Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

20.03.2023, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Weitverbreitete Arten auf dem Vormarsch
Das menschliche Handeln treibt den Wandel der Biodiversität und Veränderungen in der Zusammensetzung der Arten rapide voran. Ein Forschungsteam konnte nun zeigen, dass weiterverbreitete Arten eher von anthropogenen Veränderungen profitieren und sich weiter ausbreiten, wohingegen viele Arten mit einem kleinen Verbreitungsgebiet sich noch weiter zurückziehen. Die Ergebnisse, die im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht wurden, basieren auf den Daten aus über 200 Studien und beweisen, dass Schutzgebiete einige Auswirkungen des Biodiversitätswandels abmildern und den systematischen Rückgang wenig verbreiteter Arten ausbremsen können.
Jede lebende Art auf der Erde verfügt über ein einzigartiges geographisches Verbreitungsgebiet: einige Arten kommen weltweit an vielen Orten vor, andere sind hingegen nur in wenigen ausgewählten Lebensräumen zu finden. Doch hat diese Verbreitung auch einen Einfluss darauf, wie Arten auf menschliche Einflüsse und Veränderungen reagieren – und verändert sich dadurch mit der Zeit auch die Zahl der Orte, an denen sie zu finden sind?
Ein Team unter Leitung von Forschenden von iDiv und der MLU hat genau diese Verbindung zwischen der Größe des Ausbreitungsgebietes und dem regionalen Vorkommen einer Art untersucht. Dafür nutzte es eine umfangreiche Datensammlung aus 238 Studien, in denen die Zusammensetzung von Tier- und Pflanzenarten an vielen verschiedenen Orten über die Dauer von 10 bis 90 Jahren untersucht worden war. Mithilfe dieser Zeitreihe konnten die Forschenden feststellen, welche Arten an immer mehr Orten vorkamen, welche an immer weniger Orten zu finden waren und bei welchen es keine Veränderung gab. Anschließend stellten sie diese Trends und die Größe des Verbreitungsgebietes der jeweiligen Arten gegenüber, um eine mögliche Verbindung herzustellen. Um die Verbreitungsgebiete der fast 19.000 Arten aus den Zeitreihen zu bestimmen, griffen die Forschenden auf die Global Biodiversity Information Facility (GBIF) zurück, die Daten zum Vorkommen von Arten auf der ganzen Welt enthält, darunter auch Daten, die mithilfe beliebter Smartphone-Apps wie iNaturalist oder eBird gesammelt worden waren.
Arten mit großem Verbreitungsgebiet kommen an immer mehr Orten vor
Die Forschenden stellten fest, dass über alle Studien hinweg im Durchschnitt Arten mit einem großen Verbreitungsgebiet mit der Zeit an immer mehr Orten vorkamen. Dagegen nahmen die Orte, an denen Arten mit kleinerem Verbreitungsgebiet zu finden waren, immer mehr ab. So zeigte beispielsweise eine Studie aus Nordaustralien, dass Arten, die nur in einem kleinen Teil der Region heimisch sind, wie etwa die Rote Schirmpalme (Livistona mariae), seit den ersten Zählungen in den 1990er Jahren immer mehr zurückgedrängt wurden, wohingegen weiterverbreitete Arten wie die Ostindische Pfeilwurz (Tacca leontopetaloides) an immer mehr Orten zu finden sind. Ebenso wurden Fische wie der Regenbogen-Brandungsbarsch (Hypsurus caryi), der vor allem in Seetangwäldern vor der Küste Kaliforniens vorkommt, seit Beginn des Monitorings im Jahr 2000 an immer weniger Orten gesichtet, bei weiterverbreiteten Arten wie Scropaenichthys marmoratus war das Gegenteil der Fall. „Das könnte daran liegen, dass weiterverbreitete Arten über eine größere Nischenbreite verfügen, sie können also in vielen verschiedenen Lebensräumen leben. Diese Arten können sich schneller ausbreiten als weniger verbreitete Arten, wodurch sie auch angesichts des globalen Wandels mit höherer Wahrscheinlichkeit überleben oder sich sogar vermehren“, sagt Erstautor Dr. Wubing Xu, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei iDiv und an der MLU. Dieser Zusammenhang war in den Meeren sogar stärker als an Land oder in Frischwassergebieten. „Das liegt möglicherweise daran, dass Meeresarten oft anfälliger für Umweltveränderungen wie die globale Erwärmung sind“, so Wubing Xu.
