10.08.2021, Universität Konstanz
Korallenriffe effektiver vor dem Klimawandel schützen
Die Identifikation und Erforschung unterschiedlicher Mechanismen der Wärmetoleranz von Korallen werden helfen, die Korallenriffe der Erde besser vor den Folgen der Klimaerwärmung zu schützen. Die notwendigen Testverfahren sowie erste Ergebnisse beschreibt eine neue Studie unter Beteiligung der Universität Konstanz.
Wärmetolerante Korallen besitzen unterschiedliche Mechanismen, um mit Hitzestress umzugehen. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie eines internationalen Forschungsteams mit Beteiligung des Konstanzer Biologen Prof. Dr. Christian Voolstra, die in der Fachzeitschrift Molecular Ecology erschienen ist. Die Forschenden kombinierten für ihre Untersuchung zum Hitzestress bei Griffelkorallen (Stylophora pistillata) im Roten Meer das „Coral Bleaching Automated Stress System“ (CBASS) – einen mobilen „Schnelltest“ zur Messung von Toleranzschwellen – mit molekularen Analysen, um verschiedene Typen der Wärmetoleranz zu identifizieren. Das Verfahren soll zukünftig zur globalen Anwendung kommen, um Korallenriffe mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse gezielter vor den Folgen des Klimawandels schützten zu können.
Weltweites Korallensterben durch Anstieg der Meerestemperaturen
Als Folge des Klimawandels ist derzeit ein weltweites Korallensterben zu beobachten. Binnen weniger Jahrzehnte haben sich die globalen Korallenbestände halbiert und viele Korallen sind aufgrund ihrer geringen Wärmetoleranz kaum gegen den bevorstehenden weiteren Anstieg der Meerestemperaturen gewappnet. Es gibt jedoch einige Vertreter unter den Korallen, die besser mit Hitzestress umgehen können als andere.
Um die Erforschung der Faktoren, die zu einer erhöhten Wärmetoleranz von Korallen beitragen, zu erleichtern, stellten Voolstra und seine Kolleginnen und Kollegen bereits im vergangenen Jahr ein mobiles Testsystem vor, das sogenannte „Coral Bleaching Automated Stress System“ – kurz CBASS. Das System ermöglicht die schnelle Identifizierung besonders widerstandsfähigen Korallen in der Natur. „Für mich ist das Testverfahren eine kleine Revolution, weil es Wissenschaftlern und Umweltschützern erlaubt, mit einfachen Mitteln Korallen in allen Teilen der Welt zu messen und dadurch herauszufinden, wie gefährdet die jeweiligen Korallenriffe sind“, beschrieb Voolstra das CBASS in einem früheren Artikel.
Unterschiedliche Mechanismen der Wärmetoleranz
In ihrer aktuellen Studie verwendeten die Forschenden das Testsystem, um die Wärmetoleranz von Griffelkorallen in verschiedenen Regionen im Roten Meer zu bestimmen. Die Ergebnisse zeigen, dass Griffelkorallen aus dem Golf von Akaba, dem nördlichsten Teil des Roten Meeres, eine zu den Artgenossen aus dem zentralen Teil des Roten Meeres vergleichbar hohe relative Wärmetoleranz aufweisen – bis etwa 7°C über dem jeweiligen maximalen Monatsmittel des wärmsten Sommermonats. Die absolute Wärmetoleranz liegt bei den Griffelkorallen aus dem zentralen Teil des Roten Meeres jedoch um bis zu 3°C höher als bei denen aus dem Golf von Akaba, was unterschiedliche Toleranzmechanismen nahelegt.
Zur vertiefenden Untersuchung dieser Möglichkeit führte das Forschungsteam weiterführende molekulare Analysen zur Wärmetoleranz der Korallen an den unterschiedlichen Standorten durch. Genetische Untersuchungen zeigten, dass es bei Griffelkorallen aus dem Golf von Akaba als Antwort auf Hitzestress zu einer stark veränderten Genexpression – zum Beispiel der vermehrten Herstellung bestimmter Proteine – kommt. Zeitgleich verändert sich die Zusammensetzung der mit den Korallen assoziierten Bakteriengemeinschaften. Bei den Griffelkorallen aus dem zentralen Teil des Roten Meeres kam es hingegen bei Hitzestress zu keiner dieser deutlichen Veränderungen.
