Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

24.04.2023, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie
Eine Doppelsymbiose sorgt für ein robustes Außenskelett bei holzfressenden Käfern
Holzfressende Käfer der Familie Bostrichidae (Bohrkäfer) haben im Laufe der Evolution eine Symbiose mit den beiden Nährstoffsymbionten Shikimatogenerans bostrichidophilus und Bostrichicola ureolyticus aufgebaut und aufrechterhalten. Forschende der Universität Mainz und des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena zeigen in einer aktuellen Studie, dass die beiden verwandten Bakterienstämme auf das Nährstoffrecycling und die Bereitstellung von bestimmten Stoffwechselprodukten spezialisiert sind, die die Käfer für den Aufbau eines starken Außenskeletts und somit zum Überleben in trockenen Umgebungen benötigen (ISME Journal, May 2023, DOI: 10.1038/s41396-023-01415-y).
Käfer sind in der Regel auf die Hilfe von bakteriellen Partnern angewiesen, um zu überleben. Diese Symbiosen können unterschiedliche Funktionen haben. Bakterielle Symbionten können bei der Verdauung von Pflanzenmaterial helfen, widerstandsfähiger gegen Pflanzenabwehrstoffe machen, oder ergänzende Nährstoffe zur Verfügung stellen, wenn sich die Käfer nährstoffarme Lebensräume erschlossen haben. In mehreren Käferarten wurde bereits beschrieben, dass ihre bakteriellen Verbündeten wichtige Bausteine für die Bildung der Kutikula, des Außenskeletts der Insekten, liefern.
„Untersuchungen zur Bedeutung von Käfer-Symbionten für die Wiederverwertung von Stickstoff und die Synthese von Aminosäuren, die Schlüsselkomponenten für die Stabilisierung der Kutikula sind, sind noch ein junges Forschungsgebiet“, betont Julian Kiefer von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), der Erstautor der Studie.
Eine robuste Kutikula als wichtige Anpassung an ungünstige Umweltfaktoren
Die Kutikula, ein harter Panzer aus vernetzten Protein- und Chitin-Polymeren, ist der wichtigste Schutz von Insekten gegen Fressfeinde und Krankheitserreger, aber auch gegen abiotische Faktoren wie extreme Trockenheit. In früheren Studien wurde bereits die Bedeutung spezialisierter Symbionten für die Kutikula-Synthese von Käfern und Ameisen festgestellt. Die Entfernung oder Hemmung dieser Symbionten führte zu einer Verringerung der Dicke der Kutikula und machte die Käfer anfälliger für Austrocknung, Attacken durch Räuber und Befall durch Krankheitserreger (siehe „Die Achillessehne eines Käfers“, Pressemeldung vom 11. Mai 2021).
In der aktuellen Arbeit wurde die Familie der Bohrkäfer (Bostrichidae) untersucht, die holz- und getreidefressende Arten enthält. Aus histologischen Zeichnungen, die vor einem Jahrhundert angefertigt wurden, war bekannt, dass einige Bohrkäferarten mit ein oder zwei bakteriellen Symbionten zusammenleben, die in spezifischen Organen der Käfer vorkommen. Um herauszufinden, welche wichtigen Stoffwechselprodukte die Symbionten den Käfern bereitstellen, hat das Forscherteam von der Universität Mainz und vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Zusammenarbeit mit Partnern am National Institute of Advanced Industrial Science and Technology in Japan Genomsequenzen aus verschiedenen Käfern aus der Familie der Bohrkäfer und ihrer Symbiose-Bakterien gewonnen. „Die größte Herausforderung stellten für uns die Bohrkäfergattungen mit zwei Symbionten dar. Da sie relativ eng miteinander verwandt sind, war es schwierig, die Genome der beiden Symbionten zu trennen. Dazu mussten wir auf besondere Sequenzierungstechnologien für das Lesen langer Sequenzen zurückgreifen“, beschreibt Studienleiter Tobias Engl vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie das methodische Vorgehen.
Die Ergebnisse zeigen, dass fast alle Bohrkäferarten mit symbiotischen Bakterien des Stammes Shikimatogenerans bostrichidophilus assoziiert sind. Dieser Symbiont wurde von einem gemeinsamen Vorfahren aller Bohrkäfer erworben und wahrscheinlich in der gesamten Familie beibehalten. Er hat sich mit dem Käferwirt gemeinsam entwickelt und produziert die Vorstufen der aromatischen Aminosäure Tyrosin. Im Gegensatz dazu wurde der zweite Symbiont, Bostrichicola ureolyticus, wahrscheinlich nur von den Vorfahren von zwei Unterfamilien innerhalb der Bohrkäfer erworben – und mindestens einmal innerhalb jeder Unterfamilie wieder verloren. Dieser Symbiont ist in der Lage, Stickstoff zu recyceln und eine andere Aminosäure, Lysin, zu produzieren. Damit liefert er zusätzliche Nährstoffe für den Wirt und ermöglicht ihm vermutlich die Besiedlung neuer ökologischer Nischen. Stickstoff ist für die meisten Pflanzenfresser ein begrenzter und somit wertvoller Nährstoff. Tyrosin und Lysin sind von besonderer Bedeutung für die Bildung eines robusten Außenskeletts. Sie sind für die Vernetzung der Kutikula verantwortlich, die ihr Steifheit verleiht, aber auch für die Pigmente, die die Kutikula färben und sie weniger wasserdurchlässig machen. Eine stärkere Kutikula schützt besser vor natürlichen Feinden, aber auch vor Austrocknung in rauen oder extrem trockenen Lebensräumen.
Uralte Partner – ungewöhnliche Doppelsymbiosen
Die beiden entdeckten Symbiose-Bakterien in Bohrkäfern sind zwei der am meisten spezialisierten Arten innerhalb der Gruppe der Bacteroidota-Bakterien, die mit Insekten assoziiert sind. Verwandte Mitglieder der Bacteroidota sind die bakteriellen Partner von Schaben, Zikaden, Schildläusen und Wollläusen, die aber die Fähigkeit behalten haben, eine breitere Palette von Nährstoffen zu synthetisieren. Die bei den Bohrkäfern entdeckte Doppelsymbiose ist aus mehreren Gründen ungewöhnlich. „Doppelsymbiosen sind bisher nur bei Zikaden und verwandten Insektenfamilien beschrieben worden. Sie umfassen in der Regel stammesgeschichtlich unterschiedliche Mikroorganismen, und der zweite bakterielle Partner ersetzt in der Regel die verlorenen Stoffwechselfähigkeiten des älteren Symbiose-Partners“, erklärt Martin Kaltenpoth, Leiter der Abteilung Insektensymbiose am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie.
Im Gegensatz dazu zeigt die Studie erstmals den Fall einer Doppelsymbiose mit eng verwandten Nahrungssymbionten bei einer Käferfamilie. Dabei scheinen die Käfer beide bakterielle Partner unabhängig voneinander erworben zu haben. Die konvergente Entwicklung einer Symbiose für die Bereitstellung lebenswichtiger Bausteine für die Kutikula-Synthese durch verschiedene Bakterien in den untersuchten Käferarten aus der Familie der Bohrkäfer unterstreicht deren Bedeutung für Käfer im Allgemeinen. Die spezifischen Beiträge der bakteriellen Partner aus dieser Doppelsymbiose stellen artspezifische Anpassungen dar, die es den Käfern ermöglichten, in ihrer jeweiligen Nahrungsnische zu gedeihen.
Originalpublikation:
Kiefer, J., S., T., Bauer, E., Okude, G., Fukatsu, T., Kaltenpoth, M., Engl, T. (2023). Cuticle supplementation and nitrogen recycling by a dual bacterial symbiosis in a family of xylophagous beetles. The ISME Journal, DOI: 10.1038/s41396-023-01415-y
https://doi.org/10.1038/s41396-023-01415-y

