Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

14.08.2019, Universität Konstanz
Schnelle Evolution: Neue Erkenntnisse zu ihren molekularen Mechanismen
Konstanzer Evolutionsbiologen analysieren die Rolle von microRNAs in der Entstehung neuer Arten
Die Entstehung neuer Arten ist noch immer nicht vollständig verstanden. Welche evolutionären Prozesse führen dazu, dass sich aus einer Tierart heraus eine neue Spezies bildet? In der Evolutionsbiologie wurde klassischerweise davon ausgegangen, dass die geographische Trennung einer Tierpopulation ein entscheidender Faktor ist (allopatrische Artbildung): Eine Tierart wird in zwei oder mehrere vollständig voneinander abgeschottete Teilpopulationen separiert, so dass es keinen genetischen Austausch zwischen den abgespalteten Gruppen mehr gibt. Die Teilpopulationen passen sich an ihren jeweiligen Lebensraum an und entwickeln sich in der Folge zu eigenständigen Arten mit voneinander abweichenden Merkmalen weiter. Der Konstanzer Evolutionsbiologe Prof. Dr. Axel Meyer konnte in den vergangenen Jahren jedoch nachweisen, dass die Entstehung einer neuen Art im gemeinsamen Lebensraum mit ihrer Ursprungspopulation und unter genetischem Austausch mit ihr (sympatrische Artbildung) nicht nur vorkommt, sondern sogar überraschend häufig auftritt. Seine Arbeitsgruppe erforscht die ökologischen und genetischen Mechanismen, die hinter der sympatrischen Artbildung stehen. In einer aktuellen Veröffentlichung im Wissenschaftsmagazin „Molecular Biology and Evolution“ weisen Axel Meyer und seine Mitarbeiter Dr. Paolo Franchini, Peiwen Xiong, Carmelo Fruciano, Ralf Schneider, Joost Woltering und Darrin Hulsey die maßgebliche Rolle der Ribonukleinsäure microRNA in der sympatrischen Artbildung nach.
Rasante Evolution von Buntbarschen
Die Forscher um Axel Meyer fanden in Midas-Buntbarschen aus den vulkanischen Kraterseen Nicaraguas das perfekte Beispiel für ihre Analysen. Diese Buntbarsche sind bekannt für ihre außergewöhnlich schnelle evolutionäre Anpassung und Artbildung. Die Fische stammen ursprünglich aus einer gemeinsamen Population aus den großen Seen Nicaraguas, passten sich aber nach ihrer Umsiedlung in die vergleichsweise jungen Kraterseen an neue ökologische Nischen an, bildeten neue Merkmale aus (z. B. eine schlankere Körperform oder ein neues Gebiss) und entwickelten sich innerhalb von weniger als 22.000 Jahren zu einer Vielzahl eigenständiger Arten weiter. Eine Besonderheit ist, dass sich diese Midas-Buntbarsche teils wiederholt in derselben Population zu unterschiedlichen Arten weiterentwickelten, indem sie sich im gemeinsamen Lebensraum auf unterschiedliche ökologische Nischen spezialisierten. Die Midas-Buntbarsche Nicaraguas zählen zu den bekanntesten Beispielen für sympatrische Artbildung.
microRNA
Die Konstanzer Biologen führten Genanalysen an fünf Arten der Midas-Buntbarsche aus den Kraterseen Apoyo und Xiloá durch. Sie untersuchten dabei speziell die Aufgabe der sogenannten microRNA – einer Ribonukleinsäure, die eine steuernde Wirkung im Prozess der Genexpression innehat und selbst nicht in ein Protein übersetzt wird. Die Forscher stellten eine erhöhte Aktivität von microRNA einen Tag nach dem Schlüpfen von Jungfischen fest – in einer Phase, in der sich die Körperformen der Fische heranbilden. Sie analysierten das Zusammenspiel zwischen microRNA und der Genexpression und identifizierten konkrete Paare aus microRNA und Genen, die aufeinander einwirken. Die microRNA unterdrückt dabei die Ausprägung der jeweiligen Gene und hat somit eine steuernde Wirkung: Je stärker eine bestimmte microRNA aktiv ist, desto nachdrücklicher wird das zugehörige Gen unterdrückt oder „abgeschaltet“. „Unsere Ergebnisse deuten stark darauf hin, dass die extrem schnell erfolgende Regulation von microRNA zur rasanten sympatrischen Artbildung der Midas-Buntbarsche beiträgt“, schildert Paolo Franchini.
Originalpublikation:
Paolo Franchini, Peiwen Xiong, Carmelo Fruciano, Ralf F Schneider, Joost M Woltering, C Darrin Hulsey, Axel Meyer, MicroRNA gene regulation in extremely young and parallel adaptive radiations of crater lake cichlid fish, Molecular Biology and Evolution, msz168
Link: https://academic.oup.com/mbe/advance-article/doi/10.1093/molbev/msz168/5545549

14.08.2019, Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung
Gleich und Gleich gesellt sich gern
Göttinger Verhaltensbiologen überprüfen biologisches Prinzip an freilebenden Assammakaken
Gilt „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ oder doch eher „Gegensätze ziehen sich an“? Die jetzt veröffentlichte Studie an thailändischen Affen spricht für ersteres: Verhaltensbiologen und Psychologen vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung und der Universität Göttingen haben beobachtet, dass männliche Assammakaken umso engere Beziehungen zu anderen Männchen eingehen, je ähnlicher sie sich in ihrer Persönlichkeit sind, während sie andere Charaktäre eher links liegen lassen. Dass die Kausalität nicht anders herum verläuft, sich also enge Partner im Laufe der Zeit immer ähnlicher werden, konnte weitestgehend ausgeschlossen werden; Die Persönlichkeit der Affen blieb relativ stabil, auch wenn sie ihre Gruppen und damit ihre Sozialpartner wechselten. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vermuten, dass dieses Verhalten aufgrund eines evolutiven Vorteils entstanden ist: Hat der Freund eine ähnliche Persönlichkeit, so erleichtert dies die Kommunikation und damit auch die Kooperation in kritischen Situationen (Animal Behaviour).
Soziale Bindungen bei Tieren sind definiert als stabile, gleichberechtigte und kooperative Beziehungen, vergleichbar mit Freundschaften beim Menschen. Enge Bindungen zwischen nichtverwandten, erwachsenen Männchen sind für wenige Tierarten beschrieben. Eine enge Bindung zu einem anderen Männchen ist vorteilhaft, verspricht sie doch Unterstützung in kritischen Situationen, wie beispielsweise einer kämpferischen Auseinandersetzung mit anderen Gruppenmitgliedern. Homophilie, also die Tendenz, andere zu mögen, wenn diese einem ähnlich sind, ist sowohl beim Menschen als auch für verschiedene Tierarten beschrieben worden. Der Vorteil liegt auf der Hand: Wir können die Reaktionen unseres Gegenübers umso besser vorhersagen, je ähnlicher er uns ist. Das erzeugt Vertrauen. Aber welche Eigenschaften sind es, die besonders ähnlich sein sollten, damit die Beziehung gelingt?
