Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

13.03.2024, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung – DGUV
Studie bestätigt: Curly Horses nicht hypoallergen
American Bashkir Curly Horses, kurz Curly Horses, galten aufgrund ihres lockigen Fells bisher als hypoallergen – das heißt, weniger Allergie auslösend. Eine aktuelle Studie unter Mitwirkung des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IPA) widerlegt nun diese Annahme.
Curly Horses galten aufgrund ihres lockigen Fells bisher als hypoallergen. Dies würde sie für Menschen, die beruflich oder privat mit Pferden umgehen, zu einer deutlich besser verträglichen Pferderasse machen. Eine aktuelle Studie unter Mitwirkung des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IPA) widerlegt nun diese Annahme.
Als Grundlage für diese breit angelegte wissenschaftliche Untersuchung [1] am Department of Infection and Immunity des Luxembourg Institut of Health dienten die Daten der Studie des IPA aus dem Jahr 2018 [2]. In dieser hatten die Forschenden bereits die Allergenkonzentrationen bei Curly Horses und Quarter Horses analysiert. Das IPA untersucht in einer Längsschnittstudie die Allergieentwicklung bei Berufseinsteigern und -einsteigerinnen, die mit Tieren umgehen müssen. Das betrifft zum Beispiel Studierende der Veterinärmedizin sowie Beschäftigte in der Tiermedizin, -haltung und -pflege.
Auch die aktuelle Studie aus Luxemburg kommt zu dem eindeutigen Ergebnis: Curly Horses haben keine niedrigere Allergenkonzentration als andere Pferderassen. Proben von untersuchten Curly-Hengsten zeigten sogar eine höhere Konzentration. Curly Horses können daher nicht mehr als weniger allergen gelten.
Grundsätzlich haben sowohl Rasse als auch Geschlecht der Pferde einen signifikanten Einfluss auf die Allergen- und Antigengehalte ihrer Schuppen und Haare. So sind zum Beispiel Hengste gegenüber Stuten deutlich allergener. Zwischen Stuten und Wallachen, also kastrierten Hengsten, zeigt sich dagegen kein Unterschied. Insgesamt variieren die individuellen Allergenkonzentrationen von Pferd zu Pferd. An Pferdehaarallergie leidende Menschen müssen im Einzelfall schauen, ob der Kontakt zum Pferd für sie tolerabel ist.
Quellen:
[1] Bente Janssen‐Weets, Antoine Lesur, Gunnar Dittmar,François Bernardin, Eva Zahradnik, Monika Raulf, François Hentges, Carsten Bindslev‐Jensen, Markus Ollert1, Christiane Hilger, Proteomic analysis of horse hair extracts provides no evidence for the existence of a hypoallergenic Curly Horse breed, Received: 9 August 2023, Revised: 7 December 2023, Accepted: 21 December 2023, DOI: 10.1002/clt2.12329
[2] Eva Zahradnik, Bente Janssen-Weets, Ingrid Sander, Benjamin Kendzia, Wolfgang Mitlehner, Caroline May, Monika Raulf, Lower allergen levels in hypoallergenic Curly Horses? A comparison among breeds by measurements of horse allergens in hair and air samples, PLoS One. 2018 Dec 12;13(12):e0207871. eCollection 2018. DOI: 10.1371/journal.pone.0207871. Vgl auch: https://www.dguv.de/ipa/forschung/projektesammlung/ipa-109-all-vet.jsp
Originalpublikation:
Eva Zahradnik, Bente Janssen-Weets, Ingrid Sander, Benjamin Kendzia, Wolfgang Mitlehner, Caroline May, Monika Raulf, Lower allergen levels in hypoallergenic Curly Horses? A comparison among breeds by measurements of horse allergens in hair and air samples, PLoS One. 2018 Dec 12;13(12):e0207871. eCollection 2018. DOI: 10.1371/journal.pone.0207871

13.03.2024, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Neu entdeckt: Fossile Riesenschildkröte nach Stephen King-Romanfigur benannt
Ein internationales Forschungsteam rund um Dr. Gabriel S. Ferreira vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen hat eine neue Riesenschildkröten-Art aus dem späten Pleistozän beschrieben. Peltocephalus maturin ist mindestens 40.000 und höchstens 9.000 Jahre alt und stammt aus dem brasilianischen Amazonasgebiet. Mit einer Panzerlänge von etwa 180 Zentimetern gehört die Art zu den größten bekannten Süßwasserschildkröten weltweit. Benannt wurde der Panzerträger nach der Riesenschildkröte „Maturin“, einer Romanfigur des Bestsellerautors Stephen King.