26.04.2023, Dachverband Deutscher Avifaunisten
Brachen fördern die Artenvielfalt
Bei vielen Artengruppen ist in der Agrarlandschaft in Deutschland in den letzten Jahrzehnten ein starker Rückgang zu verzeichnen, sowohl bei der Individuen- als auch bei der Artenzahl. Brachflächen gelten als wirksame Maßnahme, um diesen Rückgang abzubremsen. Forschende des Thünen-Instituts, des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA) und der Universität Göttingen haben die Zusammenhänge zwischen dem Anteil der Brachen und der Anzahl und Häufigkeit von Agrarvögeln innerhalb eines neunjährigen Untersuchungszeitraums erforscht.
Dabei zeigte sich nicht nur, dass Brachen generell zu einer Verbesserung der Bestandssituation der Agrarvögel beitragen können – der Nutzen von Brachen hängt auch entscheidend von der Komplexität der umgebenden Landschaft ab.
Um herauszufinden, wo Brachflächen am wirkungsvollsten angelegt werden sollten, hatten die Forschenden Brachen in unterschiedlich komplexen Agrarlandschaften untersucht. Die Komplexität wurde anhand der Dichte an Grenzlinien zwischen Feldern untereinander sowie zwischen Feldern und angrenzenden Gehölzstrukturen wie Hecken oder Waldränder gemessen. Für die Auswertung wurden Daten des bundesweiten Monitorings häufiger Brutvögel (MhB) sowie Daten der Agrarstatistik verwendet.
Die jetzt in der Fachzeitschrift Journal of Applied Ecology veröffentlichten Ergebnisse machen deutlich, dass das Anlegen von Brachen in Agrarlandschaften, die eine mittlere Komplexität aufweisen, besonders effektiv ist. Die mittlere Dichte an Grenzlinien liegt in Deutschland bei rund 65 Metern pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche. Die Autoren empfehlen daher, Brachen vor allem in solchen Regionen mit mittlerer struktureller Komplexität zu fördern.
„Mit unseren Untersuchungen konnten wir Regionen identifizieren, wo Brachflächen vorzugsweise angelegt werden sollten, um die größte Wirkung zu entfalten“, resümiert Dr. Sebastian Klimek vom Braunschweiger Thünen-Institut für Biodiversität, der die Studie koordiniert hat. „Um bundesweit rückläufige Bestandsentwicklungen von Agrarvögeln aufzuhalten, ist es erforderlich, einen Mindestanteil von Brachen in der Agrarlandschaft zu erhalten“, ergänzt Prof. Dr. Johannes Kamp von der Universität Göttingen, der als Beiratsmitglied auch den DDA vertritt.
Starken Einfluss auf die Gesamtfläche der Brachen in Deutschland hat die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU. Durch Änderungen in der GAP hat die Brachfläche seit Beginn der 2000er Jahre stark abgenommen. Der Verlust an Brachen, insbesondere nach Aufgabe der Flächenstilllegung im Jahr 2007, führte zu einem Mangel an geeigneten Brutplätzen und Nahrung für viele Vogelarten. Zwar hat das so genannte „Greening“ der vergangenen GAP-Förderperiode ab 2015 die Gesamtfläche der Brachen in Deutschland leicht ansteigen lassen, das Niveau von vor 2007 wurde jedoch bei weitem nicht wieder erreicht. In der 2023 neu angelaufenen GAP-Förderperiode besteht für die Betriebe die Verpflichtung, 4 % ihrer Ackerfläche stillzulegen. Dies könnte zu einer Verbesserung der Bestandssituation bei vielen Agrarvögeln beitragen. Um das Niveau der Agrarvogelpopulation von vor 2007 wiederherzustellen, ist eine weitere Erhöhung des Flächenanteils von wirksamen biodiversitätsfördernden Maßnahmen in der Agrarlandschaft erforderlich.
Die Untersuchungen wurden im Projekt „Monitoring der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften“ (MonViA) mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft gefördert. Das bundesweite Vogelmonitoring wird vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums und der Umweltministerien der Länder unterstützt.
Originalveröffentlichung
Hertzog L R, Klimek S, Röder N, Frank C, Böhner H G S, Kamp J (2023) Associations between farmland birds and fallow area at large scales: consistently positive over three periods of the EU Common Agricultural Policy but moderated by landscape complexity. Journal of Applied Ecology. DOI: 10.1111/1365-2664.14400

26.04.2023, ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung
Insektenvielfalt in Naturschutzgebieten bedroht
Forscherinnen und Forscher präsentieren Erkenntnisse und Empfehlungen zum Abschluss des interdisziplinären Insektenforschungsprojekts DINA
Warum nimmt die Insektenvielfalt hierzulande ab und was kann dagegen unternommen werden? Dieser Frage sind acht wissenschaftliche Institutionen unter Leitung des NABU im Forschungsprojekt DINA (Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen) vier Jahre lang nachgegangen. Zum heutigen Projektabschluss stellen die Projektpartner zentrale Ergebnisse und Empfehlungen vor.
„Die Betroffenheit war groß, als vor sechs Jahren das Ausmaß des dramatischen Rückgangs der Insektenvielfalt öffentlich wurde. Doch es fehlte an Daten, um den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten und in einen positiven Trend umzukehren. DINA hat hierbei die bislang umfangreichste Datenbasis zur Anzahl und Vielfalt fliegender Insektenarten in den ausgewählten Schutzgebieten in Deutschland geschaffen. Wesentliche Treiber des Biodiversitätsverlustes wurden untersucht – etwa negative Umwelteinflüsse durch den Pestizideinsatz oder die Zerstörung von Lebensräumen. Das Forschungsprojekt leistet damit einen wichtigen Beitrag bei der Ausgestaltung politischer Rahmenbedingungen und ist richtungsweisend für die künftige Erforschung der Pflanzen- und Insektenwelt.“ (Prof. Dr. Gerlind Lehmann, DINA-Projektleiterin beim NABU)
“Die Ergebnisse des Forschungsprojektes zeichnen ein alarmierendes Gesamtbild: Selbst in Naturschutzgebieten schreitet der Verlust von Artenvielfalt und Lebensräumen ungebremst voran. Mitverantwortlich dafür sind Pestizide und eine nicht-naturverträgliche Landnutzung. Damit die Trendumkehr beim Insektensterben gelingen kann, muss die Belastung durch Pestizide in der gesamten Landschaft halbiert werden. In den besonders sensiblen Schutzgebieten gehört ihr Einsatz untersagt. Zudem müssen wir Safe-Spaces für Fluginsekten schaffen – etwa durch Pufferstreifen und zusammenhängende Biotop-Netze.” (Jörg-Andreas Krüger, NABU-Präsident)
„Obwohl die Ergebnisse von DINA zeigen, dass Insekten in den Gebieten generell gefährdet sind, geben die Daten auf lokaler Ebene nur bedingt Anlass zum Handeln für die Akteurinnen und Akteure. Dialogformate bieten hier die Gelegenheit zum Abgleich von Wissen, gegenseitigem Verständnis für Hindernisse und Interessenlagen und eröffnen Wege für Lösungen, die praxistauglich und konsensfähig sind.“ (Dr. Florian Schneider, ISOE)
„Sowohl in Naturschutzgebieten als auch in deren unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich eine Vielzahl von konventionell bewirtschafteten Ackerflächen. Auf einer Länge von mehr als 11.000 km grenzen Naturschutzgebiete direkt an Ackerflächen an. Bei den EU-rechtlich geschützten „Fauna-Flora-Habitat (FFH)“-Gebieten sind es sogar 21.100 km – eine Strecke länger als die Luftlinie zwischen Nord- und Südpol.“ (Lisa Eichler, IÖR)
„Auch in Naturschutzgebieten werden Insekten mit Pestizidmischungen belastet. Kontaminiert werden sie vor allem außerhalb der Schutzgebietsflächen aufgrund ihres Aktivitätsradius. So haben Ackerflächen, die an Schutzgebiete angrenzen, einen Einfluss auf die zu schützenden Insektenbestände und die Pflanzenwelt. Dabei steigt die Anzahl der nachgewiesenen Pestizide in intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebieten an. Belastungen mit Pestizidmischungen werden bisher in der Zulassung weder untersucht noch berücksichtigt.“ (Dr. Carsten Brühl, Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern Landau).
„Erstmalig konnte gezeigt werden, dass mit pflanzlichem DNA-Metabarcoding seltene, gefährdete und gebietsfremde Arten sowie das Gesamtartenspektrum detektiert werden können, sodass sich diese Methode besonders für standardisiertes, automatisiertes Routinemonitoring eignet.“ (Prof. Dr. Birgit Gemeinholzer, Universität Kassel).
„Ausgehend von den 2017 vom Entomologischen Verein Krefeld veröffentlichten Insektenbiomassen ist aktuell keine Erholung der Biomassen für die Jahre 2020 und 2021 feststellbar und der Trend zu einem niedrigen Stand kann deutschlandweit bestätigt werden. Angrenzende konventionell bewirtschaftete Ackerflächen wirken sich zudem nachteilig auf das Vorkommen gefährdeter Pflanzenarten in benachbarten, geschützten Lebensräumen aus.“ (Thomas Hörren, EVK)
“Das Projekt konnte mittels genetischer Artbestimmung eine bisher so nie gesehene Fülle an Insektenarten in Naturschutzgebieten Deutschlands aufzeigen. Wir müssen es schaffen, diesen wertvollen Schatz durch naturverträgliche Landnutzung für künftige Generationen zu erhalten.” (Prof. Dr. Christoph Scherber, LIB)
“Die Notwendigkeit des Insektenschutzes ist allgemein akzeptiert und bedingt interdisziplinäre Lösungsansätze, die ökologische, ökonomische und soziale Aspekte miteinander verknüpfen. Die Rahmenbedingungen sind entscheidend. Landwirte als Hauptbeteiligte drängen auf mehr Wertschätzung und Planungssicherheit sowie eine höhere finanzielle Unterstützung und Flexibilität zur Umsetzung biodiversitätsfördernder Maßnahmen. Eine Zusammenarbeit aller Beteiligten ist unerlässlich.” (Prof. Dr. Wiltrud Terlau, IZNE-HBRS)
Abgeleitet aus den Erkenntnissen des DINA-Projekts empfiehlt das Forschungskonsortium drei zentrale Handlungspunkte zum wirksamen Schutz der Insektenvielfalt:
1. Biodiversität in Zielsetzung und Planung für Schutzgebiete priorisieren:
Damit die biologische Vielfalt in den ausgewiesenen Gebieten auch wirklich geschützt wird, muss die umliegende landwirtschaftliche Nutzfläche einbezogen werden – etwa, wenn Strategien entwickelt und Maßnahmen geplant werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Randeffekte und Umgebungseinflüsse in einem Radius von bis zu zwei Kilometern auf die Schutzgebiete wirken.
2. Bundesweites Monitoring und ortsbezogene Risikoanalysen ermöglichen:
Forschungsgrundlagen müssen durch Monitoring und Pestizidanalysen geschaffen werden, um die Risiken der Insektenbestände besser abschätzen zu können. In der Umsetzung müssen besonders schützenswerte Gebiete priorisiert werden.
3. Mitwirkung aller relevanten Akteur*innen fördern:
Damit Schutzmaßnahmen auf der lokalen Ebene wirksam umgesetzt werden, müssen alle Beteiligten aus Landschaftspflege, Landwirtschaft, Naturschutz, Politik und Zivilgesellschaft einbezogen werden. Zudem muss Biodiversität als wichtiger Bestandteil der Bildung für nachhaltige Entwicklung etabliert werden.
Originalpublikation:
DINA-Policy-Brief – Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen des Forschungsverbunds
https://www.dina-insektenforschung.de/aktuelles