Im Rahmen des Graduiertenkollegs „Verstehen von Sozialbeziehungen“ des Deutschen Primatenzentrums und der Universität Göttingen hat ein Team um die Doktorandin Anja Ebenau Daten von 24 freilebenden, männlichen Assammakaken im Phu Khieo Reservat in Thailand über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren erhoben. Aus detaillierten quantitativen Verhaltensprotokollen und aus Fragebögen wie sie in der Humanpsychologie verwendet werden, wurde in enger Zusammenarbeit mit den Psychologen Lars Penke und Christoph von Borell die individuelle Persönlichkeit der Männchen beschrieben. So konnte die Ähnlichkeit der Männchen in den Persönlichkeitsdimensionen Geselligkeit, Aggressivität, Freundlichkeit, Wachsamkeit und Selbstvertrauen ermittelt werden. Aus den Datenanalysen geht hervor, dass die Bindung zwischen zwei Männchen umso enger ist, je ähnlicher sich die Tiere in Bezug auf die Eigenschaft Geselligkeit sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Tiere sehr oder wenig gesellig sind, sie müssen nur im Grad ihrer Geselligkeit übereinstimmen: Zwei eher einzelgängerische Tiere, die anderen aus dem Weg gehen, können eine ebenso enge Beziehung pflegen wie zwei gleichermaßen kontaktfreudige Tiere.
Um auszuschließen, dass es sich nicht andersherum verhält, sich also enge Partner in ihrer Persönlichkeit mit der Zeit immer ähnlicher werden, wurden die Eigenschaften von Männchen untersucht, bevor und nachdem sie in eine Gruppe eingewandert waren und dort neue Sozialpartner gefunden hatten. Es stellte sich heraus, dass die Persönlichkeit der Tiere recht stabil blieb, sich also nicht mit einem neuen Freund veränderte.
„Wir gehen davon aus, dass es sich bei Homophilie als Strategie für die Partnerwahl um ein generelles biologisches Prinzip handelt, das tief in der Evolution von Menschen und Tieren verankert ist“, sagt Oliver Schülke, Wissenschaftler in der Abteilung Verhaltensökologie an der Universität Göttingen und Leiter der Studie. Es haben also diejenigen Individuen einen Vorteil, deren Partner einen ähnlichen Charakter haben. „Ein Grund könnte sein, dass ähnliche Persönlichkeiten auch ähnliche Bedürfnisse haben, sich besonders gut verstehen, effektiv kommunizieren und damit erfolgreichere Kooperationspartner sind“, sagt Schülke. Ob Koalitionen gleichartiger Persönlichkeiten tatsächlich siegreicher aus Kämpfen hervorgehen und damit länger einen hohen Dominanzrang verteidigen können, soll in einer Folgestudie untersucht werden.
Die Deutsches Primatenzentrum GmbH (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung betreibt biologische und biomedizinische Forschung über und mit Primaten auf den Gebieten der Infektionsforschung, der Neurowissenschaften und der Primatenbiologie. Das DPZ unterhält außerdem vier Freilandstationen in den Tropen und ist Referenz- und Servicezentrum für alle Belange der Primatenforschung. Das DPZ ist eine der 95 Forschungs- und Infrastruktureinrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft.
Originalpublikation:
Ebenau A, von Borell C, Penke L, Ostner J, Schülke O (2019): Personality homophily affects male social bonding in wild Assamese macaques, Macaca assamensis. Animal Behaviour, Volume 155, Pages 21-35, September 2019, https://doi.org/10.1016/j.anbehav.2019.05.020

14.08.2019, Hochschule Bremen
Was aufsteigt, muss auch wieder herunterkommen: Landende Heuschrecken prallen auf ihre Köpfe
Ergebnisse könnten hilfreich sein für Landungen unbemannter Raumsonden auf unbekanntem Terrain
Springen ist für viele Heuschrecken und Insekten ein schneller und effektiver Weg, ihren Feinden zu entkommen. Vor allem Wüstenheuschrecken sind bekannt für ihre kräftigen Sprünge. Um den Absprung genau zu kontrollieren, können Heuschrecken dabei die Bewegung ihrer kräftigen Hinterbeine präzise steuern. Aber was passiert bei der Landung? Sind Heuschrecken, so wie Flugzeuge, in der Lage, ihre Landebewegungen zu kontrollieren? Verlangsamen Heuschrecken ihre Fallbewegung, um Schäden an ihrem Körper zu vermeiden?
Forscher des Bionik-Innovations-Centrums an der Hochschule Bremen (HSB) haben nun erstmals das Aufprallverhalten springender Heuschrecken genauer untersucht. In der aktuellen Ausgabe des „Journal of Experimental Biology“ zeigen die Wissenschaftler, dass Heuschrecken überraschenderweise ihre Fallbewegung nicht nennenswert verlangsamen, während sie sich dem Boden nähern und kopfüber aufprallen.
„Dass die Heuschrecken, während sie dem Boden näherten, nicht langsamer wurden, hat uns zunächst sehr gewundert „, sagt Simon Reichel, Mitglied des Forschungsteams der HSB. „Stattdessen drehten die Insekten ihren Körper immer in der Luft. Egal, wie wir das Insekt vor dem Sturz hielten, sie prallten fast immer zuerst mit dem Kopf auf den Boden.“
Diese stereotype Fallbewegung der fallenden Heuschrecke resultiert in eine sehr vorhersehbaren Körperhaltung beim Aufprall. „Wenn man weiß, wie man fällt und landen wird, kann man sich sehr gut auf den nächsten Schritt vorbereiten“, sagt Reichel. Somit reduziert dieses Verhalten die Zeit zur Vorbereitung auf den nächsten Sprung und erhöht die Chance, dem Verfolger zu entkommen. Interessanterweise wurde der kopfüber stattfindende Aufprall auch bei toten Heuschrecken beobachtet. Dies deutet darauf hin, dass die Form des Insektenkörpers eine passive Rolle bei der Kontrolle des Sturzes spielen muss.
Um die Rolle der aktiven Bewegungen weiter zu testen, ließ das Team auch kalte Heuschrecken fallen. „Kalte Heuschrecken haben nur eine eingeschränkte Kontrolle über die Bewegungen ihrer Gliedmaßen“, sagt Reichel, „ähnlich wie bei einem Betrunkenen.“ Folglich zeigten diese kalten Heuschrecken oft unkontrollierte Fallbewegungen. Diese Beobachtungen zeigen, dass ein gewisses Maß an aktiver Kontrolle erforderlich ist, um die Chancen auf einen kontrollierten Aufprall zu verbessern.
„Die Kutikula des Exoskeletts von Insekten ist robust genug, um den relativ kleinen Belastungen während des Aufpralls standzuhalten“, sagt Prof. Jan-Henning Dirks (HSB). „Für das Insekt scheint es daher wichtiger zu sein, vorhersagen zu können, wie der Absturz erfolgen soll, anstatt die Auswirkungen des Absturzes zu reduzieren. Wir glauben, dass unsere Ergebnisse für Ingenieurinnen und Ingenieure hilfreich sein können, die beispielsweise mit dem Problem konfrontiert sind, kleine Objekte wie unbemannte Raumsonden auf unbekanntem Terrain zu landen.“ Anstatt sich Gedanken darüber zu machen, den Sinkflug in Echtzeit zu verlangsamen oder aktiv zu kontrollieren, könnten neue bio-inspirierte Sonden so gebaut werden, dass es immer zu einem vorhersehbareren Absturz kommt. Dies würde es den Sonden ermöglichen schnell und unbeschadet mit ihren Aufgaben fortzufahren.
Originalpublikation:
Originalartikel “What goes up must come down: biomechanical impact analysis of falling locusts”
Simon V. Reichel, Susanna Labisch, Jan-Henning Dirks
Journal of Experimental Biology 2019 222: jeb202986 doi: 10.1242/jeb.202986 veröffentlicht am 22. Juli 2019

15.08.2019, Universität Zürich
Menschen mitverantwortlich für das Aussterben der Höhlenbären
Während der letzten Eiszeit könnte der Mensch eine Schlüsselrolle gespielt haben, dass die Höhlenbären in Europa ausgestorben sind. Zu diesem Schluss kommt eine interna-tionale Studie mit Beteiligung der Universität Zürich, die genetisches Material aus meh-reren Höhlen auswertete.