Diese Ergebnisse lösen auch frühere Widersprüche auf. Professor Anne Magurran und Professor Maria Dornelas von der Universtät von St. Andrews waren nicht nur an der neuen Studie beteiligt, sondern leiteten auch eine frühere Studie, die Zeitreihen zu Biodiversitätsdaten weltweit in einer Datenbank zusammenstellte, die sie BioTIME nannten. Die neue Studie fügte noch viele weitere Datensätze zu dieser Sammlung hinzu. „Als wir anfingen, mit der ersten Version von BioTIME zu arbeiten, ließen sich noch keine eindeutigen generellen Trends zum lokalen Artenreichtum feststellen. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Welt nicht verändert und dass der Mensch keinen dramatischen Einfluss auf die Biodiversität hat“, so Dornelas. „Wir verzeichneten grundlegende Veränderungen bei der Zusammensetzung der Arten. Das Tolle an unseren neuen Ergebnissen ist, dass wir zeigen konnten, dass diese Veränderungen in Zusammenhangen mit bestimmten Merkmalen der Gewinner- und Verliererarten stehen. Das zeigt, dass wir verschiedene Messgrößen auf verschiedenen Skalen untersuchen müssen, um den Biodiversitätswandel zu verstehen.“
Schutzgebiete können die Folgen des Biodiversitätswandels abmildern
Heute stehen rund 17 % der Fläche an Land und von inländischen Gewässern in irgendeiner Form unter Schutz, bei den Küsten- und Meeresgebieten sind es etwa 8 %. Internationale Übereinkommen der UN-Biodiversitätskonferenz sehen eine deutliche Ausdehnung dieser Gebiete in den nächsten 10 Jahren vor. Ein Vergleich der Trends innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten zeigte den Forschenden, dass die Veränderungen beim Vorkommen der Arten in Schutzgebieten an Land weniger ausgeprägt waren. So konnten sich Vogelarten mit einem relativ kleinen Verbreitungsgebiet wie die Zwergtrappe (Tetrax tetrax) in einem Schutzgebiet in Portugal mit der Zeit sogar weiter ausbreiten, wohingegen sie in einem angrenzenden intensiv bewirtschafteten Gebiet abnahmen. „Indem man den anthropogenen Druck mithilfe von Schutzgebieten reduziert, kann man auch den Rückgang bei weniger verbreiteten Arten abschwächen, den wir häufig beobachten“, sagt Letztautor Prof. Jonathan Chase von iDiv und der MLU. „Darum ist es zwingend notwendig, dass die internationale Gemeinschaft ihr Versprechen auch durchsetzt, die Zahl der geschützten und renaturierten Flächen auf der ganzen Welt zu erhöhen.“
Originalpublikation:
Wu-Bing Xu, Shane A. Blowes, Viviana Brambilla, Cher F. Y. Chow, Ada Fontrodona-Eslava, Inês S. Martins, Daniel McGlinn, Faye Moyes, Alban Sagouis, Hideyasu Shimadzu, Roel van Klink, Anne E. Magurran, Nicholas J. Gotelli, Brian J. McGill, Maria Dornelas, Jonathan M. Chase (2023). Regional occupancy increases for widespread species but decreases for narrowly distributed species in metacommunity time series. Nature Communications. Doi: 10.1038/s41467-023-37127-2

21.03.2023, Universität zu Köln
Neue Augen bei Trilobiten entdeckt
Wissenschaftler*innen der Universitäten Köln und Edinburgh entdecken bisher übersehene Augen / Form und Funktion der Augen können in Zukunft helfen, auch archaische Gliedertiere besser in den evolutionären Stammbaum einzuordnen / Veröffentlichung in „Scientific Reports – Nature“
Trilobiten, prähistorische Meeresbewohner, besaßen zusätzlich zu ihren Facettenaugen auch noch sogenannte Medianaugen, Einzelaugen auf ihrer Stirn. Dies ergaben Forschungen von PD Dr. Brigitte Schoenemann vom Institut für Zoologie der Universität zu Köln und Professor Dr. Euan Clarkson von der University of Edinburgh. Solche Einzelaugen gibt es bei allen Gliedertieren (Arthropoden) und auch bei vielen Verwandten der ausgestorbenen Trilobiten. Es sind meist kleine Becheraugen (Ocelli), manchmal sogar mit Linsen ausgerüstet, die den menschlichen Augen nicht unähnlich sind. Diese sogenannten Medianaugen sind typisch für alle Gliedertiere, nur bei Trilobiten waren sie trotz mittlerweile 150-jähriger Forschung noch nicht entdeckt worden. Die Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass die neu entdeckten Augen bei Trilobiten nur im Larvenstadium vorkamen. Die Einzelaugen lagen unter einer transparenten Schicht des Panzers, die während des Fossilisierungsprozesses undurchsichtig wurde. Beide Umstände trugen dazu bei, dass die Ocelli bis jetzt nicht entdeckt wurden. In der Arbeit wurden auch Medianaugen anderer, etwa 500 Millionen Jahre alte Gliedertiere nachgewiesen. Auch diese Medianaugen waren bislang nicht bekannt. Je nach evolutionärem Stand haben diese Arthropoden eine unterschiedliche Zahl von Medianaugen. Anzahl und Form der Einzelaugen werden in Zukunft helfen, einzelne Arthropoden-Spezies im Stammbaum einordnen zu können. Ihre Entdeckung beschreiben die Forscher*innen in dem Artikel „The median eyes of trilobites“ in Scientific Reports – Nature.
Gliederfüßer (Arthropoden) besitzen in der Regel zwei Arten von Augen: die Facettenaugen und die so genannten „Medianaugen“ oder Mittelaugen. Letztere werden so genannt, weil sie auf der Mitte der Stirn zwischen den Facettenaugen sitzen. Nur Trilobiten, eine wichtige Gruppe von Arthropoden im Paläozoikum, schienen keine Mittelaugen zu besitzen.
