13.01.2020, Max-Planck-Institut für Ornithologie
Wer zuerst kommt, brütet zuerst: Die Ankunftszeit im Brutgebiet ist auch für Standvögel wichtig für die Fortpflanzung
Der Zeitpunkt für die Ankunft im Brutgebiet ist bei Vögeln mitentscheidend dafür, wer am Ende brütet und wer nicht. Dies ist für Zugvögel bekannt, wurde aber nun zum ersten Mal auch eine als Standvogel bezeichnete Vogelart untersucht. Auch sie verlassen oft ihr Brutgebiet, wenn die Jungen das Nest verlassen haben. Die zuerst wieder zurückkehrenden Vögel brüten dann erfolgreicher. Die Ergebnisse zeigen, dass es möglicherweise gar keine Standvögel im eigentlichen Wortsinn gibt. Als Vogelzug müssten dann nicht nur die Reisen über hunderte oder tausende von Kilometern gelten, sondern auch kürzere Flüge zwischen den Überwinterungs- und den Brutgebieten.
Zugvögel, die früh im Brutgebiet ankommen, finden eher einen Partner und/oder ein gutes Territorium zum Brüten und erhöhen so ihren Fortpflanzungserfolg. Zu früh im Jahr aufzubrechen kann jedoch auch schnell lebensgefährlich werden, wenn die Umgebungsbedingungen noch zu rau und winterlich sind. Für Standvögel hingegen gab es bisher noch keine Untersuchungen darüber, wann sie im Brutgebiet ankommen. Vermutlich wurde angenommen, dass die meisten Tiere auch außerhalb der Brutzeit im Gebiet bleiben.
Die Blaumeise ist in ihrem nördlichen Verbreitungsgebiet ein Teilzieher, gilt aber im Rest Europas als Standvogel. In einem Studiengebiet in Bayern haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Ornithologie mit Hilfe eines selbst entwickelten und konstruierten Beobachtungssystems alle dort vorkommenden Blaumeisen über das ganze Jahr erfasst. Den einzelnen Tieren konnten sie über eine PIT-Markierung folgen. Diese „Passiv-Integrated-Transponder“ sind kleine Chips mit einer individuellen Kennzahl. Sie werden von außen durch ein Lesegerät aktiviert, welches in 16 Futterautomaten und allen 277 Nistkästen im Gebiet eingebaut wurde. So konnten die Forscher*innen die genauen Besuchszeitpunkte jedes PIT-markierten Vogels registrieren und darüber die Ankunftszeit jedes erwachsenen Vogels im Studiengebiet bestimmen.
Am Ende der Brutzeit im Juni hörten die Blaumeisen für einige Monate auf, die Nistkästen zu besuchen. Viele Individuen wurden dann erstmalig wieder im Herbst an einem Futterautomat oder einer Nestbox registriert (zwischen Ende August und Oktober). Ein weiterer Schwung Vögel kam im Winter an (zwischen Januar und März). „Durch diese Daten gehen wir davon aus, dass einige Vögel wirkliche Standvögel gewesen sind, die auch den Winter im Brutgebiet verbracht haben, während andere das Gebiet nach dem Brüten verlassen haben“, sagt Carol Gilsenan, Erstautorin der Studie.
Unterschiedliche Ankunftszeiten des Partners erklärt das Vorkommen von Scheidungen
Überraschenderweise tauchen einzelne Tiere jedes Jahr ungefähr zur gleichen Zeit im Brutgebiet auf – und das, obwohl sich die Ankunftszeiten über acht Monate erstrecken. Dabei erreichen Männchen das Brutgebiet im Allgemeinen früher als Weibchen.
Vögel, die schon zuvor gemeinsam gebrütet haben, tauchen fast gleichzeitig wieder im Brutgebiet auf. Eine frühere Studie aus der Forschungsabteilung zeigt jedoch, dass die Männchen und Weibchen nach ihrer Ankunft nicht geduldig auf den Partner warten: Taucht er oder sie nicht innerhalb einer Woche auf, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Trennung stark an. „Bei einer kurzlebigen Art wie der Blaumeise würden Tiere, die sich fürs Warten entscheiden, am Ende vielleicht ohne Gelege dastehen“, erklärt Gilsenan.
Die Wissenschaftler fanden, dass früh ankommende Vögel auch eher brüten und dass die Ankunftszeit sich auf zahlreiche Aspekte des Bruterfolges auswirkt. Wie weit sich einige der Blaumeisen vom Brutgebiet entfernen und wo sie die Wintermonate verbringen, bleibt unklar. Bart Kempenaers, der die Untersuchung geleitet hat, ist sich jedoch sicher: „Unsere Daten zeigen, dass möglicherweise die meisten Blaumeisen das Brutgebiet außerhalb der Brutzeit verlassen. Zugvögel und Nicht-Zugvögel unterscheiden sich vielleicht vor allem darin, wie weit sie dann fliegen.“ Ob weitere Untersuchungen der saisonalen Bewegungen von Individuen die Gegensätzlichkeit zwischen „Standvögeln“ und „Zugvögeln“ aufbricht, bleibt abzuwarten.
Originalpublikation:
Carol Gilsenan, Mihai Valcu, Bart Kempenaers (2020). Timing of arrival in the breeding area is repeatable and affects reproductive success in a non-migratory population of blue tits. Journal of Animal Ecology, veröffentlicht am 12.01.2020 (https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/1365-2656.13160)
14.01.2020, Ruhr-Universität Bochum
Wie Prachtbienen Parfüms unterscheiden
Prachtbienenmännchen stellen in speziellen Hinterbeintaschen Parfüms zusammen, die sie für ihr Balzverhalten einsetzen. Diese Duftmischungen sind artspezifisch und unterscheiden sich auch zwischen nah verwandten Arten. Zoologinnen und Zoologen der Universität von Kalifornien in Davis und der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben herausgefunden, dass ein bestimmter Geruchsrezeptor in den Antennen der Prachtbienen artspezifisch auf Gerüche anspricht. Das könnte die unterschiedlichen Parfüms erklären. Das Forschungsteam berichtet in der Zeitschrift Nature Communications vom 13. Januar 2020.