In welchen Gebieten Europas lebten Höhlenbären und welche Wanderbewegungen vollzo-gen sie während des Spätpleistozäns? Dieser Frage gingen Forschende um Verena Schü-nemann vom Institut für Evolutionäre Medizin der Universität Zürich nach. Sie rekonstruierten das mitochondriale Erbgut aus Knochenproben von 59 Höhlenbären, die an vierzehn Stand-orten in Polen, Frankreich, Spanien, Deutschland, Italien und Serbien entnommen wurden. Auch in der Schweiz wurden in den Freiburger Voralpen in der Höhle „Bärenloch“ bei Charmey Knochen gefunden. Diese belegen, dass die Höhlenbären dort überwinterten und ihre Jungen zur Welt brachten. Die Forschenden verglichen die Genome von diesen vierzehn Standorten mit 64 zuvor veröffentlichten mitochondrialen DNA-Sequenzen.
Stammbaum von Europas Höhlenbären
„Unsere Daten ergaben, dass die Verteilung der Höhlenbären während der letzten Eiszeit viel komplexer war als bisher angenommen“, erklärt Letztautorin Verena Schünemann von der UZH. Mit den mitochondrialen Genomen wurde eine Art Stammbaum von den Höhlenbären erstellt: Die Forschenden identifizierten fünf grosse DNA-Linien, die über ganz Europa verstreut waren, aber auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen. Dieser lebte vor etwa 451’000 Jahren.
Die Populationen von Höhlenbären scheinen bis vor etwa 40’000 Jahren auch während zweier Kälteperioden und mehreren kühleren Episoden relativ stabil geblieben zu sein. Die starke Abkühlung der letzten Eiszeit setze erst vor rund 30’000 Jahren ein – als die Höhlenbärenpopulationen bereits sehr stark dezimiert waren. Dies deutet darauf hin, dass andere Faktoren grossen Einfluss auf das Aussterben der Höhlenbären hatten.
Der Mensch dezimiert die Bären
„Der drastische Rückgang der Höhlenbärenpopulation setzte etwa vor 40’000 Jahren ein. Das ist auch der Zeitpunkt, als sich der moderne Mensch in Europa ausbreitete und zuneh-mend zum Konkurrenten des Bären wurde. Der Mensch beanspruchte mit den Höhlen in bestimmten Gebieten den gleichen Lebensraum wie die Bären und jagte die Tiere“, erklärt Schünemann. Archäologische Funde belegen, dass die Bären getötet und verwertet wurden.
Das kühler werdende Klima und die dadurch verminderte Verfügbarkeit von Pflanzen als Futtermittel haben den Pflanzenfressern zusätzlich zugesetzt. So wurde die gesamte Bärenpopulation möglicherweise in verschiedene Teilpopulationen zersplittert, die moderatere Klima-zonen und Lebensräume mit reichhaltigem Pflanzenangebot bewohnten. Durch die Bären-jagd und durch kleine, abgegrenzte Populationen könnte der Mensch eine entscheidende Rolle beim Aussterben der Bären gespielt haben, so die Wissenschaftler.
Originalpublikation:
Joscha Gretzinger et all. Large-scale mitogenomic analysis of the phylogeography of the Late Pleistocene cave bear. Scientific Reports,15. August 2019. Doi:10.1038/s41598-019-47073-z.

14.08.2019, Universität Hohenheim
Tropische Zecke: Erster Verdachtsfall auf Fleckfieber-Übertragung in Deutschland
Uni Hohenheim und Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr weisen Fleckfieber-Erreger in Hyalomma-Zecke nach, deren Stich erstmals in Deutschland vermutlich eine Erkrankung verursacht hat.
Sie saugt am Menschen, und sie überträgt auch in Deutschland eine Form des Zecken-Fleckfiebers: Was bisher noch offene Fragen zur tropischen Riesenzecke Hyalomma waren, ist nun Gewissheit. Anfang August ist hierzulande vermutlich erstmals ein Mann nach einem Stich der Hyalomma-Zecke erkrankt – mit den typischen Symptomen einer sogenannten Rickettsiose. In der betreffenden Zecke konnten Experten der Universität Hohenheim in Stuttgart und des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in München den Erreger Rickettsia aeschlimannii nachweisen. Die Zahl der Hyalomma-Zecken in Deutschland ist 2019 gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen. In fast der Hälfte der Tiere sind die Fleckfieber-Erreger (Rickettsien) zu finden. Die Zeckenforscher bitten die Bevölkerung weiterhin um Zusendung auffälliger Zeckenfunde.
Dass es einen Pferdebesitzer traf, war wohl kein Zufall: Tropische Zecken der Gattung Hyalomma saugen vor allem an großen Säugetieren. Seit einigen Jahren sind die Blutsauger in Deutschland auf dem Vormarsch. Nun melden Zeckenforscher den ersten Verdachtsfall einer in Deutschland übertragenen Fleckfieber-Infektion.
„Damit wissen wir jetzt nicht nur sicher, dass die Hyalomma-Zecke auch an Menschen geht“, stellt Prof. Dr. Ute Mackenstedt, Parasitologin an der Universität Hohenheim, fest, „sondern es besteht leider auch der dringende Verdacht, dass hier in Deutschland eine Übertragung des Zeckenfleckfiebers durch die Tiere tatsächlich möglich ist.“
Forscher konnten Krankheitserreger in der Hyalomma-Zecke nachweisen
Der Fall: Ende Juli wurde der Pferdebesitzer aus der Nähe von Siegen von einer Hyalomma-Zecke gestochen. Die Übeltäterin schickte er an die Zeckenforscherin in Hohenheim. Nur wenige Tage später kam er mit schweren Krankheitssymptomen ins Krankenhaus. Der Verdacht: Zecken-Fleckfieber, verursacht vom Bakterium Rickettsia aeschlimannii.
Die Zecke wurde per Kurierdienst an das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (IMB) nach München gesandt, wo der Erreger in der Zecke nachgewiesen werden konnte. Darauf wurde der Patient gezielt mit dem Antibiotika behandelt, und die Symptome bildeten sich rasch zurück.
„Dass wir von einem Verdachtsfall sprechen, liegt daran, dass ein Direktnachweis des Erregers am Patienten nicht möglich war“, erläutert PD Dr. Gerhard Dobler, Mediziner am IMB, „Die Behandlung des Patienten stand einfach an erster Stelle. Doch der unmittelbar vorausgegangene Zeckenstich, die typischen Symptome und vor allem der Nachweis des Erregers in der Zecke legen den Schluss nahe, als dass es sich bei dem Fall um Zecken-Fleckfieber handelte.“ Auch die Tatsache, dass die Antibiotikatherapie sofort anschlug, unterstreiche dies.
Zecken-Fleckfieber verursacht typischen Hautausschlag
Rickettsia aeschlimannii verursacht einen fieberhaften Infekt mit Kopf- und Muskelschmerzen, extremen Gelenkschmerzen und einem Gefühl, als würde man verbrennen. Typisch für die Erkrankung ist jedoch der Hautausschlag, der dem Fleckfieber den Namen gab: Vor allem an den Extremitäten zeigt sich dieses klassische Zeichen. Die Inkubationszeit beträgt etwa eine Woche.
