Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

04.12.2023, Deutsche Wildtier Stiftung
Der Igel ist das Tier des Jahres 2024
Nachtaktiver Wanderer, Einzelgänger und Winterschläfer – der Braunbrustigel (Erinaceus europaeus) ist das Tier des Jahres 2024. Drei tierische Stadtbewohner hatte die Deutsche Wildtier Stiftung ihren Spenderinnen und Spendern zur Wahl gestellt. Das Stacheltier konnte sich klar gegen die Mitbewerber Eichhörnchen und Rotfuchs durchsetzen.
„Damit hat ein Wildtier die Wahl zum Tier des Jahres gewonnen, das wohl jedes Kind kennt – das es aber in unserer Kulturlandschaft immer schwerer hat“, sagt Wildtierbiologe Prof. Dr. Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung. Der Igel findet immer weniger passenden Lebensraum. Auf dem Land haben aufgeräumte Agrarlandschaften die früher üblichen Hecken, Gehölze und artenreichen Magerwiesen verdrängt. Mehr Abwechslung bieten Gärten und Grünanlagen in Siedlungsgebieten. Inzwischen gibt es Schätzungen zufolge in Städten bis zu neunmal so viele Igel wie auf dem Land. Aber auch hier hat es der Igel immer schwerer. Denn täglich werden Flächen versiegelt, und in Wohnstraßen breiten sich sterile Schottergärten aus. Wie viele Igel es in Deutschland gibt, ist nicht bekannt. Wildtierexperten sehen aber mit Sorge, dass der Igelbestand hierzulande offenbar schleichend abnimmt. Der Igel wird auf der Roten Liste der Säugetiere Deutschlands in der Kategorie „Vorwarnliste“ geführt. „Bleibt der negative Einfluss des Menschen auf den Braunbrustigel bestehen, ist zu erwarten, dass die Art in naher Zukunft in die Kategorie ‚Gefährdet‘ hochgestuft werden muss“, sagt Hackländer.
Damit es dem stacheligen Nachtwanderer gut geht, braucht er in der Offenlandschaft Hecken und in unseren Gärten wilde Ecken, in denen sich die Natur weitgehend ungestört entfalten kann. Dort kann er sich verstecken, im Sommer seinen Nachwuchs zur Welt bringen und ab November seinen Winterschlaf halten. Außerdem findet er hier seine Nahrung: Insekten, Spinnentiere und Regenwürmer. Dabei hilft ihm sein guter Geruchssinn, mit dem er seine Beute in einem Umfeld von einem Meter aufspüren kann.
Auf der Suche nach Futter legt ein Igel Nacht für Nacht mit seinen kurzen Beinen mehrere Kilometer zurück und ist dabei vielen Gefahren ausgesetzt. Zu seinen Feinden gehören Dachs und Uhu. Wittert der Igel Gefahr, rollt er sich zu einer stacheligen Kugel zusammen. Dazu stellt er seine 5 000 bis 7 000 Stacheln mithilfe der ebenso vielen kleinen Muskeln auf. Was gegen einen hungrigen Fuchs helfen mag, ist aber keine hilfreiche Strategie gegen Autos, Mähroboter und Rasentrimmer. Auf unseren Straßen werden unzählige Igel überfahren. Nachtaktive Mähroboter werden den Stachelträgern auf ihren Streifzügen zum Verhängnis. Und ordnungsliebende Gärtner gefährden mit Rasentrimmern Igel, die tagsüber an Heckensäumen und Strauchrändern schlafen.
Wer das Tier des Jahres 2024 im eigenen Garten unterstützen möchte, muss nicht viel tun. Im Gegenteil: Igel mögen wilde Ecken, in denen sich Insekten, Spinnen und Würmer tummeln. Haufen aus Laub und Reisig dienen ihnen als Versteck. Und da Igel auf ihren Wanderungen immer mal wieder Pausen einlegen, haben sie meist eine Reihe von Rückzugsmöglichkeiten. Damit sie diese erreichen können, brauchen sie freie Bahn. Hermetisch abgeriegelte Grundstücke mit undurchlässigen Zäunen oder Mauern sind für sie verlorener Lebensraum. Soll der Garten umzäunt sein, reicht es, ein etwa 13 mal 13 Zentimeter großes Loch im oder unter dem Zaun zu lassen, durch das der Igel gut hindurchpasst. Besser als Zäune sind generell Hecken – sie bieten natürliche Lücken und viele verschiedene Tiere finden darin Nahrung und Unterschlupf. Pestizide sind in einem igelfreundlichen Garten selbstverständlich ganzjährig tabu.

05.12.2023, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.
Viel Aufwand, wenig Beute: Geringer Erfolg bei der Futtersuche vertreibt Fledermäuse aus Städten
Während manche Wildtiere relativ gut in städtischen Lebensräumen zurechtkommen, stellt die Futtersuche größere, insektenfressende Fledermausarten vor Herausforderungen: Um satt zu werden, muss der Große Abendsegler (Nyctalus noctula) in der Stadt länger als ihre Artgenossen auf dem Land fliegen und fangen dennoch weniger Insekten. Städtische Fledermäuse gehen alleine auf die Jagd, während auf dem Land die Artgenossen regelmäßig gemeinsam unterwegs sind. Dies zeigt eine neue Untersuchung unter der Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW), die in der Fachzeitschrift „Global Change Biology“ erschienen ist.