Das war die Annahme, bis Schoenemann und Clarkson ein Exemplar des Trilobiten Aulacopleura koninckii untersuchten, bei dem ein Teil des Kopfes abgeschabt war. An der Vorderseite des Kopfes fanden sich drei fast identisch geformte dunkle, unauffällige und winzige ovale Flecken von gleicher Größe. Diese drei Strukturen sind parallel aneinandergereiht und fächern sich auf der Unterseite leicht auf. Alle drei Flecken zeichnen sich durch einen glatten, klaren Umriss und eine gleichmäßige, dunkelbräunliche Farbe aus. „Dieses klare, regelmäßige Erscheinungsbild unterscheidet diese Struktur von zufälligen, durch Verwesung oder Fossilisierung entstandenen Gebilden, und entspricht den zu erwartenden Relikten einfacher, mit einer Pigmentschicht ausgerüsteten Medianaugen. Auch wenn es sich um einen Einzelfund handelt, stützt er die Annahme, dass Medianaugen ursprünglich bei Trilobiten vorhanden waren“, erklärt Schoenemann.
Auch bei dem im freien Ozean schwimmenden Trilobiten Cyclopyge sibilla fanden die Forscher*innen auf der sogenannten Glabella, der Region inmitten der Stirn zwischen den großen Facettendaugen, drei becherförmige Medianaugen, die sogar offensichtlich eine Linse besaßen, und somit deutlich differenzierter und wohl wesentlich leistungsfähiger waren als die des bodenbewohnenden Trilobiten Aulacopleura.
In ihrem Artikel überlegen die Forscher*innen, warum die Medianaugen der Trilobiten dem forschenden Auge bis jetzt entgangen sind: „Diese Medianaugen sind bei Trilobiten im Larvenstadium vorhanden, liegen aber unter einem wahrscheinlich dünnen, durchsichtigen Panzer (Kutikula). Beides erklärt, warum sie bisher unentdeckt geblieben sind“, erklärt Schoenemann. Damit schließen die Forscher*innen die bisherige Lücke der fehlenden Mittelaugen bei Trilobiten. Schoenemann: „Es konnte gezeigt werden, dass diese Becheraugen von denen der urtümlichen Stummelfüßler abstammen, kleinen wurmähnlichen Tieren mit Beinen. Die ursprüngliche Anzahl der Medianaugen ist 2, wie noch bei den heutigen, sehr konservativen Spinnentieren. Bei stammliniennahen, sehr ursprünglichen Gliedertieren (z.B. Cindarella eucalla aus dem unteren Kambrium Chinas) sind es 4, moderne Tiere, wie Insekten und Krebstiere, besitzen nur noch 3. Mit Hilfe der Anzahl der Medianaugen in einem Gliederfüßer haben wir nun ein wichtiges Instrument, um seine Position im evolutionären Stammbaum zu bestimmen.“
Originalpublikation:
„The median eyes of trilobites“, Scientific Reports – Nature
https://www.nature.com/articles/s41598-023-31089-7

21.03.2023, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Eintagsfliegen, Libellen & Co. beginnen ihr Leben im Wasser – neue Datenbank zu semiaquatischen Insekten
Viele Fluginsekten kennen wir nur als erwachsene Tiere, denn sie haben ihre Kinderstube im Wasser. Die Larven der Eintagsfliegen beispielsweise verbringen fast ein Jahr in den flachen Uferzonen stehender Gewässer, bevor sie als große Fliegen für einige Tage an Land kommen. Diese so genannten semiaquatischen Wasserinsekten sind eine wichtige Nahrungsquelle für Tiere und werden als Bioindikatoren zur Bewertung der Wasserqualität herangezogen. Mit der EPTO-Datenbank steht nun eine Quelle zur Verfügung, die weltweit georeferenzierte und frei verfügbare Datensätze zu ihrem Vorkommen bereitstellt. Das Projekt wurde vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) koordiniert.
Eintagsfliegen (Ephemeroptera), Steinfliegen (Plecoptera), Köcherfliegen (Trichoptera) und Libellen (Odonata) leben als Larven in Gewässern, sind also semiaquatisch. Diese semiaquatischen Insekten machen zusammen mit den reinen Wasserinsekten rund 6 Prozent aller Insektenarten aus – ein bedeutender Anteil. Sie werden nun erstmals in einer umfassenden Datenbank namens EPTO erfasst. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von 1951 bis 2021. Insgesamt sind über 8.3 Millionen georeferenzierte Einträge gelistet, von denen die meisten öffentlich für Forschende und Behörden zugänglich sind.
Wenn man sie genau beobachtet, kann man eine Verschlechterung des Ökosystems früh genug erkennen:
„Diese neue Datenbank ist eine wichtige Basis, um Renaturierungsmaßnahmen von Gewässern zu planen und zu bewerten. Denn Insektenlarven sind Bioindikatoren, also Zeigerarten für die Gewässergüte. Wenn man sie genau beobachtet, kann man eine Verschlechterung des Ökosystems früh genug erkennen“, erklärt Afroditi Grigoropoulou, Wissenschaftlerin am IGB und Erstautorin der Studie.