Die zusätzlichen Ergebnisse untermauern die Idee von unterschiedlichen Mechanismen der Wärmetoleranz bei Griffelkorallen. „Wir interpretieren die Reaktion der Korallen aus dem Golf von Akaba als die einer ‚resilienten‘ Population, die direkt auf die Stärke des Temperaturanstiegs reagieren kann. Im Gegensatz dazu deutet das eher statische Muster der Korallen aus dem zentralen Teil des Roten Meeres auf eine durchgängige ‚Resistenz‘ gegenüber hohen Wassertemperaturen hin, die jedoch keine flexible Antwort erlaubt, sollten die Temperaturen noch weiter steigen“, so Voolstra.
Methodisches Rüstzeug für den globalen Schutz der Korallenriffe
Welcher der beiden Mechanismen die Korallen besser vor dem weltweiten Anstieg der Meerestemperaturen schützt, der mit dem Klimawandel einhergeht, ist derzeit unklar. Die Tatsache, dass sich „resiliente“ und „resistente“ Toleranzmechanismen mithilfe molekularer Methoden unterscheiden lassen, könnte für das zukünftige Screening von bestehenden Korallenriffen oder die Planung von besonders wärmetoleranten Korallenriffen im Zuge von „Aufforstungsprojekten“ dennoch von hoher Wichtigkeit sein.
Den in der aktuellen Studie im Roten Meer erfolgreich angewendeten methodischen Ansatz möchten die Forschenden daher nun global ausweiten. „Unsere Studie zeigt den enormen Nutzen sowohl des CBASS, für die standardisierte Bestimmung der Wärmetoleranz von Korallen, als auch der anschließenden molekularen Untersuchungen für die Identifizierung von unterschiedlichen Toleranzmechanismen“, resümiert Voolstra.
Finanzielle Unterstützung für ihr Vorhaben erhalten die Forschenden unter anderem von der Paul G. Allen Family Foundation, die das CBASS-Forschungsprojekt und damit die Weiterentwicklung des Schnelltests mit insgesamt 4 Millionen Dollar (rund 3,4 Millionen Euro) fördert, wie die Universität Konstanz bereits im Juli berichtete. Die Aktuelle Studie wurde zusätzlich durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie die U.S.-Israelische Binational Science Foundation (BSF) gefördert.
Originalstudie: Christian R. Voolstra, Jacob J. Valenzuela, Serdar Turkarslan, Anny Cárdenas, Benjamin C. C. Hume, Gabriela Perna, Carol Buitrago-López, Katherine Rowe, Monica V. Orellana, Nitin S. Baliga, Suman Paranjape, Guilhem Banc-Prandi, Jessica Bellworthy, Maoz Fine, Sarah Frias-Torres, Daniel J. Barshis (2021) Contrasting heat stress response patterns of coral holobionts across the Red Sea suggest distinct mechanisms of thermal tolerance. Molecular Ecology. DOI: https://doi.org/10.1111/mec.16064
10.08.2021, Karlsruher Institut für Technologie
Biodiversität: Landnutzung als Bedrohung und Chance für Hummeln
Für Hummeln, die einen wesentlichen Beitrag zur Bestäubung von Nutzpflanzen leisten, verstärken Landnutzungsänderungen die Risiken, denen sie durch den Klimawandel ausgesetzt sind. Ein intelligentes Landmanagement dagegen könnte einige Arten stabilisieren. Das zeigen Langzeitsimulationen, die Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gemeinsam mit Partnern aus Italien durchgeführt haben. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift Global Change Biology veröffentlicht. (DOI: 10.1111/gcb.15780)
Für Hummeln, die einen wesentlichen Beitrag zur Bestäubung von Nutzpflanzen leisten, verstärken Landnutzungsänderungen die Risiken, denen sie durch den Klimawandel ausgesetzt sind. Ein intelligentes Landmanagement dagegen könnte einige Arten stabilisieren. Das zeigen Langzeitsimulationen, die Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gemeinsam mit Partnern aus Italien durchgeführt haben. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift Global Change Biology veröffentlicht. (DOI: 10.1111/gcb.15780)
Das globale Nahrungsmittelsystem profitiert stark durch die Bestäubung durch Insekten – mit mehreren Milliarden Euro beziffert die Europäische Kommission diese Ökosystemleistung für Europa. Eine wichtige Rolle spielen dabei unter anderem Wildbestäuber wie Hummeln, deren Ausbreitungsgebiete sich durch den Klimawandel verändern werden. „Frühere Studien zeigen, dass bei mehr als der Hälfte der europäischen Hummelarten inzwischen die Populationen sinken“, sagt Dr. Reinhard Prestele, vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), dem Campus Alpin des KIT in Garmisch-Partenkirchen. „Allerdings setzt nicht nur das Klima den Hummeln zu, auch Landnutzungsänderungen können Populationen bedrohen.“ Die Risiken einer intensiven Landwirtschaft etwa seien zwar bekannt, bislang seien sie aber in kontinentalen Betrachtungen nicht ausreichend vom Klimawandel differenziert worden. Diese Arbeit leisteten nun Forschende des KIT gemeinsam mit Partnern vom Joint Research Centre (JRC) der Europäischen Kommission in Ispra (Italien), indem sie die Auswirkungen von Landnutzungsveränderungen auf die zukünftige Verbreitung europäischer Hummeln simulierten.