Das Forschungsteam um PD Dr. Christian Voigt und Dr. Laura Stidsholt vom Leibniz-IZW stattete Große Abendsegler, eine ungefähr 30 Gramm schwere Fledermausart, im Stadtgebiet Berlin und in einem ländlichen Gebiet in Mecklenburg-Vorpommern mit kleinen Sensorloggern aus. Dies ermöglichte es ihnen, den Aufwand für die Nahrungssuche, die Anwesenheit von Artgenossen und den Jagderfolg während der Nahrungssuche in städtischer und ländlicher Umgebung zu erfassen und zu analysieren. Die Ergebnisse war konsistent mit den Vorhersagen der Forschenden: Obwohl die Abendsegler in beiden Umgebungen ähnlich große Beutetiere jagten, erbeuteten sie in der Stadt deutlich weniger Beutetiere pro Flugzeit und insgesamt eine geringere Gesamtmenge an Insekten als ihre Artgenossen auf dem Land. Zudem mussten sie dabei höher und weitere Strecken fliegen – Fledermäuse in der Stadt fangen also weniger Beute und haben einen höheren Energieaufwand bei der Suche nach Insekten als Fledermäuse auf dem Land. Um die städtischen Nachteile zu kompensieren, könnten Große Abendsegler in der Stadt ihre geringere Energiezufuhr dadurch ausgleichen, dass sie im Ruhezustand ihre Körpertemperatur absenken, so die Forschenden.
„Es leben zwar viele Fledermausarten in städtischen Gebieten, aber es geht nicht allen gleichermaßen gut“, sagt Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. Vor allem für größere Arten sei das Nahrungsangebot aufgrund der starken Versiegelung durch Straßen, Parkplätze und Bebauung eher schlecht, sagt Voigt. Alle europäischen Fledermausarten sind Insektenfresser, die abends oder nachts auf Nahrungssuche gehen. In den Städten finden sie ihre Beute in räumlich eng umgrenzten Arealen wie in Parks und Friedhöfen. Städte scheinen für größere Fledermausarten wie dem Großen Abendsegler wenig attraktiv, so Erstautorin Stidsholt, Postdoktorandin am Leibniz-IZW. „In der Stadt waren Große Abendsegler zudem weniger sozial, sie jagten also seltener mit Artgenossen zusammen. Wahrscheinlich war die Gruppenjagd in der Stadt unnötig, da es für eine Stadtfledermaus überschaubar ist, in welchen Grünanlagen sich Beuteinsekten befinden. Auf dem Land benötigen sie hierfür die Unterstützung ihrer Artgenossen.“
Die meisten Fledermausarten haben aufgrund ihres hohen Stoffwechsels und ihrer energieaufwändigen Fortbewegung einen hohen Energiebedarf. Um diesen während des gesamten Tagesverlaufes in Zeiten von Nahrungsknappheit zu reduzieren, versetzen sich Fledermäuse in einen Schlafzustand. Dabei senken sie ihre Körpertemperatur und somit ihren Energieverbrauch erheblich. Möglicherweise nutzen größere Arten wie der Abendsegler diese Methode in der Stadt gezielt, um eine positive Energiebilanz aufrechtzuerhalten. Allerdings hat der energiesparende Ruhezustand auch negative Folgen, zum Beispiel für Weibchen des Großen Abendseglers während der Trächtigkeit und für die Jungtierentwicklung, denn bei niedrigeren Körpertemperaturen wird auch das Wachstum ausgebremst.
Die Verstädterung hat erhebliche Auswirkungen auf Wildtiere und ihre Lebensräume. Auch wenn sich einige wenige Tierarten an städtische Umgebungen anpassen können, meidet die Mehrheit der Wildtierarten urbane Landschaften, was zu einem allgemeinen Rückgang der Artenvielfalt führe, so die Forschenden. Die Urbanisierung wirke wie ein Umweltfilter, der einige Arten mit geeigneten Verhaltens-, Morphologie- und Fortpflanzungsmerkmalen begünstige, viele jedoch verdränge. Städtische Gebiete zeichnen sich durch wenige Spitzenprädatoren (typischerweise Säugetiere), große räumliche Heterogenität und fragmentierte Lebensräume aus, was zu einem höheren Wettbewerb innerhalb und zwischen Arten führt. Die Situation großer Fledermausarten in städtischen Gebieten ist dafür ein gutes Beispiel, wie die wissenschaftliche Untersuchung des Leibniz-IZW zeigt. Für den Schutz großer Fledermausarten in städtischen Umgebungen seien Lebensräume mit vielen Insekten entscheidend, betont das Forschungsteam.