28.04.2023, NABU
Vögel zählen macht glücklich und schlau
NABU und LBV rufen vom 12. bis 14. Mai zur „Stunde der Gartenvögel auf
Wie wirkt die Klimakrise auf die Vögel im Garten?
Endlich wird es richtig Frühling – das freut nicht nur Amsel, Sperling und Co. Auch Vogelfreundinnen und -freunde haben Grund zur Freude: Vom 12. bis 14. Mai ruft der NABU wieder gemeinsam mit dem Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) und der NAJU zur „Stunde der Gartenvögel“ auf.
„Wir wollen diesmal auch auf Veränderungen in der Vogelwelt durch die Klimakrise schauen“, sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Eine Gewinnerin des wärmeren Winterwetters könnte beispielsweise die Türkentaube sein. Bei ihr gibt es seit Jahren bei den Sichtungen eine leicht steigende Tendenz. Miller: „Eventuell erzeugt eine stärkere Bindung an Siedlungen und damit häufigere Zählung bisher noch die leicht positive Tendenz – trotz des allgemein eher rückläufigen Bestands. Es wird interessant sein zu sehen, ob dieser Trend bei der Stunde der Gartenvögel anhält.“
Sorgen macht den Ornithologen der Feldsperling. Die Spatzenart steht auf der Vorwarnliste der Roten Liste und wird auch bei der „Stunde der Gartenvögel“ immer weniger gezählt. Miller: „Er steht in Konkurrenz zum kräftigeren Haussperling. Darum ist er häufiger im ländlichen Siedlungsraum anzutreffen. Dort ist er durch die intensive Landnutzung bedroht, weil er kaum noch Samen und Insekten sowie Nistplätze findet.“
Dank der vielen Menschen, die regelmäßig mitmachen, ist es möglich, Trends für den Siedlungsraum abzulesen und wissenschaftlich auszuwerten. „Damit das so bleibt, rufen wir dazu auf, möglichst jedes Jahr teilzunehmen und immer am selben Ort zu zählen“, sagt Miller. „Im vergangenen Jahr waren es 67.000 Menschen, die uns aus über 44.000 Gärten über 1,5 Millionen Vögel gemeldet haben.“ Gemeinsam mit der Schwesteraktion „Stunde der Wintervögel“ handelt es sich damit um Deutschlands größte wissenschaftliche Mitmach-Aktion. „Wer teilnimmt, profitiert auch ganz unmittelbar selbst, denn Studien haben gezeigt: Wer Vögel beobachtet, beeinflusst sein psychisches Wohlbefinden positiv und lebt gesünder“, so Miller. „Und natürlich lernt man viel über Vögel und die Natur vor der eigenen Haustür. Wer sich schon einmal in Stimmung bringen will, sollte unseren neuen Vogelpodcast ,Reingezwitschert‘ hören.“
Und so funktioniert die Vogelzählung: Von einem ruhigen Platz im Garten, Park, auf dem Balkon oder vom Zimmerfenster aus wird von jeder Vogelart die höchste Anzahl notiert, die im Laufe einer Stunde gleichzeitig beobachtet werden konnte. Die Beobachtungen können am besten online unter www.stundedergartenvoegel.de gemeldet werden, aber auch per Post oder Telefon – kostenlose Rufnummer am 13. Mai von 10 bis 18 Uhr: 0800-1157115. Gemeldet werden kann auch mit der kostenlosen NABU-Vogelwelt-App, erhältlich unter www.NABU.de/vogelwelt. Meldeschluss ist der 22. Mai.
Wer zuvor noch etwas üben möchte, findet viele Infos unter www.stundedergartenvoegel.de, darunter Portraits der 40 häufigsten Gartenvögel (www.NABU.de/gartenvoegel), Reingezwitschert – der Vogel-Podcast des NABU: www.NABU.de/vogelpodcast, einen Vogeltrainer (https://vogeltrainer.NABU.de) und Vergleichskarten der am häufigsten verwechselten Vogelarten. Aktuelle Zwischenstände und erste Ergebnisse sind ab dem ersten Zähltag auf www.stundedergartenvoegel.de abrufbar und können mit vergangenen Jahren verglichen werden. Für kleine Vogelexperten hat die NAJU die „Schulstunde der Gartenvögel“ (vom 8. Bis 12. Mai) ins Leben gerufen. Weitere Informationen dazu unter www.NAJU.de/sdg.

28.04.2023, Deutsche Wildtier Stiftung
Für Wildtiere kommt Rettung aus der Luft
Rehkitzretter sind eine Riesenchance auch für den Wiesenvogelschutz
Im Mai ist die Mahd in vollem Gang. Riesige Mähwerke mit Arbeitsbreiten bis zu 15 Metern schneiden das Gras auf den Wiesen. Anschließend wird es als Heu oder Silage an die Kühe verfüttert oder in einer Biogasanlage zu grüner Energie umgewandelt. Was für Landwirte eine notwendige Ernte ist, ist für frisch geborene Rehkitze, junge Feldhasen oder die Gelege seltener Wiesenvögel häufig das Ende. Es ist nicht einmal ein Wettlauf mit dem Tod, denn die jungen Wildtiere flüchten noch nicht. Sie drücken sich bei Gefahr dicht an den Boden und hoffen aufs Beste – meist vergeblich. Ehrenamtliche Rehkitzretter versuchen, den vielfachen Tod auf den Wiesen zu verhindern: Sie stehen in diesen Zeiten vor Sonnenaufgang auf und nutzen modernste Technik, um Wildtiere am Erdboden auszumachen. Mit Drohnen, die eine Wärmebildkamera tragen, erkennen sie aus der Luft, ob unten ein Wildtierherz schlägt.
Die Effektivität der Drohnensuche ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass neben Rehkitzen auch Junghasen, die anfangs nicht größer als ein Tennisball sind, mit geübtem Pilotenauge sicher gefunden werden. Bis zu zehn Hektar können auf diese Art in einer Stunde abgesucht werden. Wenn die Wildtierretter nicht nur nach Kitzen und Junghasen, sondern auch nach Bodenbrütern Ausschau halten, werden aus den Tierschützern auch noch Artenschützer. Denn während Tod und Verstümmelung bei Rehkitzen dringende Tierschutzprobleme sind, bedeuten Gelege- und Jungvogelverluste bei Wiesenvögeln enorme Rückschläge für den Artenschutz. „Kiebitz, Großen Brachvogel oder Wachtelkönig werden wir in unseren Grünlandregionen nur erhalten, wenn wir den Mähtod eindämmen“, sagt Dr. Andreas Kinser, Leiter Natur- und Artenschutz der Deutschen Wildtier Stiftung. „Zum Glück bietet die mittlerweile weit verbreitete Rehkitzrettung für den Wiesenvogelschutz eine riesige Chance: Rehkitzretter können mit etwas Know-how auch zu effektiven Wiesenvogelschützern werden“, so der Artenschützer.
Die Voraussetzung für erfolgreichen Tier- und Artenschutz bei der Wiesenmahd ist ein guter Draht zwischen Landwirten und Wildtierrettern. „Landwirte müssen den Jagdpächter oder ein von ihm beauftragtes Wildtier-Rettungsteam so früh wie möglich über den konkreten Mahdtermin und die konkrete Fläche informieren“, sagt Andreas Alfred Brandt, Vorsitzender der Deutschen Wildtierrettung e.V. Nur so können die Helfer rechtzeitig einen Einsatz organisieren. Brandt hat aber auch eine politische Forderung, um die Wildtierrettung noch effizienter werden zu lassen: Zum Zwecke der Wildtierrettung sollten Drohnen auch in Naturschutzgebieten und in der Nähe von Ortslagen uneingeschränkt eingesetzt werden dürfen. Dies ist bisher meist verboten.
Die Deutsche Wildtier Stiftung hat gemeinsam mit der Deutschen Wildtierrettung e.V. einen neuen Ratgeber zum Wildtierschutz bei der Mahd veröffentlicht. Neben Rehkitzen stehen dabei vor allem Wiesenbrüter im Fokus.
Der Ratgeber kann kostenlos bei der Deutschen Wildtier Stiftung bestellt werden unter https://publikationen.deutschewildtierstiftung.de/page/2/