„Bei Verdacht auf Fleckfieber nach einem Hyalomma-Stich sollte an der Stichstelle ein Wundabstrich genommen und zur Untersuchung eingeschickt werden“, rät PD Dr. Dobler. „Wer unsicher ist, kann gerne mit uns Kontakt aufnehmen. Ideal ist natürlich, wenn wir auch die Zecke untersuchen können.“
Zahl der Hyalomma-Zecken in Deutschland deutlich höher als im Vorjahr
Etwa die Hälfte der Hyalomma-Zecken, so die Forscher, sei mit Rickettsien infiziert. Die Übertragung erfolge ausschließlich über die Zecke. „Auch die Zahl der Hyalomma-Zecken in Deutschland liegt in diesem Jahr deutlich höher als im Vorjahr“, berichtet Prof. Dr. Mackenstedt und verweist auf die Veröffentlichung, in der die Situation im Jahr 2018 dargestellt wurde. (Chitimia-Dobler et al.: Imported Hyalomma ticks in Germany in 2018; Parasites & Vectors 134; 2019)
Die Hohenheimer Parasitologin kooperiert nicht nur eng mit dem IMB in München, sondern auch mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Christina Strube an der Tierärztlichen Hochschule (TiHo) Hannover. „2019 haben wir zusammen bis jetzt schon 50 Exemplare in Deutschland gefunden. Letztes Jahr waren es insgesamt 35, davon 17 als Exemplare.“ Vergangenen Winter hatten die Tiere erstmals in Deutschland überwintert.
„Doch Rickettsien sind die einzigen Erreger, die wir bisher nachweisen konnten“, beruhigt PD Dr. Dobler. „Etwa das Virus, das das gefährliche Krim-Kongo-Hämorrhagische-Fieber verursacht, oder die Krankheitserreger Theileria equi und Babesia caballi, die beide von Zecken auf Pferde übertragen werden können, haben wir bisher nicht gefunden.“
Forscher bitten Bevölkerung weiterhin um Mithilfe
Das Forschungsteam bittet nach wie vor die Bevölkerung um Unterstützung, um die Ausbreitung und mögliche Gefahren weiter zu erforschen. Wer eine festgebissene Zecke findet, sollte sie am besten wie eine einheimische Zecke mit Zeckenzange, Zeckenkarte oder Pinzette entfernen. Anschließend bitte das Tier in einem kleinen, festverschlossenen Behälter schicken an:
Mehr Infos: https://zecken.uni-hohenheim.de/zecken_melden
Publikation
Chitimia-Dobler et al.: Imported Hyalomma ticks in Germany in 2018; Parasites & Vectors 134; 2019
https://parasitesandvectors.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13071-019-3380-4

16.08.2019, NABU
NABU: Schöner gärtnern ohne Schotter
Tipps für einen pflegeleichten Garten mit Nutzen für Mensch und Natur
Weil sich viele Hausbesitzer Arbeit ersparen wollen, entstehen immer mehr Schottergärten in Deutschland. Dabei bleibt leider die Natur auf der Strecke. Der NABU gibt Tipps, wie man seinen Vorgarten pflegeleicht und naturnah gestaltet, ohne ihn mit Schotter zuzuschütten.
„Gärten mit Schotterflächen sind aus Sicht des Naturschutzes äußerst bedenklich“, sagt NABU-Gartenexpertin Marja Rottleb. „Anders als in echten Steingärten, die, wenn sie fachgerecht angelegt werden, vielen Insekten Nahrung bieten, finden sich in den modernen Schottergärten kaum noch Pflanzen. Diese Flächen bieten daher keine Lebensräume und Nahrung für Insekten oder Vögel. Wenn es überhaupt Pflanzen gibt, dann meist Kirschlorbeer und Thuja.“ Pollen, Nektar oder Samen, welche von Vögeln oder Insekten als Nahrung genutzt werden könnten, haben diese Pflanzen nicht. Die Böden sind zudem meist versiegelt, hier finden Amseln und Co. nicht einen einzigen Regenwurm.
Auch für Menschen sind Schottergärten nicht gut. Die Steine heizen sich stark auf, die Gärten fördern also die Erwärmung der Stadt. Allergene, Pollen und Schadstoffe aus der Luft werden nicht, wie bei grünen Gärten, durch das Laub gefiltert. Regenwasser kann durch die starke Bodenverdichtung nicht versickern und neues Grundwasser bilden. Einige Kommunen belasten daher Schotterflächen im Garten mit Gebühren für das abfließende Regenwasser. Pflegeleicht sind die Gärten auch nicht, da die Steine mit den Jahren vermoosen und Laub sowie Staub auf den Geröllflächen liegenbleiben. Der Schotter muss dann aufwendig gereinigt oder sogar ausgetauscht werden.
Wer sich wohlfühlen möchte, sollte auf eine naturnahe Bepflanzung setzen. Diese kann durchaus pflegeleicht sein. So unterdrücken Pflanzen, die den Boden bedecken und langsam wachsen, unerwünschte Wildkräuter und brauchen selbst kaum Pflege. Für trockene, sonnige Standorte eignen sich beispielsweise Polsterdost, Storchschnabel oder blaues Silbergras. Im Schatten gedeihen Haselwurz und Waldmeister als Bodendecker mit einem Fingerhut als Hingucker. Auch die Akelei fühlt sich im Schatten wohl. Wer den Garten noch mit Totholz ergänzt, hat schon viel für Insekten getan.
„In den nächsten Jahren werden sich immer mehr Menschen fragen, ob ihre Entscheidung für einen Schottergarten die richtige war, wenn die negativen Eigenschaften auffallen“, glaubt Rottleb. Inzwischen stemmen sich auch viele Kommunen gegen den Trend und ändern ihre Bauordnungen, um weitere Schottergärten zu verhindern. Wer einen Rückbau plant, sollte ein paar Punkte beachten.
Der Schotter muss nicht gleich komplett entsorgt werden. Als Haufen aufgeschichtet bildet er einen Lebensraum für Eidechsen und andere Tiere. Die Folie darunter muss allerdings entfernt und entsorgt werden. Der verdichtete Boden sollte mit Kompost versorgt werden, wenn er stark geschädigt ist. Dazu muss der Kompost gut in den Boden eingearbeitet werden. Eine weitere Methode zur schonenden Bodensanierung ist die Saat von Gründungung, wie Buchweizen. Dieser hat tiefe Wurzeln, lockert den Boden und versorgt ihn mit Nährstoffen. Nach dieser Behandlung können pflegeleichte Pflanzen einziehen und den Vorgarten auch für Insekten attraktiv machen.
Mehr Infos: www.NABU.de/schottergarten
Mehr Infos zur Kampagne: www.NABU.de/gartenvielfalt

19.08.2019, NABU
NABU: Erneut massives Amselsterben durch Usutu
Tödliches Virus inzwischen in ganz Deutschland verbreitet
Kranke und tote Vögel melden
Das massive Amselsterben des Hitzesommers 2018 wiederholt sich. Auch in diesem Jahr nimmt das durch das tropische Usutu-Virus ausgelöste Vogelsterben im Laufe des Augusts an Fahrt auf. NABU und Tropenmediziner bitten die Bevölkerung, kranke oder verendete Tiere zu melden und möglichst zur Untersuchung einzusenden. Seit Jahresbeginn bis zum 12. August wurden dem NABU deutschlandweit bereits über 1.300 Verdachtsfälle gemeldet, die fast 9.000 kranke oder tote Vögel betrafen. Beim bisher stärksten Auftreten der Usutu-Epidemie im vergangenen Jahr waren es im gleichen Zeitraum lediglich 800 Meldungen.
