Funde eines Auerochsen in Europa, ein Wasserbüffel und drei Säbelzahnkatzen ausgegraben. Dank sehr guter Erhaltungsbedingungen in wassergesättigten Seeufersedimenten konnten zudem die weltweit ältesten vollständigen Jagdwaffen geborgen werden: Zehn hölzerne Speere sowie mindestens ein Wurfstock. Bearbeitete Stein- und Knochenwerkzeuge runden das Gesamtbild zu den damaligen Lebensumständen ab. „Die Seeufersedimente von Schöningen bieten einmalige Erhaltungsbedingen und geben uns stets wichtige und sehr detaillierte Einblicke in das kulturelle Verhalten des Homo heidelbergensis“, sagt Professor Nicholas Conard, Leiter des Forschungsprojektes Schöningen.
Die Knochen der Elefantenkuh und die Steinabsplisse werden von Ivo Verheijen und Bárbara Rodríguez Álvarez, Doktoranden im Forschungsprojekt Schöningen, untersucht und von Anna-Laura Krogmeier im Forschungs¬museum Schöningen restauriert. Dort können Besucher die Funde bereits jetzt besichtigen. Weitere detaillierte Analysen zu den Umwelt- und Klimabedingungen zum Zeitpunkt des Todes finden an der Technischen Universität Braunschweig, der Universität Lüneburg und der Universität Leiden (Niederlande) statt. Finanziert werden die Ausgrabungen in Schöningen durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur.

20.05.2020, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ
Den Blick auf Insekten lenken / Nur wenige Schmetterlingsarten scheinen von Natura 2000-Schutzgebieten zu profitieren
Das Netzwerk der Natura 2000-Schutzgebiete der Europäischen Union (EU) soll gefährdete Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensräume schützen. Allerdings profitieren auch etliche Arten, die nicht im Fokus stehen. Nur sind diese Nutznießer ungleichmäßig über die großen Tiergruppen verteilt, berichtet ein internationales Forscher*innen-Team, darunter Wissenschaftler des UFZ sowie des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in der Zeitschrift Conservation Biology. So zieht fast die Hälfte der nicht in der Zielgruppe genannten Vogelarten Nutzen aus dem Natura 2000-Schutz, während bei den Tagfaltern nur ein gutes Viertel von einem solchen Mitnahmeeffekt profitiert.
Die Ergebnisse der Studie liefern einen weiteren Hinweis darauf, dass Insekten von den gegenwärtigen Schutzkonzepten nur ansatzweise erfasst werden. „Wenn wir die Ziele des Naturschutzes definieren, sollten wir deshalb unseren Blick stärker als bislang auf die Insekten lenken“, schließt UFZ-Forscher Prof. Josef Settele, Mitautor der Studie, aus diesem Ergebnis. Dabei denkt der Agrarökologe und Schmetterlings-Spezialist, der an UFZ und iDiv forscht, nicht nur an Tagfalter, sondern auch an andere, häufig unscheinbarere Arten wie Mücken, Ameisen oder die vielen Bodeninsekten, die in der Natur ebenfalls zentrale Rollen einnehmen.
Untersucht haben die Forscher allerdings nur die Auswirkungen der Natura 2000-Schutzgebiete auf Vögel und Tagfalter. „Von diesen beiden Gruppen gibt es die allermeisten Beobachtungsreihen über viele Jahre“, begründet Josef Settele diese Auswahl. Ausgewertet wurden die Daten, die einige Tausend Freiwillige auf über 9.500 Flächen für Vögel und über 2.000 Flächen für Tagfalter langfristig erhoben haben.
In diesen Gebieten sind die ehrenamtlichen wie auch hauptberuflichen Ornithologen und Schmetterlings-Begeisterten regelmäßig unterwegs, um zu zählen, wie viele Tiere der untersuchten Arten sich dort gerade aufhalten. So laufen 318 Freiwillige in Deutschland 460 Probestrecken von Anfang April bis Ende September meist einmal in der Woche ab und zählen dort Tagfalter. Nur wenn das Wetter nicht mitspielt und zum Beispiel starke Winde die allermeisten Schmetterlinge am Fliegen hindern, pausieren auch die Beobachter. Zwischen den Jahren 2005 und 2018 zählten die Freiwilligen so allein in Deutschland 3,3 Millionen Schmetterlinge.