02.05.2023, Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) e. V.
Atempause für die Artenvielfalt: Von 1. bis 31. Mai mitmachen bei Dawn Chorus
Am Montag, den 1. Mai beginnt der Hauptsammelzeitrum des Projekts „Dawn Chorus“. Gemeinsam laden das Naturkundemuseum Bayern/BIOTOPIA Lab und der LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) Menschen auf der ganzen Welt ein, den morgendlichen Vogelchor zu erleben, aufzunehmen und zu teilen.
Die Zeit etwa eine Stunde vor Morgendämmerung bis eine Stunde nach Sonnenaufgang ist der perfekte Zeitpunkt, um den vielfältigen Vogelstimmen vor dem Start in den Alltag zu lauschen. Während dieser Atempause kann jeder in dem Citizen Science und Kunst-Projekt „Dawn Chorus“ für die Natur und die Wissenschaft aktiv werden: Mit der gleichnamigen App ist es ohne Vorkenntnisse möglich, hochwertige Tonaufnahmen zu machen und hochzuladen.
„Vögel sind wichtige Indikatoren für Veränderungen in den verschiedenen Lebensräumen, und während ihres Morgenkonzerts sind viele von ihnen gesanglich besonders aktiv. Gemeinsam mit engagierten Bürgerwissenschaftler*innen trägt Dawn Chorus Daten zu einer globalen Soundmap zusammen und hilft dabei, in Zukunft künstliche Intelligenz zur automatischen Auswertung des komplexen Morgenkonzerts der Vögel zu entwickeln. So schaffen wir zusammen ein starkes Werkzeug für das weltweite Biodiversitätsmonitoring“, sagt Prof. Dr. Michael John Gorman, Gründungsdirektor des Naturkundemuseum Bayern.
Das Projekt hat darüber hinaus zum Ziel, das Wissen über Vogelarten in der Bevölkerung zu stärken. „Amsel, Mönchsgrasmücke oder Rotkehlchen: Wissen Sie, wer wie singt? Falls nicht, ist das kein Problem. Auch ohne diese Kenntnisse ist es möglich, bei Dawn Chorus mitzumachen und zu erleben, wie glücklich es macht, sich eine Auszeit zu nehmen und dem Konzert der heimischen Vogelwelt zu lauschen. Vielleicht bekommt der ein oder andere so künftig auch Lust, mehr über die Sänger vor dem eigenen Fenster zu erfahren“, so der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer.

04.05.2023, Universität Zürich
Schimpansen kombinieren Rufe zu neuen Bedeutungen
Ähnlich wie Menschen hängen auch Schimpansen einzelne Rufe zu grösseren, kommunikativ sinnvollen Strukturen zusammen. Laut UZH-Forschenden könnte diese Fähigkeit somit evolutionär älter sein als Sprache selbst.
Wesentlich für die menschlichen Sprache ist, dass wir Wörter zu Sätzen zusammenzufügen können, wobei sich der Sinn des Ganzen aus der Bedeutung der einzelnen Teile und deren Zusammensetzung ergibt. Woher diese Fähigkeit zur Kompositionalität stammt oder wie sie sich entwickelt hat, ist jedoch noch wenig untersucht.
Auch unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen produzieren verschiedene Laute und kombinieren sie unter bestimmten sozialen Umständen zu längeren Sequenzen. Forschende der Universität Zürich haben nun in kontrollierten Experimenten mit wilden Schimpansen in Uganda gezeigt, dass auch unsere nächsten Verwandten Bedeutung aus einzelnen kombinierten Rufen abzuleiten scheinen und deren Sinn verstehen.
Starke Reaktion auf Rufkombination
«Schimpansen produzieren ‘Huu’-Rufe, wenn sie überrascht werden, und ein ‘Waa’-Gebrüll, wenn sie bei Aggressionen oder bei der Jagd Unterstützung brauchen», sagt Erstautor Maël Leroux, Postdoktorand am Institut für Vergleichende Sprachwissenschaft der UZH. «Unsere Beobachtungen legen nahe, dass die Tiere mehrere Rufe kombinieren, wenn sie einer Bedrohung ausgesetzt sind und andere Gruppenmitglieder zur Verteidigung rekrutieren wollen. So zum Beispiel bei der Begegnung mit einer Schlange.»
Indem die Forschenden die frei lebenden Schimpansen mit Modellschlangen konfrontierten, konnten sie solche Rufkombination provozieren. Dabei reagierten die Schimpansen viel stärker auf die Kombination aus «Huu»-Alarmrufen und «Waa»-Unterstützunggebrüll. Hörten sie jedoch nur einen der beiden Rufe, fiel ihre Reaktion geringer aus. «Eine Bedrohung, die mehrere Artgenossen betrifft, ist ein ernstzubehmende Gefahr, sodass die Schimpansen die Bedeutung der einzelnen Rufe tatsächlich miteinander kombinieren», ergänzt UZH-Professor Simon Townsend.
Kompositionalität fängt bei den Primaten an
Die neuen Erkenntnisse werfen somit neues Licht auf die evolutionären Wurzeln der Kompositionalität von Sprache, also darauf, wie die Bedeutung eines Ausdrucks durch die Bedeutung seiner Teile und ihrer Zusammensetzung bestimmt ist. «Menschen und Schimpansen hatten vor etwa 6 Millionen Jahren einen gemeinsamen Vorfahren. Unsere Daten deuten also darauf hin, dass die Fähigkeit, sinnvolle Vokalisationen miteinander zu kombinieren, mindestens 6 Millionen Jahre alt ist – wenn nicht sogar älter», sagt Leroux.
So geben die Studienergebnisse einen Einblick in die evolutionäre Entstehung von Sprache und deuten darauf hin, dass das Kombiniern von Lauten schon vor dem Auftreten der Sprache selbst entstanden ist. Idealerweise sollten weitere Beobachtungen und Experimente bei anderen Menschenaffenarten gemacht werden, um den vorliegenden Befund zu bestätigen.
Originalpublikation:
Maël Leroux et al. Call combinations and compositional processing in wild chimpanzees. Nature Communications, 4 May 2023. DOI: 10.1038/s41467-023-37816-y