Libellenlarven oder Köcherfliegenlarven sind Zeigerarten, weil sie empfindlich auf eine Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen reagieren – und viele Gewässer sind in einem schlechten ökologischen Zustand. Derzeit gelten 33 Prozent der bekannten EPTO-Arten nach der Roten Liste der IUCN als bedroht , die Aussterberate – also Arten, die in den letzten 50 Jahren nicht mehr gefunden wurden – liegt bei 9 Prozent. „Die neue EPTO-Datenbank ermöglicht es, Veränderungen im Vorkommen und in der Artenzusammensetzungen im räumlichen Kontext zu erfassen. So könnten diese Insekten in Zukunft besser geschützt werden“, sagt IGB-Forscher Sami Domisch, der die Studie geleitet hat.
Sein Team hat den Hydrography90m-Datensatz entwickelt, der als Grundlage für die Datenbank dient. Dabei handelt es sich um ein hochauflösendes Flussnetzmodell, das auch kleine und kleinste Flussarme abbilden kann. So konnten die Arten räumlich genau zugeordnet werden. Die Datenbank ist aber noch lange nicht fertig: „Wir laden Forscherinnen und Forscher ein, zur Datenbank beizutragen, insbesondere durch Daten aus noch unzureichend erforschten Gebieten, die wir in unseren globalen Karten hervorheben. Natürlich können auch andere Forscherinnen und Forscher die Daten nutzen“, sagt Afroditi Grigoropoulou.
Faszinierende Fakten: vorschnelle Unterlippe bei Libellenlarven, Upcycling bei den Köcherfliegenlarven:
Diese Insektenlarven leben nahezu unbemerkt im Gewässer, auch darum ist es den Autor*innen wichtig, auf sie aufmerksam zu machen. Denn ihre Lebensweise ist faszinierend. Dass die Eintagsfliege eigentlich „Einjahresfliege-im-Wasser“ heißen könnte, haben wir ja schon erwähnt. Auch bei den Steinfliegen dauert die Larvalentwicklung im Wasser viel länger als das Erwachsenenstadium an Land – sogar mehrere Jahre. In dieser Zeit häuten sie sich etwa 10 bis 25 Mal.
Libellenlarven ernähren sich wie die geflügelten Erwachsenen ebenfalls räuberisch. Sie verfügen über Fangmasken, eine besondere Ausprägung der Unterlippe – einzigartig in der Tierwelt. Innerhalb von 0,2 Sekunden schnellt die Fangmaske nach vorne, schnappt mit zwei beweglichen Vorderzähnen nach der Beute und schnellt zurück.
Köcherfliegen sehen eigentlich eher unscheinbar aus. Ihre Larven dagegen sind sehr individuell. Denn viele von ihnen bauen sich mit Hilfe eines Spinnensekrets aus Kleinteilen, die sie finden, einen Köcher als Behausung. Aus dieser Wohnröhre ragen nur der Kopf und die Beine heraus. Wächst die Larve, wird am Vorderende einfach neues Material angefügt. Einige Arten gehen mit Netzen auf Fang, die sie aus ihrem Spinnsekret spinnen und quer zur Strömung auslegen, um Nahrung aus dem Wasser zu filtern.
Originalpublikation:
Grigoropoulou, A., Hamid, S. A., Acosta, R., Akindele, E. O., Al-Shami, S. A., Altermatt, F., Amatulli, G., Angeler, D. G., Arimoro, F. O., Aroviita, J., Astorga-Roine, A., Bastos, R. C., Bonada, N., Boukas, N., Brand, C., Bremerich, V., Bush, A., Cai, Q., Callisto, M. … Domisch, S. (2023). The global EPTO database: Worldwide occurrences of aquatic insects. Global Ecology and Biogeography, 00, 1– 14. https://doi.org/10.1111/geb.13648

21.03.2023, Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen
99 Riesenkrabbenspinnen-Arten
Senckenberg-Spinnenforscher Dr. Peter Jäger hat gemeinsam mit Forschern aus China 99 neue Arten aus der Familie der Riesenkrabbenspinnen in Süd-, Ost- und Südostasien beschrieben. Die – erst im Jahr 2000 entdeckte – Gattung Pseudopoda wird durch die im Fachjournal „Megataxa“ veröffentlichten Neubeschreibungen zur größten Gattung der Riesenkrabbenspinnen. Die Gesamtanzahl der durch den Arachnologen Jäger neu entdeckten Spezies wächst damit auf 614 Spinnenarten.