Parfümiert auf die Balz
Prachtbienen (Euglossini) sind eine der wichtigsten Gruppen bestäubender Insekten in den Tropen der Neuen Welt. Eine große Besonderheit ist das Verhalten der Männchen, in ihrer Umwelt Duftstoffe zu sammeln und diese in speziellen Hinterbeintaschen zu einem Parfüm zu kombinieren, das sie beim Balzverhalten wieder freisetzen. Die Quellen der Duftstoffe sind unter anderem Blüten, Pilze und verrottende Früchte. Männchen aller Prachtbienenarten bilden solche Parfüms, allerdings unterscheiden sich diese Düfte in ihrer chemischen Zusammensetzung, auch zwischen nah verwandten Arten.
Die Parfüms der Männchen zweier äußerlich fast identischer Schwesterarten aus Mittelamerika unterscheiden sich vor allem in einer Hauptkomponente des Parfüms, dem 2-Hydroxy-6-nona-1,3-dienyl-benzaldehyd (HNDB). Eine Art – Euglossa dilemma – reichert es an, die andere – Euglossa viridissima – nicht. In der jetzt veröffentlichten Studie hat das amerikanisch-deutsche Team untersucht, auf welchen genetischen Mechanismen das beruhen könnte.
Arten mischen sich nicht
Zunächst überprüften die Forscher mit populationsgenetischen Methoden, ob sich die beiden Arten überall in ihrem Verbreitungsgebiet ausschließlich innerhalb der Art fortpflanzen. „Wir sprechen davon, dass sie reproduktiv isoliert sind, und zwar auch in Bereichen, in denen beide Arten vorkommen“, erklärt Dr. Philipp Brand. „Das war der Fall, obwohl in geringem Maße Genfluss nachgewiesen werden konnte“, so der Wissenschaftler, der die Arbeiten an der Universität Kalifornien in Davis bei Prof. Dr. Santiago Ramírez durchführte und inzwischen an die Rockefeller University gewechselt ist.
Anschließend suchten die Forscherinnen und Forscher per Genomsequenzierung nach Stellen im Erbgut, die zwischen den Arten besonders unterschiedlich sind. „Dabei sind uns vor allem zwei Cluster von Genen aufgefallen, die für sogenannte Geruchsrezeptoren kodieren, also für die Proteine, die in den Antennen von Insekten für die Duftwahrnehmung verantwortlich sind“, erläutert Privatdozent Dr. Thomas Eltz vom Lehrstuhl Evolutionsökologie und Biodiversität der Tiere der RUB. Ein Gen, der Geruchsrezeptor OR41, zeigte besonders große Unterschiede, sodass die Forscher es für funktionelle Untersuchungen auswählten.
Geruchsrezeptoren sind spezialisiert
Dazu veränderten die Forscher die Taufliege Drosophila genetisch so, dass sie in ihren Antennen eine der beiden Varianten des Prachtbienenrezeptors benutzten. Diese Fliegen untersuchten sie dann mit elektrophysiologischen Methoden auf ihre Geruchswahrnehmung. „Die Empfindlichkeit gegenüber einer Palette von Testsubstanzen unterschied sich stark“, so Eltz. Der Rezeptor aus der Bienenart Euglossa viridissima, die kein HNDB sammelt, vermittelte eine breite Empfindlichkeit für viele verschiedene Duftstoffe inklusive HNDB. Der Rezeptor der Bienenart Euglossa dilemma, die HNDB sammelt, sprach dagegen ausschließlich auf HNDB an. „Die Geruchswahrnehmung ist also auf Rezeptorebene spezialisiert – was die Spezialisierung auf Ebene der männlichen Parfüme widerspiegelt“, erklären die Forscher.
Weitere Untersuchungen sollen zeigen, ob auch die Parfümpräferenz der Prachtbienenweibchen von HNDB und OR41 beeinflusst ist.
Originalveröffentlichung
Philipp Brand, Ismael A. Hinojosa-Díaz, Ricardo Ayala, Michael Daigle, Carmen L. Yurrita Obiols, Thomas Eltz, Santiago R. Ramírez: The evolution of sexual signaling is linked to odorant receptor tuning in perfume-collecting orchid bees, in: Nature Communications 2020, DOI: 10.1038/s41467-019-14162-6, https://www.nature.com/articles/s41467-019-14162-6
14.01.2020, Universität Basel
Eiertausch bei Zwitterfischen: Warum geben, wenn man auch nur nehmen kann?
Das Sexualleben von zwittrigen Tieren ist durch eine fundamentale Frage bestimmt: Wer übernimmt die weibliche Rolle und gibt die kostspieligen Eizellen her? Hamletbarsche entgehen dem Dilemma durch einen gegenseitigen Eiertausch. Was es braucht, damit dieser komplexe Handel funktioniert, haben Wissenschaftler nun mithilfe mikroökonomischer Modelle analysiert. Die Ergebnisse liegen in «The American Naturalist» vor.
Die Hamletbarsche, die in Korallenriffen in der Karibik leben, sind Zwitter. Eine ihrer Strategien bei der Paarung ist es, sich gegenseitig Eier weiterzugeben. Die Rolle des Samenspenders ist eigentlich bevorzugt, kostet doch die Produktion von Eiern mehr Energie. Indem beide Tiere bei der Paarung mit demselben Partner nacheinander beide Rollen einnehmen, ist keines im Nachteil – ein fairer Handel.
Tausch, Spende, Betrug
Andere Populationen aus der Familie der Sägebarsche kennen hingegen keinen solchen Tausch. Stattdessen geben sie ihre Eier bedingungslos weiter, wenn sie auf einen paarungsfähigen Artgenossen treffen.
Der gegenseitige Eiertausch ist evolutionär gesehen vermutlich keine ursprüngliche Strategie, weil der Tausch ein komplexes reziprokes Verhalten voraussetzt. Welche Faktoren dafür verantwortlich sein können, dass er sich bei den Hamletbarschen – nicht aber bei anderen Sägebarschen – zu einer verbreiteten Strategie entwickelt hat, hat ein interdisziplinäres Forschungsteam nun untersucht.