Auch die Ornithologen sammelten extrem viele Daten, die Vincent Pellissier von der Sorbonne-Universität in Paris, der Hauptautor der Studie, und seine Kollegen jetzt ausgewertet haben. Bei solchen Untersuchungen haben sich die meisten Forscher bisher auf die Artenvielfalt konzentriert und dabei in den Natura 2000-Gebieten oft mehr Arten als außerhalb gezählt.
Dabei zielt Natura 2000 sehr erfolgreich auf ausgewählte Lebensräume und Arten, die von hohem Interesse für den Naturschutz in der Europäischen Union sind. So stehen zum Beispiel im Wald oft Fledermaus-Arten auf der Agenda, die in weiten Teilen der EU in Schwierigkeiten sind. In der offenen Landschaft stehen oftmals trockene und nährstoffarme Wiesen im Fokus, die Lebensraum für seltene Arten wie den Thymian-Ameisenbläuling sind. Mit Blick auf solche Lebensräume und Arten schützen bereits seit 2013 in der Europäischen Union 27.700 dieser Natura 2000-Gebiete rund 18 Prozent der Landfläche und etwa sieben Prozent der Meeresgebiete – und machten das Netzwerk zu einer der weltweit erfolgreichsten Naturschutzinitiativen.
In der Natur spielen aber nicht nur diese ausgewählten, sondern auch viele andere Arten eine wichtige Rolle, von denen man annimmt, dass sie von der Einrichtung der Natura 2000-Gebiete gleichermaßen profitieren. Schwinden ihre Bestände, können Nahrungsnetze zerreißen und sich ökologische Muster mit manchmal enormen Auswirkungen auf die Natur stark verändern. Der Blick auf diese weniger beachteten Arten ist daher durchaus wichtig – und zeichnet zwischen Vögeln und Tagfaltern ein sehr unterschiedliches Bild.
So ist die Häufigkeit bei fast der Hälfte der untersuchten 155 Vogelarten in Regionen mit vielen Natura 2000-Gebieten wesentlich höher, sehr viele davon sind typische Wald-Bewohner. Bei den Tagfaltern profitieren dagegen gerade einmal 27 der 104 untersuchten Arten von diesem Schutz. Und nur zwei dieser Schmetterlingsarten leben in Wäldern. Das überrascht zunächst einmal nicht allzu sehr, schließlich flattern die Tagfalter Europas viel häufiger über sonnige Wiesen als durch Wälder. Obendrein sind viele Forste hierzulande angepflanzt. „Dort wachsen Bäume gleichen Alters, deren Kronen ein dichtes Dach bilden, durch das kaum Sonnenstrahlen dringen“, erklärt Martin Musche, ebenfalls Insektenforscher am UFZ und Mitautor der Studie. Am düsteren Waldboden aber finden die allermeisten Tagfalter keinen Lebensraum. „Aus der Sicht der Tagfalter bräuchten wir also erheblich mehr lichtdurchflutete Wälder“, schließt der Biologe.
Aber auch außerhalb der Wälder scheint die Situation nicht allzu gut zu sein. Spezialisten für offene Landschaften wie der Zwergbläuling fliegen in den Natura 2000-Gebieten keineswegs öfter. „Die Gründe dafür haben wir noch nicht untersucht, wir haben aber einen dringenden Verdacht“, erklärt Martin Musche: Anscheinend geht es dem Grünland und anderen offenen Lebensräumen in den Natura 2000-Gebieten nicht allzu gut. So werden trockene Wiesen mit wenig Nährstoffen vielerorts häufig von Büschen überwuchert – und die Spezialisten unter den Schmetterlingen verlieren ihre Lebensgrundlage.
Andere Wiesen werden zum Beispiel gedüngt und dann – statt ein- oder zweimal – häufiger im Jahr gemäht. Das aber verschlechtert die Bedingungen für viele Schmetterlinge enorm. „Anderen Insekten, die wir noch nicht untersucht haben, könnte es durchaus ähnlich gehen“, erklärt Martin Musche. Werden neue Schutzgebiete ausgewiesen oder wird ein Managementplan für bestehende entwickelt, sollten daher die bisher vernachlässigten Insekten viel besser als bisher beachtet werden. Eine Forderung, die sowohl für die laufende Reform der europäischen Agrarpolitik (GAP) als auch die Formulierung von Zielen der Biodiversitätskonvention (CBD) für die Zeit nach 2020 von Bedeutung sind, um den anhaltenden Insektenschwund zu mildern.