Als Dr. Peter Jäger die Riesenkrabbenspinnen-Gattung Pseudopoda 2000 neu beschrieb, umfasste sie neun Arten aus sieben Ländern. Zu diesem Zeitpunkt waren weltweit insgesamt weniger als 900 Arten in der Familie Sparassidae, oder Riesenkrabbenspinnen, bekannt. „Heute sind mehr als 1.300 Arten dieser Familie beschrieben. In den letzten Jahren wurde zudem eine überproportional hohe Diversität einiger Gattungen dieser Familie festgestellt“, erklärt Dr. Jäger, Arachnologe am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Eine dieser ‚megadiversen‘ Gattungen ist Pseudopoda. Bereits vor der neuesten Arbeit war Pseudopoda die drittgrößte Gattung innerhalb der Riesenkrabbenspinnen und die zweitgrößte Gattung innerhalb der Unterfamilie Heteropodinae.“
Alle Arten stammen aus Asien – so auch die 99 Neuentdeckungen, die in Bhutan, China, Indien, Laos, Myanmar, Nepal, Thailand und Vietnam vorkommen und anhand morphologischer Unterschiede als neue Spezies beschrieben wurden. „In allen Fällen, in denen Material zu einer genetischen Analyse vorlag, konnten molekulare Untersuchungen unsere Hypothesen unterstützen. Für 21 weitere Arten werden neue Verbreitungspunkte und Fotos der – für die Bestimmung wichtigen – Spinnengenitalien publiziert“, ergänzt Jäger.
Die Gattung Pseudopoda ist nun die größte innerhalb der Riesenkrabbenspinnen und, erst 23 Jahre nach ihrer Erstbeschreibung, bereits die zwölftgrößte Spinnengattung überhaupt. Zudem hat die neue Publikation dazu beigetragen, dass nur knapp ein Jahr nachdem die 50.000. Spinnenart beschrieben wurde, bereits 1.000 neue Spinnenarten zum weltweiten Arteninventar hinzugefügt werden konnten.
„Die meisten der Pseudopoda-Arten weisen nur sehr kleine Verbreitungsgebiete auf, da sie nicht in der Lage sind sich mit dem Wind verdriften zu lassen – wie einige andere Spinnenarten es praktizieren“, erläutert Jäger und weiter: „Die Spinnen benötigen Wälder mit einer Laubschicht, dabei haben wir sowohl Arten an der Küste als auch in Höhen von 3.800 Metern gefunden.“ Die begrenzten Lebensräume machen die gerade erst neu entdeckten Spinnenarten anfällig für Umweltveränderungen, warnt Jäger: „Unsere Studie zeigt, dass die tatsächliche Zahl der Pseudopoda-Arten viel höher ist als es bekannt war. Das unterstreicht eine der Kernkompetenzen von Senckenberg: Beschreibung der biologischen Vielfalt als Basis für Schutzmaßnahmen zu ihrer Erhaltung. Wir dürfen potenzielle weitere Arten nicht durch Lebensraumzerstörung verlieren – jede Art hat ihre Aufgabe im komplexen Ökosystem!“
Originalpublikation:
He Zhang, Yang Zhu, Yang Zhong, Peter Jäger, Jie Liu (2023): A taxonomic revision of the spider genus Pseudopoda Jäger, 2000 (Araneae: Sparassidae) from East, South and Southeast Asia. Megataxa, 9 (1), 1-304. Doi: 10.11646/megataxa.9.1.1

21.03.2023, Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE
Artenschutz und Windenergie im Einklang: Künstliche Intelligenz erfasst automatisiert sensible Vogelarten
Für die Genehmigung von Windparks verlangen die Behörden von den Projektierern umfassende naturschutzbezogene Prüfungen. Das verzögert häufig den Baustart. Das Fraunhofer IEE erarbeitet nun zusammen mit den Universitäten in Kassel, Kiel und Chemnitz sowie Partnern aus der Praxis ein System, mit dem sich Vögel und andere Tiere auf den Flächen anhand von Audio-Signalen automatisiert erkennen und klassifizieren lassen. Dabei kommt Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz: Die Forscher setzen Deep-Learning-Verfahren ein, um die Arten zeitlich und räumlich zu erfassen. Auf diese Weise will das Konsortium dazu beitragen, Rechtssicherheit zu schaffen und die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.
„Windpark-Projektierer sehen sich immer wieder durch Klagen ausgebremst. In rund 70 Prozent der Fälle bringen die Kläger dabei Naturschutzbelange vor, etwa die Hälfte davon wegen Vögeln oder Fledermäusen. Mit unserem KI-gestützten System können die Unternehmen sehr effizient hochwertige, aussagekräftige Gutachten zur Artenpopulation erstellen. Das mindert nicht nur ihren Zeit- und Kostenaufwand, sondern steigert auch die Rechtssicherheit – ein großer Vorteil mit Blick auf die Genehmigungsverfahren wie auf mögliche Klagen“, erklärt Projektleiter Dr. Christoph Scholz vom Fraunhofer IEE, der zugleich auch für die Universität Kassel tätig ist.
Das Fraunhofer IEE arbeitet bei dem Vorhaben namens „Deep Bird Detect“ (DBD) neben der Universität Kassel auch mit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der TU Chemnitz sowie mehreren Partnern aus der Praxis zusammen. Das zu Jahresbeginn gestartete Forschungsprojekt hat eine Laufzeit von drei Jahren. Das Bundesumweltministerium (BMUV) fördert die Entwicklung des Systems mit knapp zwei Millionen Euro im Rahmen seiner Initiative „KI-Leuchttürme für Umwelt, Klima, Natur und Ressourcen“, um mit Künstlicher Intelligenz ökologischen Herausforderungen zu begegnen.
