Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

01.07.2019, Deutsche Wildtier Stiftung
Wenn der Hahn zum Helden wird
Deutsche Wildtier Stiftung: Im Juli kommen die Rebhuhn-Küken auf die Welt
Die jungen Hühnervögel leben gefährlich
Rebhuhnküken sind Juli-Kinder. Die meisten Küken schlüpfen in diesem Monat aus ihren Eiern, die eines Geleges sogar zeitgleich. Dabei spornen sich die Küken gegenseitig mit munterem Gepiepe an. Ist der kollektive Schlupf geglückt, geht es sogleich ans Futtern. Da stehen ausschließlich Insekten auf der Küken-Speisekarte. Vater Rebhahn nimmt einen Teil der jungen Brut unter seine Fittiche. Denn über ein Dutzend Küken zu bespaßen – das schafft auch die bestorganisierteste Glucke nicht! Die sommerliche Feldflur, die langen Tage, die warme Witterung – ein Paradies für muntere Küken. Aber die Sommer-Idylle trügt. Statt sich den Bauch nun vollzuschlagen, wie es sich gehört, ist in der monotonen Feldflur allzu häufig nichts Nahrhaftes mehr zu finden. Proteinhaltige Insektenkost – Fehlanzeige! Ist doch einmal eine Wanze oder ein fetter Käfer ergattert, rufen die Altvögel ihren hungrigen Nachwuchs mit einem lockenden Glucksen heran.
Und droht nicht der Hungertod, so lauern tierische Feinde. „Von oben kommen Krähe und Falke, um die Küken zu schlagen, auf dem Boden sind es Fuchs und Wiesel, die Beute machen wollen“, so Dr. Andreas Kinser, stellvertretender Leiter Natur und Artenschutz der Deutschen Wildtier Stiftung. Wenn da nicht Vater Rebhuhn wäre! Denn greift der Falke an, wird er zum Helden. „Naht ein Räuber, stößt Vater Hahn einen Warnlaut aus“, sagt Eckhard Gottschalk von der Universität Göttingen, Projektleiter des EU-weiten Rebhuhn-Rettungsprojekt PARTRIDGE (siehe Infobox unten). „Die Küken flitzen zunächst blitzschnell auseinander, um dann zu erstarren.“ Unerschrocken attackiert der tapfere Hahn Krähen, Elstern oder sogar Turmfalken, die seinen Küken an den Kragen wollen. Gottschalk: „Beim Habicht, Sperber oder Mäusebussard huscht er blitzschnell in die Deckung. Kommt ein Fuchs, versucht der Hahn ihn abzulenken, indem er sich flügellahm stellt und so versucht, den Räuber zu narren.“
Dramatisch: Seit den 1980er Jahren ist die Rebhuhn-Population europaweit um 94 Prozent geschrumpft. Das Projekt PARTRIDGE hat Schutzmaßnahmen entwickelt, um die selten gewordenen Hühnervögel zu retten. „Hier erhalten die Rebhühner Flächen von Landwirten, die so gestaltet sind, dass sich Vater Hahn bei der Verteidigung seiner Küken auch mal eine Pause gönnen kann“, sagt Gottschalk. Auf den Flächen sind genug Stauden für die Deckung vorhanden und direkt daneben finden die Hühnervögel insektenreiche Wildpflanzen zweier besondere Blühmischungen. So kommen die langen Tage des Hochsommers den PARTRIDGE-Küken zugute: Sie haben viel Zeit zu fressen und wachsen gut behütet aus der gefährlichen Kinderzeit heraus.

01.07.2019, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Veränderte Spielregeln der Evolution
Seit über 150 Jahren wird debattiert, ob der Erfolg von Arten hauptsächlich durch Umweltfaktoren wie Klimaveränderungen gesteuert wird oder ob – wie Charles Darwin meinte – Wechselwirkungen zwischen den Arten eine wesentlich größere Rolle spielen. Eine britisch-deutsche Studie unter Beteiligung von Paläobiologe Prof. Dr. Wolfgang Kießling von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hat nun gezeigt, dass der Einfluss von Umweltfaktoren in der Frühzeit der Tierevolution deutlich größer war, aber vor 170 Millionen Jahren erheblich zurückging.
Das Team untersuchte Vorkommen von fossilen Meerestieren der letzten 400 Millionen Jahre. Deren ökologischer Erfolg, gemessen an der Verbreitung von Gattungen, war bis in die Jurazeit hinein stark abhängig von passenden chemischen und klimatischen Bedingungen. Im Jura, vor ca. 170 Millionen Jahren, verschwindet der Zusammenhang – biologische Wechselwirkungen spielen seither vermutlich die Hauptrolle.
Warum dieser plötzliche Umschwung und warum gerade zu dieser Zeit? „Die Antwort ist vermutlich bei mikroskopisch kleinen Planktonorganismen zu suchen. Im Jura begann die Ausbreitung von planktonischen Algen mit Kalkschale. Diese Kalkalgen treiben auch heute noch in gigantischen Mengen im Ozean umher und bilden nach ihrem Absterben Kalksediment auf dem Ozeanboden. Der Kalk wirkt als Puffer gegenüber Säure. Das erleichtert die Bildung von Kalkschalen und erlaubt damit den Tieren, ihre Energie anders zu verteilen“ erklärt Paläobiologe Kießling.
Ein weiterer Erklärungsansatz geht über den Stoffwechsel der Tiere selbst. Die Evolution machte Tiere durchschnittlich immer aktiver. Aktivität geht mit einer verbesserten physiologischen Pufferung einher. Eine Koralle ist der Umwelt stärker ausgeliefert als zum Beispiel eine Schnecke.
Eine höhere Aktivität bedeutet aber auch einen höheren Sauerstoffbedarf. Wieder bieten die Algen eine Erklärung: Plankton mit Schalen sinkt schneller in die Tiefe. Das fördert die Durchlüftung im Flachwasser, weil die Algen erst in größerer Tiefe unter Sauerstoffverbrauch verzehrt werden. Kleine Algen führten vor 170 Millionen Jahren zu einer echten Revolution der evolutionären Spielregeln, die bis heute gelten.
Die Arbeit „Jurassic shift from abiotic to biotic control on marine ecological success” ist in der Zeitschrift Nature Geoscience erschienen und unter folgenden Link verfügbar: https://doi.org/10.1038/s41561-019-0392-9.
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1038/s41561-019-0392-9