Die wissenschaftliche Untersuchung wurde von der Villum Foundation finanziell unterstützt.
Originalpublikation:
Stidsholt L, Scholz C, Hermanns U, Teige T, Post M, Stapelfeldt B, Reusch C, Voigt CC (2023): Low foraging rates drive large insectivorous bats away from urban areas. Global Change Biology. DOI: 10.1111/gcb.17063

05.12.2023, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Jagd auf Waldelefanten war unter Neandertalern vor 125.000 Jahren weit verbreitet
Die Jagd auf den heute ausgestorbenen Waldelefanten (Palaeoloxodon antiquus) war unter Neandertalern weit verbreitet. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscherteam der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, des Leibniz-Zentrums für Archäologie, ebenfalls in Mainz, und der Universität Leiden in den Niederlanden. Funde in Ostdeutschland zeigen, dass Neandertaler große Mengen an Fleisch und Fett lagerten oder sich zeitweise zu größeren Gruppen zusammenschlossen, um diese zu verzehren. Die Studie wurde gerade in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.
Die Jagd auf den heute ausgestorbenen Waldelefanten (Palaeoloxodon antiquus) war unter Neandertalern weit verbreitet. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscherteam der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA), ebenfalls in Mainz, und der Universität Leiden in den Niederlanden. Die Studie wurde gerade in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.
Die Forschenden hatten die etwa 125.000 Jahre alten Knochen von Waldelefanten, die vor Jahrzehnten in Gröbern in Sachsen-Anhalt und Taubach in Thüringen entdeckt worden waren, genau untersucht. Sie konnten Schnittspuren von Steinwerkzeugen von Neandertalern identifizieren, die auf eine intensive Nutzung der Kadaver hindeuten. Vor zwei Jahren hatte dasselbe Team bei der Analyse von Knochen, die an der Fundstelle Neumark-Nord in einem ehemaligen Braunkohletagebau in Sachsen-Anhalt gefunden worden waren, den allerersten Beweis dafür entdeckt, dass Neandertaler aktiv Jagd auf Waldelefanten machten, die größten Landsäugetiere des Pleistozäns. Diese Entdeckung war Anfang dieses Jahres in der Zeitschrift Science Advances veröffentlicht worden (siehe https://presse.uni-mainz.de/neandertaler-jagten-waldelefanten-erster-beweis-fuer…). „Die Ergebnisse der Untersuchung der Knochen aus Gröbern und Taubach zeigen nun, dass die Jagd von Neandertalern auf Waldelefanten keine Ausnahme, sondern regelhaftes Verhalten war“, sagt Prof. Dr. Sabine Gaudzinski-Windheuser, Professorin im Arbeitsbereich für Vor- und Frühgeschichte der JGU und Leiterin des Archäologischen Forschungszentrums und Museums für menschliche Verhaltensevolution, MONREPOS, in Neuwied, das zum LEIZA gehört. Gaudzinski-Windheuser war maßgeblich an der Untersuchung der Knochen sowohl in Gröbern und Taubach als auch zuvor in Neumark-Nord beteiligt.
Ein Waldelefantenbulle konnte den täglichen Kalorienbedarf von 2.500 Neandertalern decken
Der Europäische Waldelefant lebte zirka von vor 800.000 bis vor 100.000 Jahren in weiten Teilen Europas und Westasiens. Mit einer Schulterhöhe von bis zu vier Metern und einem Gewicht von bis zu 13 Tonnen war er das damals größte an Land lebende Tier und nicht nur deutlich größer als der heutige Afrikanische oder Asiatische Elefant, sondern auch als das ebenfalls ausgestorbene Wollhaarmammut. „Wir gehen davon aus, dass das Fleisch und Fett eines ausgewachsenen Waldelefantenbullen den täglichen Kalorienbedarf von mindestens 2.500 erwachsenen Neandertalern decken konnte“, sagt Gaudzinski-Windheuser. „Diese Zahl ist wichtig, denn sie führt zu neuen Einblicken in das Verhalten der Neandertaler.“ So war die Forschung bisher allgemein davon ausgegangen, dass sich Neandertaler in Gruppen von nicht mehr als 20 Individuen zusammenschlossen. Die jetzt gewonnenen Informationen über die systematische Ausbeutung von Waldelefanten deuten jedoch darauf hin, dass sich die Neandertaler zumindest zeitweise in größeren Gruppen versammelten oder Techniken beherrschten, die es ihnen erlaubten, große Mengen an Nahrungsmitteln zu konservieren und zu lagern – oder beides. In einem Folgeprojekt wollen die Forschenden mehr darüber erfahren, wie die Neandertaler diese massiven Elefanten jagten und wie sich ihre Jagdaktivitäten auf diese und andere Beutetiere sowie auf ihre Umwelt auswirkten.