Manuelle Auswertung kostet sehr viel Zeit
Auch wenn die vom Naturschutzrecht geforderten Gutachten Aufwand verursachen, sind sie doch grundsätzlich sehr sinnvoll: Sie schützen windkraftsensible gefährdete Arten – und verschaffen den Projektierern eine rechtliche Absicherung.
Diese Gutachten werden heute üblicherweise von Ornithologie-Experten erstellt, die oftmals mit Tonaufzeichnungen aus dem Planungsgebiet arbeiten. Das Abhören der Aufnahmen kostet allerdings sehr viel Zeit, so dass die Ergebnisse nicht selten erst nach mehreren Monaten oder sogar Jahren vorliegen. Erschwerend kommt hinzu, dass es nur wenig Fachleute gibt, die diese Aufgabe übernehmen können. Damit werden die Artenschutzgutachten zu einem Flaschenhals der Genehmigungsverfahren.
Ein weiterer Nachteil der manuellen Analyse ist, dass sie nicht immer alle Audiosignale der Tiere erfasst – der Aufwand für eine lückenlose Auswertung wäre viel zu groß. Die Prüfung erfolgt nur stichpunktartig, so dass manche Arten möglicherweise verborgen bleiben. Das macht Gutachten rechtlich angreifbar.
Lückenlose Analyse der Audiosignale
Das vom Fraunhofer IEE und seinen Partnern zu entwickelnde automatisierte KI-System wertet die Signale dagegen vollständig aus. Damit liefert es quantitativ wie qualitativ ausreichende Daten, um die Auswirkungen der mit dem Bau eines Windparks verbundenen Eingriffe in die Natur fachgerecht beurteilen zu können. „Die Daten sind eindeutig nachvollziehbar, was für zusätzliche Rechtssicherheit sorgt“, betont Projektleiter Scholz.
Die einheitliche Erfassungsmethodik des „Deep Bird Detect“-Systems macht es zudem möglich, Vergleiche zu anderen Ökosystemen zu ziehen. Das gibt Aufschluss über langfristige Entwicklungen auf diesen Flächen. So wird es gar möglich, ein ganzes Monitoring-Netzwerk einzurichten, mit dem sich automatisiert und frühzeitig geografische artspezifische Veränderungen erkennen lassen.
Auch wollen die Forscher die DBD-Methodik so gestalten, dass es sich auf weitere Artengruppen wie Fledermäuse, Amphibien oder Insekten übertragen lässt, um die Inventur der Ökosysteme noch breiter anzulegen. Ebenso soll das System für andere Anwendungsfälle genutzt werden können, etwa für die Projektierung von großen Gebäuden oder Verkehrswegen.
Echtzeit-Verarbeitung auf den Erfassungsgeräten
Aufgezeichnet werden die Signale von kompakten, robusten Rekordern, die von Solarzellen mit Energie versorgt werden. Da sie autark arbeiten und sehr wartungsarm sind, bedeutet die Erfassung für die Vögel und andere Tiere auf den Flächen so gut wie keine Störung.
Auf diesen Geräten erfolgt auch die automatisierte Echtzeit-Auswertung der Signale. Dabei setzt das Projektteam Deep-Learning-Verfahren wie FewShot Learning, Contrastive Learning und Active Learning ein. Diese Methoden entwickeln die Forscher so weiter, dass sie die Anforderung der Edge-Computing-Geräte erfüllen. „Im Kern geht es in unserem Projekt aus technischer Sicht darum, existierende Technologien und Verfahren auf ein Feld zu übertragen, das bislang noch nicht mit KI adressiert wurde“, sagt Prof. Dr. Sven Tomforde von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Um den Einsatz der KI für alle an der Planung und Genehmigung beteiligten Akteure transparent und nachvollziehbar zu machen, wollen die Wissenschaftler zudem für die Darstellung der Ergebnisse eine leicht verständliche App entwickeln.
„Um die Energiewende- und Klimaschutzziele zu erreichen, muss der Ausbau der Windenergie deutlich beschleunigt werden. Dazu wollen wir mit unserem Forschungsprojekt beitragen: Wir machen das Erstellen der Gutachten deutlich effizienter, steigern die Rechtssicherheit – und bringen mit der besseren Erfassung zugleich auch den Naturschutz voran“, erklärt Scholz.

22.03.2023, #lasseswachsen
Artenschutz: 2023 „nichts“ tun für die Insekten
Mit der Kampagne #lasseswachsen zeigt Die Biene Maja: Weniger ist mehr!
In diesem Jahr fühlen wir alle den Druck durch steigende Preise und ein hektisches Leben. Wie können Familien da noch Gutes für die Natur tun? Die Biene Maja zeigt mit ihrer Kampagne #lasseswachsen, dass Artenschutz möglich
ist, ohne einen Finger zu rühren oder einen Cent auszugeben: Um Insekten ein Stück Lebensraum zurückzugeben, sollen Familien in ihrem Garten einen Teil des Rasens einfach wachsen lassen. Denn monotone Grünflächen sind für die
Krabbler uninteressant. Die Biene Maja empfiehlt also statt Mähen: wie Majas Freund Willi ein Nickerchen machen und so Zeit und Geld sparen! Wer auch „nichts“ für die Insekten tun will, bekommt auf der Webseite www.projekt-klatschmohnwiese.de
Pflanztipps für Garten und Balkon.