Die Forscher entwickelten dafür ein Modell, welches auch eine dritte Verhaltensweise berücksichtigt, die den Erfolg der Eiertausch-Strategie unterminieren kann: die Betrügerstrategie. Dabei tut einer der beiden Fische nur so, als wolle er die Eierspende erwidern, zieht sich jedoch nach der Befruchtung der fremden Eier zurück.
Biologie und Spieltheorie
Professor Georg Nöldeke, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Basel, ist Experte für Spieltheorie. «Die Spieltheorie fragt danach, wie ein auf die Situation gut angepasstes Entscheidungsverhalten aussieht, wenn die Situation wesentlich durch das Entscheidungsverhalten anderer Individuen bestimmt wird», sagt er «Im Grunde spielt es dabei keine grosse Rolle, ob es um Tierverhalten oder das Verhalten von Menschen geht.»
Zusammen mit dem Meeresbiologen Oscar Puebla und dem Verhaltensökologen Jorge Peña sah sich der Mikroökonom Nöldeke so in der Lage, ein spieltheoretisches Modell des Paarungsverhaltens von Zwittern zu konzipieren, das sowohl die Entstehung des Eiertausches als auch die Durchsetzung dieser Strategie gegenüber anderen Möglichkeiten erklärt.
Vier notwendige Bedingungen
Die Resultate zeigen, dass der gegenseitige Handel nur unter restriktiven Bedingungen zustande kommt und auch erhalten bleibt. Erstens müssen Eier in der Produktion relativ kostspielig sein. Zweitens darf es nicht zu schwer sein, einen Partner zu finden. «Auf jemanden zu warten, mit dem ein fairer Tausch möglich ist, macht nur dann Sinn, wenn die Wahrscheinlichkeit relativ hoch ist, dass ich so jemanden überhaupt treffe», veranschaulicht Nöldeke.
Drittens darf es aber auch nicht zu leicht sein, einen Partner zu finden, weil sonst die Möglichkeit des Betruges zu attraktiv ist. Zuletzt muss eine Chance bestehen, Betrüger vor der Befruchtung zu erkennen und sich darum nicht mit ihnen zu paaren. Nur so lohne es sich, überhaupt die Strategie des Tausches zu verfolgen.
«Anhand dieses Modells konnten wir erstmals theoretisch zeigen, welche Faktoren entscheidend sind, um den Eiertausch erklären zu können», beschreibt Nöldeke die Bedeutung der Forschungsergebnisse. «Wir hoffen nun, dass andere Biologen die zur Prüfung unserer Theorie erforderlichen Daten sammeln und sind gespannt auf die Ergebnisse.»
Originalpublikation:
Jorge Peña, Georg Nöldeke, and Oscar Puebla
The evolution of egg trading in simultaneous hermaphrodites
The American Naturalist (2019), doi: 10.1086/707016
https://www.journals.uchicago.edu/doi/10.1086/707016
15.01.2020, NABU
Milder Winter beschert uns weniger Gäste am Futterhaus
Bei der Stunde der Wintervögel wurden rund 38 Vögel pro Garten gezählt
hohe Teilnehmerzahl
Haussperling, Kohlmeise, Blaumeise, Feldsperling und Amsel – das sind die fünf häufigsten Vögel in Deutschlands Gärten, wie die „Stunde der Wintervögel“ am vergangenen Wochenende gezeigt hat.
Der NABU und sein bayerischer Partner LBV freuen sich über die weiter steigende Beteiligung an Deutschlands größter wissenschaftlicher Mitmachaktion, die am vergangenen Wochenende bei sehr mildem Winterwetter zum zehnten Mal stattfand. Bis Mittwoch Morgen wurden bereits die Zählergebnisse von über 112.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus fast 77.000 Gärten erfasst. Mit über 2,9 Millionen Vögeln wurden damit pro Garten knapp 38 Vögel gemeldet.
„Das liegt zwar etwas unter dem langjährigen Schnitt von 39,8 Vögeln, entspricht aber genau unseren Erwartungen“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller, „Die Daten aus inzwischen einem Jahrzehnt Stunde der Wintervögel zeigen deutlich, dass die Zahl der Vögel in den Gärten umso geringer ist, je milder und schneeärmer der Winter ist.“ Denn erst wenn es kalt wird und Schnee liegt, suchen viele Waldvögel Zuflucht in den Gärten der etwas wärmeren Städte, in denen sie oft reich bestückte Futterstellen vorfinden. Dazu passt, dass der ewige Spitzenreiter Haussperling, der sein ganzes Leben in den Dörfern und Städten verbringt, nur in den beiden kältesten Wintern des Jahrzehnts, 2011 und 2013 durch die vor allem in Wäldern lebende Kohlmeise vom Spitzenplatz verdrängt wurde, so Miller.
Die Ornithologen des NABU freuen sich über das Spitzenergebnis des Haussperlings mit 6,8 Vögeln pro Garten. Noch nie waren es mehr Haussperlinge seit Beginn der Aktion im Jahr 2011. Offensichtlich kommt diese Art mit den zuletzt sehr warmen und trockenen Sommern gut zurecht. Damit bestätigt sich die leichte Bestandserholung nach Jahrzehnten eines deutlichen Rückgangs.
Die Amsel, die im vergangenen Winter aufgrund einer massiven Ausbreitung des für Amseln tödlichen Usutu-Virus im Jahr zuvor deutliche Einbußen zu verzeichnen hatte, verharrte auf diesem niedrigen Niveau. Die Usutu-Saison 2019 war deutlich schwächer und hat damit offensichtlich zu keiner weiteren Abnahme geführt.
Größtes Sorgenkind der Naturschützer ist weiterhin der Grünfink. Mit nur noch 1,17 Vögeln pro Garten setzt diese vor allem in Städten und Dörfern lebende Art ihre Serie von Minusrekorden fort. Seit 2011 nimmt diese Art von Jahr zu Jahr um zwölf Prozent ab. Als Ursache vermutet der NABU unter anderem Trichomoniasis, eine Infektionen mit einem einzelligen Parasiten, mit dem sich diese Finken häufig an sommerlichen Vogelfutterstellen infizieren.