Modelle zeigen mögliche Entwicklungspfade
Für ihre Studie berechneten die Forschenden die potenzielle Verbreitung von 47 europäischen Hummelarten für die Jahre 2050 und 2080 in sieben Szenarien, welchen unterschiedliche Annahmen über zukünftige Klima- und Landnutzungsänderungen in Europa zugrunde liegen. „Wir haben die Projektionen eines konstanten Klimas mit einer dynamischen Landnutzung einer gegenteiligen Konstellation gegenübergestellt“, erklärt Penelope Whitehorn (IMK-IFU). „Dabei wurde zwar deutlich, dass Klimaveränderungen sich insgesamt am stärksten bemerkbar machen und viele Hummelarten existenziell bedrohen. Vor allem aber einige seltene Arten sind in manchen Szenarien von Landnutzungsänderungen genauso schwer betroffen wie vom Klimawandel.“ Neben dem Verlust von Lebensraum spielt dabei auch der exzessive Gebrauch von Dünger und Pestiziden eine Rolle. „Hier konnte in anderen Studien bereits gezeigt werden, dass Kolonien langsamer wachsen und auch weniger Königinnen produzieren“, so Whitehorn.
Schutz durch intelligentes Landmanagement
Die Simulationen zeigen aber auch einen Hoffnungsschimmer für bedrohte Hummelarten. Entschiedener Klimaschutz gepaart mit einem intelligenten Landmanagement, etwa mit größeren Anteilen ökologischen Landbaus und geschützten Rückzugsräumen, könnte voraussichtlich zur Stabilisierung einiger Hummelarten auch bei moderatem Klimawandel beitragen. Um entsprechende Schutzstrategien zu entwickeln, werde aber noch weitere Forschung benötigt, betont Prestele. „Für konkrete Erkenntnisse darüber, was helfen könnte, benötigen wir noch eine bessere Abbildung von spezifischen ökologischen Prozessen in unseren Modellen. Etwa zu den Fragen, welche Rolle kleinräumige Habitate in landwirtschaftlich geprägten Landschaften spielen und wie genau sich unterschiedliche Bewirtschaftungsmethoden auf den Lebenszyklus von Hummelkolonien auswirken.“ Aus Langzeitsimulationen zu Landnutzungsänderungen könnten aber nicht nur Schutzmaßnahmen für Hummeln abgeleitet werden. „Unser Ansatz lässt sich auch auf andere wichtige Wildbestäuber wie Wildbienen und Wespen übertragen“, so Prestele. (mhe)
Originalpublikation
Reinhard Prestele, Calum Brown, Chiara Polce, Joachim Maes, Penelope Whitehorn: Large variability in response to projected climate and land‐use changes among European bumblebee species. Global Change Biology (2021). https://doi.org/10.1111/gcb.15780
11.08.2021, Eberhard Karls Universität Tübingen
Zum Nussknacken nutzen Orang-Utans spontan einen Holzhammer
Forschungsteam der Universität Tübingen belegt, dass die Menschenaffen keine Anleitung brauchen und das Hämmern individuell erlernen können
Das Nussknacken mit einem als Hammer dienenden Gegenstand wird als einer der komplexesten Werkzeuggebräuche im Tierreich angesehen. Bisher wurden in der Wildnis nur Schimpansen, Kapuzineraffen und Makaken dabei beobachtet, wie sie mit solchen Werkzeugen Nüsse knackten. Ob auch weitere Menschenaffenarten wie Orang-Utans Nüsse mit Werkzeug knacken und wie die Tiere dies erlernen können, haben Dr. Elisa Bandini und Dr. Claudio Tennie aus der Älteren Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen in einer neuen Studie untersucht. Von zwölf in Zoos lebenden Orang-Utans, setzten vier die angebotenen Hämmer spontan und erfolgreich zu diesem Zweck ein, obwohl sie sich dieses Verhalten nicht bei anderen abschauen konnten. Die Studie wird in der Fachzeitschrift American Journal of Primatology veröffentlicht.