04.05.2023, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.
Bedarfsabhängige Beleuchtung für Radwege kann negativen Einfluss künstlichen Lichts auf Fledermäuse reduzieren
Radfahrende brauchen Licht, Fledermäuse die Dunkelheit – ein bedarfsabhängiges Beleuchtungskonzept, das Fahrradwege nur bei Anwesenheit von Radlern beleuchtet, kann dabei helfen. Dies ist das Ergebnis des kürzlich abgeschlossenen, im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND mit insgesamt 100.000 Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) geförderten Projekts „FLEdermausfreundliches adaptives BEleuchtungskonzept für FAhrradwege“ (FLEBEFA). Ein Modellversuch in der Stadt Münster zeigt, dass insbesondere in der ersten Nachthälfte künstliches Licht und damit Störungen für Fledermäuse vermieden werden können.
Regionale Fahrradwege außerhalb größerer Siedlungen gewinnen für eine umweltschonende Mobilität immer stärker an Bedeutung. Außerhalb des Siedlungsbereichs führen Radwege jedoch oft durch Gebiete, die bei Nacht bisher unbeleuchtet sind, weil künstliches Licht an solchen Standorten Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum stört. Die nächtliche Beleuchtung der Radwege würde die Sicherheit der Radfahrenden erhöhen, zugleich jedoch geschützte und lichtsensible Fledermausarten stören. Eine Lösung, die beiden Bedürfnissen Rechnung tragen kann, wären bedarfsabhängige Beleuchtungen, die sich nur für die Dauer der Anwesenheit von Radfahrenden anschalten.
Ein solches Konzept haben Wissenschaftler:innen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) nun in einem Modellversuch der Stadtregion Münster untersucht. Für ihre Untersuchungen nahmen sie einen Teil einer neu errichteten, 27 Kilometer langen Radroute mit bedarfsabhängiger Beleuchtung unter die Lupe. Sie rekonstruierten mithilfe synchronisierter Wärmebildkameras Bewegungspfade von Fledermäusen in der Nähe von Straßenlaternen, maßen exakte Leuchtdichte, Beleuchtungsverteilung und spektrale Verteilung des Lichts der Laternen. Zusätzlich erfassten sie die Fledermausaktivität im Verhältnis zum bedarfsabhängigen Lichtmanagement mithilfe automatischer akustischer Detektoren. „Wir können auf diese Weise zuverlässig erkennen, welche Fledermäuse welches Verhalten in Abhängigkeit der Beleuchtungssituation zeigen“, sagt PD Dr. Christian Voigt, Leiter der Abteilung Evolutionäre Ökologie und Projektleiter am Leibniz-IZW.
Dabei wurde deutlich, dass Fledermäuse die Umgebung des Radwegs in jenen Zeiten mieden, in denen die Laternen tatsächlich eingeschaltet waren. Dabei unterschieden sich Fledermäuse unterschiedlicher funktioneller Gruppen, sogenannter Nahrungsgilden, in ihrem Aktivitätsmuster und somit auch in ihrer Reaktion. Fledermäuse, die besonders häufig an Waldrändern nach Insekten jagen, tolerierten das künstliche Licht in den Abend- und Morgenstunden, mieden jedoch die Lampen in der Nachtmitte; obwohl die Lampen dann nur selten angeschaltet waren. Die lokal seltenere Gruppe der Offenraumjäger und Waldspezialisten zeigten dagegen erst in den späteren Nachtstunden ein ausgeprägtes Meideverhalten gegenüber dem künstlichen Licht.
Aus den statistischen Auswertungen geht hervor, dass das bedarfsabhängige Lichtmanagement Störungen für Fledermäuse reduzieren kann, so das Fazit des Teams. Die Laternen waren, je nach Nutzungsintensität durch Radfahrer, zwischen 5 und 70 Prozent der Zeit eingeschaltet. „Das ist ein deutlicher Gewinn, besonders für die Waldspezialisten, die die ganze Nacht über gleichbleibend aktiv sind“, so Voigt. „Zugleich wird deutlich, dass dies nur ein Teilerfolg für die Fledermäuse ist, da in wichtigen Randzeiten der Nacht die Laternen zu nahezu drei Viertel der Zeit leuchteten.“ Eventuell ließe sich dies durch kürzere Intervallzeiten der Beleuchtung noch reduzieren, so das Team. Die Vermeidung von künstlichem Licht – also nur dort beleuchten, wo tatsächlich dringender Bedarf besteht – gelte noch immer als die erste Priorität bei der Planung von Beleuchtung innerhalb und außerhalb von Siedlungen.
Über das Projekt FLEBEFA
Fledermäuse reagieren sensibel auf künstliche Beleuchtung. Dies ist vor allem in Städten vielfach nachgewiesen worden. Fledermäuse sind nach nationalem, EU-Recht und weltweiten Abkommen streng geschützt, beispielsweise durch §7 des Bundesnaturschutzgesetzes, durch die EU Fauna-Flora-Habitat Richtlinie 92/43/EWG und die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz migrierender Arten. Es besteht daher die Pflicht, Lebensräume von Fledermäusen zu schützen und für eine positive Bestandsentwicklung zu sorgen. In dem im Mai 2022 gestarteten Projekt „Entwicklung eines FLEdermausfreundlichen adaptiven BEleuchtungskonzepts für FAhrradwege“ (FLEBEFA) wurde durch die Etablierung eines bedarfsabhängigen Lichtmanagements entlang eines regionalen Fahrradwegs am Dortmund-Ems-Kanal erforscht, welchen Einfluss die künstliche Beleuchtung auf geschützte Fledermäuse hat. Das Modellprojekt einer fledermausfreundlichen adaptiven Beleuchtung soll es ermöglichen, an anderen Standorten ein ähnliches Lichtmanagement zu etablieren.

04.05.2023, NABU
Fünf Tipps für mehr Artenvielfalt im Garten
Heimische Hecken, wilde Wiesen und eine Wasserstelle helfen vielen Tieren
Naturnahe Gärten helfen vielen Arten als kleine Biotope und bieten wertvolle Lebensräume – und sie leisten einen Beitrag gegen das Artensterben. Auch Gärtnerinnen und Gärtner profitieren von einer hohen Artenvielfalt: So halten zum Beispiel räuberische Insektenarten wie blattlausfressende Marienkäfer oder Florfliegen die Anzahl von sogenannten Schädlingen in Schach. Schmetterlingsraupen, Käfer und andere Insekten stellen wiederum eine unverzichtbare Nahrungsquelle für Singvögel, Frösche, Igel und Fledermäuse dar. Dabei muss ein Garten kein perfekter Naturgarten sein – schon kleine Änderungen helfen. Der NABU gibt gemeinsam mit den Partnern aus dem Projekt gARTENreich fünf Tipps für einen artenreichen Garten.
1. Hecken mit heimischen Sträuchern. Kirschlorbeer, Bambus und Thuja sind beliebte Heckenpflanzen, aber leider sind sie kein Gewinn für die Natur, denn sie bieten Insekten und Vögeln keine Nahrung. Besser sind heimische Gehölze wie Schwarzer Holunder, Kornelkirsche, Gewöhnliche Felsenbirne, Hundsrose und Berberitze. Ihre Blüten und Früchte bieten Leckerbissen für viele Tiere.
2. Wiese und Blumenrasen statt Rasen. Blumenwiesen aus heimischen Wildblumen und Gräsern entwickeln sich über mehrere Jahre hinweg; sie werden von Jahr zu Jahr schöner und artenreicher. Wildkräuter und -blumen locken verschiedene Wildbienenarten, Käfer und andere Insekten an, die wiederum Nahrung für Vögel, Fledermäuse und Amphibien sind. Wer seine Wiesenfläche auch ab und zu als Spielfläche oder Liegewiese nutzen möchte, sollte statt einer Blumenwiese einen artenreichen Blumenrasen anlegen. Blumenrasen sind vielfältige Lebensräume und können, anders als eine Wiese, häufiger betreten werden. Bestehende Zierrasen, auf denen nicht gedüngt und Wildkräuter nicht bekämpft werden und in deren Umgebung blühende Wildblumen wachsen, können sich mit etwas Zeit und einer angepassten Pflege zu artenreicheren Blumenrasen entwickeln.
3. Wildstaudenbeete anlegen. Ein buntes Blütenmeer aus heimische Wildstauden sieht nicht nur schön aus, es ist auch ein Schlemmerbuffet für viele Insektenarten. Wo Königskerze, Schafgarbe, Storchschnabel, Natternkopf, Hornklee und Akelei blühen, fühlen sich Hummel, Holzbiene und Heupferd wohl.
4. Rückzugsorte schaffen. Eine Ecke im Garten, die wenig oder gar nicht bearbeitet wird, ist ein Paradies für Vögel, Wildbienen, Hummeln, Schmetterlinge und kleine Tiere, wie Igel und Blindschleiche. Viele Insekten, wie Prachtkäfer und die Blaue Holzbiene benötigen Totholz als Lebensraum, eine große Zahl von Wildbienenarten nistet zudem in der Erde. Wichtig sind daher nicht nur die bekannten Insektenhotels, sondern vor allem Totholzelemente wie Baumstümpfe oder einfach anzulegende Reisighaufen, Laub, Steine sowie offene Böden oder Sandflächen. Wer solche Rückzugs- und Überwinterungsmöglichkeiten und damit Lebensraum schaffen möchte, kann eine Naturecke im Garten zulassen und dort auch wichtige Wildpflanzen wie Klee, Löwenzahn oder Brennnesseln stehen lassen. Die Naturecke kann auch klein sein – schon wenige Quadratmeter helfen Tieren und Wildpflanzen.
5. Wasser im Garten. Auch Vögel und Insekten haben Durst, einige Tiere benötigen Wasser, um ihre Eier abzulegen. Wer etwas für Libellen und andere wassergebundene Insekten tun möchte, aber nur wenig Platz hat, der kann in seinem Garten einen Miniteich anlegen. Davon profitieren auch Fledermäuse, die in der Abenddämmerung Mücken und andere Insekten jagen, die sich gern über der Wasseroberfläche aufhalten.