01.07.2019, Universität Hamburg
Modisch auf acht Beinen: Springspinne nach Karl Lagerfeld benannt
Der weiße Haarschopf und die schwarze Sonnenbrille waren die Markenzeichen des Modezars und gebürtigen Hamburgers Karl Lagerfeld (1933–2019). Da eine neu entdeckte Springspinnenart aus Australien die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Hamburg, Brisbane und Melbourne an Lagerfelds Modestil erinnerte, heißt die Art nun offiziell Jotus karllagerfeldi.
Die Art beschreibt Dr. Danilo Harms vom Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg zusammen mit Dr. Barbara Baehr vom Queensland Museum und Joseph Schubert von der Monash University in Australien aktuell im Fachblatt „Evolutionary Systematics“.
Im Vergleich zu anderen Vertretern der Gattung Jotus, deren Färbung mit knalligen Rot- und Blautönen überzeugt, neigt die neue Spinnen-Art eher zu Understatement: Sie hat schwarz und weiß gefärbte Beine und Tastorgane, die sogenannten Pedipalpen. Da die Erstbeschreibung international mit dem Recht der Namensgebung verknüpft ist, kam dem Team der Gedanke an den Hamburger Modeschöpfer. „Das Tier erinnerte uns von den Farben her an den reduzierten Stil Karl Lagerfelds. Die schwarzen Beinglieder assoziierten wir zum Beispiel mit den Handschuhen, die er immer trug, und die riesigen schwarzen Augen mit seiner Brille“, erklärt Danilo Harms.
Die Springspinne, die vier bis fünf Millimeter groß ist, hat zudem vier große, schwarze Augen und einen weißen „Kentkragen“. Jotus karllagerfeldi ist eine von acht Springspinnen-Arten von der australischen Ostküste, die das Forschungsteam im aktuellen Beitrag beschreibt.
Obwohl die Gattung Jotus aus zahlreichen Spinnenarten besteht und in Australien weit verbreitet ist, weiß man über diese Tiere relativ wenig. So wurden bisher auch nur männliche Exemplare gefunden. Interessant sind für die Forscherinnen und Forscher unter anderem die riesigen Teleskopaugen, die räumliches Sehen ermöglichen. Diese Fähigkeit benötigen die Spinnen für die Nahrungssuche, denn alle Arten sind freie Jäger, die keine Netze bauen. Dabei springen die Spinnen über kurze Entfernungen und sind überaus schnell und wendig.
Während in Deutschland die Spinnenfauna zu 99 Prozent beschrieben ist, sind in Australien mit 3.500 bekannten Spinnenarten noch etwa 70 Prozent gänzlich unerforscht oder sogar unbekannt. Australien ist daher einer der geografischen Forschungsschwerpunkte der Arachnologischen Abteilung des CeNak. Sie verfügt zudem über eine der ältesten und bedeutenden Sammlung australischer Springspinnen weltweit. Der Hamburger Reeder und Kaufmann Johann Cesar Godeffroy (1813–1885) hatte bereits im 19. Jahrhundert Expeditionen nach Australien finanziert; seine bedeutende Sammlung ist heute Teil des CeNak. Die Verknüpfung zur Godeffroy-Sammlung und damit zu Hamburg bestärkte das Forschungsteam in seiner Namensidee.
Weitere Informationen:
Baehr BC, Schubert J, Harms D (2019): The Brushed Jumping Spiders (Araneae, Salticidae, Jotus L. Koch, 1881) from Eastern Australia. Evolutionary Systematics 3(1): 53-73. https://doi.org/10.3897/evolsyst.3.34496

01.07.2019, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
Schwammspinner-Plage: Problem ist langfristig und umweltverträglich lösbar
Die haarigen, gefräßigen und zwischen vier bis sieben Zentimeter großen Tierchen beeinträchtigen durch den Massenfraß nicht nur das Wachstum der Bäume, sondern sorgen aktuell vielerorts auch für Aufregung in der Bevölkerung. Die Berichte über Heerscharen von Raupen, die nicht nur Wälder in Ost- und Süddeutschland entlauben, sondern auch in Siedlungen vordringen und Anwohner*innen verängstigen, häufen sich. Prof. Dr. Andreas Linde von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) verrät, welche Lösungsansätze langfristig sinnvoll sind.
Der Schwammspinner, ein wärmeliebender Nachfalter, hat sich in den letzten trocknen und heißen Jahren stark vermehrt. Periodisch kommt es zu Massenvermehrungen, bei denen zwischen Mai und Juli unzählige Larven Laubwälder und Siedlungen befallen. „Die letzte große „Welle“ liegt schon über 20 Jahre zurück. Auch damals, in den Jahren 1992 bis 1994, waren v.a. Gebiete in Mittel- und Süddeutschland betroffen“, so Prof. Dr. Linde, der sich seit mehr als 20 Jahren zusammen mit anderen Forscher*innen der HNEE und internationalen Partnern intensiv mit den Möglichkeiten beschäftigt hat, den Schwammspinner langfristig und möglichst umweltschonend zu kontrollieren. Wissenschaftlich fundiert könne aktuell kein eindeutiger Zusammenhang zum Klimawandel hergestellt werden. So haben auch die Schäden, die durch die Raupen verursacht werden, oder die Ausbruchsfrequenz, nicht zugenommen, erklärt der Ökologe.
Die Schwammspinner-Laven verursachen nicht nur in Deutschland große Probleme. Vor allem in Südosteuropa und den USA, in die das Insekt schon im 19. Jahrhundert einge-schleppt wurde, wurden riesige Flächen von Eichenwäldern und Stadtbäume geschädigt, was zu erheblichen wirtschaftlichen, aber auch ökologischen Schäden, führte.
Zur Bekämpfung der Überpopulationen kommen vielerorts Insektizide zum Einsatz. Warum die Verwendung dieser Mittel, auch von ökologisch verträglichen, langfristig nicht sinnvoll ist, verrät Prof. Dr. Linde: „Der Einsatz breitwirksamer Insektizide ist nicht zu rechtfertigen, da er mit erheblichen, negativen Auswirkungen auf die Umwelt einhergeht. Andere Arten – unter ihnen auch viele natürliche Gegenspieler des Schwammspinners – werden massiv geschädigt. Besser wäre der Einsatz umweltverträglicher Mittel wie z.B. Dipel, einem Mittel auf Basis eines Bakteriums, das sehr spezifisch nur auf Schmetterlinge wirkt. Aber auch dieses Mittel wirkt nur kurzzeitig, so dass es zu einer Wiederholung der Massenvermehrung kommen kann.“
Doch es gibt Hoffnung: „Langfristig könnte sich ein natürlich vorkommender Feind des Schwammspinners bei uns etablieren und dessen Population dauerhaft regulieren: Der hochspezifische Pilz Entomophaga maimaiga wurde in Asien gefunden und befällt nur den Schwammspinner. Nach gründlichen Prüfungen wurde er zunächst in den USA ausgesetzt und hat dort sehr erfolgreich die Population des Schwammspinners reduziert – und dies ohne Umweltschäden zu verursachen. Im Jahr 2000 wurde der Pilz auch in Bulgarien im Freiland ausgebracht. Im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte hat er sich dort etabliert und ist dort so effektiv, dass eine Bekämpfung des Schwammspinners überflüssig wurde. Der Schwammspinner ist dort noch vorhanden, verursacht aber keine Schäden mehr. Seitdem hat sich der Pilz im Verbreitungsgebiet des Schwammspinners in Südeuropa von Bulgarien aus über den gesamten Balkan bis Kroatien, die Slowakei und neuerdings auch Österreich ausgebreitet. Er unterdrückt dort sehr effizient die Massenvermehrungen des Schwammspinners. Es ist davon auszugehen, dass der Pilz durch natürliche Verbreitung irgendwann auch Deutschland erreichen wird – doch für dieses Jahr und die nahe Zukunft käme der in Deutschland zu spät“, so der Experte.
Um zukünftige Schäden in den wertvollen Waldbeständen und Belästigungen der Bevölkerung zu vermeiden, empfehlen Prof. Dr. Linde und die beteiligten Forschungspartner eine kontrollierte Freisetzung des Pilzes in den entsprechenden deutschen Populationen des Schwammspinners. „Die Erfahrungen aus den USA und Südeuropa zeigen, dass dies eine umweltfreundliche und zudem kostengünstige Maßnahme ist, die den Schwammspinner nicht bekämpft, sondern seine Populationsdichte nachhaltig und dauerhaft auf ein verträgliches Niveau reguliert“, ergänzt Prof. Dr. Linde.