Auffällig war, wie erwartet, eine große Zahl von Eichelhähern in Deutschlands Gärten. In vier von zehn Gärten konnte diese Art beobachtet werden. Mit 0,82 Vögeln pro Garten waren es 40 Prozent mehr als im langjährigen Mittel. Zum Rekord hat es trotz des im Herbst festgestellten massiven Einflugs nord- und osteuropäischer Häher jedoch nicht gereicht: Im Kältewinter 2011 waren es noch etwas mehr.
Weitere Zählergebnisse können unter www.stundederwintervoegel.de noch bis zum 20. Januar gemeldet werden.
15.01.2020, Forschungsverbund Berlin e.V.
Wissenschaftsteam erzeugt einen dritten Embryo – ein weiterer Schritt zur Rettung des Nördlichen Breitmaulnashorns
Im Dezember 2019 wiederholte das „BioRescue Wissenschafts- und Naturschutzteam“ die Eizellenentnahme bei den Nördlichen Breitmaulnashörnern in Kenia und konnte über Weihnachten einen neuen Embryo erzeugen.
Im August 2019 hat das BMBF-geförderte „BioRescue Wissenschafts- und Naturschutzteam“ einen Meilenstein im Kampf gegen das Aussterben des Nördlichen Breitmaulnashorns erreicht. Es entnahm den beiden verbliebenen Weibchen Eizellen, befruchtete diese künstlich mit gefrorenem Sperma von verstorbenen Männchen und erzeugte zwei Nördliche Breitmaulnashorn-Embryos. Mit großer Unterstützung der kenianischen Regierung und im Beisein von Hon Najib Balala (Cabinet Secretary, Ministry of Tourism and Wildlife, Kenya) wiederholte das Team die Prozedur am 17. Dezember 2019 und konnte über Weihnachten einen neuen Embryo erzeugen. Dies erhöht die Chancen auf Nachwuchs für die Dickhäuter erheblich. Die Prozedur hat sich als sicher erwiesen und kann solange regelmäßig durchgeführt werden, bis die Tiere zu alt sind. Die Vorbereitungen für die nächsten Schritte der Rettungsmission für das Nördliche Breitmaulnashorn sind im Gange.
Am 17. Dezember 2019 – vier Monate nach der bahnbrechenden ersten Eizellenentnahme – wiederholte das BioRescue-Team die Prozedur mit den Nördlichen Breitmaulnashörnern Najin und Fatu in der Ol Pejeta Conservancy in Kenia. Unter der Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung wurden die Tiere narkotisiert und neun unreife Eizellen (Oozyten) – drei von Najin und sechs von Fatu – wurden mit einem selbst entwickelten medizinischen Spezialgerät entnommen. Das Anästhesieren der Tiere und die von Ultraschallbildern geleitete Eizellenentnahme verliefen ohne Komplikationen. Die Eizellen wurden umgehend in das Labor von Avantea in Italien transportiert. Nach der Inkubation und Reifung der neun Eizellen wurden vier von Fatu und eine von Najin mit einem Spermium befruchtet. Das dabei angewandte Verfahren heißt ICSI (Intra Cytoplasm Sperm Injection). Eine der fünf mit einem Spermium des Nashornbullen Suni befruchteten Eizellen von Fatu entwickelte sich zu einem lebensfähigen Embryo mit Hilfe eines Geri®-Gerätes. Dieser innovative Tisch-Inkubator mit integrierter kontinuierlicher Embryonenüberwachung bietet eine individuelle und ungestörte Inkubationsumgebung und wurde dem BioRescue-Konsortium von Merck gespendet. Der dritte erzeugte Embryo lagert jetzt auch sicher im flüssigen Stickstoff.
Hon Najib Balala (Cabinet Secretary, Ministry of Tourism and Wildlife, Kenia) sagt: „Die kenianische Regierung ist glücklich darüber, dass das in-vitro-Fertilisationsprojekt des internationalen Konsortiums von Wissenschaftlern und Naturschützern aus Deutschland, der Tschechischen Republik, Italien und Kenia so erfolgreich ist und drei reine Nördliche Breitmaulnashorn-Embryos erzeugen konnte. Diese können in der kommenden Zeit in Leihmütter – südliche Breitmaulnashorn-Weibchen – eingesetzt werden. Das ist ein großer Gewinn für Kenia und seine Partner, da Nördliche Breitmaulnashörner unmittelbar vom Aussterben bedroht sind. Nur noch zwei Weibchen, Najin und Fatu, existieren weltweit und leben derzeit in Kenia. Die Rettungsmission ist ein komplizierter Vorgang und wir danken den Partnern für ihr Engagement: dem Kenya Wildlife Service, der Ol Pejeta Conservancy, dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, dem Labor Avantea und dem Zoo Dvůr Králové. Sie setzen sich unermüdlich dafür ein, dass diese akut vom Aussterben bedrohten Tiere nicht unter unseren Augen vom Planeten verschwinden. Ich sporne die Wissenschaftler an, weiter an Technologien und Innovationen zu forschen, die nicht nur die Nördlichen Breitmaulnashörner retten, sondern auch anderen Tierarten mit – ähnlich düsteren Aussichten – helfen können. Der Umstand, dass Kenia zu einem Fixpunkt dieses wissenschaftlichen Durchbruchs wurde, macht mich stolz. Es ist atemberaubend zu sehen, dass die Wissenschaft uns in die Lage versetzt, den tragischen Verlust dieser Nashorn-Unterart doch noch abzuwenden.“
Die Vorbereitungen für die nächsten Schritte der Mission zur Rettung des Nördlichen Breitmaulnashorns laufen auf Hochtouren und parallel zur Erzeugung von weiteren Embryos. Aus einer Gruppe Südlicher Breitmaulnashörner in der Ol Pejeta Conservancy wird derzeit ein passendes Weibchen als Leihmutter ausgewählt. Um die bestmöglichen Ergebnisse für die Arbeit mit den Nördlichen Breitmaulnashorn-Embryos zu erzielen, stützt sich das BioRescue-Team auf seine bisherigen Erfahrungen im Embryotransfer bei Südlichen Breitmaulnashörnern in Europäischen Zoos. Diese werden vom BioRescue-Team durchgeführt, um Reproduktionsproblemen von Südlichen Breitmaulnashörnern in europäischen Zoos zu beheben. Obwohl noch Forschungsbedarf besteht, rechnet das Team damit, dass ein erster Transfer eines Nördlichen Breitmaulnashorn-Embryos Ende 2020 erfolgen kann.