04.05.2023, Deutsche Wildtier Stiftung
In Mainächten paaren sich die Regenwürmer
Was Gärtner für Regenwürmer tun können: Licht aus, kein Kies
Dann bedanken sie sich mit bestem Dünger
Er hat weder Beine noch Augen oder Ohren, dafür die Kraft von zehn Herzen und eine Muskelleistung, die ihn das 60-Fache seines Körpergewichts stemmen lässt. Damit zählt der Regenwurm zu den stärksten Tieren der Welt, wenn man seine Kraft in Relation zur Größe setzt. Von dem einen Regenwurm zu sprechen ist allerdings nicht ganz richtig: Allein in Deutschland kommen 46 verschiedene Regenwurmarten vor, weltweit sind es über 3000. Einer der bekanntesten Vertreter in unseren Gärten ist der Tauwurm alias Regenwurm, Lumbricus terrestris. Er wird bis zu 30 Zentimeter lang und kann einen Durchmesser von 15 Millimetern erreichen. Wer wissen möchte, wo vorn und wo hinten ist beim Wurm, sollte nach der gürtelartigen Verdickung schauen: Sie befindet sich im vorderen Drittel, also näher am Kopf.
Im Mai ist Paarungszeit beim Regenwurm. Dann kriechen die Würmer in feuchten Nächten aus dem Erdboden an die Oberfläche – für Gärtner der ideale Zeitpunkt, um Regenwürmer zu zählen. Denn so können sie feststellen, wie es um die Qualität ihres Gartenbodens steht. Denn wer viele Regenwürmer im Boden hat, der hat humusreiche, lockere Erde, in der sich Pflanzenwurzeln gut verankern und Obst wie auch Gemüse gut gedeihen. „Am besten gehen Sie zum Zählen mit einer Rotlichttaschenlampe in den Dämmerungs- oder Nachtstunden auf Wurmsuche, eine normale Taschenlampe wäre dem lichtempfindlichen Bodenbewohner viel zu hell“, sagt Professor Johann Zaller vom Institut für Zoologie der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). Wer 50 Regenwürmer pro Quadratmeter Rasen findet, kann zufrieden sein, alles darunter ist ausbaufähig.
Lichtsinneszellen in der Haut verraten den Würmern, ob es hell oder dunkel ist. UV-Licht vertragen sie nicht. Es trocknet ihre Haut aus. „Ein Wurm, den man mit der Hand aufgenommen hat, empfindet regelrecht Stress“, sagt Zaller. Er windet sich und produziert Schleim, möchte so schnell wie möglich ins Dunkle kriechen. Man spürt sogar seine winzigen Borsten, die aufgerichtet sind. Darum schnell wieder ab ins dunkle Erdreich mit ihm. Die Würmer leiden auch unter nächtlicher Dauerbeleuchtung. Im Laternen- oder Solarlampenlicht paaren sie sich weniger oft. Zumindest in der Paarungszeit im Mai sollte darum die Garten- und Terrassenbeleuchtung ausgeschaltet bleiben.
„Wer dem Wurm im Garten noch mehr Gutes tun möchte, sollte beim Umgraben der Beete statt des Spatens lieber die Grabgabel benutzen – da rutschen die Würmer leichter hindurch“, rät Wildtierexpertin Jenifer Calvi von der Deutschen Wildtier Stiftung. Gut ist auch, das Laub liegen zu lassen. Die Würmer lassen es von Mikroorganismen zersetzen, fressen und verdauen es dann mehrmals. Das ist auch gut für den Gärtner: „Regenwurmkot ist der bester Gartendünger überhaupt.“ In lockeren Böden haben Regenwürmer es leichter, ihre Wohnhöhlen anzulegen. Ist der Boden verdichtet, helfen Luftlöcher und das Mischen der Erde mit Sand und Komposterde. Schottergärten und andere Bodenversiegelungen sind tabu. Genau wie ammoniakhaltiger Dünger, der die empfindliche Regenwurmhaut verletzt.

05.05.2023, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Rettungswege für den Stör: Forschende schlagen Artenschutzmaßnahmen an Staudämmen vor
Störe sind eigentlich Überlebenskünstler, es gibt sie schon seit über 200 Millionen Jahren. Heute sind jedoch alle 26 verbliebenen Störarten vom Aussterben bedroht. Wehre und andere Querbauwerke in den Flüssen behindern die Wanderfische nicht nur auf ihrem Weg zu den Laichplätzen, viele Tiere sterben auch in den Turbinen der Wasserkraftwerke. Konventionelle Fischaufstiege sind für Störe vielfach nicht artgerecht ausgelegt. Forschende unter Leitung der chinesischen Yunnan Universität, der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und des IGB legen nun eine Handlungsempfehlung vor, wie Störe mit Umgehungsrinnen an Staustufen geschützt werden, und diese als zusätzlichen Lebensraum nutzen können.
Sechsundzwanzig Störarten gibt es – noch. Erst 2020 wurde die siebenundzwanzigste Störart, der Schwertstör (Psephurus gladius), für ausgestorben erklärt. Ausschlaggebend für das Aussterben dieses einst in China heimischen Störs waren Staudämme – allen voran der Gezhouba-Damm am Hauptarm des Jangtse, rund 1.600 Kilometer von der Mündung entfernt. Dieser Staudamm hat keine Fischtreppe oder andere Umgehungsmöglichkeiten und schnitt den Schwertstör von seinen Laichgründen flussaufwärts ab. Der Querverbau von Fließgewässern und der damit verbundene Lebensraumverlust ist eine der Hauptursachen für den weltweiten Rückgang des Störs, auch in Deutschland. Störe sind Wanderfische, die weite Stecken zwischen ihren Laichplätzen im Mittel- und Oberlauf der Flüsse und ihren Nahrungsgründen im Unterlauf oder im Meer zurücklegen. Diese Strategie hilft ihnen, die verschiedenen Altersklassen räumlich zu trennen und so große Bestände zu erhalten, macht sie aber anfällig für Störungen bei ihren Wanderungen.
Umleitungen an Staudämmen sind lebensrettend:
Die Entfernung von Dämmen ist die effektivste Methode, um die Rückkehr von Stören in Flüsse zu ermöglichen, wie die Beispiele des Edwards Dam am Kennebec River in Maine und des Ballville Dam am Sandusky River in Ohio zeigen. In beiden Fällen wanderten die Störe fast unmittelbar nach dem Abriss der Dämme wieder in die oberen Flussabschnitte ein. Doch statt weniger Dämme zu bauen, werden die Flüsse weltweit weiter fragmentiert: Laut einer Studie des IGB vom Oktober 2021 sind mehr als 3.400 große Wasserkraftanlagen entweder geplant oder bereits im Bau.
„Da die Zahl der Wasserkraftwerke weiter zunehmen wird, ist es wichtig, ihre Auswirkungen wirksam zu mindern, um die Laichwanderung der Störe zu erhalten und wiederherzustellen“, sagt IGB-Forscher Jörn Geßner. Der Wissenschaftler betreut seit mehr als 20 Jahren die Projekte zur Wiederansiedlung der beiden einst in Nord- und Ostsee heimischen Störe.
Fischtreppen, Aufzüge und andere Fischaufstiegshilfen passen nicht für den Stör
Die meisten Fischaufstiegsanlagen an Dämmen und Wehren wurden für relativ kleine und schwimmstarke Fischarten gebaut, die kleine Flüsse und Bäche zur Fortpflanzung nutzen, wie beispielsweise Lachse und Meerforellen. Störe laichen erst im Alter von mindestens zehn Jahren und sind dann oft schon über eineinhalb Meter lang, können aber über vier Meter lang werden. Sie leben in großen Flüssen und brauchen viel Platz, um Wanderhindernisse zu überwinden. „Die Effizienz der meisten konventionellen Fischaufstiegsanlagen – auch wenn sie für Störe modifiziert wurden – war bisher sehr gering, nur wenige Störe nutzen sie“, erklärt Jörn Geßner.
Handlungsempfehlung: An das Störverhalten angepasste Wanderkorridore:
Ausreichend dimensionierte Umgehungsgerinne, die die Störe an den Hindernissen vorbeiführen, können als zusätzliche Lebensräume dienen, in denen sich die Störe auch fortpflanzen. Wie solche Umgehungsgerinne beschaffen sein sollten, hat ein internationales Autorenteam aus China, Kanada, Italien, Dänemark und Deutschland gemeinsam beschrieben: Die Umgehungsgerinne sollten hydromorphologisch einem natürlichen Flusslauf nachempfunden und lang genug sein, um für Störe geeignete Gefälle und Strömungsverhältnisse zu bieten. Die Einstiege sollten weit genug vom Wehr entfernt sein, damit die Störe sie finden und nutzen können, während die Ausstiege die Umgehung eines Großteils des Wehres ermöglichen. In der Laichzeit und während der Abwanderung von Laich und Jungfischen sollten bis zu 35 Prozent des verfügbaren Wasservolumens in den Kanal geleitet werden, da die Wanderfische ausreichend dimensionierte Anlagen benötigen, damit genug Strömung vorhanden ist, um den Einstieg zu finden und ausreichend Anreiz, diesen zu nutzen.
Diese Umgehungsgerinne können auch als eine Art Lebensversicherung für viele Arten dienen, die durch die Fragmentierung der Flüsse bedroht sind – nicht nur für Fische. Darüber hinaus können sie den Sedimenttransport fördern und damit die typische Sohlerosion unter Stauanlagen minimieren. Maßnahmen zur Minderung der negativen Auswirkungen der Wasserkraft sollten immer mit geplant und finanziert werden.
„Wanderkorridore für Störe sollten an Flüssen, in denen diese Tiere heimisch sind, Standard sein. Der Bau von Wanderkorridoren erfordert erhebliche Investitionen und Anstrengungen, die in die Gesamtkalkulation von Wasserkraftanlagen einfließen müssen. Oft werden diese Kosten jedoch nicht, oder nur für Minimalvarianten berücksichtigt“, sagt Jörn Geßner.
Positive Beispiele für die Umgehung von Wehren gibt es bereits:
Mehrere erfolgreiche Beispiele für naturnahe Umgehungsgerinne stützen die Vorschläge der Forschenden. Am Namakan River in Ontario, Kanada, wurde ein naturnaher Kanal gebaut, der aus einer Reihe von Stromschnellen besteht, sich über zwei Kilometer erstreckt und eine durchschnittliche Wasserhöhe von sieben Metern aufweist. Genetische Analysen haben bestätigt, dass der See-Stör (A. fulvescens) den Kanal nutzt, um flussaufwärts zu gelangen, was zur Erhaltung seiner Population im Fluss beiträgt.
Um den Konstantinovskiy-Damm am Don in Russland zu umgehen, wurde ein naturnahes Umgehungsgerinne für Störe gebaut. Der Kanal ist sechs Kilometer lang, 22 Meter breit und durchschnittlich zwei Meter tief. Nachweise von bis zu 2500 aufsteigenden Stören und der Nachweis der Eiablage des Sternhausens (A. stellatus) haben dazu geführt, dass neue Projekte für Umgehungsgerinne an anderen Don-Staudämmen geplant sind.
Die jüngste vielversprechende Fallstudie stammt aus Montana, wo am Intake Diversion Dam ein 3,4 km langer Seitenkanal zum Lower Yellowstone River angelegt wurde. Drei wildlebende, geschlechtsreife Schaufelstöre (S. albus) und neun markierte Tiere dieser vom Aussterben bedrohten Art durchschwammen den Kanal bereits wenige Wochen nach seiner Fertigstellung.
Originalpublikation:
https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2217386120