01.07.2019, Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Borkenkäfer: Wissenschaftler schlagen Alarm
Borkenkäfer bringen derzeit beispiellose viele Bäume in europäischen und nordamerikanischen Wäldern zum Absterben. Wieso sich die Käfer zuerst explosiv vermehren, bis dann ihre Zahl nach wenigen Jahren natürlicherweise wieder zurückgeht, ist weitgehend unbekannt. Wissenschaftler fordern deshalb verstärkte Forschungsaktivitäten. Auch wegen des Klimawandels seien diese dringend erforderlich.
„Wettlauf mit dem Tod: Die Invasion der Borkenkäfer“ – „Borkenkäfer-Population nimmt in diesem Jahr extreme Ausmaße an“ – „Borkenkäfer: Experte befürchtet ‚Anfang vom Ende der Fichte‘“: Drei Schlagzeilen deutscher Medien aus den vergangenen Wochen, ein Thema: die explosive Zunahme der Borkenkäfer-Populationen und deren verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaftswälder. Dabei ist der Befund nicht auf Deutschland begrenzt. Ein vergleichbares Bild zeigt sich derzeit in vielen Wäldern überall in Mitteleuropa und Nordamerika. Die Folgen dieser „Invasion“ sind gewaltig. Allein in Mitteleuropa waren die Käfer im Jahr 2018 für gut 40 Millionen Kubikmeter Schadholz verantwortlich.
Massenausbrüche von Borkenkäfern dauern meist einige Monate bis Jahre an, anschließend gehen die Populationen plötzlich wieder deutlich zurück. Woran dies liegt, ist kaum erforscht. In der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins Trends in Ecology and Evolution fordern Wissenschaftler daher vermehrte Forschungsaktivitäten rund um den Lebenszyklus der bedrohlichen Käfer. „Wir versuchen mit vielen aufwändigen Maßnahmen, unsere Wälder vor Borkenkäfern zu schützen. Doch was die starken Populationsschwankungen bei den Borkenkäfern eigentlich auslöst, darüber wissen wir sehr wenig“, sagt Dr. Peter Biedermann, Erstautor der jetzt veröffentlichten Studie.
Biedermann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Gemeinsam mit seinen an der Arbeit beteiligten Kollegen vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie Jena sowie vom Nationalpark Bayerischer Wald fordert er jetzt: „Es ist dringend notwendig, dass wir nun diese wissenschaftliche Basis schaffen, damit Forstwirtschaft und Politik künftig effizienter auf Ausbrüche von Borkenkäfern reagieren können.“ Die Ergebnisse aus diesen Untersuchungen könnten auch als Blaupause für die Bekämpfung anderer schädlicher Waldinsekten dienen. Die wichtigste zu klärende Frage sei dabei, ob es ein praxistauglicher Ansatz im Management von Natur- oder sogar Wirtschaftswäldern sein kann, bei Massenvermehrungen von Insekten einfach gar nicht einzugreifen, so Biedermann. Im Nationalpark Bayerischer Wald hätten die Wissenschaftler beobachtet, dass Borkenkäferpopulationen auch ohne Bekämpfung nach einigen Jahren zusammengebrochen sind.
Der Klimawandel verschärft das Problem
Ein vertieftes Wissen über den Lebenszyklus vor allem des Fichtenborkenkäfers sei auch angesichts des Klimawandels dringend nötig: „Die zu erwartende Verstärkung von Klimaextremen wird die heimischen Wirtschaftswälder weiter schwächen. Wir werden uns deshalb auf wachsende Probleme mit dem Fichtenborkenkäfer einstellen müssen“, so Jörg Müller, Professor am Lehrstuhl für Zoologie III der JMU und stellvertretender Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald.
Zunehmend trockene und heiße Sommer bedeuten vor allem für Fichten enormen Stress. Ihre ursprüngliche Heimat hat die Baumart in den Bergen; in niederen Lagen kommen Fichten natürlicherweise nicht vor. Erst der Mensch hat sie aus wirtschaftlichen Gründen im großen Stil dort angepflanzt. Fichten sind wenig widerstandsfähig gegen Hitze und Dürre. Eine lang anhaltende Wasserknappheit schwächt ihre Abwehr gegen den Borkenkäfer – chemische Stoffe, die den Käfern nicht gut bekommen, und eine verstärkte Harzabsonderung, wodurch die Käfergänge verstopfen.
Faktoren, die die Populationsgröße von Insekten wie dem Borkenkäfer beeinflussen können, gibt es jede Menge: Natürliche Feinde, Krankheitserreger, die Konkurrenz innerhalb der eigenen Art sowie mit anderen Arten, Landschaftsstrukturen, der Baumbestand, die Widerstandsfähigkeit der bevorzugten Wirtsbäume, Temperatur, Niederschlag. Welche Rolle diese im Einzelnen für die Populationsdynamik von Waldinsekten spielen, sei weitgehend unbekannt, so Jörg Müller.
Als Reaktion auf diesen Mangel an Wissen schlagen die Autoren vor, die weltweit vorhandenen Daten zu bündeln, Wissenslücken zur Populationsdynamik des Fichtenborkenkäfers und anderer Waldinsekten zu identifizieren und auf dieser Grundlage zentrale offene Fragen zum Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren durch neue Datenerhebungen zu beantworten. Die Zusammenhänge, die sich aus den Ergebnissen ableiten lassen, sollen in einem zweiten Schritt mit experimentellen Feldstudien getestet werden, um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Ohne Unterstützung geht es nicht
Ohne Unterstützung durch forstwirtschaftliche und staatliche Akteure sowie Geldgeber geht dies nach Ansicht der Wissenschaftler nicht. Diese Unterstützung sei notwendig, um das ehrgeizige Ziel zu erreichen: die Entwicklung der Populationen von Borkenkäfern und anderen Waldinsekten besser zu verstehen. Der jetzt vorgelegte Ansatz könne dazu beitragen, ein effizientes Management des Schädlingsbefalls in die Wege zu leiten.
Originalpublikation:
Bark beetle population dynamics in the Anthropocene: challenges and solutions. Peter H. W. Biedermann, Jörg Müller, Jean-Claude Grégoire, Axel Gruppe, Jonas Hagge, Almuth Hammerbacher, Richard W. Hofstetter, Dineshkumar Kandasamy, Miroslav Kolarik, Martin Kostovcik, Paal Krokene, Aurélien Sallé, Diana L. Six, Tabea Turrini, Dan Vanderpool, Michael Wingfield and Claus Bässler. Trends in Ecology and Evolution. DOI: 10.1016/j.tree.2019.06.002