Laura Breitkreuz vom Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) stimmt zu: „Prinzipiell regen wir dazu an, gar nicht zu mähen, den eigenen Rasen in eine Wiese oder sogar einen Kräuterrasen umzuwandeln.“ Der NABU steht der
Biene Maja im Rahmen der Umweltbildungsinitiative Projekt Klatschmohnwiese seit 2021 mit Rat und Tat zur Seite und erklärt: „Der beste Zeitpunkt für die Anlage einer Blühwiese ist von März bis Mai und September bis Oktober,
wenn feuchte Witterung zu erwarten ist.“ Mitmachen und weniger mähen und düngen kann man aber das ganze Jahr, jedes Jahr! Wer mitmacht, kann es selbstverständlich in den sozialen Medien unter dem Hashtag #lasseswachsen zeigen und teilen!
Die Biene Maja startet die Kampagne im April 2023 auf ihrem Instagram-Kanal @diebienemaja_official. Seit Ende Februar bittet sie bereits Mitarbeiter, Influencer sowie Lizenzpartner des Projekts Klatschmohnwiese darum, sich am
Insektenschutz zu beteiligen. Mit ganz unterschiedlichen Ideen zur Umsetzung nehmen der NABU, Blue Ocean Entertainment, das Label EUROPA (Sony Music), 4 people who care, die Privatmolkerei Bauer, Ravensburger und die Spread Group an der Kampagne #lasseswachsen teil. In Planung ist meist eine eigene Blühwiese vor dem Büro anzulegen oder die Mitarbeiter, Follower oder Leser zum Mitmachen zu aktivieren. So wird es 2023 in Deutschland etwas mehr
Lebensraum für die Sechsbeiner geben.
Die Webseite und die Kampagne #lasseswachsen entstanden im Rahmen des Projekts Klatschmohnwiese. Das Projekt ist die Umweltbildungsinitiative, mit der sich Die Biene Maja für ihre wilden Artgenossen einsetzt und Familien
und Geschäftspartner zum Insektenschutz und nachhaltigem Handeln motiviert.

22.03.2023, Deutsche Wildtier Stiftung
Zum Weltwassertag am 22. März: Bayerischer Gigant vom Aussterben bedroht
Er ist ein Schwergewicht, das bis zu 50 Kilo auf die Waage bringt und bis zu 1,70 Meter lang werden kann. „Gigant des Süßwassers“ nennen ihn seine Fans, und ihre Augen leuchten, sobald sein Name fällt: Der Huchen, auch Donaulachs genannt, zieht Angler und Gewässerschützer in seinen Bann. Als reviertreuer Räuber jagt er im kühlen, klaren und sauerstoffreichen Fließgewässer seiner Beute – meist Fischen- nach.
Aber Flussregulierungen und der Bau von Wasserkraftanlagen belasten den Lebensraum des imposanten Fisches. Dadurch werden auch seine Beutefische weniger, er findet nicht mehr ausreichend Nahrung. Folgen des Klimawandels wie Hochwasser, ausbleibende Schneeschmelzen und niedrige Wasserstände in trockenen Phasen beeinträchtigen neben der Erwärmung des Wassers vielerorts die Gewässerqualität. Die Folge: Der Huchen ist selten geworden und vom Aussterben bedroht. In Deutschland ist er besonders stark zurückgegangen.
„Die wenigen Huchen, die Bayern noch hat, etwa in der Isar, sind stark auf künstlichen Besatz durch Menschenhand angewiesen“, sagt Professor Dr. Stefan Schmutz vom Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). Schmutz hat in Zusammenarbeit mit 36 Expertinnen und Experten aus Österreich und Deutschland eine Studie vorgelegt, die die Gefährdung des Lachsfisches analysiert. Darunter auch Professor Dr. Klaus Hackländer, Wildtierbiologe und Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung. Die Studie nennt Schutzmaßnahmen, die die letzten Huchen retten und ihren Fortbestand sichern könnten.
Im März und April ist Laichzeit. Dann wandern die Huchen flussauf und die Weibchen legen bis zu 10.000 Eier in ihre Laichgruben im Flussbett und bedecken diese mit Kieselsteinen. Aber sie finden dafür immer seltener geeignete Laichplätze und die vielen Wehre in unseren Flüssen verhindern die Wanderung.
Die Gründe für seinen Rückgang sind also klar. Was muss passieren, damit dieser gestoppt wird? „Zum einen müssen die natürlichen Habitate des Huchens – wie intakte Laichplätze – erhalten oder wiederhergestellt werden“, sagt Professor Schmutz. Zudem dürften keine neuen Wasserkraftanlagen in Fließstrecken gebaut werden, bestehende Anlagen müssten ökologisch verträglicher betrieben und die gesetzlichen Umweltstandards, wie etwa Fischwanderhilfen, Restwasserhöhung, Schwalldämpfung und Geschiebemanagement unverzüglich umgesetzt werden. Und auch ein Management der Fischfresser, etwa des Kormorans, würde sich positiv auf die Bestände auswirken. „Wenn diese Maßnahmen konsequent umgesetzt werden“, sagt Hydrobiologe Schmutz, „dann hat der Huchen eine Chance zu überleben – und kann sich auch in Deutschland wieder nachhaltig etablieren.“
Info:
Die Studie „Der Huchen stirbt aus – was tun? Gefährdungsfaktoren und notwendige Maßnahmen in Bayern und Österreich“ kann über Österreichs Fischereiverband bezogen werden (hhttps://www.fischerei-verband.at/themen/fisch-des-jahres/2023-huchen/).