Mit maximal 140 Zentimetern Panzerlänge zählt die Asiatische Schmalköpfige Weichschildkröte (Chitra chitra) gemeinsam mit der etwa 110 Zentimeter langen Südamerikanischen Flussschildkröte (Podocnemis expansa) zu den größten heute lebenden Süßwasserschildkröten. „Auch aus der Vergangenheit kennen wir nur wenige in Süßgewässern lebende Schildkröten, die eine Panzerlänge von 150 Zentimetern überschritten haben“, erklärt Dr. Gabriel S. Ferreira vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen und fährt fort: „Zuletzt sind solche großen Tiere vor allem aus dem Miozän, der Zeit vor etwa 23 bis fünf Millionen Jahren, bekannt.“
Ferreira und ein internationales Team haben nun einen riesigen Vertreter dieser Reptilienordnung aus der Zeit des späten Pleistozäns, etwa 40.000 bis 9.000 Jahre vor heute, entdeckt und als neue Art beschrieben. Die fossilen Überreste – ein Teil des Unterkiefers der Schildkröte – wurden von Goldgräbern im „Taquaras“-Steinbruch im brasilianischen Porto Velho gesammelt. Aufgrund verschiedener Merkmale geht das Forschungsteam von einer engen Verwandtschaft mit der rezenten Dickkopf-Amazonas-Schildkröte (Peltocephalus dumerilianus) und einer omnivoren Ernährung aus. „Benannt haben wir die neue Art nach der Riesenschildkröte ‚Maturin‘, ein übergreifender Protagonist im Stephen-King-Multiversum. Maturin ist in den Romanen und Filmen Kings für die Entstehung des Universums verantwortlich“, erläutert der Tübinger Wissenschaftler.
Die Analysen der Forschenden zeigen, dass es sich bei der Schildkröte um ein Tier mit einem etwa 180 Zentimeter langen Panzer gehandelt hat. „Das ist insofern sehr überraschend, da Süßwasserschildkröten – im Gegensatz zu ihren terrestrischen und marinen Verwandten – selten solche Giga-Formen aufweisen und die jüngsten bislang bekannten Riesen-Fossilien aus miozänen Ablagerungen stammen“, ergänzt Ferreira.
Der neue Fund ist das jüngste bekannte Vorkommen von Riesen-Süßwasserschildkröten und deutet auf eine Koexistenz von Peltocephalus maturin mit frühen menschlichen Bewohner*innen im Amazonasgebiet hin. „Bereits vor etwa 12.600 Jahren besiedelten Menschen das Amazonasgebiet. Wir wissen zudem, dass große Landschildkröten seit dem Paläolithikum auf dem Speiseplan von Homininen stehen. Ob auch die, aufgrund ihrer Beweglichkeit deutlich schwerer zu fangenden, Süßwasserschildkröten den frühen Menschen zum Verzehr dienten und ob Peltocephalus maturin – gemeinsam mit der südamerikanischen Megafauna – zum Opfer menschlicher Ausbreitung wurde, ist noch unklar. Hier benötigen wir noch weitere Daten aus den spätpleistozänen und frühholozänen Ablagerungen des Amazonasbeckens“, gibt Ferreira einen Ausblick auf künftige Arbeiten.