01.07.2019, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Umweltschonende Bekämpfung verbreiteter Krankheiten bei Fischen und Amphibien
Lebewesen im Meer und im Süßwasser weltweit sind von Pilz- und pilzartigen Krankheiten bedroht. Diese Krankheitserreger sind vor allem in der Aquakultur gefürchtet. Sie stellen aber auch eine Bedrohung für die Biodiversität von Amphibien dar. Es gibt nur wenige zugelassene chemische Mittel zur Bekämpfung, mit oft unerwünschten Nebenwirkungen. Forschende vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) schlagen nun alternative biologische Konzepte zur umweltschonenden Bekämpfung von Pilzkrankheiten vor.
Einige Pilz- und pilzartige Krankheiten erzeugen kleine infektiöse Stadien – Zoosporen –, die im Wasser schwimmen, um nach neuen Wirten zu suchen. Sie können Fische, Amphibien und Algen, die für den menschlichen Verzehr gezüchtet werden, befallen. „Der Schaden, der durch diese Krankheiten verursacht wird, ist beträchtlich. Nur wenige Chemikalien sind für die Prophylaxe zugelassen, aber teuer, umweltschädlich und oft langfristig wirkungslos – was die richtige Anwendung gerade im Artenschutz sehr schwierig macht“, beschreibt Dr. Thijs Frenken, Hauptautor der Studie, das Problem.
80 Millionen Tonnen der weltweiten Fischproduktion stammen aus der Aquakultur, Tendenz steigend. Krankheiten sind die Hauptursache für wirtschaftliche Verluste in der Fischzucht. Mindestens zehn Prozent aller geschlüpften Lachse in der Aquakultur erkranken an Zoosporen. Allein in schottischen Lachsfarmen führen beispielsweise Infektionen mit dieser Pilzkrankheit zu Produktionsausfällen von mindestens 6,5 Millionen US-Dollar pro Jahr. Effiziente und nachhaltige Methoden zur Bekämpfung von Fischkrankheiten sind daher für den zukünftigen Erfolg der Aquakultur von größter Bedeutung. „Wir müssen zu den Grundlagen zurückkehren und unser ökologisches Verständnis dieser Organismen anwenden, um die Ausbreitung von Infektionen zu begrenzen“, spezifiziert Dr. Thijs Frenken.
Die Forschenden schlagen 7 biologische Konzepte für den Schutz von Wasserorganismen vor Zoosporenerkrankungen vor, die umweltfreundlicher und nachhaltiger als chemische Methoden sind:
1. Übertragungen reduzieren (Kontrolle der Verbreitungswege und -vektoren): Tier- und Pflanzenarten können Erreger verbreiten, auch ein enger Kontakt unter verschiedenen Populationen erhöht das Risiko einer Verbreitung von Krankheitserregern.
2. Die Diversität der Wirtsarten erhöhen: Es gilt der sogenannte Monokultureffekt – genetisch homogene Populationen sind anfälliger gegenüber Infektionserregern als diverse Gemeinschaften.
3. Impfung und Immunisierung: Fische zu impfen ist eine gängige Praxis in der Aquakultur. Bisher gibt es keine Impfstoffe gegen pilzartige Krankheiten, dies könnte aber ein vielversprechender Weg sein.
4. Die induzierte Abwehr und Produktion von Antipilz-Peptiden stimulieren: Wenn parasitäre Erreger in den Wirt eindringen, sterben Wirtszellen ab und Eiweißbausteine „Peptide“ werden freigesetzt. Diese Signalstoffe bewirken in den Nachbarzellen eine erhöhte Immunabwehr.
5. Probiotika einsetzen: Sie können das Wachstum von parasitären Zoosporen hemmen und auch die Bindung von Zoosporen an den Wirt verhindern, indem sie oberflächenaktive Substanzen bilden. Probiotika wurden bei Fischen bereits erfolgreich als Behandlung von Zoosporen-Infektionen getestet.
6. Hyperparasitismus: Parasitäre Erreger können durch die Anwesenheit anderer Parasiten reduziert werden.
7. „Parasiten-Fresser“ einsetzen: Viele Parasiten sind Nahrung für andere Organismen. Kleinstlebewesen im Gewässer (Zooplankton) können beispielsweise verpilzte Fischeier „abgrasen“.
„Die sich ständig ändernden Umweltbedingungen haben einen großen Einfluss auf die Interaktion zwischen Parasiten und Wirten. Diese Dynamik muss auch in die Planung von Schutz- und Therapiekonzepten einbezogen werden. Wir hoffen, dass unsere Arbeit die Weiterentwicklung alternativer biologischer Bekämpfungsstrategien anregen wird. Es sind noch viel mehr Arbeiten erforderlich, bevor wir diese Methoden sicher in natürlichen Lebensräumen umsetzen können, ohne unvorhergesehene Risiken einzugehen“, betont die IGB-Forscherin und Studienleiterin Prof. Dr. Justyna Wolinska.
Lesen Sie den Artikel online in der Fachzeitschrift Trends in Parasitology https://authors.elsevier.com/a/1ZI255Eb1x1MkT (freier Zugang bis 15. August 2019)
Originalpublikation:
Thijs Frenken, Ramsy Agha, Dirk S. Schmeller, Pieter van West, Justyna Wolinska (2019). Biological Concepts for the Control of Aquatic Zoosporic Diseases. Trends in Parasitology, doi:10.1016/j.pt.2019.04.003

02.07.2019, Universität Regensburg
Wert ist relativ – für Menschen, wie für Ameisen
Für Menschen ist fast alles relativ. Wie wir unsere Gehälter, unsere Regierung und unsere Partner beurteilen hängt zu einem Großteil davon ab, was wir erwarten und wie unsere bisherigen Erfahrungen waren. Forscher der Universitäten in Regensburger und Passau haben jetzt herausgefunden, dass Ameisen, genau wie wir, Wert relativ zu ihren Erwartungen beurteilen.
Früher gingen traditionelle Wirtschaftswissenschaften davon aus, dass Wert etwas Fixes ist – ein Euro ist so viel wert, wie wir dafür kaufen können, zum Beispiel eine Flasche Bier. Jedoch wurde die Welt der klassischen Wirtschaftswissenschaften erschüttert, als Psychologen begonnen haben, diese Vermutungen zu überprüfen. Es wurde sehr schnell klar, dass Menschen sich leicht von – manchmal willkürlichen – Referenzpunkten beeinflussen lassen. Wenn wir kein Getränk erwarten, dann kann ein Bier sehr positiv wahrgenommen werden. Aber wenn wir Champagner erwarten, kann ein Bier eher enttäuschend sein. 2002 erhielt Daniel Kahnemann den Nobelpreis für seine Arbeit über solche relativen Werturteile. Wissenschaftler haben jetzt angefangen, sich zu fragen, ob dies eine rein menschliche Eigenschaft ist.
„Ameisen haben ein kleineres Gehirn als eine Nadelspitze“, erklärt Biologin Stephanie Wendt, die die Studie durchgeführt hat, „sie lernen jedoch sehr schnell und können sich schnell Routen einprägen oder verstehen, dass ein bestimmter Geruch bedeutet, dass Nahrung kommt. Wir wollten wissen, ob diese Erinnerungen beeinflussen, wie sie die Qualität von Nahrung bewerten“. Wendt hat Ameisen beigebracht, im einen Fall sehr süße, im anderen Fall weniger süße Nahrung zu erwarten. Sobald die Tiere gelernt haben die eine Süße zu erwarten, gab sie ihnen eine andere. „Zum Schluss bekamen alle Ameisen die gleiche mittelsüße Nahrungsqualität, sie hätten also dieselbe Reaktion zeigen sollen. Haben sie aber nicht“. Ameisen, die eine höhere Nahrungsqualität erwartet haben, haben oft die mittlere Qualität abgelehnt. Nicht nur das, auch die Begeisterung mit der sie ihre Schwestern über die Nahrung mit einer Pheromonspur informierten, war direkt mit ihren Erwartungen verknüpft.
Wie bei Menschen, beeinflusst, dass was andere Ameisen in der Kolonie bekommen die eigene Wahrnehmung. „Menschen orientieren sich bei ihren Gehaltsvorstellungen oft an den Gehältern ihrer Mitmenschen“, so Zoologe Dr. Tomer Czaczkes, der die Studie leitete. „Die Ameisen scheinen etwas Ähnliches zu tun.“ Wenn die Insekten etwas zu essen zurück zum Nest bringen, teilen sie es, damit andere Ameisen gegebenenfalls die Nahrung selbst finden können. „Wenn die Ameise gerade gute Nahrung von einer anderen Ameise erhalten hat, wird sie vermutlich mittelmäßige Nahrung verweigern. Wenn sie jedoch schlechte Nahrung erhalten hat, wird sie mit der mittelmäßigen Qualität zufrieden sein.“
Menschliche Verhaltensweisen zu untersuchen ist oft eine Herausforderung, da Kultur und Bildung das Verhalten bei wirtschaftlichen Experimenten beeinflussen. „Wirtschaftsstudierende, beispielsweise, reagieren oft anders als andere Gruppen in Experimenten“ erklärt Prof. Dr. Andreas Roider, Lehrstuhl für Mikroökonomik, der auch an der Studie teilgenommen hat. „Mit Ameisen zu arbeiten, ist ziemlich ungewöhnlich für einen Wirtschaftswissenschaftler, aber es ist definitiv ein erfrischender neuer Blickwinkel, wie wir wirtschaftliches Verhalten verstehen können.“
Ameisen regieren vielleicht (noch) nicht die Welt, aber sie sind uns ähnlicher als wir denken.
Originalpublikation:
Stephanie Wendt, Kim S. Strunk, Jürgen Heinze, Andreas Roider and Tomer J. Czaczkes, “Positive and negative incentive contrasts lead to relative value perception in ants”, eLife 2019;8:e45450.
DOI: https://doi.org/10.7554/eLife.45450