Originalpublikation:
S. Gaudzinski-Windheuser et al., Widespread evidence for elephant exploitation by Last Interglacial Neanderthals on the North European plain, PNAS 120, 0, 4. Dezember 2023,
https://doi.org/10.1073/pnas.2309427120

05.12.2023, Schweizerischer Nationalfonds SNF
Dank DNA der Diverstät von Flussfischen auf die Schliche kommen
Fische hinterlassen Fragmente von Erbgut im Wasser. Diese Umwelt-DNA wurde an fast 90 Stellen in Schweizer Flüssen aufgespürt und ist eine verlässliche Methode zur Erhebung der Biodiversität.
Wo Fische leben, hinterlassen sie auch DNA-Fragmente, zum Beispiel über Hautschuppen oder Exkremente. Diese Indizien können gesammelt und analysiert werden und geben Aufschluss darüber, welche Arten am untersuchten Standort vorkommen. Das Vorgehen ist präziser, einfacher und weniger schädlich für die Wassertiere als die Elektrofischerei, die sonst dafür eingesetzt wird. Zu diesem Ergebnis kommt eine gross angelegte Studie, die vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) unterstützt wurde und deren Ergebnisse nun im Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences (*) erschienen sind.
Nicht mehr mit Strom betäuben
Florian Altermatt, Professor für aquatische Ökologie an der Universität Zürich und Leiter eines Labors an der Eawag, hat die Studie geleitet. Er erklärt: «Bisher wurden diese Bestandeskontrollen in Flüssen meist nur alle fünf Jahre gemacht. Eine aussagekräftige Überwachung der biologischen Vielfalt ist so nicht möglich.» Ausserdem wurden die Tiere nur aufgrund ihres Aussehens bestimmt, nachdem sie in der Regel durch Elektrofischen gefangen wurden. Bei dieser Methode, die in der Schweiz zu wissenschaftlichen Zwecken zugelassen ist, werden die Fische mit Strom betäubt und dann eingesammelt.
Forschende suchen nun nach neuen Methoden zur Bestimmung der Biodiversität in Gewässern, die einfacher und ethisch unbedenklich sind. Altermatt und sein Team konzentrieren sich dabei auf die sogenannte Umwelt-DNA.
Damit werden DNA-Fragmente bezeichnet, die Organismen in ihrem Lebensraum hinterlassen. Mit molekularbiologischen Mitteln kann das Material analysiert und einzelnen Arten zugeordnet werden. «Anhand der Fragmente können wir zeigen, dass eine bestimmte Art an einem Standort oder in der Umgebung vorkommt, zum Beispiel flussaufwärts. Es funktioniert ähnlich wie mit der DNA, die man am Tatort eines Verbrechens sammelt», ergänzt der Forscher.
Fast 90 Standorte untersucht
Die Technik wird seit rund zehn Jahren in Flüssen eingesetzt und ermöglicht einen guten Überblick. Florian Altermatt und sein Team haben so schweizweit 89 Fliessgewässer untersucht.
Die Forschenden entnahmen jedem Gewässer zwei Liter Wasser und sammelten daraus die Umwelt-DNA. Durch den Abgleich der Erbgut-Sequenzen mit einer umfassenden Datenbank von Fisch-DNA liessen sich die Arten identifizieren. Anschliessend verglichen die Forschenden die identifizierten Arten mit den Aufzeichnungen der letzten 30 Jahre zum jeweiligen Standort: So konnten sie die Genauigkeit der Methode beurteilen. Ausserdem überprüften sie ihre Daten an zwei Dritteln der Entnahmeorte anhand von Ergebnissen des Elektrofischens.
Die Resultate deckten sich einerseits mit den historischen Daten und wiesen andererseits eine grössere Artenvielfalt aus, als punktuelles Elektrofischen vermuten liess. «Anhand der Umwelt-DNA konnten wir auch Fische identifizieren, die weiter stromaufwärts leben, sowie Arten, die mit der Elektrofischmethode schwer zu fangen sind», erklärt Altermatt.
(*) J. Brantschen and F. Altermatt: Contrasting strengths of eDNA and electrofishing compared to historic records for assessing fish community diversity and composition. Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences (2023).

06.12.2023, Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg
Wandernde Mückenfledermäuse können Erdmagnetfeld wahrnehmen
Mückenfledermäuse verfügen über einen magnetischen Kompass und kalibrieren diesen bei Sonnenuntergang – darauf deuten die Ergebnisse einer neuen Studie hin, die in der Fachzeitschrift Biology Letters erschienen ist. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Oldenburg zeigt anhand von Verhaltensexperimenten, dass zwei unterschiedliche Komponenten des Erdmagnetfelds die Orientierung der Tiere beeinflussen.
Mückenfledermäuse (Pipistrellus pygmaeus) wiegen nur wenige Gramm, legen aber auf nächtlichen Wanderungen von Nordost- nach Südwesteuropa vermutlich jedes Jahr tausende Kilometer zurück. Wie sie in der Dunkelheit ihren Kurs über diese langen Distanzen finden, ist bislang unklar. Ein internationales Team um den Biologen Dr. Oliver Lindecke von der Universität Oldenburg hat nun Hinweise darauf gefunden, dass bei der Navigation der Mückenfledermäuse der Magnetsinn eine Rolle spielen könnte. Mit Hilfe von Verhaltensexperimenten fand das Team heraus, dass zwei unterschiedliche Komponenten des Erdmagnetfelds die Orientierung der Tiere beeinflussen. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Biology Letters erschienen.