Zusätzlich zur Eizellenentnahme transportierte das BioRescue-Team im Dezember 2019 auch kryokonserviertes Sperma von Sudan, dem letzten nördlichen Breitmaulnashorn-Männchen, das im März 2018 verstarb, von Kenia nach Deutschland. Ziel ist es, das Sperma in Zukunft für die Produktion weiterer Embryos zu verwenden. Da die Proben jedoch erst 2014 gewonnen wurden, als Sudan bereits über 40 Jahre alt war, muss zunächst geprüft werden, ob er für diesen Einsatzzweck noch geeignet ist.
Die Eizellenentnahme, die Erzeugung der Embryos und die Vorbereitung des Embryotransfers ist eine Gemeinschaftsleistung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW), Avantea, Zoo Dvůr Králové, Ol Pejeta Conservancy und des Kenya Wildlife Service (KWS). Die Eingriffe und Prozeduren sind Teil des Forschungsprojekts „BioRescue“, dessen Ziel es ist, Methoden der assistierten Reproduktion (ART) und der Stammzell-assoziierten Techniken (SCAT) für den Artenschutz deutlich voranzubringen. Ergänzt wird das BioRescue-Programm durch eine umfassende ethische Risikoanalyse, die von der Universität Padua durchgeführt wird. Das BioRescue-Konsortium wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und besteht aus international renommierten Institutionen aus Deutschland, Italien, Tschechien, Kenia, Japan und den USA.
15.01.2020, Universität Zürich
Wie Zebrafinken ihren Balzgesang lernen
Komplexe Lernprozesse wie Sprechen oder Singen laufen nach ähnlichen Mustern ab. Am Beispiel von Zebrafinken zeigen Forschende der UZH und der ETH Zürich, wie die Jungvö-gel die Balzgesänge ihrer Väter imitieren und tausendfach üben. Dabei erinnern sie sich an den Gesang vom Vortag und knüpfen optimal daran an.
Das ganze Leben lang müssen wir uns neue motorische Fähigkeiten aneignen: Ein Baby etwa lernt von Geburt an, seine Arme und Hände zu bewegen, Worte auszusprechen und zu gehen. Die Menschen lernen einen Bewegungsablauf meist durch Üben und tausendfach Wiederholen. Dabei gelingen einige Versuche besser als andere und sie werden insgesamt besser.
Diesen Fortschritt ermöglichen Veränderungen in der Vernetzung des Gehirns. In vielen Hirnarea-len müssen Millionen von Verbindungen zwischen Neuronen sowie zwischen Gehirn und Muskeln angepasst werden. Sie müssen zudem gefestigt werden, damit die verbesserten Bewegungsab-läufe nicht verloren gehen, wenn die gleichen Hirnareale aktiviert werden, um eine weitere Fähig-keit zu lernen.
Einfache Kurve für komplexe Bewegungen
Um die biologischen Grundlagen des Lernens zu verstehen, muss die Forschung Gemeinsamkei-ten im Erlernen von äusserst verschiedenen Fähigkeiten und Bewegungsabläufen finden. „Beim Klavierspielen oder beim Spracherwerb laufen sehr ähnliche Mechanismen ab. Die beteiligten Muskeln sind jedoch völlig unterschiedlich“, sagt Sepp Kollmorgen, Post-Doktorand am Institut für Neuroinformatik der Universität Zürich.
In einer neuen Studie untersuchten Forschende der Universität Zürich und der ETH Zürich am Institut für Neuroinformatik die allgemeinen Prinzipien, die dem Erlernen von komplexen motori-schen Fertigkeiten zugrunde liegen. Sie führten einen allgemeingültigen Algorithmus ein, der die unzähligen Veränderungen während eines Lernprozesses auf eine einfache Lernkurve reduziert. So konnten die Wissenschaftler ablesen, wie und wann sich die einzelnen Versuche veränderten, ohne dass alle Details der beteiligten Bewegungen berücksichtigt werden mussten.
Zebrafinken üben ihr Lied tausendmal am Tag
Mit ihrer neuen Methode untersuchte das Team, wie männliche Zebrafinken singen lernen. In freier Wildbahn imitieren die Jungvögel den Gesang eines ausgewachsenen Finken, um später Weibchen anzulocken. Im Alter von etwa 40 Tagen beginnen sie, den Gesang nachzuahmen und üben ihn über drei Monate viele tausend Mal pro Tag. „Wir vermuten, dass die Prozesse, die beim Lernen im Gehirn der Vögel aktiv sind, beim Menschen etwa analog ablaufen“, erklärt Richard Hahnloser, Professor für Neuroinformatik an der ETH Zürich. Der Vorteil einer Studie bei Vögeln sei allerdings, dass viel präzisere Werkzeuge zur Verfügung stehen, um den Lernprozess im Gehirn zu beobachten.
Besonders gute Versuche werden nicht vergessen
Die Lernkurve der Zebrafinken enthält Überraschendes: Zum einen zeigt sich, dass der Lernpro-zess vielschichtig ist und sich guter und schlechter Gesang unterschiedlich verändert. An einem Tag klingen die meisten Lieder ähnlich, aber gelegentlich produziert der Vogel einen besonders guten oder einen wirklich schlechten Versuch. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass sich die besten Lieder im Laufe eines Tages langsam aber stetig verbessern und sich über Nacht nicht verändern. Am nächsten Morgen klingen die besten Lieder ebenso gut wie am Vorabend. Die sehr schlechten dagegen verbessern sich während eines Tages schnell – aber dann vergisst der Vogel über Nacht die meisten Fortschritte. Am nächsten Morgen klingen die sehr schlechten Ver-suche wieder fast genauso wie am Vortag.