Seit dem erstmaligen Auftreten dieses Vogelsterbens im Jahr 2011 breitet sich das von Stechmücken auf Vögel übertragene Usutu-Virus zunehmend in Deutschland aus. Waren in den ersten Jahren nur wärmebegünstigte Regionen entlang des Rheintals und am Untermain betroffen, konnte seit 2016 eine Ausbreitung über Nordrhein-Westfalen nach Norden und vor allem im Hitzejahr 2018 eine Ausbreitung in die nördlichen und östlichen Landesteile festgestellt werden. Im Sommer 2018 wurden erstmals Usutu-Infektionen für Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Bayern nachgewiesen. NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann: „Damit ist kein deutsches Bundesland mehr Usutu-frei. Nur aus höher gelegenen Mittelgebirgsregionen werden bisher noch keine toten Vögel gemeldet.“
Den Höhepunkt des Vogelsterbens erwarten Vogelkundler und Virologen in den kommenden Wochen, denn die meisten Usutu-Fälle treten im August und September auf. Im Jahr 2018 entfielen 93 Prozent der insgesamt fast 13.500 Meldungen auf diese beiden Monate. „Der trocken-heiße Sommer 2018 war offensichtlich günstig für die Ausbreitung des wärmebedürftigen Usutu-Virus, auch wenn die Zahl der Mücken als potentielle Überträger aufgrund der Trockenheit allgemein eher gering war“, so Dr. Renke Lühken vom Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin. 2019 ist genauso heiß, dabei aber deutlich feuchter und mückenreicher als das Vorjahr. Lühken: „Daher könnte die diesjährige Usutu-Saison noch stärker ausfallen.“
Alle im Labor eingesandten toten Vögel werden neben dem Usutu- auch auf das West-Nil-Virus getestet, das im vergangenen Jahr erstmals in Deutschland in Vögeln und Pferden nachgewiesen wurde. „Beide Viren können in seltenen Fällen auch die menschliche Gesundheit beeinträchtigen“, so Lühken.
Die Vogelschützer des NABU interessieren vor allem die Auswirkungen der neuen Vogelkrankheit auf die Bestände von Deutschlands häufigstem Vogel, der Amsel. Dazu vergleichen sie die Informationen über die Verbreitung des Virus mit den Ergebnissen der großen NABU-Gartenvogelzählung, der „Stunde der Gartenvögel“. Eine erste Auswertung hatte gezeigt, dass die Amselzahlen in von Usutu betroffenen Gebieten stärker zurückgegangen waren als im übrigen Deutschland. Bisher ist jedoch noch völlig unklar, ob sich betroffene Bestände wieder vollständig erholen können, dauerhaft reduziert bleiben oder gar immer weiter abnehmen werden.
Lachmann: „Leider kann man Usutu-Infektionen weder verhindern noch behandeln. Der NABU ruft daher alle Vogelfreunde dazu auf, zumindest dafür zu sorgen, dass Amseln und andere Gartenvögel in naturnahen Gärten gute Lebensbedingungen vorfinden, um die Verluste durch die neue Vogelkrankheit durch guten Bruterfolg wieder ausgleichen.“
Aufruf zur Meldung und Einsendung toter Amseln: www.nabu.de/usutu-melden
Mehr Infos zu Usutu: www.nabu.de/usutu

19.08.2019, Veterinärmedizinische Universität Wien
Riskantes Schlafen mit verstecktem Kopf spart Energie bei nachtaktiven Zugvögeln
Schlafen mit dem Kopf nach hinten ins Gefieder gesteckt ist eine verbreitete Verhaltensweise, die die meisten Vogelarten zeigen. Wissenschafter der Vetmeduni Vienna und der Universität Wien fanden nun heraus, dass das Verstecken des Kopfes während der Nachtruhe den Wärmeverlust bei Zugvögeln reduziert und deren Energiereserven dadurch geschont werden. Allerdings bedingt das Schlafen auf Sparflamme auch Risiken für die Vögel: Durch die gedrosselte Stoffwechselrate und Reaktionsgeschwindigkeit laufen sie Gefahr, leichte Beute zu sein.
Auch Pinguine mit modifizierten Federn, die den Kopf nicht bedecken, schlafen auf diese Art. Interessanterweise deuten Fossilfunde darauf hin, dass Vögel dieses Schlafverhalten von ihren gefiederten Dinosaurier-Vorfahren geerbt haben. Mehrere Studien zeigen, dass Vögel durch das Verstecken des schlecht isolierten Kopfes und Schnabels den Wärmeverlust reduzieren und damit Energie sparen.
Nachdem Energiesparen scheinbar immer eine nützliche Anpassung ist, scheint es paradox, dass Vögel manchmal mit aufrechtem, nach vorne gerichtetem Kopf schlafen. In einer eben veröffentlichten Studie konnte eine Gruppe von Wissenschaftlern, unter Koordination von Andrea Ferretti und Leonida Fusani vom Department für Kognitionsbiologie (Universität Wien) und dem Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (Veterinärmedizinische Universität Wien) zeigen, dass bei Zugvögeln die Wahl zwischen Schlaf mit verstecktem und aufrechtem Kopf einen Kompromiss zwischen gegensätzlichen Bedürfnissen widerspiegelt: Spare Energie oder vermeide gefressen zu werden.
Grasmücken während des Vogelzugs beobachtet
Nächtlich ziehende Singvögel, die das Mittelmeer überqueren, um den europäischen Kontinent zu erreichen, legen oft einen Zwischenstopp auf Inseln nahe der Küste ein, bevor sie ihre Reise fortsetzen. Durch detaillierte Beobachtungen von Gartengrasmücken, die gerade auf einer dieser Rast-Inseln angekommen waren, fanden die Forscher heraus, dass die Schlafhaltung der Grasmücken von ihrer physiologischen Kondition abhängt. Vögel, die bereits die meisten ihrer Fettreserven aufgebraucht hatten, zogen es vor, mit verstecktem Kopf zu schlafen, während fette Vögel lieber mit aufrechtem Kopf schliefen.
Messungen mit einem Respirometriesystem zeigten, dass Vögel in der versteckten Schlafposition ihren Energieverbrauch reduzierten. Die Wahl des Schlafs mit verstecktem Kopf hilft Vögeln, deren Reserven fast aufgebraucht sind, wertvolle Energie für ihre Weiterreise zu sparen. Aber warum sollten das nicht alle Vögel so machen?
Als die Wissenschaftler den Vögeln das Geräusch von knisterndem Laub vorspielten, um die Annäherung eines Beutegreifers zu imitieren, reagierten Vögel in der versteckten Schlafposition langsamer als jene, die in aufrechter Position schliefen. Die erniedrigte Stoffwechselrate und die langsamere Reaktionszeit weisen darauf hin, dass Vögel mit verstecktem Kopf tiefer schliefen.
Grasmücken stecken also während ihrer Zwischenstopps in einem Dilemma: Schlafen sie mit verstecktem Kopf, sparen sie Energie, erhöhen jedoch ihr Risiko einem Beutegreifer zum Opfer zu fallen. Diese Erkenntnisse erlauben eine neue Sicht auf die Funktion der Schlafposition von Vögeln, sowie auf die ökologischen und physiologischen Herausforderungen denen Zugvögel ausgesetzt sind.