Originalpublikation:
Ferreira GS, Nascimento ER, Cadena EA, Cozzuol MA, Farina BM, Pacheco MLAF, Rizzutto MA, Langer MC. 2024 The latest freshwater giants: a new Peltocephalus (Pleurodira: Podocnemididae) turtle from the Late Pleistocene of the Brazilian Amazon. Biol. Lett. 20240010. https://doi.org/10.1098/rsbl.2024.0010

14.03.2024, Universität Basel
Schlaf-Wach-Rhythmus: Fische verändern unser Verständnis wie Schlaf reguliert wird
Anders als gedacht regulieren nicht alle Wirbeltieren ihren Schlaf-Wach-Rhythmus gleich. Wie Forscher der Universität Basel herausgefunden haben, benötigen einige Fische kein sogenanntes Orexin, um wach zu bleiben. Dieser Botenstoff galt bislang als unerlässlich für die Schlafsteuerung. Ohne ihn leiden Säugetiere wie der Mensch an Narkolepsie, auch Schlafsucht genannt.
Bis jetzt ging man davon aus, dass bei allen Wirbeltieren das Schlafverhalten ähnlich gesteuert wird. Deshalb greifen Forschende seit etwa 20 Jahren auch auf Fische als Modellorganismus zurück, um den Schlaf und wie er reguliert wird, genauer zu untersuchen.
Nun hat die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Alex Schier am Biozentrum der Universität Basel eine überraschende Entdeckung bei einer südasiatischen Fischart, gemacht: Prachtschmerlen, die auch in Zoos und Aquarien zu finden sind, zeigen zwar ein normales Schlafverhalten, bei ihnen wird der Schlaf jedoch komplett anders reguliert. Diesen Fischen fehlt der sogenannte Orexin-Signalweg (oder auch Hypocretin-Signalweg), von dem man dachte, er sei für das Schlafen und Aufwachen bei allen Wirbeltieren unverzichtbar. Die Ergebnisse der Studie sind in «Current Biology» erschienen.
Schlaf-Wach-Rhythmus ohne Orexin
«Uns hat überrascht, dass Prachtschmerlen ein normales Schlafverhalten zeigen, und man sie vor allem leicht aufwecken kann, obwohl bei ihnen das Orexin-System nicht funktioniert», so Erstautor Dr. Vassilis Bitsikas. Diese Karpfenart verfällt also in keinen Ohnmachtszustand, wie er bei Narkolepsie häufig vorkommt, und benötigt kein Orexin, um den Schlaf-Wach-Rhythmus zu regulieren.
Die ursprüngliche Idee bestand darin, den Orexin-Signalweg bei Prachtschmerlen genauer zu untersuchen. Da diese Fische beim Schlafen einfach aufhören zu schwimmen und sich auf die Seite legen, ist es einfach, sie beim Schlafen zu beobachten. «Sie schienen der ideale Modellorganismus für unsere Schlafstudie zu sein. Weitere Untersuchungen ergaben jedoch, dass Prachtschmerlen über kein funktionsfähigen Orexin-Signalweg verfügen», berichtet Vassilis Bitsikas.
Narkolepsie bei Säugetieren
Bei Menschen ist ein intakter Orexin-Signalweg für einen gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus essentiell. Ist dieser defekt, leiden sie an Narkolepsie: Betroffene sind tagsüber übermässig schläfrig, ihre Muskeln erschlaffen plötzlich (Kataplexie) und sie fallen unkontrolliert in einen tiefen Schlaf, aus dem sie sich kaum wecken lassen.
Diese neurologische Erkrankung wird durch den Verlust von Nervenzellen im Gehirn verursacht, die normalerweise Orexin produzieren, ein Neurotransmitter, der uns wachhält. «Bisher ging man davon aus, dass bei einem Mangel an Orexin das normale Schlaf-Wach-Verhalten bei allen Wirbeltieren gestört ist. Diese Annahme ist falsch, wie sich nun herausstellt», so Alex Schier.