02.07.2019, Max-Planck-Institut für Ornithologie
Jeder Nachtfalter flieht anders
Nachtfalter machen verschiedene Ausweichmanöver im Flug, um jagenden Fledermäusen zu entkommen. Wissenschaftler*innen vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen zufolge unterscheiden sich dabei nicht nur die Arten untereinander, sondern auch die Individuen innerhalb einer Art. Diese Unberechenbarkeit schützt die ganze Nachtfaltergemeinschaft vor den Räubern, da sie den Fledermäusen die Jagd erschwert.
Für das Überleben von Tieren ist die erfolgreiche Nahrungssuche genauso Voraussetzung wie die Räubervermeidung. In Räuber-Beute-Beziehungen stehen diese beiden Verhaltensweisen daher in direkter Konkurrenz zueinander: Während der Räuber auf der Suche nach Nahrung ist, versuchen Beutetiere diese Räuber um jeden Preis zu vermeiden.
Dieses Wechselspiel führt auf beiden Seiten zu verschiedenen Anpassungen zur Optimierung von Jagd und Flucht, so auch bei Fledermäusen und Nachtfaltern. Da ihre Interaktionen im Dunkeln stattfinden, beruhen sie ausschließlich auf akustischer Information. Daher besitzen viele Nachtfalterarten Ohren, mit denen sie die Echoortungslaute insektenfressender Fledermäuse wahrnehmen können.
Sobald Falter eine herannahende Fledermaus hören, können sie mit schnellen Ausweichmanövern vermeiden gefressen zu werden. Das tun sie, indem sie zum Beispiel in die entgegengesetzte Richtung wegfliegen, sich fallen lassen, oder Zick-Zack-Muster fliegen. Dasselbe Fluchtverhalten zeigen viele andere Tiere, wie zum Beispiel Hasen beim Hakenschlagen.
Dieses Ausweichverhalten der Nachtfalter mit Ohren haben nun Theresa Hügel und Holger Goerlitz vom Max-Planck-Institut für Ornithologie genauer untersucht. In einem Schallmessraum befestigten sie die Insekten mit einem Klebetupfer so an einen dünnen Metallstab, dass sie noch gut fliegen konnten. Der Stab war über eine horizontale Verbindung mit den Membranen zweier Lautsprecher verbunden. Die Flugbewegungen des Nachtfalters versetzten die Membrane in Schwingung, wodurch wie in einem Mikrofon ein Spannungssignal erzeugt wurde. Dieses konnten die Wissenschaftler*innen aufnehmen und damit die Kräfte des Insektenflugs und das Ausweichverhalten der Nachtfalter messen. Sie präsentierten insgesamt 172 Tieren von acht verschiedenen Nachtfalterarten die gleichen Fledermaus-ähnlichen Schalle, um allen Faltern den gleichen Räuberdruck vorzutäuschen.
Die Wissenschaftler*innen haben herausgefunden, dass jede Nachtfalterart anders auf die akustischen Signale reagierte. Außerdem waren die Fluchtreaktionen bei manchen Arten auch noch individuell unterschiedlich. „Dadurch, dass verschiedene Nachtfalterarten in einem Gebiet verschiedene Fluchtstrategien entwickelt haben und die Individuen innerhalb einer Art auch noch unterschiedlich reagieren, sind die Insekten insgesamt vermutlich besser vor den Fledermäusen geschützt“, sagt Theresa Hügel, Erstautorin der Studie. „Denn die Unberechenbarkeit der Fluchtreaktion der Beute erhöht die Unsicherheit für die Räuber und verhindert, dass sie sich darauf einstellen können.“
„Nun wollen wir untersuchen, worauf die artspezifischen Unterschiede des Ausweichverhaltens beruhen, auf unterschiedlichen Flugmechaniken oder Unterschieden in der neuronalen Verarbeitung der akustischen Signale,“ sagt Holger Goerlitz, Leiter der Forschungsgruppe Akustische und Funktionelle Ökologie. Und nicht zuletzt: Mit welchen Anpassungen auf Seiten der Echoortung an das Gehör der Nachtfalter Fledermäuse wiederum reagiert haben, wird ebenfalls eine nächste spannende Frage sein in der Untersuchung des sensorischen Wettstreits zwischen Räubern und Beute.
Originalpublikation:
Hügel, T & Goerlitz, H. R. (2019). Species-specific strategies increase unpredictability of escape flight in eared moths. Functional Ecology, veröffentlicht am 02.07.2019

02.07.2019, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Bonobos decken Jodbedarf durch Wasserpflanzen
Forschende des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben im Kongobecken erstmals Bonobos dabei beobachtet, wie sie in den Sümpfen nach jodreichen Wasserpflanzen suchen und diese verzehren. Jod ist ein für die Entwicklung des Gehirns und der höheren kognitiven Fähigkeiten äußerst wichtiger Nährstoff. Dem Forschungsteam zufolge erklären diese Beobachtungen möglicherweise auch, wie prähistorische Menschen in der Region ihren Jodbedarf gedeckt haben könnten.
„Die Ergebnisse unserer Studie liefern ein Modell dafür, wie sich prähistorische menschliche Populationen, die in das Kongobecken eingewandert sind, mit dem lebensnotwendigen Mineral Jod versorgt haben könnten“, sagt Hauptautor Gottfried Hohmann vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Wenn Bonobos einen ähnlich hohen Jodbedarf haben wie Menschen, dann gibt unsere Studie eine mögliche Antwort auf die Frage, wie vorindustrielle menschliche Migranten im Kongobecken ohne künstliche Jodzufuhr überlebt haben könnten.“
Die Forschenden haben das Verhalten zweier Bonobo-Gruppen im LuiKotale-Wald im Salonga Nationalpark in der Demokratische Republik Kongo beobachtet und dieses mit Daten über den Jodgehalt der von den Bonobos gefressenen Pflanzen kombiniert. Die Daten sind Bestandteil eines laufenden Forschungsprojektes des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. Die Ergebnisse belegen, dass die von den Bonobos verzehrten Wasserpflanzen einen überraschend hohen Jodgehalt aufweisen, der im sonst jodarmen Kongobecken eigentlich nicht zu erwarten war.
In küstenfernen Gebieten liefern Wasserpflanzen Jod
„Evolutionäre Szenarien gehen davon aus, dass sich entscheidende Entwicklungsschritte der menschlichen Evolution in Küstengebieten abspielten. Alles deutet darauf hin, dass für die Gehirnentwicklung unserer homininen Vorfahren eine protein- und nährstoffreiche Ernährungsweise notwendig war“, sagt Hohmann. „Die Ergebnisse unserer Studie liefern Indizien dafür, wie die an maritime Nahrungsressourcen gewöhnten homininen Populationen bei der Besiedlung kontinentaler Tropenwälder ihren Jodbedarf durch den Verzehr von Wasserpflanzen aus Sümpfen im Wald zumindest teilweise gedeckt haben könnten.“ Hohmann fügt hinzu: „Unsere Studie beantwortet zum ersten Mal die Frage, wie Menschenaffen Jod aus natürlichen Nahrungsquellen beziehen können. Das Thema ist durchaus nicht trivial, leben doch viele Populationen in Gebieten, die als jodarm bekannt sind. Auch andere Menschenaffen wie Schimpansen und Gorillas wurden bereits beim Verzehr von Wasserpflanzen beobachtet, und auch sie könnten aus diesen Quellen das wichtige Jod gewinnen.“
Zukünftige Arbeiten des Teams sollen klären, wie hoch der Bedarf der Menschenaffen an Jod eigentlich ist und wie sich der Jodstatus der Tiere mit der Aufnahme des Minerals verändert. Die hohe Jodkonzentration und die Menge der konsumierten Wasserpflanzen spricht aber für einen relativ hohen Bedarf. Unklar ist ebenfalls, inwieweit die nahe der Feldforschungsstation LuiKotale gemessenen Jodkonzentrationen repräsentativ für das gesamte Kongobecken sind.
Originalpublikation:
Gottfried Hohmann, Sylvia Ortmann, Thomas Remer, Barbara Fruth
Fishing for iodine: what aquatic foraging by bonobos tells us about human evolution
BMC Zoology, 02. Juli 2019, http://dx.doi.org/10.1186/s40850-019-0043-z