Zudem zeigen die Lernkurven, dass die meisten Veränderungen über Nacht vergessen gehen, wenn sie nichts mit dem zu tun haben, was der Vogel zu singen versucht. „Die Vögel scheinen unglaublich effizient zu sein. Dank des Schlafes erinnern sie sich an die positiven Dinge, die sie tagsüber gelernt haben, und vergessen den unwichtigen Rest“, erklärt Valerio Mante, Professor am Institut für Neuroinformatik der Universität Zürich.
Grosses therapeutisches Potential
Diese Prozesse sind die Grundlage für ein besseres Verständnis darüber, wie Lernen im Gehirn abläuft. Das therapeutische Potenzial dieser Erkenntnisse ist gross: Verstünde man zum Beispiel, warum es so schwer ist, sich an Verbesserungen weniger gelungenen Abläufe zu erinnern, wären effizientere Trainingspläne in der Rehabilitation für Schlaganfall- oder Unfallopfer möglich. Es wäre letztlich sogar denkbar, direkt auf bestimmte Hirnareale zuzugreifen, um den Lernprozess zu stimulieren, folgern die Forschenden.
Originalpublikation:
Sepp Kollmorgen, Richard Hahnloser and Valerio Mante. Nearest neighbors reveal fast and slow components of motor learning. Nature, 8. January 2020. Doi: 10.1038/s41586-019-1892-x
15.01.2020, Karl-Franzens-Universität Graz
Tierische Hinweise: ForscherInnen der Universität Graz beobachten anhand von Milben den Klimawandel
Als attraktive Tierchen würden Milben wohl bei den wenigsten durchgehen. Tobias Pfingstl vom Institut der Biologie der Universität Graz kann ihnen allerdings sehr viel abgewinnen. Er beschäftigt sich vor allem mit Arten, die in Küstenregionen beheimatet sind und damit sowohl unter Wasser als auch an Land überleben können. Vom Anstieg des Meeresspiegels sind diese als erste betroffen – und damit auch anfällig für die Folgen des Klimawandels. Die neuesten Forschungsergebnisse über Genetik und Verbreitung der Spinnentiere an der Japanischen Küste sind kürzlich in den Scientific Reports des Fachmagazins Nature erschienen und geben Aufschluss über geografische und klimatische Veränderungen.
„Wir haben mehrere Milbenarten analysiert, die in den warmen Klimazonen beheimatet sind. Ihre Verbreitungsgebiete haben sich während der letzten 1,5 Millionen Jahre markant verschoben, woraus wir zweifelsfrei auf klimatische Veränderungen schließen können“, berichtet Tobias Pfingstl. Genetische Vergleiche haben außerdem gezeigt, dass die Spinnentiere ihren Lebensraum in den letzten 100 000 Jahren sehr stark ausgeweitet haben. „Da sie weder fliegen noch weit krabbeln können, sind sie auf Wasser angewiesen, das sie in neue Regionen spült“, so der Wissenschafter. Die Forschungsergebnisse sind also ein Beweis für die starke Schwankung des Meeresspiegels – die seit der letzten Eiszeit bis zu 200 Meter betragen haben soll.
Die Beobachtungen, die die BiologInnen anhand der Milben gemacht haben, sind auch auf viele andere Tiergruppen übertragbar. Pfingstl und sein Team dokumentieren nun weiterhin Veränderungen im Verbreitungsgebiet, um daraus Prognosen für die gesamte Küstenfauna abzuleiten.
Die japanischen Küstenregionen sind für WissenschafterInnen besonders interessante Biotope, da sie sich über mehrere Klimazonen ziehen und die Tierwelt aufgrund der Insellage kaum Möglichkeiten hat, in andere Gegenden abzuwandern. „Viele Arten haben nur dort überlebt beziehungsweise sind überhaupt erst dort entstanden“, erklärt Pfingstl. In dem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Forschungsprojekt untersuchen die BiologInnen die gesamte Biodiversität entlang der Küsten des ostasiatischen Staates.
Originalpublikation:
Tobias Pfingstl, Maximilian Wagner, Shimpei F. Hiruta, Stephan Koblmüller, Wataru Hagino, Satoschi Shimano: Phylogeographic patterns of intertidal arthropods (Acari, Oribatida) from southern Japanese islands reflect paleoclimatic events, Scientific Reports (2019) 9:19042
https://doi.org/10.1038/s41598-019-55270-z
15.01.2020, Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung
Was Paare zusammenhält
Sie verwöhnt ihn, er kümmert sich um den Nachwuchs und vertreibt Angreifer
Bei Säugetieren sind Paarbindungen sehr selten, zu den wenigen Ausnahmen gehören die Roten Springaffen Südamerikas. Diese relativ kleinen Baumbewohner leben in Paaren beziehungsweise kleinen Familiengruppen und zeichnen sich dadurch aus, dass sich die Männchen intensiv um den Nachwuchs kümmern. Ein Forscherteam vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung hat jetzt untersucht, wie die Paarbeziehungen bei Springaffen funktionieren. Ihre Ergebnisse belegen die sogenannte „Männer-Service-Hypothese“: Die Männchen liefern einen nützlichen Service, indem sie sich mehr um die Kinder kümmern und das Territorium gegen Eindringlinge verteidigen, während die Weibchen mehr die Beziehungspflege übernehmen und beispielsweise die Nähe ihres Partners suchen (Journal of the Royal Society Open Science).
Weniger als zehn Prozent aller Säugetierarten leben in Paarbeziehungen, wobei letztere schwer zu definieren sind. Teilen sich die Tiere lediglich ein Territorium oder handelt es sich um eine langfristige, auf gegenseitigem Kontakt beruhende Beziehung? Und wenn ja, wie wird diese Beziehung aufrechterhalten? Um dies herauszufinden, haben Verhaltensbiologen vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) sieben an die Gegenwart von Menschen gewöhnte Gruppen von Roten Springaffen im peruanischen Amazonasregenwald nahe der DPZ-Forschungsstation Quebrada Blanco untersucht. Springaffen sind ein Lehrbuch-Beispiel für Paarleben bei Säugetieren. Die Paare bleiben viele Jahre zusammen und die Männchen bringen sich intensiv in die Jungenaufzucht ein. Die Jungen werden nahezu ausschließlich vom Vater getragen und werden der Mutter nur zum Säugen übergeben. Außerdem spielen die Väter mit ihren Kindern teilen ihr Futter häufiger mit ihnen als die Mütter dies tun.