Fische steuern ihren Schlaf anders
Die Forschenden entdeckten zudem, dass nicht nur Prachtschmerlen ihren Schlaf-Wach-Rhythmus ohne Orexin steuern können, sondern auch Zebrafische. «Sie behalten trotz eines defekten Orexin-Signalwegs ihren normalen Schlaf-Wach-Rhythmus bei. Sie brauchen also kein Orexin, um wach zu bleiben», sagt Vassilis Bitsikas. Demnach könnte sich bei dieser Fischart separat ein anderer Mechanismus entwickelt haben, der den Schlafrhythmus reguliert. «Interessant wäre nun herauszufinden, wann und warum sich unterschiedliche Steuerungssysteme bei Wirbeltieren entwickelt haben», so Schier.
Fische wurden oft als Modellorganismen verwendet, um herauszufinden, wie der Schlaf im Laufe der Evolution entstanden ist. «Die neuen Erkenntnisse haben unser Verständnis der Schlaf-Wach-Regulation nun verändert. Fische bergen noch einige Geheimnisse, die uns helfen könnten herauszufinden, warum bestimmte Tiere anfälliger für Narkolepsie sind als andere», betont Vassilis Bitsikas.
Originalpublikation:
Vassilis Bitsikas, Fabien Cubizolles and Alexander F. Schier
A vertebrate family without a functional Hypocretin/Orexin arousal system
Current Biology (2024), doi: 10.1016/j.cub.2024.02.022
https://doi.org/10.1016/j.cub.2024.02.022

14.03.2024, Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung
Weniger sozial im Alter
Feldstudien bestätigen schrumpfende soziale Netzwerke bei alternden Affen
Werden Menschen älter, konzentrieren sie sich zunehmend auf wichtige Sozialpartner und wenden sich verstärkt Familie und engen Freunden zu. Diese aktive Umorientierung auf wenige, besonders enge Beziehungen könnte erklären, warum alternde Menschen in immer kleineren sozialen Netzwerken leben. Da menschliches Verhalten nicht nur die gegenwärtigen Bedingungen unserer modernen Gesellschaft widerspiegelt, sondern auch das Ergebnis unserer evolutionären Vergangenheit ist, können Studien zum sozialen Altern bei unseren nächsten Verwandten Aufschluss über die biologischen Wurzeln dieses Verhaltens geben. Wissenschaftler*innen der Forschungsgruppe Soziale Evolution der Primaten am Deutschen Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung und der Abteilung Verhaltensökologie der Universität Göttingen testeten mehrere Hypothesen zu den Ursachen des sozialen Alterns bei freilebenden Assammakaken (Macaca assamensis) in Thailand. Die Forschenden sammelten acht Jahre lang Daten zum Sozialverhalten von Weibchen und fanden so heraus, dass die Größe ihrer sozialen Netzwerke mit zunehmendem Alter abnimmt. Die Weibchen interagierten weiterhin mit ihren engen Sozialpartnern, zogen sich aber allmählich insgesamt aus sozialen Interaktionen zurück. Die Ergebnisse tragen zum Verständnis der evolutionären Ursprünge des sozialen Alterns beim Menschen bei (Proceedings of the Royal Society B).
Soziale Bindungen fördern Gesundheit und Wohlbefinden. Mit zunehmendem Alter reduzieren Menschen jedoch häufig ihre sozialen Kontakte und konzentrieren sich auf die Menschen, die ihnen am wichtigsten sind – Familie und enge Freunde. Ob beziehungsweise wie sehr diese Veränderung im sozialen Engagement durch das Wissen um die begrenzte Lebenszeit, durch physische Einschränkungen eines alternden Körpers oder vielleicht durch die soziale Ausgrenzung älterer Menschen in modernen Gesellschaften motiviert ist, bleibt dabei eine offene Fragestellung. Baptiste Sadoughi, Erstautor der Studie und ehemaliger Promovierender in der Forschungsgruppe Soziale Evolution der Primaten am Deutschen Primatenzentrum, untersuchte die Ursachen des sozialen Alterns bei Assammakaken, einer nahe verwandten, nicht-menschlichen Primatenart, der das Wissen über die eigene Sterblichkeit sehr wahrscheinlich fehlt. Die Assammakakenpopulation an der DPZ-Feldstation in Phu Khieo in Thailand wird seit vielen Jahren beobachtet, es liegen deshalb Tausende von Beobachtungsstunden zum detaillierten Sozialverhalten vor.