02.07.2019, Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen
Fossiler Wasserfloh erwacht zum Leben // Ausgestorben geglaubte Krebsart wiederentdeckt
Senckenberg-Wissenschaftler Kay Van Damme hat in Zusammenarbeit mit einem internationalen Team einen als ausgestorben geglaubten Wasserfloh in einem See in Finnland wiederentdeckt. Die Wasserflohart ist fossil relativ häufig überliefert, die Forschenden erbrachten nun den ersten rezenten Nachweis. Anhand der Morphologie des Krebstieres konnten die Wissenschaftler*innen den Wasserfloh als Rhynchotalona latens beschreiben und revidierten damit die bisherige taxonomische Zuordnung. Wasserflöhe sind wichtige Umweltanzeiger für heutige und vergangene Ökosysteme. Die Studien erschienen kürzlich in den Fachjournalen „Hydrobiologia“ und „Zootaxa“.
Wasserflöhe – Kleinkrebse aus der Gruppe der Cladocera – sind in der Regel nur zwischen 0,2 und 2 Millimeter groß. „Dies ist wohl einer der Gründe warum diese, in allen aquatischen Lebensräumen vorkommenden, Tiere häufig übersehen werden und zur sogenannten ‚unsichtbaren Biodiversität’ gehören“, erklärt Dr. Kay Van Damme vom Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt und fährt fort: „Trotz ihrer geringen Größe haben Wasserflöhe aber wichtige Aufgaben als Filtrierer, Detritusfresser und Bestandteil der Nahrungskette in den Ökosystemen. Zudem sind sie für uns kostbare Umweltanzeiger – heute und auch in der Vergangenheit.“
Der Frankfurter Biologe hat gemeinsam mit einem Team aus Finnland eine als ausgestorben angenommene Wasserfloh-Art in mehreren Seen im finnischen Lappland wiederentdeckt. Erstautorin Dr. Liisa Nevalainen von der University of Helsinki erzählt: „Bisher war diese Art nur als Fossil bekannt. Umso größer war unsere Überraschung, als wir die winzigen Krebse während einer Geländeexpedition mit einem 100-Mikrometer-Netz in fünf von neun untersuchten Seen in Nord-Finnland gefunden haben!“
Die Morphologie der wiederentdeckten Wasserflöhe führte anschließend zur Einordnung der Art in die seit 1903 bekannte Gattung Rhynchotalona. Die winzigen Krebse leben als bodenlebende Substratfresser in flachen Seen mit hohem organischen Anteil.
„Die ältesten fossilen Nachweise von Rhynchotalona latens sind etwa 10.000 Jahre alt – die Gattung der Wasserflöhe gibt es demnach schon eine lange Zeit. Die Erforschung der heutigen und der fossilen Wasserflöhe kann uns dabei helfen zu verstehen, wie sich das Leben in Gewässern bei veränderten Klima- und Umweltbedingungen entwickelt und anpasst“, resümiert Van Damme.
Originalpublikation:
Nevalainen, L., Kivilä, E.H., Luoto, T.P. et al. Hydrobiologia (2019) 837: 47. https://doi.org/10.1007/s10750-019-3958-z
Van Damme, Kay; Nevalainen, Liisa (2019): The most latent cladoceran in the Holarctic revealed—sinking Unapertura Sarmaja-Korjonen, Hakojärvi & Korhola, 2000 into the genus Rhynchotalona Norman, 1903 (Branchiopoda: Cladocera: Chydoridae). Zootaxa, DOI: http://dx.doi.org/10.11646/zootaxa.4613.3.3.