05.05.2023, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie
Chemisches Signal schützt Wanderheuschrecken vor Kannibalismus
Forschende des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie zeigen in einer neuen Studie in der Zeitschrift Science zusammen mit Partnern aus China und der Universität Halle, dass die Europäische Wanderheuschrecke Locusta migratoria die Verbindung Phenylacetonitril (PAN) bildet, um sich bei zunehmender Populationsdichte gegen Fraßangriffe durch Artgenossen zur Wehr zu setzen. Bei Heuschrecken, die diesen Wirkstoff nicht mehr produzieren konnten, nahm die Kannibalismusrate zu. Außerdem identifizierten die Forschenden in den Heuschrecken den Geruchsrezeptor für PAN. Die Entdeckung eines Anti-Kannibalismus-Pheromons bietet neue Ansätze für die Heuschreckenbekämpfung
Riesige Schwärme von Wanderheuschrecken nehmen das Ausmaß von Naturkatastrophen ein und bedrohen vor allem in Afrika und Asien die Nahrungsmittelversorgung von Millionen von Menschen. Als achte der zehn biblischen Plagen wird bereits im Buch Mose des Alten Testaments beschrieben, wie Heuschreckenschwärme den Himmel verfinsterten und alles auffraßen, was auf den Feldern und an den Bäumen wuchs. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass Kannibalismus unter den Heuschrecken zu ihrem Schwarmverhalten beiträgt, und Schwärme deshalb ständig weiterziehen, weil einzelne Tiere buchstäblich ständig auf der Flucht vor den sie verfolgenden Artgenossen sind. „Wir fragten uns, wie sich diese Insekten innerhalb der riesigen Schwärme gegenseitig in ihrem Verhalten beeinflussen, und ob der Geruchssinn dabei eine Rolle spielt. Eine wichtige Grundlage waren für uns die Untersuchungen zur Entstehung von Heuschreckenschwärmen von Iain Couzin vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz,“ erläutert Studienleiter Bill Hansson, Direktor der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie am Max-Planck-Institut, die Ausgangslage der Studie.
Wanderheuschrecken kommen in unterschiedlichen Phasen vor: In der solitären Phase leben die Insekten einzeln und ortstreu, während sie in der gregären Phase das typische Schwarmverhalten zeigen, die zu ihrer Bezeichnung als Wanderheuschrecken passt. „In den meisten Fällen befinden sich Heuschrecken in der solitären Phase, in der sie den physischen Kontakt mit Artgenossen meiden und vergleichsweise wenig Nahrung zu sich nehmen. Nimmt die Populationsdichte aufgrund von Regenfällen und ausreichend Nahrung zu, verändern Heuschrecken innerhalb weniger Stunden ihr Verhalten, sie können einander riechen, sehen und berühren. Diese drei Arten der Stimulation erhöhen den Serotonin- und Dopaminspiegel im Heuschreckenhirn, was dazu führt, dass aus den solitären Heuschrecken aggressive gregäre Heuschrecken werden, die sehr aktiv sind und einen großen Appetit haben. Außerdem setzen sie Aggregationspheromone frei, was schließlich zu Schwarmbildung führt und die landwirtschaftliche Produktion bedroht. Nur in der gregären Phase kommt es zu Kannibalismus,“ erläutert der Erstautor der Studie Hetan Chang.
Verhaltensexperimente mit der Europäischen Wanderheuschrecke Locusta migratoria zeigten, dass die Kannibalismusrate zunahm, je mehr gregäre Tiere zusammen in einem Käfig gehalten wurden. Es gibt also einen direkten Zusammenhang zwischen Populationsdichte und kannibalistischem Verhalten. Um herauszufinden, ob gregäre Heuschrecken besondere Düfte abgeben, die in der solitären Phase nicht produziert werden, analysierte das Forschungsteam alle Duftstoffe, die von solitären und gregären Heuschrecken im Jugendstadium abgegeben werden, und glich sie ab. Von den 17 Düften, die nur in der gregären Phase gebildet wurden, stellte sich in Verhaltenstests nur Phenylacetonitril (PAN) als Duftsignal heraus, das auf andere Heuschrecken abschreckend wirkte. Für eine weitere Bestätigung für die Funktion von PAN nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genetisch modifizierte Heuschrecken, die PAN nicht mehr produzieren konnten. „Wir zeigten, dass bei zunehmender Populationsdichte nicht nur das Ausmaß des Kannibalismus zunahm, sondern dass die Tiere parallel dazu auch mehr PAN produzierten. Mittels Genom-Editierung gelang es uns, ein Enzym auszuschalten, das für die Produktion dieser Verbindung verantwortlich ist. So konnten wir seine stark antikannibalistische Wirkung bestätigen, denn der Kannibalismus wurde noch einmal deutlich gesteigert, wenn die Tiere nicht mehr in der Lage waren, die Verbindung zu produzieren,“ sagt Hetan Chang.
Die größte Herausforderung bestand darin, den Geruchsrezeptor zu finden, der PAN erkennt. Da Heuschrecken mehr als 140 Geruchsrezeptor-Gene haben, musste das Forschungsteam so viele Gene wie möglich klonen und eines nach dem anderen testen. Tests an 49 verschiedenen Geruchsrezeptoren unter Verwendung von mehr als 200 relevanten Düften führten schließlich dazu, den Duftrezeptor OR70a als einen hochempfindlichen und spezifischen Detektor für PAN in der Europäischen Wanderheuschrecke zu identifizieren. Verhaltensexperimente mit genetisch veränderten Heuschrecken, deren OR70a-Rezeptor nicht mehr funktionierte, wiesen wiederum eine stark erhöhte Kannibalismusrate auf, was darauf zurückzuführen ist, dass das Kannibalismus-Stoppsignal von den Heuschrecken ohne den entsprechenden Rezeptor nicht mehr wahrgenommen werden kann.
Ein Pheromon, das Kannibalismus steuert, ist eine absolute Neuentdeckung. Da Kannibalismus einen großen Einfluss auf die Schwarmdynamik von Heuschrecken hat, ergeben sich aus dem grundlegenden Verständnis der Populationsökologie dieser Tiere, insbesondere der Wirkung von PAN, neue Möglichkeiten, die Ausbreitung von Heuschrecken einzudämmen. „Wenn man die Produktion von PAN oder die Funktion des Rezeptors hemmt, könnte man die Heuschrecken dazu bringen, sich kannibalistischer zu verhalten und sich auf diese Weise möglicherweise selbst zu bekämpfen,“ meint Bill Hansson.
Originalpublikation:
Chang, H., Cassau, S., Krieger, J., Guo, X., Knaden, M., Kang, L., Hansson, B. S. (2023) A chemical defense deters cannibalism in migratory locusts. Science, doi: 10.1126/science.ade6155