Lindecke untersucht die Wanderungen der kleinen Säugetiere bereits seit zehn Jahren. Der Biologe erklärt: „Anders als bei Vögeln ist der Magnetsinn von Säugetieren, die über lange Distanzen wandern, praktisch noch nicht erforscht.“ Die Ergebnisse der aktuellen Studie legen zusammen mit früheren Ergebnissen nun nahe, dass Mückenfledermäuse über einen magnetischen Kompass verfügen und diesen bei Sonnenuntergang kalibrieren.
Er und seine Kollegen führten ihre Experimente auf der Ornithologischen Station der Universität von Lettland in Pape durch, einem Dorf im äußersten Südwesten des Landes an der Ostsee. „Im August und September wandern hier Zehntausende Fledermäuse entlang der Küste, vor allem Richtung Mitteleuropa“, berichtet Lindecke. In einer früheren Studie hatte er bereits herausgefunden, dass Mückenfledermäuse ihren inneren Kompass bei Sonnenuntergang neu justieren: Sie nutzen dafür den Punkt, an dem die Sonne untergeht, um ihre Flugroute auch später in der Nacht bestimmen zu können.
Um herauszufinden, ob die Tiere einen Magnetsinn besitzen und diesen bei der Navigation einsetzen, fingen die Forschenden 65 Mückenfledermäuse und setzten einen Teil der Tiere am folgenden Tag zur Zeit des Sonnenuntergangs mittels einer sogenannten Helmholtz-Spule einem manipulierten Magnetfeld aus. Dessen horizontale Richtung war um 120 Grad im Uhrzeigersinn gegenüber dem Erdmagnetfeld gedreht, also so, dass eine Kompassnadel nicht nach Norden, sondern nach Südosten zeigen würde. Bei einer zweiten Gruppe kehrte das Team zusätzlich die Neigungsrichtung des Magnetfeldes um, die sogenannte Inklination. Diese entsprach somit natürlichen, auf der Südhalbkugel der Erde gemessenen Werten. Ein weiterer Teil der Fledermäuse diente als Kontrollgruppe und war nur dem natürlichen Erdmagnetfeld in den Dünen von Pape ausgesetzt.
Einige Stunden später ließen die Forscher die Fledermäuse bei Nacht einzeln in einem Feldlabor frei und bestimmten dabei deren Abflugrichtung. Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass die Tiere die einmal gewählte Richtung auf ihren nächtlichen Flügen beibehalten.
Das Ergebnis: Aus der Kontrollgruppe flog etwa die Hälfte der Tiere nach Süden, die andere Hälfte nach Norden. Die beiden Gruppen mit manipuliertem Magnetfeld verhielten sich unterschiedlich: Diejenigen Tiere, bei denen die horizontale Richtung des Magnetfeldes gedreht war, orientierten sich überwiegend nach Nordwesten. Bei der Gruppe, bei der zusätzlich die Inklination umgekehrt war, war hingegen keine bevorzugte Abflugrichtung zu erkennen. Die Ergebnisse zeigen vor allem eins, sagt Lindecke: „Die Fledermäuse sind bei Sonnenuntergang sowohl für die horizontale Richtung als auch für die Inklination des Magnetfeldes sensibel – und das beeinflusst ihren Abflug noch Stunden später.“
Welcher Mechanismus dem Magnetsinn der Fledermäuse zugrunde liegt, ist bislang nicht geklärt. Die Studie zeige jedoch, dass sie ähnlich wie Vögel die Inklination des Erdmagnetfeldes für ihre Navigation nutzen könnten, so Lindecke. Die genauen Zusammenhänge werden im Sonderforschungsbereich (SFB) „Magnetrezeption und Navigation in Vertebraten“ der Universität Oldenburg erforscht, den die Deutsche Forschungsgemeinschaft seit 2018 fördert. Lindecke ist dem SFB seit 2021 als Fellow angeschlossen und leitet 2023 ein Teilprojekt, das sich auf wandernde Fledermäuse konzentriert. Der SFB finanzierte auch einen Teil der aktuellen Studie. An der Publikation waren außerdem Forscher der Bangor University in Großbritannien und von der Universität von Lettland beteiligt.
Originalpublikation:
William Schneider, Richard Holland, Oskars Keišs, Oliver Lindecke: “Migratory bats are sensitive to magnetic inclination changes during the compass calibration period.” Biology Letters 19: 20230181. DOI:10.1098/rsbl.2023.0181

06.12.2023, Hochschule Bremen
Veröffentlichung: Leben in einer Zentrifuge stärkt Skelett von Insekten
Wissenschaftler:innen der Hochschule Bremen (HSB) haben mit Hilfe einer Zentrifuge gezeigt, dass die Skelette von Insekten stärker werden, wenn diese unter höherer mechanischer Belastung aufgezogen werden. Diese grundlegende Erkenntnis ist wichtig, um die evolutionäre Entwicklung von vielen biologischen Materialien besser zu verstehen. Ihre Ergebnisse haben die Bioniker:innen in dem renommierten englischsprachigen Journal „Proceedings of the Royal Society B“ veröffentlicht.