2.07.2019, Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie
Fernab und faszinierend: Die kleinsten Bewohner der größten Ozeanwüste
Der Südpazifische Meereswirbel ist eine Wüste im Ozean. Weil er aber riesengroß ist, beeinflussen seine mikrobiellen Bewohner dennoch wesentlich die weltweiten biogeochemischen Stoffkreisläufe. In einer beispiellosen Untersuchung haben WissenschaftlerInnen des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen nun eine umfassende Bestandsaufnahme der mikrobiellen Bewohner des Südpazifischen Wirbels durchgeführt. Möglich wurde diese unter anderem durch einen neu entwickelten Werkzeugkasten, der die Analyse der kleinsten Meeresbewohner an Bord ermöglicht.
In der Mitte des Südpazifiks ist man so weit von Land entfernt, wie man nur sein kann. Die Sonneneinstrahlung ist gefährlich hoch, mit einem UV-Index, der als „extrem“ eingestuft wird. Keine Staubpartikel oder Zuflüsse vom Land kommen dort noch an. Daher enthält das Wasser außerordentlich wenig Nährstoffe, man nennt es „ultraoligotroph“. Chlorophyllhaltiges Phytoplankton – winzige Algen – gibt es erst in Tiefen von über hundert Metern, deswegen ist das Oberflächenwasser des Südpazifiks das wohl klarste Meerwasser der Welt. Aufgrund seiner Abgelegenheit und enormen Größe – der Südpazifische Wirbel umfasst 37 Millionen km2 (zum Vergleich: die USA umfassen weniger als 10 Millionen km2) – ist er auch eine der am wenigsten erforschten Regionen unseres Planeten.
Obwohl er so fernab von allem ist, ist der Südpazifische Wirbel (South Pacific Gyre, kurz SPG) wichtig: Messungen mit Satelliten und auch vor Ort deuten darauf hin, dass die Mikroorganismen, die im Wasser des SPG leben, einen wichtigen Beitrag zu den globalen biogeochemischen Kreisläufen leisten. Deshalb wollten die Bremer Wissenschaftler herausfinden, welche Mikroben in dieser Ozeanwüste leben und aktiv sind. Während einer sechswöchigen Forschungsreise auf dem Forschungsschiff RV Sonne, organisiert und geleitet vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, sammelten Greta Reintjes, Bernhard Fuchs und Tim Ferdelman Hunderte von Proben auf einer 7000 Kilometer langen Fahrt durch den Südpazifik, von Chile nach Neuseeland. An 15 Stationen und in Wassertiefen von 20 bis über 5000 Metern, also von der Oberfläche bis zum Meeresboden, untersuchten die WissenschaftlerInnen die kleinsten Meeresbewohner.
Wenige Zellen, und die an unerwarteter Stelle
„Überraschenderweise fanden wir im Oberflächenwasser des Südpazifischen Wirbels etwa ein Drittel weniger Zellen als in Wirbeln des Atlantiks“, berichtet Bernhard Fuchs. „Es war wahrscheinlich die niedrigste Zellzahl, die je in ozeanischen Oberflächengewässern gemessen wurde.“ Die Mikrobenarten waren größtenteils bekannt: „Im SPG leben ähnliche Gruppen von Mikroorganismen wie in anderen nährstoffarmen Meeresregionen, zum Beispiel Prochlorococcus, SAR11, SAR86 und SAR116“, so Fuchs weiter. Doch unter den vorherrschenden Bewohnern des gut durchleuchteten Oberflächenwassers gab es auch einen Überraschungsgast: AEGEAN-169, ein Organismus, der bisher nur in tieferen Gewässern gefunden wurde.
Reintjes und ihre KollegInnen fanden ein klares Muster in der vertikalen Verteilung der Mikroorganismen im SPG. „Die Zusammensetzung der Gemeinschaft veränderte sich deutlich mit zunehmender Wassertiefe, was direkt mit dem verfügbaren Licht zusammenhing“, berichtet Reintjes. Überraschenderweise war der vorherrschende Photosynthese-betreibende Organismus, Prochlorococcus, in relativ geringer Zahl in der obersten Wasserschicht und war erst in 100 bis 150 Metern Wassertiefe häufiger vorhanden. Der neue Mitspieler, AEGEAN-169, war hingegen im Oberflächenwasser des zentralen Wirbels besonders zahlreich. „Das deutet auf eine interessante mögliche Anpassung an ultraoligotrophes Wasser und hohe Sonneneinstrahlung“, so Reintjes. „Wir werden uns das auf jeden Fall noch genauer anschauen.“ AEGEAN-169 wurde bisher nur in Wassertiefen um die 500 Meter gefunden. „Vermutlich gibt es innerhalb dieser Gruppe mehrere ökologische Arten. Um ihre Bedeutung in den nährstoffärmsten Gewässern des SPG zu erforschen, planen wir weitere metagenomische Untersuchungen.“
Methodischer Meilenstein
Die hier vorgestellte Forschung war nur dank einer neu entwickelten Methode möglich. Sie ermöglicht es den WissenschaftlerInnen, Proben direkt an Bord gleich nach der Entnahme zu analysieren. „Wir haben eine neuartige On-Board-Analyse-Pipeline entwickelt“, erklärt Reintjes. „Sie liefert Ergebnisse zur Identität der Bakterien innerhalb von nur 35 Stunden.“ In der Regel, wenn die Proben nach der Entnahme erst ins heimische Labor gebracht und dort analysiert werden, dauern diese Analysen viele Monate. Die Pipeline kombiniert modernste Next-Generation-Sequenzierung mit Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung und automatisierter Zellzählung. „Dank unserer Methodenentwicklung verfügen wir nun über ein System für eine effiziente, kostengünstige, feldbasierte und umfassende Analyse der Mikrobengemeinschaft“, so Reintjes. „Sie erlaubt mikrobiellen Ökologen eine gezieltere Beprobung von Lebensräumen und ermöglicht so neue Einblicke, wie vielfältig Mikroorganismen und deren Stoffwechselwege sind.“
Originalpublikation:
Greta Reintjes, Halina E. Tegetmeyer, Miriam Bürgisser, Sandi Orlić, Ivo Tews, Mikhail Zubkov, Daniela Voß, Oliver Zielinski, Christian Quast, Frank Oliver Glöckner, Rudolf Amann, Timothy G. Ferdelman, Bernhard M. Fuchs (2019): On site analysis of bacterial communities of the ultra-oligotrophic South Pacific Gyre. Applied and Environmental Microbiology (Vol. 85, issue 14). DOI: 10.1128/AEM.00184-19

02.07.2019, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
Heilige Krokodile
Um Osttimor rankt sich ein Mythos: Die Insel in Südostasien soll einst aus dem „Großvater Krokodil“ entstanden sein. Daher ist das Reptil bis heute vielen Einwohnerinnen und Einwohnern als Gründungstier der Insel heilig. Welche Herausforderungen sich daraus für das Wildtiermanagement ergeben, zeigt Sebastian Brackhane, Doktorand an der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg: Er hat in der Fachzeitschrift „Human Dimensions of Wildlife“ eine Studie zum kulturellen Status von Salzwasserkrokodilen auf Osttimor veröffentlicht.
„Dass Krokodile heilig sind, geht auf den Gründungsmythos zurück. Ein kleiner Junge rettete ein Krokodil und gemeinsam gingen sie auf Reisen. Als das Krokodil starb, hat sich aus ihm die Insel Timor gebildet“, erzählt Brackhane. In vielen Gemeinden auf Osttimor bestehe dieser Glaube neben dem Katholizismus weiter. Die besondere Beziehung von Mensch und Tier zeige sich in vielfältiger Weise. „Es gibt zum Beispiel Rituale für die Salzwasserkrokodile, bei denen ihnen andere Tiere, zum Beispiel Schweine, geopfert werden. Auf nationaler Ebene haben die Fußballmannschaft und die größte timoresische Telekommunikationsfirma Krokodile im Logo.“ Die Reptilien werden aber nicht nur verehrt, sondern sind seit 2000 auch per Gesetz geschützt.
Ziel der Studie ist es, auf der Grundlage von Interviews mit Einwohnern der Insel den kulturellen Glauben besser zu verstehen und daraus Optionen für das Wildtiermanagement abzuleiten. Denn Osttimor hat ein Problem, das Brackhane in der vorangegangenen Studie aus dem Jahr 2018 aufgezeigt hat: Salzwasserkrokodile haben in den letzten Jahren vermehrt Menschen angegriffen. Jetzt muss schnell eine Lösung gefunden werden, die im Einklang mit dem Glauben steht. Kurzfristig wird auf Aufklärung gesetzt: Die lokale Krokodil-Task-Force stellt Warnschilder an alle Gefahrenstellen auf und veranstaltet Workshops für lokale Fischerinnen und Fischer. Langfristig sieht Brackhane zwei potenzielle Möglichkeiten, um das Problem zu lösen. „Krokodile sollten in Gebieten, in denen sich ihre sowie menschliche Aktivitäten oft überschneiden, gefangen und in Gehegen ausgesetzt werden. Wichtige Lebensräume, in denen Krokodile ihren Nachwuchs aufziehen, könnten als Schutzgebiete mit begrenztem Zugang für Menschen ausgewiesen werden. Dennoch werden aber alle menschlichen Aktivitäten im Wasser, besonders das traditionelle Fischen, auch in Zukunft ein Risiko darstellen.“
Originalpublikation:
Sebastian Brackhane, Grahame Webb, Flaminio M. E. Xavier, Josh Trindade, Marcal Gusmao & Peter Pechacek (2019): Crocodile management in Timor-Leste: Drawing upon traditional ecological knowledge and cultural beliefs. In: Human Dimensions of Wildlife.
doi: 10.1080/10871209.2019.1614240