20.08.2019, Universität Duisburg-Essen
Der Ursprung des Lebens – Millionen-Förderung für UDE-Team
Wie ist der Mensch entstanden? Wie konnte sich aus einzelligen Organismen das Leben auf der Erde entwickeln, wie wir es heute kennen? Mit diesen grundlegenden Fragen der Evolutionsbiologie beschäftigt sich ein Team aus Biologen und Chemikern der Universität Duisburg-Essen (UDE), dessen Forschung jetzt von der VolkswagenStiftung mit 1,5 Millionen Euro gefördert wird.
Die UDE-Wissenschaftler Sven Meckelmann (Analytische Chemie), Markus Kaiser (Chemische Biologie), Christopher Bräsen und Bettina Siebers (Molekulare Enzymtechnologie und Biochemie) sowie Thijs Ettema (Universität Wageningen,NL) gehen einer bisher ungelösten Frage nach: Wie konnten sich die so genannten Eukaryoten aus der Domäne der Archaea entwickeln?
Eukaryoten – das sind Lebewesen, deren Zellen einen Kern aufweisen, also etwa Pflanzen, Tiere, und auch der Mensch. Die Archaea wiederum sind Einzeller ohne Kern. Sie haben einzigartige stoffwechselphysiologische Eigenschaften, die die Eukaryoten nicht aufweisen. So unterscheiden sich die Eukaryoten und Archaea etwa grundlegend in der Zusammensetzung der Membranlipide, also der Fette, die die Zellen von ihrer Umwelt abgrenzen.
„Unser Projekt ,Lipid Divide‘ geht der Frage nach, wann und warum während der Eukaryoten-Evolution ein fundamentaler Wechsel in der Zusammensetzung der Membranlipide stattgefunden hat“, sagt Professorin Bettina Siebers. „Dieses Projekt wird somit zu einem tieferen Verständnis der Eukaryoten-Evolution und damit auch der Entstehung des Lebens im Allgemeinen beitragen.“
Die Förderinitiative „Leben? – Ein neuer Blick der Naturwissenschaften auf die grundlegenden Prinzipien des Lebens“ der VolkswagenStiftung unterstützt jeweils über fünf Jahre Projekte, die daran forschen, die fundamentalen Prinzipien des Lebens besser zu verstehen. In der aktuellen Runde gab es 95 Bewerber. Acht Projekte, darunter das der UDE, wurden schließlich zur Förderung ausgewählt.
„Die drei beteiligten Gruppen an der UDE arbeiten bereits seit mehreren Jahren ohne Förderung an diesem Projekt und konnten so wichtige Vorarbeiten präsentieren“, sagt Bettina Siebers. „Umso glücklicher sind wir, dass unsere Bemühungen von Erfolg gekrönt sind und wir jetzt genügend finanzielle Mittel haben, um dieses spannende Projekt zu bearbeiten.“

22.08.2019, Eberhard Karls Universität Tübingen
Savannenkorridor in der Eiszeit förderte die Ausbreitung großer Säugetiere in Südostasien
Tübinger Forschungsteam findet Hinweise auf eine früher offene Landschaft auf der Malaiischen Halbinsel, die Mensch und Tier den Weg auf die heutigen Inseln Indonesiens öffnete
Die Malaiische Halbinsel, deren Gebiete heute zu Myanmar, Thailand und Malaysia gehören, muss in der Eiszeit zumindest teilweise von einer offenen Savannenlandschaft geprägt gewesen sein. Sie gehörte damals zu einem sehr viel größeren Landstück, dem Sundaland. Über die offene Landschaft konnten große Säugetiere vermutlich erstmals vor 120.000 bis 70.000 Jahren wie durch einen Korridor vom südostasiatischen Festland auf die heutigen Inseln Sumatra, Borneo und Java gelangen. Zu diesem Schluss kommen der Alexander von Humboldt-Stipendiat an der Universität Tübingen Dr. Kantapon Suraprasit, der als Wissenschaftler an der Chulalongkorn University (Thailand) arbeitet, und Professor Hervé Bocherens vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen im Team mit weiteren thailändischen Forscherinnen und Forschern. Das Team führte Isotopenanalysen an Säugetierzähnen aus der Eiszeit durch, die bei Ausgrabungen auf der Malaiischen Halbinsel geborgen wurden. Wie die Wanderungsbewegungen von Tieren und frühen Menschen zwischen dem Festland und den Inseln Südostasiens verliefen, ist in der Wissenschaft stark umstritten. Die neuen Ergebnisse stärken die Hypothese von einem Savannenkorridor in der Eiszeit, über den Mensch und Tier relativ leicht vom südostasiatischen Festland weiter Richtung Süden und Osten gelangen konnten. Die Studie ist in den Quaternary Science Reviews erschienen.
Die Höhle Yai Ruak, die auf der Malaiischen Halbinsel in der Provinz Krabi liegt, wurde 2017 von einem thailändischen Paläontologenteam der Chulalongkorn University und dem Department of Mineral Resources (Bangkok) mit Unterstützung der Bevölkerung vor Ort ausgegraben. Aus den Höhlensedimenten bargen die Ausgräberinnen und Ausgräber einige weitgehend vollständige Unterkieferknochen, einzelne Zähne und Knochen. Die Fossilien konnte das Forschungsteam dem Malaiischen Stachelschwein, dem Java-Nashorn, dem Sambarhirsch und ausgestorbenen Verwandten der Tüpfelhyäne zuordnen. „Für diese Art der Tüpfelhyäne ist das der am weitesten südlich gefundene Nachweis in Südostasien“, sagt Hervé Bocherens. Dies stütze die Hypothese, dass sich im Pleistozän die Säugetiere weiter nach Süden ausbreiten konnten. Die heutigen Inseln Sumatra, Borneo und Java auf der Sundaplatte waren in der Eiszeit aufgrund des deutlich niedrigeren Meeresspiegels über Landbrücken zugänglich. Menschliche Fossilien seien in den Höhlensedimenten aus der Eiszeit nicht gefunden worden, wahrscheinlich habe es jedoch zu dieser Zeit anatomisch moderne Menschen in dem Gebiet gegeben, sagen die Wissenschaftler.
Vielfältige Ökosysteme
Kantapon Suraprasit führte im Biogeologielabor der Universität Tübingen am Zahnschmelz der fossilen Zähne aller Tierarten aus der Höhle Yai Ruak Kohlenstoff- und Sauerstoffisotopenanalysen durch. Als Isotope werden Atome des gleichen chemischen Elements mit unterschiedlichem Gewicht bezeichnet. Aus ihrer Häufigkeitsverteilung, auch Isotopensignatur genannt, können die Wissenschaftler Rückschlüsse auf die Art der Nahrung und die Umweltbedingungen zur Lebenszeit des Tieres ziehen. „Die Region des Fundorts der Fossilien ist heute von Regenwald bedeckt. Wir waren daher überrascht, dass die Isotopensignaturen der Zähne von Tüpfelhyänen und Sambarhirschen auf eine offene Graslandschaft hindeuten“, sagt Suraprasit.
Hingegen hätten die Zähne von Java-Nashorn und Stachelschweinen Isotopensignaturen ergeben, die zu Wäldern passen. Daher sei insgesamt von einer großen Vielfalt der Ökosysteme auszugehen, darunter auch einem offenen Gelände. „Diese Ergebnisse bestätigen, dass damals ein Savannenkorridor entlang der tropischen Monsunregionen existierte, der sich bis in den Süden des heutigen Thailands erstreckte bis zum Breitengrad des früher freiliegenden Sundalands“, sagt Bocherens.