„Zum ersten Mal konnten wir direkt zeigen, dass das Außenskelett von Insekten auf mechanische Belastung reagieren kann“, sagt Dr. Karen Stamm, die am Bionik-Innovations-Centrum (BIC) der HSB die Studie durchgeführt und zu dem Thema promoviert hat. „Nach zwei Wochen in der Zentrifuge mit dem Dreifachen ihres eigenen Körpergewichts waren die Beine der Heuschrecken steifer und die Struktur der Beine anders als bei den Heuschrecken, die unter normaler Schwerkraft lebten.“ Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert und durch die hochschulinterne Abschlussförderung der HSB unterstützt.
Bislang war nicht bekannt, ob Außenkelette auch auf mechanische Belastung reagieren können
Ein typisches Merkmal der meisten biologischen Materialien ist ihre Fähigkeit, auf mechanische Belastung zu reagieren. So verstärken sich beispielsweise Bäume, die sich im Wind wiegen, indem sie mehr Holz hinzufügen, um den Kräften standzuhalten. In ähnlicher Weise besitzen die Skelettstrukturen von Menschen und anderen Wirbeltieren die Fähigkeit, Knochenmaterial hinzuzufügen oder zu entfernen, um ihre mechanischen Eigenschaften zu optimieren. Die meisten Tiere auf der Erde haben jedoch ein sogenanntes Exoskelett (Außenskelett) aus Kutikula. Bislang war nicht bekannt, ob diese Exoskelette auch auf mechanische Belastung reagieren können – oder ob Wirbeltierknochen und Holz in dieser Hinsicht evolutionär einzigartig sind.
Um diese grundlegende biologische Frage zu beantworten, zogen Wissenschaftler:innen der Arbeitsgruppe „Biologische Strukturen und Bionik“ der Hochschule Bremen Heuschrecken mehrere Wochen lang in einer großen Zentrifuge und mit kleinen, eigens angefertigten „Rucksäcken “ auf. Anschließend maßen die Forscher:innen die Steifheit der Beine und analysierten mittels Röntgenmikrotomographie die Struktur der Kutikula.
„Ergebnisse helfen, grundlegende Aspekte zur Evolution von Skeletten und biologischen Materialien besser zu beantworten.“
„Durch unsere Studie wissen wir jetzt, dass nicht nur Knochen und Holz auf mechanische Belastung reagieren kann. Insekten verfügen auch über diese faszinierende Fähigkeit „, sagt Professor Jan-Henning Dirks, Leiter der Arbeitsgruppe „Biologische Strukturen und Bionik“ an der HSB. „Unsere Ergebnisse helfen uns nun, sehr grundlegende Aspekte zur Evolution von Skeletten und biologischen Materialien besser zu beantworten. Gleichzeitig eröffnen sich natürlich wieder ganz neue Fragen, die uns noch viele Jahre beschäftigen werden.“
Originalpublikation:
https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rspb.2023.2141
https://doi.org/10.26092/elib/2682

07.12.2023, Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels
Alles Gute kommt von oben! DNA-basierte Nahrungsanalysen beim Kleinabendsegler
Grundbedürfnis und Voraussetzung zum Überleben ist eine ausreichende Versorgung mit Nahrung. Um eine Tierart zu schützen, ist es oft sehr hilfreich zu wissen, was diese Art bevorzugt und häufig zu sich nimmt. Über die Analyse der DNA-Spuren im Kot einer Kleinabendseglerkolonie konnten LIB-Forschende nun eine erstaunlich hohe Zahl – über 350 – verschiedener Insekten nachweisen, die von den Fledermäusen verspeist wurden.
Insbesondere bei kleinen oder nachtaktiven Tierarten kann es extrem schwierig sein, ihren Speiseplan zu ermitteln. Kleine Futterinsekten oder gar Reste davon sind zudem nur selten bis auf die genaue Art oder Familie zu bestimmen. Beim untersuchten Kleinabendsegler kommt hinzu, dass er eine Waldfledermausart ist, die auch erst einmal gefunden werden muss: „Nachts im Wald mit Peilsendern bestückten Fledermäusen zu folgen ist schon speziell“, sagt Martin Koch, Mitinitiator der Studie.
Erfreulich – aber auch erschwerend – kommt hinzu, dass im untersuchten Gebiet bei Bonn, den Wäldern des Natura 2000-Gebietes „Waldreservat Kottenforst“, etwa 13 verschiedene Fledermausarten leben. Zunächst machte das Team im Rahmen des EU-LIFE+ Projektes „Villewälder” (ein Naturschutzprojekt zum Erhalt der biologischen Vielfalt unserer Wälder) also Quartiere – die Wohnbäume – der Kleinabendsegler ausfindig, an denen sie dann das Ausgangsmaterial der Studie gewannen. Dies geschah dann mittels einer eigens dafür entwickelten „Kotfalle“ – etwas eleganter im englischsprachigen ‚guano trap‘ bezeichnet. Die Falle besteht aus einem etwa 2,2 Quadratmeter großen, rechteckig gespannten Mückennetz. Dieses wurde in etwa drei Meter Höhe am Baumstamm angebracht, unterhalb des Eingangs zur Wohnhöhle in rund neun Metern Höhe.