Die Forscher wollten wissen, welche Vorteile das Paarleben sowohl für die Männchen als auch für die Weibchen mit sich bringt und welchen Beitrag die jeweiligen Geschlechter zur Beziehung leisten. Dazu haben sie die Tiere über einen Zeitraum von zwei Mal sieben Monaten von morgens bis abends beobachtet und notiert, welches Tier die Nähe seines Partners suchte, wer bei wem Fellpflege betrieben hat und welche Tiere sich an Auseinandersetzungen mit Eindringlingen beteiligten.
Weibchen betreiben Beziehungspflege, Männchen bieten Serviceleistungen
„Wir haben beobachtet, dass die Weibchen sich insbesondere nach der Geburt eines Jungtiers verstärkt um die Beziehungspflege kümmern, also aktiv die Nähe ihres Partners suchen und bei ihm Fellpflege betreiben“, sagt Sofya Dolotovskaya, Doktorandin am Deutschen Primatenzentrum und Erstautorin der Studie. Die Männchen hingegen haben sich verstärkt in Auseinandersetzungen mit Eindringlingen eingebracht. „Dieses Verhalten entspricht der ‚Männchen-Service-Hypothese‘, die besagt, dass Weibchen sich vor allem um die Nähe zum Partner kümmern, während dieser nützliche Dienstleistungen erbringt, wie Verteidigung gegen Eindringlinge oder Aufzucht der Jungtiere“, sagt Eckhard W. Heymann, Wissenschaftler am Deutschen Primatenzentrum und Leiter der DPZ-Forschungsstation Estación Biológica Quebrada Blanco in Peru. „Unsere Ergebnisse untermauern die Hypothese, dass der Einsatz der Männchen für die Jungenaufzucht ein wichtiger Faktor für die Aufrechterhaltung von Paarbeziehungen ist.“ In weiteren Untersuchungen wird derzeit geklärt, ob diese Paarbeziehungen mit monogamem Paarungsverhalten einhergehen.
Originalpublikation:
Dolotovskaya S, Walker S, Heymann, EW. 2020. What makes a pair bond in a Neotropical primate: female and male contributions. R. Soc. open sci. 7: 191489. http://dx.doi.org/10.1098/rsos.191489
17.01.2020, Dachverband Deutscher Avifaunisten
Mehr Mais, weniger Brachen: Feldvögel verschwinden
Vogelarten, die in Agrarlandschaften brüten, sind überdurchschnittlich stark bedroht: Selbst früher häufige Begleiter des Landwirts, wie Feldlerche oder Kiebitz, werden immer seltener. Andere, wie die Turteltaube, sind in vielen Regionen Deutschlands bereits ausgestorben.
Die generellen Ursachen für den Schwund der Feldvögel sind bekannt: Eine immer intensivere Landwirtschaft mit größeren Feldern und Traktoren, und wirksamere Pestizide, die Insekten als Nahrungsgrundlage vieler Vogelarten dezimieren.
In einer neuen Studie stellen Mitarbeiter des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA) und des Bundesamts für Naturschutz (BfN) nun dar, wie sich großflächige Änderungen in der Struktur der Agrarlandschaft und den angebauten Feldfrüchten auf die Feldvogelbestände ausgewirkt haben.
Mithilfe von statistischen Modellrechnungen wurden Zusammenhänge zwischen der jährlichen Häufigkeit von zwölf Feldvogelarten im Zeitraum 1991 bis 2013 und der Fläche verschiedener Landnutzungsarten dargestellt. Die Datengrundlage für die vorliegende Untersuchung lieferte das Monitoring häufiger Brutvögel des DDA, ein bundesweites Bürgerwissenschaften-Programm.
Insbesondere die zunehmende Maisanbaufläche wirkte sich negativ auf die Brutpaarzahlen vieler Arten aus. Hohe Anteile von Grünland und Brachflächen waren dagegen positiv für die untersuchten Arten. Dies zeigt nun erstmals auf bundesweiter Ebene, dass Feldvögel stark unter der großflächigen Umwandlung von Grünland zu Ackerland, und unter dem Wegfall der EU-Stilllegungsflächen ab dem Jahr 2007 gelitten haben. Betroffen sind weit verbreitete Arten wie Star und Feldlerche, aber auch das Braunkehlchen, eines der Sorgenkinder des Vogelschutzes.
Die Studie zeigt auch, dass die Bestandsentwicklung der betrachteten Vogelarten in verschiedenen Regionen Deutschlands weitgehend parallel lief – dies ist nicht verwunderlich, denn die untersuchten landwirtschaftlichen Prozesse betreffen ganz Mitteleuropa.
Neben der Landnutzung können weitere Faktoren die Bestandsentwicklung von Vogelarten beeinflussen. Unklar war etwa, ob die Ursachen für Verluste bei einigen Zugvögeln der Agrarlandschaft nicht vielleicht eher im afrikanischen Überwinterungsgebiet zu suchen sind. Dies scheint nach den neuen Ergebnissen nicht der Fall zu sein: Im Vergleich zu den Landschaftsänderungen im deutschen Brutgebiet zeigten klimatische Bedingungen in der Sahelzone Afrikas kaum einen Effekt auf die jährlichen Häufigkeiten von vier untersuchten Langstreckenziehern.
Die Studie ist in der Fachzeitschrift Bird Conservation International erschienen.