Wälder als Barrieren
Von allen Tieren, die während des niedrigeren Meeresspiegels Richtung Süden wanderten, waren die Grasland bewohnenden Hyänen unter den wenigen Arten, die sich von dem Regenwaldgürtel aufhalten ließen. Dieser verlief vom nördlichen Sundaland über das heutige Borneo und Sumatra und durchschnitt den Savannenkorridor. Bis heute wurden keine Fossilien der Tüpfelhyänen südlich der Höhle Yai Ruak gefunden. „Wahrscheinlich bildeten dichte Regenwälder eine Barriere. In dieser Zeit konnten die Hyänen nicht weiter südlich in das Land vordringen, das heute aus Inseln besteht. Anderen Säugetierarten, die aus Yai Ruak bekannt sind, war das hingegen möglich wie wahrscheinlich auch Menschen“, erklärt Bocherens. Pollenanalysen deuteten für diese Zeit auf eine geschlossene Waldvegetation von Sumatra bis Borneo und in Teilen der Malaiischen Halbinsel hin. Von den noch andauernden Ausgrabungen in der Höhle Yai Ruak erhofft sich das Forschungsteam weiteren Aufschluss darüber, welchen Einfluss die vielfältigen Ökosysteme auf die Faunen des südostasiatischen Festlands und der Inseln hatten.
Originalpublikation:
Kantapon Suraprasit, Sutee Jongautchariyakul, Chotima Yamee, Cherdchan Pothichaiya, and Hervé Bocherens: New fossil and isotope evidence for the Pleistocene zoogeographic transition and hypothesized savanna corridor in Peninsular Thailand. Quaternary Science Reviews, https://doi.org/10.1016/j.quascirev.2019.105861

23.08.2019, Forschungsverbund Berlin e.V.
Erfolgreiche Eizellenentnahme bei Nördlichen Breitmaulnashörnern – ein weiterer Meilenstein für ihre Rettung
Es gibt nur noch zwei Nördliche Breitmaulnashörner auf der Welt, beide sind Weibchen. Diese charismatischen Dickhäuter vor dem Aussterben zu bewahren erscheint unmöglich – doch ein internationales Team aus WissenschaftlerInnen und Tierärzten hat erstmals eine Prozedur durchgeführt, die eine assistierte Reproduktion ermöglicht, um das Unmögliche dennoch zu erreichen. Am 22. August 2019 hat das Team erfolgreich Eizellen der weiblichen Tiere gewonnen.
Die erstmals in Nördlichen Breitmaulnashörnern durchgeführte Prozedur fand im Ol Pejeta Reservat in Kenia statt. Die Eizellen werden nun mit eingefrorenen Spermien eines bereits verstorbenen Bullen künstlich befruchtet. Ein im Labor erzeugter Embryo soll später einer Leihmutter, einer Südlichen Breitmaulnashornkuh, eingesetzt werden. Die Eizellenentnahme ist das Resultat der erfolgreichen Zusammenarbeit des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) mit dem Zoo Dvůr Králové, Avantea sowie der Ol Pejeta Conservancy und dem Kenya Wildlife Service (KWS). Ermöglicht wurde der Eingriff durch Fördermittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).
Da die letzten verbliebenen Nördlichen Breitmaulnashorn-Weibchen Najin und Fatu aus physiologischen Gründen keine Schwangerschaft austragen können, liegt die Hoffnung zur Rettung dieser Nashörner allein in der Entwicklung hochspezialisierter Techniken der assistierten Reproduktion und der künstlichen Befruchtung. Die erfolgreiche Eizellenentnahme ist einer von vielen notwendigen Schritten – jeder davon echte Pionierarbeit – um die Nördlichen Breitmaulnashörner vor dem endgültigen Aussterben zu bewahren. „Der Eingriff ist das Resultat jahrelanger Forschung, Entwicklung, Anpassung und Übung. Sowohl die Methode als auch das dafür nötige Equipment musste von Grund auf neu entwickelt werden“, erklären Prof. Thomas Hildebrandt (Leibniz-IZW) und Dr. David Ndeereh (KWS), die die Prozedur geleitet haben. „Wir konnten insgesamt 10 Eizellen entnehmen – fünf von Najin und fünf von Fatu – und damit zeigen, dass beide Weibchen noch in der Lage sind, Eizellen zu produzieren, und uns helfen können, diese wunderbaren Geschöpfe zu retten“.
Die Prozedur wurde mit einem selbst entwickelten medizinischen Spezialgerät durchgeführt, mit dessen Hilfe das Team von Ultraschallbildern geleitet unreife Eizellen (Oozyten) aus den Eierstöcken der Weibchen entnehmen konnte. Die Tiere waren während des Eingriffs narkotisiert. „Das Anästhesieren der Tiere verlief ohne Komplikationen, obwohl beide Nashörner seit fünf Jahren nicht mehr immobilisiert wurden“, sagen Frank Göritz (Leibniz-IZW) und Stephen Ngulu (Ol Pejeta).
„Dass wir 10 Eizellen gewinnen konnten, ist ein großartiger Erfolg und ein Beweis dafür, was wir mit der einzigartigen Kooperation von WissenschaftlerInnen, ExpertInnen in Zoos und TierschützerInnen im Feld erreichen können. Es gibt auch für jene Tiere Hoffnung, die unmittelbar vom Aussterben bedroht sind“, fügt Jan Stejskal vom Zoo Dvůr Králové hinzu. In diesem tschechischen Zoo wurden beide Tiere geboren. Die Zusammenarbeit vom Zoo Dvůr Králové, der Ol Pejeta Conservancy und dem KWS ermöglichte es im Dezember 2009, dass Najin und Fatu – damals noch in Begleitung zweier inzwischen verstorbener Männchen – nach Kenia gelangten. Es bestand die Hoffnung, dass sie sich nahe ihres natürlichen Lebensraums auf natürlichem Wege fortpflanzen würden. Obwohl Fortpflanzungsversuche verzeichnet wurden, kam es zu keiner Schwangerschaft. „Nach einem umfassenden Gesundheitscheck im Jahr 2014 kamen wir zum Schluss, dass beide Weibchen aufgrund unterschiedlicher gesundheitlicher Probleme keinen Nachwuchs austragen können“, erklärt Dr. Robert Hermes vom Leibniz-IZW. Die beiden Männchen – Suni und Sudan – starben in den Jahren 2014 und 2018. Proben ihrer Spermien wurden in flüssigem Stickstoff konserviert in der Hoffnung, dass sich Techniken der assistierten Reproduktion rasch genug entwickeln lassen, um ihre Gene an eine neue Generation weitergeben zu können.
„Die gestrige Eizellenentnahme versetzt uns erstmalig in die Lage, die Idee von der Herstellung von Embryos des Nördlichen Breitmaulnashorns im Labor Wirklichkeit werden zu lassen“, sagt Cesare Galli von Avantea, dem italienischen Labor für hochentwickelte Biotechnologieforschung und Tierreproduktion. Avantea wird die Eizellen nun mit kryo-konservierten Spermien von Suni und Saut befruchten.
„Auf der einen Seite sind wir von Ol Pejeta darüber bestürzt, dass die Zahl der Nördlichen Breitmaulnashörner weltweit auf nur zwei Individuen gesunken ist – ein Zeugnis davon, auf welch bedenkliche Art und Weise die Menschen mit ihrer Umwelt umgehen. Auf der anderen Seite sind wir sehr stolz darauf, dass wir Teil jener bahnbrechenden Arbeit sind, die den letzten Hoffnungsschimmer für die Nördlichen Breitmaulnashörner darstellt. Wir hoffen, dass dies auch dazu beiträgt, dass die Menschheit verinnerlicht, dass ein verantwortungsbewusster Umgang mit der Umwelt kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit ist“, sagt Richard Vigne, Managing Director von Ol Pejeta.