Beim sogenannten „Dämmerungsschwärmen“, nach der nächtlichen Jagd auf Insekten, kehren die Fledermäuse zurück zur Wohnhöhle und umkreisen dabei zunächst den Baum. Immer wieder setzen sie sich dabei kurz neben den Höhleneingang und kleben einen kleinen Guano-Pellet an den Stamm. Dabei fallen regelmäßig Pellets ab und landen im Mückennetz unter dem Höhleneingang. Dieses „Fledermausguano“ wurde gesammelt, fixiert und im Labor weiterbearbeitet. Über die im Kot enthaltene DNA konnten unsere Forschenden dann neun Proben von neun unterschiedlichen Nächten bestimmen, an denen nur die Zielart am Wohnbaum herumschwärmte. An sechs weiteren Nächten waren auch andere Fledermäuse und eine Mäuseart am Wohnbaum aktiv. Aus den neun Proben, die nur reinen Guano des Kleinabendseglers enthielten, wurde dann eine erstaunlich reiche Speisekarte rekonstruiert: demnach konsumierte die Gruppe mindestens 126 verschiedene Arten von Nachtfaltern und Motten, 86 unterschiedliche Arten von Fliegen und Mücken, 48 Käferarten und ein paar Dutzend weitere, verschiedene Arten von Wanzen, Eintagsfliegen, Köcherfliegen und Netzflüglern. Ab und an wurden auch Webspinnen, Weberknechte, Läuse und andere kleine Tiere verspeist.
Aus den Ergebnissen konnte das Team zunächst ableiten, welcher der drei eingesetzten molekulargenetischen Marker am besten funktionierte und die meisten Artnachweise lieferte, insgesamt 358. „Es macht unglaublich Spaß zu sehen, was am Ende der ganzen Laborarbeiten und Bioinformatik an Artenlisten herauskommt“, so Dr. Sarah Bourlat, Leiterin der Sektion Metabarcoding am LIB, Bonn. Spannend zu beobachten war aber auch der zeitliche Verlauf der Zusammensetzung der verspeisten Insekten: von Ende März bis Ende Juni nimmt die Artenzahl im Guano stetig zu, um dann bis Mitte August wieder abzufallen. Das passt sehr gut mit dem Aktivitätsmuster bestimmter Insektengruppen überein.
Der Buchenwickler – eine Motte – war dabei der am häufigsten verzehrte Schmetterling, das Uferaas – auch „Vergängliche Jungfrau” genannt – die am häufigsten verspeiste Eintagsfliege. Zu den 18 wichtigsten Beutearten hat das Autorenteam die wichtigsten ökologischen Parameter in der Studie aufgelistet, um so einen Beitrag zu leisten, den Kleinabendsegler und die von seinen Futterinsekten benötigten Lebensräume besser schützen zu können.
Originalpublikation:
Bourlat SJ, Koch M, Kirse A, Langen K, Espeland M, Giebner H, Decher J, Ssymank A, Fonseca VG (2023) Metabarcoding dietary analysis in the insectivorous bat Nyctalus leisleri and implications for conservation. Biodiversity Data Journal 11: e111146. https://doi.org/10.3897/BDJ.11.e111146

07.12.2023, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Marderhunde: Gebietsfremde Allesfresser breiten sich in Europa aus
Senckenberg-Wissenschaftler Prof. Dr. Sven Klimpel hat gemeinsam mit Forschenden der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen des Verbundprojektes ZOWIAC das Fressverhalten von Marderhunden sowie deren potenzielles Übertragungsrisiko von Parasiten untersucht. Die Ergebnisse der Studie bestätigen die Vermutung, dass die aus Asien eingewanderten Tiere mit einer vielfältigen Parasitenfauna befallen sind. Anders als die ebenfalls invasiven Waschbären scheinen sie aber noch keine Gefahr für die heimische Tierwelt darzustellen. Die Arbeit ist im „International Journal for Parasitology: Parasites and Wildlife“ publiziert.