05.07.2019, Universität Hohenheim
Braune Hundezecke gesucht: Uni Hohenheim forscht an eingewanderter Zeckenart
Warmes Klima und Wohnungen ideal für die Braune Hundezecke / Zecken-Expertin bittet um Zusendung auffälliger Zeckenfunde / alle Infos http://hundezecken.uni-hohenheim.de
Sie ist unauffällig, flink, und kann schnell zur Plage werden: Die Braune Hundezecke (Rhipicephalus sanguineus). Die eigentlich im Mittelmeerraum und Nordafrika heimische Zecke scheint sich neuerdings auch in Deutschland wohl zu fühlen – vor allem in Wohnungen, warnt Katrin Fachet vom Fachgebiet Parasitologie der Universität Hohenheim in Stuttgart. In einem neuen Forschungsprojekt soll die Zeckenart genau untersucht werden: Von ihrer Häufigkeit, Verbreitung, über mögliche Krankheitserreger bis zur Frage, wie man sie eigentlich richtig loswird. Für die Forschung bittet die Universität Hohenheim die Bevölkerung, Funde der Braunen Hundezecke mit Bild zu melden. Bereits im Frühjahr hatte die Universität Hohenheim darum gebeten, Exemplare einer neuen Zeckenart, der auffälligen Hyalomma-Zecke, einzusenden. Alle Informationen unter: http://hundezecken.uni-hohenheim.de
Um die 25 Grad und trocken hat sie es am liebsten, lauert in kleinen, steinigen Spalten. Und wenn dann noch ein Hund in der Nähe ist, hat die Braune Hundezecke (Rhipicephalus sanguineus) den idealen Lebensraum für sich entdeckt.
„Anders als unser Gemeiner Holzbock kann die Braune Hundezecke sehr gut in Wohnungen überleben“, sagt Katrin Fachet vom Fachgebiet Parasitologie der Uni Hohenheim. „Heimisch ist sie eigentlich im Mittelmeerraum und Nordafrika, in unseren warmen und vor allem trockenen Wohnungen gefällt es ihr also sehr gut.“
Nach Deutschland gebracht wird sie wohl mit Urlaubern, vermutet auch Prof. Dr. Ute Mackenstedt, Parasitologin und Expertin für Zecken an der Universität Hohenheim. „Wir können davon ausgehen, dass Besitzer, die mit ihren Hunden im Ausland im Urlaub waren, die Braune Hundezecke nach Deutschland bringen. Es wurden aber auch bereits Exemplare an Hunden gefunden, die ihren Hof nie verlassen hatten – ein Hinweis darauf, dass die Art hier möglicherweise bereits Fuß gefasst hat.“
Rasche Verbreitung: Nester mit bis zu 100.000 Zecken möglich
Einmal eingenistet, weiß Katrin Fachet, kann die Braune Hundezecke sehr schnell zu einer sehr unangenehmen Plage werden. „Ein Holzbockweibchen kann bis zu 2.000 Eier legen – ein Hundezeckenweibchen bis zu 4.000. Innerhalb weniger Monate hat man dann schnell mehrere 100.000 Zecken in der Wohnung.“
Das könnte dann u.U. auch gefährlich für den Menschen werden. „Normalerweise befällt die Braune Hundezecke – wie es der Name schon sagt – fast ausschließlich Hunde. Ist die Population aber zu groß und der Wirt reicht nicht mehr aus, dann ist sie nicht wählerisch und sucht sich das Nächstbeste: Den Menschen.“
FSME oder Borreliose-Erreger wurde bisher nicht in dieser Zeckenart festgestellt. Dafür jedoch andere Krankheiten, so Fachet. „Die Braune Hundezecke kann zu schweren Erkrankungen der Hunde führen.“ Auch auf den Menschen übertragbare Krankheiten wie das Mittelmeer-Fleckfieber, ausgelöst durch Rickettsien, bringt sie mit sich.
„Wenn Sie annehmen, dass es in Ihrem Haushalt zu einem Befall mit den braunen Hundezecken gekommen ist, sollten Sie sich mit einem Experten zu dieser Art in Verbindung setzen, der Sie beim weiteren Vorgehen beraten kann“, empfiehlt Katrin Fachet. „Werden in Eigeninitiative die falschen Maßnahmen ergriffen, kann es zu einer erheblichen Verschlimmerung des Befalls mit stark erhöhtem Gesundheitsrisiko für Mensch und Tier kommen.“
Aufruf an die Bevölkerung: Auffällige Zeckenfunde melden / einsenden
Die Wissenschaftlerin der Universität Hohenheim bittet daher die Bevölkerung um Hilfe bei ihrem Forschungsprojekt: „Wir wollen die betroffenen Fälle gerne betreuen – vom Anfang bis zum Ende des Befalls. Sollten Sie daher häufiger eine ungewöhnliche Anzahl an braunen Zecken in einem Gebäude bemerken oder sollte Ihr Hund sehr stark von Zecken befallen sein, die der braunen Hundezecke ähnlich sehen, dann schicken Sie bitte eine E-Mail mit Bild der Zecke an hundezecken@uni-hohenheim.de.“
Weiterhin ruft die Parasitologie der Universität Hohenheim auch dazu auf, gefangene Exemplare der auffälligen Hyalomma-Zecke einzusenden. Alle Informationen zur Hyalomma unter: https://zecken.uni-hohenheim.de/hyalomma

05.07.2019, Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg
Mehr Insektenvielfalt auf Äckern und Weiden
Wie lassen sich landwirtschaftliche Flächen für Insekten attraktiver machen, ohne dass der Ertrag abnimmt? Das untersuchen Oldenburger Biologen in einem EU-Projekt.
Die Bestäubung durch Insekten ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Doch in ganz Europa nimmt die Zahl von Wildbienen, Hummeln, Schmetterlingen oder Schwebfliegen ab, weil es immer weniger Blühpflanzen gibt. Das EU-Projekt BEESPOKE (Benefitting Ecosystems through Evaluation of food Supplies for Pollination to Open up Knowledge for End users), an dem auch Biologen der Universität Oldenburg beteiligt sind, soll dies nun ändern: Ziel ist es, neue Methoden, Saatmischungen und Empfehlungen für Landwirte zu entwickeln, damit die Insektenvielfalt auf Äckern und Wiesen wieder zunimmt. Das Europäische Interreg-Programm „Nordsee“ fördert das Projekt über dreieinhalb Jahre mit 4,1 Millionen Euro. Insgesamt sind 16 Partner aus sechs Nordsee-Anrainerstaaten beteiligt, die Leitung liegt beim britischen Game & Wildlife Conservation Trust.
Im Mittelpunkt des Projekts steht die Frage, wie sich landwirtschaftliche Flächen für Insekten attraktiver machen lassen, ohne dass der Ertrag abnimmt. Die Projektpartner führen dazu rund 70 Feldversuche für zahlreiche verschiedene Nutzpflanzen durch. Im deutschen Teilprojekt, an dem neben der Universität Oldenburg auch das Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen beteiligt ist, geht es um Weiden und Grünland. „Wir untersuchen beispielsweise, welchen Einfluss ein Schnitt pro Jahr mehr oder weniger hat, oder wie sich die genetische Vielfalt der Pflanzenarten im Grünland auf die Bestäuber auswirkt“, erläutert Prof. Dr. Dirk Albach, Leiter der Arbeitsgruppe Biodiversität und Evolution der Pflanzen und Direktor des Botanischen Gartens. Für die Experimente stehen dem Team 20 Hektar Weideflächen im Oldenburger Umland zur Verfügung, darüber hinaus finden auch im Botanischen Garten Versuche statt. Als Ergebnis des Projekts sollen zum Beispiel verbesserte Saatmischungen, Trainingsmaterial und Richtlinien entwickelt werden. Dieser Ansatz soll Landwirte in die Lage versetzen, belastbare und nachhaltigere Agrar-Ökosysteme zu schaffen und dabei routinemäßig auch das Wohlergehen der Bestäuber zu fördern.
Partner der Universität und des Grünlandzentrums ist die Firma Meiners Saaten in Harpstedt. Am Interreg-Programm Nordsee sind die Länder Großbritannien, Belgien, die Niederlande, Schweden, Dänemark und Deutschland beteiligt. Das Projekt BEESPOKE ist Teil der Priorität 3 „Nachhaltige Nordseeregion“. Das Programm wird vom European Regional Development Fund (ERDF) der Europäischen Union finanziert.

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