„Die Beschlüsse, die die Welt in dieser Woche auf der im Moment stattfindenden CITES-Tagung in Genf fassen wird, sollten sich an den gemeinsamen Bemühungen der Rettung der letzten nördlichen Breitmaulnashörner orientieren. Der aktuelle Rettungsversuch durch Einsatz modernster Reproduktionstechniken sollte die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf die Notlage aller Nashörner lenken und uns dazu bringen, Fehlentscheidungen zu vermeiden, die die Strafverfolgung untergraben und die Nachfrage nach Horn fördern“, sagt Hon. Najib Balala, Kabinettsminister für Tourismus und Wildtiere in Kenia.
„Es freut mich sehr, dass diese internationale Zusammenarbeit uns dabei helfen wird das nördliche Breitmaulnashorn vom Aussterben zu bewahren. Die Rettung der Nashörner berührt mich sehr, gerade vor dem Hintergrund, dass vor kurzer Zeit das letzte Männchen Sudan an Altersschwäche gestorben ist“, erklärt Brig. (Rtd) John Waweru, Direktor vom Kenya Wildlife Service.
Die Prozedur ist Teil eines internationalen Forschungsprojekts mit dem Namen „BioRescue“, zu dessen Konsortium das Leibniz-IZW, Avantea und der Zoo Dvůr Králové gehören. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und entwickelt zwei Ansätze für den Artenschutz maßgeblich weiter. Neben der Pionierarbeit auf dem Gebiet der Assistierten Reproduktion und In-Vitro-Fertilisation arbeitet das Projektteam auch an Techniken und Methoden zur Herstellung von künstlichen Gameten (Eizellen und Spermien) aus Stammzellen. Dafür werden gesicherte Gewebeproben von Nördlichen Breitmaulnashörnern in pluripotente Stammzellen transformiert, die wiederum zu primordialen Keimzellen weiterentwickelt werden können. Diese reifen dann zu Eizellen oder Spermien – und steigern damit sowohl die Zahl und Qualität der für die In-Vitro-Fertilisation zur Verfügung stehenden Gameten. Zudem kann auch die genetische Vielfalt maßgeblich erhöht werden. Der Stammzell-Ansatz wird durch die BioRescue-Projektpartner Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin (MDC), Universität Kyushu in Japan, sowie Northwestern University in den USA vorangebracht.
Die gesamte Prozedur der Eizellenentnahme am 22. August wurde innerhalb eines ethischen Rahmenwerks durchgeführt. Dieses wurde von der Tierethikerin Dr. Barbara de Mori von der Universität Padua gemeinsam mit den WissenschaftlerInnen und Tierärzten des Konsortiums entwickelt. „Wir haben eine dezidierte ethische Risikoanalyse entwickelt, die das gesamte Team auf alle möglichen Szenarien eines solchen Eingriffs vorbereitet und sicherstellt, dass das Tierwohl der beiden Individuen in sehr hohem Maße Eingang in die Gestaltung der Prozedur fand“, erklärt de Mori. Die Eizellentnahme wurde in Übereinstimmung mit kenianischen Gesetzen und internationalen Regularien durchgeführt.

23.08.2019, Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung
Erstes Bestimmungsbuch für alle afrikanischen Amphibien
Welche Frösche, Kröten, Blindwühlen und Salamander gibt es in Afrika? Egal ob Forschende oder Laien, die jeweilige Art schnell und einfach zu bestimmen, ist jetzt mit dem ersten Amphibien-Feldführer möglich, der vom Wissenschaftler des Museums für Naturkunde Berlin, Mark-Oliver Rödel, zusammen mit einem Kollegen aus Südafrika erstellt wurde. Das Buch soll auch dazu dienen, mehr über afrikanische Amphibien in Erfahrung zu bringen und so gegen das Amphibiensterben helfen.
Der allererste umfassende Feldführer gibt einen Überblick über 788 Frosch- und Krötenarten, 23 Blindwühlen- und vier Salamanderarten. Dafür haben sich die Wissenschaftler Mark-Oliver Rödel vom Museum für Naturkunde Berlin, und Alan Channing von der North-West Universität in Potchefstroom, Südafrika, zusammengetan. Das Ziel: Durch das Bestimmungsbuch „Field Guide to the Frogs and other amphibians of Africa“ Forschenden, Studierenden, Laien, Parkrangern und Touristen die Vielfalt der Amphibien auf dem afrikanischen Kontinent zugänglich zu machen. Mit dem Buch wird erstmals eine schnelle Bestimmung der einzelnen Arten möglich. Eine langwierige Recherchearbeit ist nicht mehr notwendig. Diese ist insbesondere für viele afrikanische Studenten, mit keinem oder nur schlechten Zugang zu internationaler Literatur meist unmöglich. Zu jeder Art gibt es ein oder mehrere Fotos, eine Kurzbeschreibung der wichtigsten Bestimmungsmerkmale, der Biologie und des Lebensraums sowie eine Verbreitungskarte, soweit bekannt. Insbesondere der Hinweis auf fehlende Informationen soll zu eigenen Beobachtungen anregen. Außerdem gibt es viele nützliche Tipps für die Feldforschung.
„Wir hoffen mit dem Buch dazu beitragen zu können, dass sich eine breitere Masse an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, aber auch Laien für die afrikanischen Amphibien interessieren“, sagt Mark-Oliver Rödel, Wissenschaftler am Museum für Naturkunde Berlin, und ergänzt: „Durch ein wachsendes Bewusstsein für die unterschiedlichen Arten und Lebensräume können Amphibien letztendlich besser geschützt werden.“ Der südafrikanische Zoologe Alan Channing, ergänzt: „Bislang gehören afrikanischen Amphibien zu den am wenigsten erforschten Arten weltweit.“
Afrikas Amphibien-Vielfalt fasziniert die beiden Wissenschaftler. So lebt zum Beispiel der rote Gummifrosch, Phrynomantis microps, in den Savannen Westafrikas, wo es bis zu sechs Monate andauernde Trockenzeiten gibt. Da die Frösche nicht graben können, müssen sie andere feuchte Verstecke nutzen, um diese Zeit zu überleben. Um in den Kolonien der über zwei Zentimeter großen Kadaverameisen zu überleben, und für die Besitzer unsichtbar zu bleiben, produziert und verteilt der Frosch zwei spezielle Eiweiße auf seiner Haut. Ein weiterer Frosch mit „Superkräften“ ist der Kreideriedfrosch, Hyperolius nitidulus, der bei Temperaturen über 35 Grad Celsius seine Farbe von Braun nach Weiß wechselt, um die Sonnenstrahlen zu reflektieren und so nicht zu überhitzen.
Die Biologie der meisten Amphibienarten Afrikas ist aber noch unbekannt. Die Autoren glauben, dass viele weitere spektakuläre Anpassungen zu entdecken sind.
Selbst die Artenzahl ist längst nicht erfasst. Rödel schätzt, dass es doppelt so viele Amphibienarten in Afrika gibt, wie bislang bekannt sind. „Wie schlimm das Amphibiensterben in Afrika ist, können wir so schwer sagen, weil es kaum alte Daten gibt, mit denen wir heutige Daten vergleichen können. Für die Zukunft ändert sich das jetzt hoffentlich durch unser Bestimmungsbuch“, meint Rödel.
Im Juni 2019 erschien das Werk bei Struik Nature, Penguin Random House, in Südafrika. Es ist ab September in Europa für 29,49 Euro als Taschenbuch oder als E-Paper (14,16 Euro) in englischer Sprache zu erwerben.

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