„In unserer Studie zum sozialen Altern konzentrierten wir uns auf die Weibchen, da diese ihr Leben lang mit ihren Müttern, Schwestern und Töchtern in ihrer Geburtsgruppe bleiben, so dass wir Verhaltensänderungen im Laufe ihres gesamten Lebens verfolgen können“, erklärt Sadoughi.
Aktiver sozialer Rückzug bei gleichbleibender Vorliebe für wichtige Partner
Sadoughi stellte fest, dass sich die Weibchen mit zunehmendem Alter seltener anderen Weibchen aktiv näherten und weniger Zeit in deren Fellpflege investierten. Weniger soziale Kontakte bedeuten aber nicht zwangsläufig, dass die Weibchen öfter allein sind. Tatsächlich waren ältere Weibchen nicht häufiger räumlich isoliert als jüngere, nur interagierten sie weniger. „Wir gehen davon aus, das ältere Weibchen um jeden Preis versuchen, mit der Gruppe Schritt zu halten, da die Nähe zu anderen einen der besten Schutzmechanismen gegen Raubtiere darstellt. Wenn sie das erreicht haben, fehlt ihnen jedoch die Motivation oder die Energie, sich sozial mit anderen zu beschäftigen“, so Sadoughi.
Angesichts der Parallelen zwischen dem sozialen Altern bei Menschen und Makaken, stellte sich nun die Frage, ob die für den Menschen angenommene zunehmende soziale Selektivität auch die Ergebnisse bei Makaken erklären kann. „Assammakakenweibchen sind selektiv in der Wahl ihrer Sozialpartner. Mit wem ein Weibchen in der Vergangenheit mehr interagiert hat, sagt voraus, mit wem sie jetzt interagieren wird. Aber diese Tendenz, selektiv zu sein und bestimmte Partner anderen vorzuziehen, wird mit dem Alter nicht stärker, wie wir es vom Menschen kennen, sondern bleibt gleich. Selektivität in der Partnerwahl kann also nicht das altersabhängige Schrumpfen des sozialen Netzwerks erklären“, sagt Sadoughi.
Längsschnittdaten sind essenziell für Studien zum Altern
Die Analyse altersbedingter Veränderungen wird noch durch ein weiteres Phänomen verkompliziert, das nicht direkt mit dem zu tun hat, was wir gewöhnlich als Altern bezeichnen. „Mit dem Alter steigt das Sterberisiko. Mit niedriger sozialer Integration und weniger Partnern in der Nähe steigt das Sterberisiko auch, insbesondere bei der Anwesenheit von natürlichen Fressfeinden. Sterben über viele Jahre besonders häufig die Weibchen mit kleinen Netzwerken, dann wächst damit zwangsläufig der Anteil der Alten, die große Netzwerke haben, ein Phänomen, das als selektiver Verlust bezeichnet wird“, erklärt Julia Ostner, Leiterin der Forschungsgruppe Soziale Evolution der Primaten und Letztautorin der Studie. Nur, weil hier Längsschnittdaten zur Verfügung standen, war es möglich, dieses analytische Problem zu lösen und zwischen Veränderungen zu unterscheiden, die tatsächlich mit der individuellen Alterung zusammenhängen, und solchen, die auf demographische Trends zurückzuführen sind.
Erst in den letzten zwanzig Jahren hat die Wissenschaft erkannt, dass auch Wildtiere physiologische, morphologische oder soziale Veränderungen erfahren, die mit dem Alterungsprozess zusammenhängen. Lange Zeit ging man davon aus, dass Individuen in freier Wildbahn nicht lange genug überleben, um Alterungserscheinungen zu zeigen. „Erst jetzt beginnt man zu erkennen, welche Möglichkeiten Langzeitdaten über Tierpopulationen in ihrer natürlichen Umgebung bieten, um zu untersuchen, wie Individuen mit den Herausforderungen des Alterns umgehen,“ sagt Baptiste Sadoughi.