Originalpublikation:
V. Pellissier, R. Schmucki, G. Pe’er, A. Aunins, T.M. Brereton, L. Brotons, J. Carnicer, T. Chodkiewicz, P. Chylarecki, J.C. del Moral, V. Escandell, D. Evans, R. Foppen, A. Harpke, J. Heliölä, S. Herrando, M. Kuussaari, E. Kühn, A. Lehikoinen, Å. Lindström, C.M. Moshø, M. Musche, D. Noble, T.H. Oliver, J. Reif, D. Richard, D.B. Roy, O. Schweiger, J. Settele, C. Stefanescu, N. Teufelbauer, J. Touroult, S. Trautmann, A.J. van Strien, C.A.M. van Swaay, C. van Turnhout, Z. Vermouzek, P. Voříšek, F. Jiguet, R. Julliard: Effects of Natura 2000 on nontarget bird and butterfly species based on citizen science data, Conservation Biology
https://doi.org/10.1111/cobi.13434

Titanichthys (Mark Witton)

20.05.2020, Universität Zürich
Ausgestorbener Meeresriese filterte Nahrung aus dem Wasser
Er lebte vor 380 Millionen Jahren in den Meeren des späten Devons und war bis zu sieben Meter lang: Der Panzerfisch Titanichthys. Paläontologen der Universitäten Zürich und Bristol haben die Mechanik seines riesigen Unterkiefers untersucht. Sie fanden neue Belege dafür, dass er seine Nahrung beim langsamen Schwimmen mit weit geöffnetem Maul aus dem Wasser herausfilterte – wie die heute noch lebenden Bartenwale, Wal- oder Riesenhaie.
Der marokkanische Teil der Wüste Sahara bietet viele Fundstücke aus der geologischen Vergangenheit – etwa die Überreste des grossen Dinosauriers Spinosaurus, der wegen seines segelartigen Schwanzes vor kurzem viel Aufmerksamkeit erregte. Nicht weit von diesem Fundort entfernt sind auch deutlich ältere Gesteine aus der Devon-Zeit freigelegt. Sie bergen Überreste von riesigen Placodermen – ausgestorbenen Panzerfische, deren Körperlänge jene eines grossen Weissen Hais überstieg. «Bei der Feldarbeit im Anti-Atlas sind massive Schädelknochen von Placodermen ziemlich häufig zu finden», sagt Christian Klug, Forscher am Paläontologischen Institut und Museum der Universität Zürich. «Dabei kommen zwei unterschiedliche, aber etwa gleich grosse Formen vor: Der riesige und bedrohlich aussehende Panzerfisch Dunkleosteus und der grossmäulige Titanichthys, der vor 380 Millionen Jahren in den Meeren und Ozeanen des späten Devons lebte.» Zusammen mit Wissenschaftlern der Universität Bristol hat Klug nun in einer Studie untersucht, wie sich der Panzerfisch Titanichthys ernährte und ist dabei auf ein ähnliches Verhalten gestossen wie bei heutigen Wal- und Riesenhaien.
Gross, aber zahnlos
Der Titanichthys ist seit langem als eines der grössten Tiere des Devon-Zeitalters bekannt: Seine Länge wird auf über fünf Meter geschätzt, hinzu kommt ein Unterkiefer, der – ähnlich wie beim Riesenhai – Längen von über einem Meter erreicht. Anders als bei seinem ähnlich riesigen Zeitgenossen Dunkleosteus wurde die Ernährungsweise des Titanichthys bisher nie wissenschaftlich untersucht. Während der Unterkiefer von Dunkleosteus und vielen verwandten Panzerfischen kräftige Fangzähne und Quetschplatten aufweist, ist der Unterkiefer von Titanichthys schlank, zahnlos und ohne scharfe Kanten, die zum Schneiden geeignet wären. Ausserdem konnte er sein Maul nicht vollständig schliessen. Dies legt die Vermutung nahe, dass er ein sogenannter Filtrierer war, der mit weit geöffnetem Maul langsam durchs Wasser glitt, um hohe Konzentrationen an Plankton herauszufiltern.
Kieferkräfte auf dem Prüfstand
Um diese These zu überprüfen, verglichen die Paläontologen der Universitäten Zürich und Bristol die Unterkiefer verschiedener Placodermen-Arten mittels biomechanischer Untersuchungen (Finite-Elemente-Analyse): Indem sie virtuelle Kräfte auf 3D-Computermodelle der Kiefer ausübten, testeten sie deren Elastizität und damit die Wahrscheinlichkeit, dass die Kiefer brechen oder sich verbiegen. «Der Unterkiefer des Titanichthys stellte sich als mechanisch wesentlich weniger robust heraus als die Unterkiefer anderer Placodermen-Arten, die sich von grossen oder hartschaligen Beutetieren ernährten», sagt Erstautor Sam Coatham. «Deren Fressstrategien kommen für Titanichthys eher nicht in Frage, denn sein Kiefer wäre kaum in der Lage gewesen, die hohen mechanischen Belastungen auszuhalten, die beim Fressen grösserer Beutetiere nötig sind.»