04.05.2023, Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie
Darmlose Meereswürmer auf Mittelmeerdiät: Tiere können Pflanzensterole herstellen
Pflanzensterole (Phytosterole) sind gesund; aber leider können Menschen und Tiere sie nicht selbst herstellen. Immer mehr Menschen nutzen Nahrungsergänzungsmittel, um an Phytosterole zu kommen, oder greifen zu grünen Smoothies oder einer Mittelmeerdiät mit vielen pflanzlichen Lebensmitteln. Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen haben nun winzige darmlose Würmer im Mittelmeer entdeckt, die selbst Phytosterole herstellen können. Sie zeigen außerdem, dass auch viele andere Tiere die erforderlichen Gene zur Biosynthese eigener Phytosterole haben. Ihre Ergebnisse erscheinen im Fachjournal Science.
Cholesterol und Phytosterol sind Sterole: Fettverbindungen, die für viele biologische Prozesse unverzichtbar sind, beispielsweise, damit die Zellwände funktionieren. Bislang war man der Ansicht, dass Phytosterole typisch für Pflanzen und Cholesterol typisch für Tiere ist und nur diese Gruppen das jeweilige Sterol herstellen. Dolma Michellod, Nicole Dubilier und Manuel Liebeke vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen waren daher überrascht, als sie entdeckten, dass Olavius algarvensis, ein kleiner Wurm, der in Seegraswiesen im Mittelmeer lebt, deutlich größere Mengen an Phytosterolen als Cholesterol enthält. „Es wäre naheliegend gewesen, dass die Würmer Phytosterole aus dem umliegenden Seegras aufnehmen“, erklärt Erstautorin Michellod. „Es war aber klar, dass sie das Seegras nicht fressen konnten, denn diese Würmer haben weder einen Mund noch einen Darm. Sie ernähren sich mithilfe symbiotischer Bakterien, die in ihrem Körper leben“, ergänzt Dubilier. „Wir konnten auch ausschließen, dass sie die Phytosterine über ihre Haut aufnehmen. Darum haben wir uns gefragt, ob die symbiotischen Bakterien des Wurms möglicherweise Phytosterole produzieren“, erklärt Liebeke. „Auch diese Hypothese konnten wir nicht bestätigen. Erst dann wurde uns klar, dass die Würmer die Phytosterole selbst herstellen müssen“, erklärt Liebeke.
Die Max-Planck-Forschenden, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Bremer MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, der Universität Münster, der Universität Hamburg, der North Carolina State University und dem Imperial College London, nutzten eine Vielzahl von Methoden um zu beweisen, dass der Wurm selbst die Phytosterole, hauptsächlich in Form von Sitosterol herstellt. Unter anderen sequenzierten sie die DNA und RNA des Wurms, analysierten seine Proteine und Metabolite und machten Bildaufnahmen von der Verteilung der Sterole im Wurmkörper. Ihre Studie zeigt erstmalig, dass Tiere Pflanzensterole synthetisieren können. Sie erscheint am 5. Mai im Fachmagazin Science.
Vom Wurm zur Koralle – fünf Tiergruppen haben die Gene, um Phytosterole herzustellen
Eine weitere Überraschung erlebten die Forschenden, als sie feststellten, dass die erforderliche Gene, um Sitosterol aus Vorläufersubstanzen des Cholesterols herzustellen, im Tierreich weit verbreitet sind. „Wir stießen auf ein Gen, von dem man annahm, dass es während der Evolution von Tieren schon lange verloren gegangen war”, sagt Liebeke. „Es war sehr spannend, dieses Gen in so vielen verschiedenen Tiergruppen zu entdecken, von Korallen und Regenwürmern bis hin zu Muscheln und Schnecken“, fügt Michellod hinzu. „Offensichtlich bringt es ihnen einen starken Selektionsvorteil, das Gen zu besitzen, das die Bildung von Phytosterolen ermöglicht. Wir vermuten, dass Phytosterole die Zellwände von Tieren durchlässiger machen könnten, aber das ist bisher nur wilde Spekulation“, so Dubilier.
The Good, the Bad, and the Ugly: Die Rolle von Cholesterol und Phytosterolen
Bisher hat sich die Sterolforschung an Tieren auf Cholesterol konzentriert. Es repräsentiert „The Good, the Bad, and the Ugly”: Manche Formen davon sind nötig, um Zellmembranen und Hormone herzustellen, andere sind schädlich und können Blutgefäße verstopfen und somit die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Zahlreiche neuere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Phytosterole hingegen gut für Menschen sein können, da sie die Cholersterinwerte im Blut verbessern und dadurch die Gefahr von Herzinfarkten und Schlaganfällen verringern können. Wie genau die Phytosterole diese Vorteile erzeugen, ist noch nicht klar. Die Forschenden des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie sind überzeugt, dass der kleine Meereswurm Olavius algarvensis ein hervorragender Modellorganismus ist, um die positive Rolle von Pflanzensterolen für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Tieren besser zu verstehen.
Originalpublikation:
Dolma Michellod, Tanja Bien, Daniel Birgel, Marlene Violette, Manuel Kleiner, Sarah Fearn, Caroline Zeidler, Harald R. Gruber-Vodicka, Nicole Dubilier, Manuel Liebeke (2023): De novo phytosterol synthesis in animals. Science (May 5, 2023)
DOI: http://www.science.org/doi/10.1126/science.add7830

05.05.2023, Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Wo ist der Baumschläfer? – Helfen Sie uns bei der Suche!
Er schläft viel, lebt zurückgezogen vor allem im Bergwald: der Baumschläfer. Seit über zehn Jahren wurde der streng geschützte und extrem seltene Bilch in Bayern nicht mehr gesichtet. Bei der Suche nach dem kleinen Kletterkünstler mit den Knopfaugen brauchen wir ihre Unterstützung! Sind Sie der Glückspilz, der den Baumschläfer entdeckt?
Einen Baumschläfer zu beobachten, ist nicht so einfach. Die kleinen, seltenen Bergwaldbewohner verstecken sich am Tag meist in Baumhöhlen, Nistkästen, in Nischen von Holzschuppen oder in dichten Sträuchern. Der kleine Bilch mit den großen Augen, der typischen Gesichtsmaske und dem langen buschigen Schwanz hält sich bevorzugt in kühlfeuchten Bergwäldern auf und benötigt neben einer krautigen Bodenvegetation auch Sträucher und die Nähe von Gewässern (z.B. Bachläufe). Demzufolge lohnt es sich vor allem im bayerischen Alpenraum die Augen nach ihm offen zu halten. Baumschläfer sind an die Jahreszeiten sehr gut angepasste Allesfresser und ernähren sich u.a. von Insekten, Beeren, Samen und Vogeleiern. Mit einem ausgedehnten Winterschlaf von Oktober bis April macht er dem Namen „Schläfer“ alle Ehre.
Aktuell ist also die beste Zeit, diesen ganz besonderen Bilch direkt nach dieser langen Winterruhe zu Gesicht zu bekommen. Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) und die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) wollen mit Unterstützung der Öffentlichkeit in einem gemeinsamen „citizen-science-Projekt“ nun Antworten auf wichtige Fragen zum Schutz des Baumschläfers finden. „Besonders interessiert uns, wo sich der Baumschläfer in Bayern aktuell aufhält und wie weit er bei uns verbreitet ist“, so Andreas Geisler Mitarbeiter der Abteilung Biodiversität und Naturschutz an der LWF.
Hierzulande wurde zum letzten Mal im Jahr 2010 ein Baumschläfer beobachtet. Aber aufgepasst! Denn es besteht Verwechslungsgefahr mit seinen drei nahen Verwandten, der noch kleineren Haselmaus, dem Gartenschläfer und vor allem mit dem deutlich häufigeren Siebenschläfer. Deshalb hat die LWF ergänzende Hinweise und Informationen sowie bebilderte Beispiele zur Unterscheidung in einem neuen Faltblatt zum Baumschläfer zusammengestellt –
siehe: www.lwf.bayern.de/fb_baumschlaefer
Hier ist auch ein QR-Code zu finden, der die Meldung von Sichtungen vereinfacht. Gemeldet werden kann auch direkt und bequem unter www.baumschlaefer.de. Wichtig ist, dass Sie Ihrer Sichtung ein Foto beigelegen. Nur so können die am Projekt beteiligten Forscher die Hinwiese beurteilen und Rückmeldung geben, ob wirklich ein Baumschläfer entdeckt wurde.
In Deutschland kommt der Baumschläfer ausschließlich in Bayern vor und wird hier in der Roten Liste gefährdeter Tierarten als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Als Anhang IV Art der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) ist er nicht nur streng geschützt, sondern gleichzeitig von gemeinschaftlichem Interesse. Die LWF teil sich mit dem LfU den Schutz der FFH-Anhang-Arten in Bayern und ist dabei für das Monitoring der sogenannten „FFH-Waldarten“ zuständig. Beide Behörden erstellen dazu den bayerischen Beitrag zum Erhaltungszustand dieser Arten für den nationalen FFH-Bericht, der alle sechs Jahre an die Europäische Union übermittelt wird. Seit 2019 hat das LfU gezielt mit Wildkameras nach dem Baumschläfer gesucht. Bislang hat sich keines der scheuen Tiere gezeigt. Nun zählen wir, die LWF und das LfU, auf ihre tatkräftige Unterstützung!

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