17.01.2020, Institute of Science and Technology Austria
Soziale Hygiene verändert Infektionsverlauf in Ameisen
Putzverhalten sozialer Ameisen beeinflusst Konkurrenzkampf von Pathogenen – Studie erscheint in Ecology Letters
Das soziale Putzverhalten von Ameisen zur Krankheitsbekämpfung verbessert bekanntermaßen das Wohlbefinden der gesamten Kolonie. Die Auswirkungen der sozialen Krankheitsabwehr auf die Konkurrenzverhältnisse der Erreger im Körper des Wirts waren bis dato jedoch nicht geklärt. In ihrer aktuellen Studie im Fachjournal Ecology Letters zeigen Sylvia Cremer und ihre Forschungsgruppe am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), dass kollektives Putzen den Ausgang von Infektionen durch mehrere Erreger auch bei einzelnen Koloniemitgliedern beeinflussen kann.
Wer aus einem Wettbewerb als Sieger hervorgeht, hängt vordergründig vom Gegner ab, dem man gegenübersteht. Doch auch der Einfluss der Umgebung und der Bedingungen, unter welchen der Kampf ausgetragen wird, ist nicht zu unterschätzen. So wie einige Skifahrer mehr von eisigen Verhältnissen profitieren als andere oder eine Tennisspielerin auf dem Sandplatz brilliert, während sie derselben Gegnerin auf Gras unterlegen ist, gibt das Immunsystem die Bedingungen für gleichzeitig aktive und konkurrierende Krankheitserreger vor.
Die Immunantwort des Körpers kann den Ausgang einer Infektion durch mehrere Pathogene beeinflussen, indem sie einem Erreger einen Vorteil im Vergleich zur Konkurrenz verschafft. Professor Sylvia Cremer und ihr Team vom Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) konnten nun erstmals zeigen, dass nicht nur das Immunsystem des einzelnen Wirts den Ausgang einer solchen Koinfektion bestimmt, sondern dass auch das soziale Umfeld eine Rolle dabei spielt.
Überleben des Schnelleren
Solitär lebende Arten sind im Kampf gegen Krankheiten auf sich gestellt. Im Gegensatz dazu unterstützen die Individuen von Gruppen sozialer Insekten – darunter Bienen, Ameisen oder Termiten – infizierte Nestgefährten bei der Körperhygiene, auch „Grooming“ genannt, und schaffen damit eine Umgebung „sozialer Immunität“. Die Cremer Gruppe fand nun heraus, dass neben dem individuellen Immunsystem des Wirts auch das Putzen der durch Pilzsporen befallenen Individuen durch andere Koloniemitglieder die Konkurrenzsituation im Wirtskörper beeinflusst – und damit auch die Erfolgsrate verschiedener Pathogene bei der nach erfolgter Infektion stattfindenden Sporenbildung.
Indem sie unterschiedliche Kombinationen an Pilzerregern testeten, fanden die WissenschafterInnen heraus, dass eine Erregerart, die sich bei einzeln gehaltenen Ameisen als sehr erfolgreich im Konkurrenzkampf mit anderen Arten zeigte, an Erfolg einbüßte, sobald das Individuum von einer Gruppe gesunder Ameisen umgeben war. Die Cremer Gruppe konnte auch zeigen, dass diese Veränderung der Konkurrenzverhältnisse in Folge des Groomings durch Nestgefährten nicht dadurch zustande kam, dass die Ameisen in ihrem Putzverhalten eine Pilzart der anderen vorzogen. Stattdessen ließ sich das getestete Ergebnis auf Unterschiede in der Anfälligkeit der einzelnen Pilzarten für das soziale Putzverhalten erklären: Jene Sporen, die relativ rasch in den Wirtskörper eindringen, zeigten sich weniger anfällig gegenüber dem Grooming-Verhalten als jene, die mehr Zeit brauchen, die Körperdecke zu durchdringen, um im Inneren der Ameise neue Sporen auszubilden. Aufgrund dieser niedrigeren Eindringgeschwindigkeit waren also die Erreger dem Putzverhalten der Ameisen länger ausgesetzt als ihre sonst schwächeren Konkurrenten.
Gruppenleiterin Sylvia Cremer fasst zusammen: „Braucht eine Pilzart mehr Zeit, in den Ameisenkörper einzudringen, haben auch die Ameisen mehr Zeit und eine höhere Chance, den Erreger zu beseitigen. Eine hohe Eindringgeschwindigkeit hingegen verkleinert das Zeitfenster, um erfolgreiches Grooming zu betreiben, und kann damit das Gleichgewicht zu Ungunsten des langsameren Konkurrenten verschieben.“
Soziale Pflege ist Eigenhygiene überlegen
Erreger des Pilzes Metarhizium infizieren Insekten, indem sie sich an die Körperoberfläche ihres Wirts anheften und damit einen Sporenbildungsprozess einleiten. Neu ausgebildete Sporen entwickeln eine Haftscheibenstruktur, welche durch Druckausübung und mithilfe eigens produzierter lytischer Enzyme das Eindringen in den Ameisenkörper ermöglicht. Die Sporen wachsen sodann ins Innere der Ameise, vermehren sich und töten den Wirt mittels Toxinen, bevor sie Millionen neuer Sporen für die nächste Infektionsrunde ausbilden. Mit dem Grooming-Verhalten schützen sich die Ameisen vor diesen Infektionen.
Erstautorin und IST Austria-Postdoc Barbara Milutinović: „Mit ihren Mundwerkzeugen zupfen die Ameisen die infektiösen Sporen von der Oberfläche der Koloniemitglieder. Dieses soziale Verhalten, auch „Allogrooming“ genannt, ist viel effizienter als „Selfgrooming“, also das Putzen des eigenen Körpers, da einige Körperteile für die Ameise selbst nur schwer oder gar nicht zugänglich sind – man denke nur an den oftmals unmöglichen Versuch, eine juckende Stelle am eigenen Rücken zu erreichen.“ Wie die Gruppe um Sylvia Cremer nun herausfand, kann soziales Allogrooming zu einer Verschiebung der Community an Erregern im Inneren des Wirts führen – und so den Ausgang einer Infektion beeinflussen.
Originalpublikation:
Barbara Milutinovic, Miriam Stock, Anna V. Grasse, Elisabeth Naderlinger, Christian Hilbe & Sylvia Cremer. 2020. Social immunity modulates competition between coinfecting pathogens. Ecology Letters. DOI: 10.1111/ele.13458