Ähnliches Ernährungsverhalten wie heutiger Riesenhai
In weiteren Analysen wurde die Belastungsverteilung im Kiefer mit heute lebenden Arten verglichen. Dabei fanden die Forscherinnen und Forscher ähnliche Muster bei Titanichthys und beim Riesenhai, was auf eine vergleichbare Nahrungsaufnahme hinweist. «Die Kiefereigenschaften von Titanichthys ähneln jenen anderer Filtrierer, zu denen etwa Bartenwale, der Walhai oder eben der Riesenhai gehören», fasst Christian Klug zusammen. «Sie unterscheiden sich umgekehrt aber deutlich von grossen Raubfischen und Zahnwalen.»
Das Forschungsteam ist der Ansicht, dass es weitere ausgestorbene Arten gibt, die eine ähnliche ökologische Rolle wie Titanichthys gespielt haben – darunter andere Panzerfische, aber auch mindestens eine Plesiosaurier-Art. «Unsere Methoden könnten erweitert werden, um solche Arten in den Fossilienbeständen zu identifizieren und zu untersuchen, ob es gemeinsame Faktoren gibt, die ihre Entwicklung und ihr Aussterben vorantreiben», so Sam Coatham. «Erkenntnisse dazu könnten uns helfen zu verstehen, wie sich moderne Filtrierer wie Bartenwale besser schützen lassen.»
Originalpublikation:
S. J. Coatham, J. Vinther, C. Klug and E. J. Rayfield, Was the Devonian Placoderm Titanichthys a Suspension-Feeder? Royal Society Open Science. 20 May 2020. DOI: 10.1098/rsos.200272

22.05.2020, NABU
Mähroboter sind eine tödliche Gefahr für Igel
Geräte nur tagsüber einsetzen
Garten igelfreundlich gestalten
Mähroboter sind eine tödliche Gefahr für Igel. Der NABU bittet darum, diese Geräte – wenn überhaupt – nur tagsüber zu verwenden. „Der elektrische Helfer wird in Deutschland immer beliebter“ so NABU-Gartenexpertin Marja Rottleb, „Viele Menschen wollen sich mit einem solchen Gerät die Arbeit im Garten erleichtern und wissen oft gar nicht, dass sie für Tiere, insbesondere für Igel, lebensgefährlich sind.“
Die Stacheltiere rollen sich bei Gefahr zu einer Kugel und erstarren so für einige Minuten statt zu flüchten. Dieses Verhalten wird ihnen beim Zusammentreffen mit einem Mähroboter zum Verhängnis. „Die Tiere können durch die scharfen Messer massive Verletzungen erleiden“, sagt Rottleb. „Besonders Jungtiere sind gefährdet, allein schon wegen ihrer geringeren Körpergröße.“ Oft bleibt das Massaker auf dem Rasen allerdings unbemerkt, da die Wildtiere im Verletzungsfall keine Schmerzenslaute ausstoßen und sich ins Unterholz zurückziehen, um dort qualvoll zu verenden.
Der NABU rät daher, Mähroboter nur tagsüber zu nutzen, da Igel nachtaktiv sind. Auch beim Einsatz von Fadenmähern ist Vorsicht geboten. Rottleb: „Unter Hecken und im hohen Gras sollte man vor dem Mähen unbedingt mit einem Laubrechen prüfen, ob dort ein Igel schläft.“
Ein permanent vom Mähroboter gepflegter Rasen schadet dem Igel und anderen Gartentieren außerdem bei der Nahrungssuche. Blühpflanzen und Kräuter gehen verloren, die für den Igel notwendige Insekten- und Kleintierpopulation wird abgetötet, bis nur noch eine biologische wertlose grüne Fläche übrig bleibt. „Wer Igeln helfen möchte, sollte seinen Garten möglichst naturnah gestalten“, rät Rottleb. „Dazu gehören heimische Sträucher und Stauden, außerdem auch eine wilde Ecke oder ein selbstgebautes Igelhaus zum Verstecken.“

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