„Nach Schimpansen sind unter den Menschenaffen die Orang-Utans diejenigen, von denen das zweitgrößte Repertoire an Werkzeuggebrauch bekannt ist. Beim Nüsseknacken wurden wildlebende Tiere bisher jedoch nicht beobachtet“, sagt Claudio Tennie. In der neuen Studie erhielten vier Orang-Utans im Leipziger Zoo, denen dieses Verhalten nicht vorgemacht wurde, harte Nüsse, Astabschnitte als Hämmer sowie einen Holzblock, der als Amboss dienen konnte.
Erfolgreich ohne Vorbild
Ein Orang-Utan nutzte zunächst den Amboss als Hammer. Bei späteren Versuchen wurde dieser befestigt, woraufhin das Tier spontan den Holzhammer zum Nussknacken einsetzte. Die anderen drei älteren Orang-Utans versuchten es jedoch mit den Händen oder Zähnen. „Das Aufbeißen führte bei diesen drei Tieren auch wirklich zum Ziel“, berichtet Tennie.
In ihre Analyse bezogen die Forscher eine ähnliche Untersuchung aus dem Zoo Zürich mit acht Orang-Utans ein, die bisher unveröffentlicht war. Von den insgesamt zwölf getesteten Orang-Utans haben vier Individuen, ein Tier in Leipzig und drei in Zürich, spontan und ungeübt begonnen, mit Holzhämmern Nüsse zu knacken. „Die Orang-Utans können selbst dieses komplexe Verhalten also rein durch individuelles Lernen entwickeln“, sagt Elisa Bandini. Das Nussknacken mit Werkzeugen ist damit – mindestens bei Orang-Utans – ein Verhalten, das nicht der kulturellen Weitergabe durch Kopieren bedarf. „In der Wissenschaft war man bisher von der gegenteiligen Annahme ausgegangen und hatte sogar erwartet, dass die Fertigkeit bei Menschenaffen ausstürbe, wenn sie nicht kulturell weitergegeben werden kann.“
Originalpublikation:
Elisa Bandini, Johannes Grossmann; Martina Funk, Anna Albiach Serrano & Claudio Tennie: Naïve orangutans (Pongo abelii & Pongo pygmaeus) individually acquire nut-cracking using hammer tools. American Journal of Primatology, https://doi.org/10.1002/ajp.23304
12.08.2021, Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung
Forschung an Berliner Museumssammlung unterstreicht Notwendigkeit des Schutzes der Mendesantilope
Die stark vom Aussterben bedrohte Mendesantilope kam früher in großer Zahl in der Sahara vor. Heute ist sie in freier Wildbahn auf wenige, anfällige Populationen beschränkt. Ein internationales Forscherteam unter Leitung des Museums für Naturkunde Berlin und der Universität Potsdam hat historisches Sammlungsmaterial untersucht. Ihre im Journal Genes publizierte Arbeit zeigt, dass die Mendesantilope früher über die gesamte Sahara verbreitet war, bevor ihre Anzahl und möglicherweise auch ihre genetische Diversität durch menschlichen Einfluss stark reduziert wurde. Dies unterstreicht die Bedeutung von musealen Sammlungen für stark gefährdete, in freier Wildbahn fast ausgestorbene Arten.
Für Arten am Rande des Aussterbens ist es von großer Bedeutung das ihre genetische Vielfalt charakterisiert wird, um Schutzbestrebungen und Auswilderungsmaßnahmen koordinieren zu können. Die Addax oder Mendesantilope (Addax nasomaculatus), eine nordafrikanische in der Sahara lebende Antilope, ist eines der am besten an aride Bedingungen angepassten Huftiere und kam früher in großer Zahl in der gesamten Sahelo-Sahara Region westlich des Nils vor. Seit dem 19. Jahrhundert hat sie 99 % ihres früheren Verbreitungsgebietes eingebüßt und ist derzeit, mit geschätzt weniger als 100 Tieren in freier Wildbahn (Tausende leben in Zoos und auf privaten Ranches), eine der am stärksten bedrohten großen Säugetierarten weltweit. Sie ist heute vor allem durch Jagd und Habitatverlust stark bedroht. Dennoch ist über die Evolutionsgeschichte dieser stark an Trockenheit angepassten Antilope fast nichts bekannt.