Die Deutsches Primatenzentrum GmbH (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung betreibt biologische und biomedizinische Forschung über und mit Primaten auf den Gebieten der Infektionsforschung, der Neurowissenschaften und der Primatenbiologie. Das DPZ unterhält außerdem vier Freilandstationen in den Tropen und ist Referenz- und Servicezentrum für alle Belange der Primatenforschung. Das DPZ ist eine der 96 Forschungs- und Infrastruktureinrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft.
Originalpublikation:
Sadoughi B, Mundry R, Schülke O, Ostner J. (2024): Social network shrinking is explained by active and passive effects but not increasing selectivity with age in wild macaques. Proc. R. Soc. B 291: 20232736. https://doi.org/10.1098/rspb.2023.2736

15.03.2024, Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart
Forscher stellen den weltweit ältesten langhalsigen Meeressaurier vor
Ein historisches Fossil liefert neue Erkenntnisse über die frühe Evolution der Meeresreptilien nach dem größten Massenaussterben vor 252 Millionen Jahren.
Ein internationales Wissenschaftlerteam um Dr. Stephan Spiekman, Dr. Eudald Mujal und Prof. Dr. Rainer Schoch, Paläontologen am Naturkundemuseum Stuttgart, hat das bereits Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals beschriebene Fossil des Sauriers Trachelosaurus fischeri neu untersucht. Vergleiche mit neuen Fossilienfunden eines ähnlichen Meeresreptils aus China zeigen, dass Trachelosaurus fischeri der weltweit älteste langhalsige Meeressaurier ist. Die Wissenschaftler haben ihre Forschungsergebnisse zu dem 247 Millionen Jahre alten Fossil aus Sachsen-Anhalt in der Fachzeitschrift „Swiss Journal of Palaeontology“ veröffentlicht.
Trachelosaurus fischeri wurde bereits im 19. Jahrhundert in Schichten des Buntsandsteins (Mittlere Trias) in Bernburg an der Saale entdeckt und kam anschließend in die Sammlung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Das Exemplar befindet sich derzeit als Leihgabe im Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart, wo es von Saurier-Spezialisten erneut untersucht wurde. Trachelosaurus fischeri wurde erstmals 1918 in einer Publikation beschrieben, aber es blieb umstritten, um welche Art von Reptil es sich bei diesem Fossil tatsächlich handelt. Das liegt zum einen an der einzigartigen Anatomie von Trachelosaurus fischeri, zu der eine ungewöhnlich große Anzahl von Wirbeln gehört, und zum anderen an der relativ schlechten Erhaltung des Fossils: Das Skelett ist unvollständig und seine Überreste sind über das gesamte Gestein verstreut, in dem es konserviert wurde.
„Durch die Untersuchung chinesischer Fossilen des langhalsigen Meeressaurier Dinocephalosaurus, deren Ergebnisse ich mit Kolleg*innen erst vor wenigen Wochen veröffentlicht habe, konnten wir auch das Rätsel von Trachelosaurus fischeri lösen. Die Anatomie zeigt uns, dass er eng mit Dinocephalosaurus verwandt ist. Trachelosaurus fischeri ist das erste Fossil dieser Reptiliengruppe, das außerhalb Chinas gefunden wurde. Zugleich ist er der älteste langhalsige Meeressaurier, der bisher bekannt ist“, so Dr. Stephan Spiekman, Experte für diese Tiergruppe am Naturkundemuseum Stuttgart.
Nach dem großen Massenaussterben an der Perm-Trias-Grenze vor 252 Millionen Jahren kam es zu Beginn der Triaszeit zu einer sehr schnellen Diversifizierung neuer Reptilienarten an Land und im Wasser. Darunter waren auch die ersten langhalsigen Meeressaurier. Wie es zu diesen komplexen evolutionsbiologischen Entwicklungen kam, ist ein wichtiger Forschungsgegenstand. Die Wissenschaftler vermuten, dass Trachelosaurus fischeri vor 247 Millionen Jahren in ein Flachwassergebiet geschwemmt wurde, denn auf dem Gestein, in dem das Fossil konserviert ist, sind auch Fußspuren von Landtieren erhalten. Der Fund und seine Neubewertung sind für die Forschenden ein weiteres Puzzlestück zum besseren Verständnis der marinen Ökosysteme zu Beginn der Triaszeit.