Der Marderhund (Nyctereutes procyonoides) ist nicht wählerisch: Neben Aas, Pflanzen und Nüssen fressen die ursprünglich aus Asien stammenden Raubtiere Vögel und deren Eier sowie Amphibien, Schnecken, Insekten, Fische und Kleinsäuger. Das auch als Tanuki oder Enok bekannte Tier fühlt sich zudem in unterschiedlichen Lebensräumen wohl und kommt sowohl in verschiedenen Waldtypen, in Buschland, landwirtschaftlichen Gebieten und manchmal sogar in städtischen Regionen vor. „Es ist demnach kaum verwunderlich, dass sich Marderhunde immer weiter ausbreiten. Im 19. Jahrhundert wurden sie aus ihrem anfänglichen Lebensraum in die damalige Sowjetunion gebracht und in Pelzfarmen gehalten. Von dort aus wanderten die Tiere nach Mitteleuropa ein. In Deutschland wurde der erste Marderhund 1962 im Emsland gesichtet, mittlerweile finden wir sie in rund einem Drittel aller Jagdreviere der Bundesrepublik und sie sind seit 2019 als invasive Art von europäischer Bedeutung gelistet“, erklärt Prof. Dr. Sven Klimpel vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, der Goethe-Universität Frankfurt, dem LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) und dem Fraunhofer IME Gießen.
Klimpel hat mit Anna Schantz, Erstautorin der neuen Studie, und weitere Forschende der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen des Verbundprojektes ZOWIAC (Zoonotische und wildtierökologische Auswirkungen invasiver Carnivoren) untersucht, welche Gefahren die Ausbreitung der Allesfresser, die jährlich sechs bis zehn Welpen werfen, für die heimische Tierwelt, aber auch die menschliche Gesundheit haben kann.
„Wir haben Mageninhaltsanalysen und parasitologische Untersuchungen an 73 Marderhunden aus Deutschland durchgeführt. Darüber hinaus wurden auch Kotproben der Tiere analysiert“, fasst Anna Schantz die Methodik zusammen und fährt fort: „Insgesamt konnten wir dabei 20 Parasitenarten nachweisen, von denen der Igelfloh Archaeopsylla erinacei, der Katzenfloh Ctenoephalides felis sowie der Nematode Porrocaecum depressum erstmalig für den Marderhund in Europa nachgewiesen wurden.“ Sechs der identifizierten Endoparasiten weisen laut der Forschenden ein humanpathogenes Potenzial auf und sind somit imstande den Menschen zu befallen und Krankheiten auszulösen, wie der Fuchsbandwurm Echinococcus multilocularis, der Hundespulwurm Toxocara caris und der Hakenwurm Uncinaria stenocephala. „Marderhunde in Deutschland beherbergen nicht nur eine Vielzahl von Parasiten, die die Gesundheit von Menschen, Wild-, Nutz- und Haustieren gefährden können. Auch Krankheitserreger, wie das Coronavirus können sie potenziell übertragen. Im Marderhundgenom haben wir bereits 2021 die Gene für zwei Membranproteine identifiziert, an die SARS-CoV-2 andocken kann und dies in einer Studie im Fachjournal ‚Frontiers in Genetics‘ veröffentlicht. Sie bilden die genetische Grundlage dafür, dass sich Marderhunde mit dem Coronavirus infizieren und es übertragen können“, so Klimpel.
Der Mageninhalt der Marderhunde bestand zu etwa einem Drittel aus pflanzlichen und zu zwei Dritteln aus tierischen Bestandteilen, die sich aus verschiedenen Arten von Amphibien, Fischen, Insekten, Säugetieren und Vögeln zusammensetzten. Darunter befanden sich auch sensible Arten wie der Grasfrosch Rana temporaria, die teilweise wiederum als Zwischenwirte für die nachgewiesenen Parasitenarten dienen.
Die Studie zeige, dass der Marderhund aufgrund seiner omnivoren Ernährung einen Prädationsdruck auf einheimische Arten ausübt und als Überträger verschiedener Parasiten ein potenzielles Infektionsrisiko für Wild-, Haus- und Nutztiere sowie Menschen darstellt. Anders als der Waschbär gehe von den Tieren aber eine deutlich geringere Gefährdung für die heimische Tierwelt aus, da sie – wie beispielsweise Dachse – eher „sammelnd“ durch ihre Reviere streifen und daher keine hohen, regionalen Populationsdichten erreichen.
„Dennoch gilt es hier genau hinzuschauen: Die Ausbreitung des Marderhundes in Europa ist noch nicht abgeschlossen. Die Ergebnisse unserer Studie dienen dazu, die möglichen Auswirkungen des Marderhundes auf die heimische Biodiversität, sowie die menschliche und tierische Gesundheit auch zukünftig besser einschätzen zu können und möglichen Risiken vorzubeugen“, gibt Klimpel einen Ausblick.
Originalpublikation:
Schantz, A.V., Dörge, D.D., Peter, N., Klimpel, S., 2023. The hidden threat: Exploring the parasite burden and feeding habits of invasive raccoon dogs (Nyctereutes procyonoides) in central Europe. Int. J. Parasitol. Parasites Wildl. 22, 155–166. https://doi.org/10.1016/j.ijppaw.2023.10.004
Chueca, L.J., Kochmann, J., Schell, T., Greve, C., Janke, A., Pfenninger, M., Klimpel, S., 2021. De novo genome assembly of the raccoon dog (Nyctereutes procyonoides). Front. Genet. 12, 559. https://doi.org/10.3389/fgene.2021.658256

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