24.03.2023, NABU
Erste Schwalben künden vom Sommer
Schon 10.000 „Schwalbenfreundliche Häuser“ in Deutschland
Jetzt den Nestbau unterstützen
Zum Start des neuen Schwalbenjahres bittet der NABU, Schwalben mit Lehmpfützen, Nisthilfen oder Kunstnestern zu unterstützen. Wer die gefiederten Sommerboten an seinem Gebäude willkommen heißt, kann die Plakette „Schwalbenfreundlichen Haus“ erhalten.
„Pünktlich zum Frühlingsbeginn kommen die Schwalben zurück nach Deutschland. Rauch- und Mehlschwalben waren jahrhundertelang ganz selbstverständliche Mitbewohner in unseren Dörfern und Städten. Heute sind sie leider gefährdet. Jeder kann etwas tun und Schwalben mit Lehmpfützen, Nisthilfen oder Kunstnestern und insektenreichen Gärten helfen. Dafür ist jetzt die richtige Zeit“, sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Ab Mitte März kommen die ersten Rauchschwalben, ab Mitte April die Mehlschwalben in unsere Gebiete zurück. „Schwalben sind sehr ortstreue Tiere und nutzen daher gerne alte vorhandene Nester. Sie formen aus Lehm, Ton oder schlammiger Erde mithilfe ihres Speichels kleine Kügelchen, aus denen sie alte Nester ausbessern oder neue Nester bauen“, erklärt Miller. „Wer helfen will, muss darauf achten, dass Katzen keine Deckung finden und die Pfütze nicht mehr als 300 Meter vom Niststandort entfernt ist.“
Die Mehlschwalbe, die an ihrem leuchtend weißen Bürzel und Bauch sowie dem tief gekerbten Schwanz zu erkennen ist, gilt als gefährdet. Deutschlandweit gibt es noch 500.000 bis 920.000 Brutpaare. Durch die illegale Zerstörung von Nestern, Vergrämungsmaßnahmen an Häusern und dem Insektenschwund geht der Bestand stetig zurück. Die ursprünglichen Felsenbrüter bauen als Kulturfolger ihre geschlossenen Lehmnester unter Dach- oder Fassadenvorsprüngen. Oft zum Ärger der Hausbewohner, denn es fällt auch Dreck vom Nestbau und Kot von den Jungvögeln an. Mit einem einfachen, einen halben Meter unterhalb der Nester angebrachtem Brett lässt sich der Schmutz aber auffangen und sogar als natürlicher Blumendünger verwenden.
Die schnell zwitschernde Rauchschwalbe ist gut an dem glänzend blauschwarzen Gefieder, der weißen Unterseite sowie der rötlich-beigen Kehle sowie langen Schwanzspießen zu erkennen. Rauchschwalben brüten vor allem im Inneren von Gebäuden, bevorzugt in geschützten Ecken. Daher findet man die nach oben offenen Lehmnester in Ställen und Scheunen, in Carports und Garagen. Auch die Rauchschwalbe steht auf der Vorwarnliste der Roten Liste. Seit 1985 ist ihr Bestand um mehr als 20 Prozent gesunken. Heute brüten nur noch 455.000 bis 870.000 Paare in Deutschland.
Da Rauchschwalben oft im Inneren ihre Jungen aufziehen, ist es wichtig, möglichst Fenster, Türen oder Einflugöffnungen als ständige Zugänge in der Brutsaison offen zu halten. Eine kleine Einflugluke reicht Rauchschwalben bereits aus. „Schwalben fangen vor allem Mücken, Fliegen und Blattläuse aus der Luft“, erklärt Miller. „Daher werden sie als nützliche Vertilger geschätzt.“ Doch genau dies ist auch das Problem, denn durch den Insektenschwund finden die Schwalben nicht genügend Futter für den Nachwuchs. Ein insektenfreundlicher Garten kann helfen, um dem entgegenzuwirken.
Um mehr Menschen zu ermutigen, sich für Schwalben zu engagieren, gibt es die NABU-Plakette „Schwalbenfreundliches Haus“. „Seit Beginn der Aktion 2017 haben NABU-Gruppen die Auszeichnung schon 10.000-mal verliehen“, freut sich Julia Ehritt, Koordinatorin des Projektes. „Es ist eine schöne Art, um auf den Schutz der Vögel aufmerksam zu machen und zu zeigen, dass das Leben mit der Natur direkt am eigenen Heim möglich ist“.
Infos zur NABU-Aktion „Schwalbenfreundliches Haus“

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