Die Geschichte des Fossils zeige auch die Bedeutung der historischen Museums- und Universitätssammlungen für die naturkundliche Forschungsarbeit, betonen die Autoren der Studie. Neue Funde aus verschiedenen Teilen der Welt ermöglichen es den Wissenschaftler*innen regelmäßig, Fossilien neu zu interpretieren, die bereits vor vielen Jahren, manchmal sogar Jahrhunderten, entdeckt wurden und die in den Museen sorgfältig aufbewahrt werden.
Originalpublikation:
Stephan N. F. Spiekman, Martin D. Ezcurra, Adam Rytel, Wei Wang, Eudald Mujal, Michael Buchwitz and Rainer R. Schoch: A redescription of Trachelosaurus fischeri from the Buntsandstein (Middle Triassic) of Bernburg, Germany: the first European Dinocephalosaurus like marine reptile and its systematic implications for long necked early archosauromorphs. Swiss Journal of Palaeontology.
DOI: https://doi.org/10.1186/s13358-024-00309-6

15.03.2024, Deutsche Wildtier Stiftung
Erster Schmetterling des Jahres fliegt wieder
Zitronenfalter läuten den Frühling ein
Wenn die Tage wärmer werden und die Sonne scheint, zeigt sich der erste Schmetterling des Jahres: Der knallgelbe Zitronenfalter (Genopteryx rhamnis) lässt sich mit seinem typischen Flug – mal steigt er hoch, dann lässt er sich fallen – in Parks und Gärten blicken. „Die kräftige Frühlingsfarbe haben dabei nur die Männchen“, sagt Alice Kracht, Insektenexpertin bei der Deutschen Wildtier Stiftung, „weibliche Falter haben ein grünlich-weißes Flügelkleid.“ Die Flügel beider Geschlechter erinnern mit ihren deutlich hervortretenden Adern an Baumblätter. In der Flügelmitte haben Männchen wie Weibchen einen orangefarbenen Fleck.
Dass Zitronenfalter die ersten Schmetterlinge sind, die bereits im März ihre Winterverstecke verlassen, liegt daran, dass sie die kalten Monate als ausgewachsene Falter – und nicht als Ei, Raupe oder Puppe – in einer Starre verbringen. Klettern die Temperaturen auf um die 14 Grad, sind sie sofort voll flugfähig. Nach dem Winter brauchen sie Nahrung, um Energie zu tanken. Und die Paarungszeit steht an: „Die paarungsbereiten Weibchen werden in wildem Flug von den Männchen verfolgt. Während der Balz steigen sie oft bis hoch in die Baumkronen hinein“, beschreibt Kracht die spektakulären Flugmanöver der zarten Tiere.
Nahrung liefern Frühblüher wie Seidelbast, Salweide und Lerchensporn mit ihrem süßen Nektar. Im Sommer, wenn die neue Faltergeneration geschlüpft ist, sind Blutweiderich und Kohldistel nahrhafte Nektarquellen. Die grün-, porzellanartig glänzenden Raupen des Zitronenfalters fressen dagegen ausschließlich an Faulbäumen und Kreuzdorn-Arten. „Das ist übrigens das Kennzeichen vieler Schmetterlingsarten: Ihre Raupen sind auf ganz bestimmte Futterpflanzen spezialisiert“, sagt Kracht.
Zitronenfalter sind übrigens nicht nur die ersten, sondern auch die letzten Tagfalter, die wir in der Natur beobachten können: Mit einer Lebenszeit von zehn Monaten werden sie von allen Tagfaltern am ältesten. Ab September suchen sie sich Überwinterungsplätze in Baumspalten, an der Unterseite eines Brombeerblattes oder in einer Efeuhecke, bis sie uns im nächsten Frühling wieder mit ihrer Farbenpracht erfreuen.

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