Für Tierarten, die in der freien Wildbahn derart bedroht sind, stellen museale Sammlungen die einzige Quelle für historisches Sequenzmaterial dar. Proben, die über die letzten 200 Jahre, vor dem Einsetzen des Bevölkerungswachstums und der Industrialisierung, gesammelt wurden, geben Einblicke in die genetische Diversität von Arten.
Das Museum für Naturkunde Berlin verfügt über eine umfangreiche Sammlung an afrikanischen Hornträgern, von denen zehn Mendesantilopen-Exemplare aus ihrem gesamten früheren Verbreitungsgebiet nun von einer internationalen Forschergruppe unter Leitung des Museums für Naturkunde Berlin und der Universität Potsdam genetisch sequenziert wurden.
„Sowohl die mitochondriale als auch die nukleäre Diversität der Mendesantilope ist vermutlich geringer als bei anderen afrikanischen Hornträgern“, sagt Hauptautorin Elisabeth Hempel, Doktorandin am MfN und der Universität Potsdam. „Die historischen Proben erlauben beispiellose Einblicke in die Biologie dieser einzigartigen Art und zeigen deutlich, dass die Mendesantilope vor der Beeinträchtigung durch Menschen eine große Mobilität über die gesamte Sahara besaß,“ fügt Faysal Bibi an, Wissenschaftler am Berliner Naturkundemuseum und Mitbetreuer der Studie. Diese Ergebnisse zeigen, dass Genfluss und eine große Mobilität über ein großes geographisches Gebiet Schlüsselelemente für Mendesantilopen waren, und möglicherweise kritische Faktoren für den Erfolg des Erhalts der Art und von Auswilderungsprojekten darstellen.
Die Analyse des ersten Kerngenoms eines Zootiers der Mendesantilope ergab eine fast beständige Abnahme der Populationsgröße über die letzten 30.000 Jahre. Ähnliche Rückgänge in Populationsgrößen sind von anderen großen Säugetieren während dieser Zeit bekannt und könnten mit dem Klimawandel zusammenhängen. Ein Vergleich der mitochondriellen Genome von Zootieren aus Frankreich und Deutschland legt nahe, dass die genetische Diversität von Zoopopulationen deutlich geringer sein könnte, als sie noch in der jüngeren Vergangenheit in Wildpopulationen war. Dennoch ergab die Untersuchung des Tieres aus dem Berliner Tierpark keine oder nur geringe Anzeichen von Inzucht, trotz der Hinweise auf eine verminderte mitochondrielle Vielfalt im Vergleich zu historischen Zeiten. Dies sind gute Neuigkeiten für Auswilderungsprojekte von Zootieren.
Die Forschenden drängen auf konzentrierte Aktionen zum Erhalt der verbleibenden Vielfalt der Mendesantilope, um diese vor dem nahenden Aussterben zu schützen, wie sie bereits von der International Union for the Conservation of Nature (IUCN) empfohlen werden.
Publikation: Elisabeth Hempel, Faysal Bibi et al. 2021 Diversity and paleodemography of the addax (Addax nasomaculatus), a Saharan antelope on the verge of extinction, https://doi.org/10.3390/genes12081236
12.08.2021, Universität Bern
Genetisches Rätsel gelöst: So entstehen die Farbmuster im Hundefell
Ein internationales Konsortium von Forschenden mit Beteiligung des Instituts für Genetik der Universität Bern konnte zeigen, wie Fellfarben bei Hunden vererbt werden. Zudem konnten sie nachweisen, dass eine Genvariante für helles Fell bei Hunden und Wölfen von einem inzwischen ausgestorbenen Verwandten des Wolfs stammt und mehr als zwei Millionen Jahre alt ist.
Die Vererbung von bestimmten Farbmustern bei Hunden wurde lange kontrovers diskutiert. Nun konnten Forschende mit Beteiligung von Prof. Tosso Leeb vom Institut für Genetik der Universität Bern nicht nur Licht ins Dunkel bringen, sondern auch nachweisen, dass weisse Polarwölfe und viele heutige Hunde ihre helle Fellfarbe einem Gen von einer lange ausgestorbenen Spezies verdanken. Die Studie wurde soeben in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution publiziert.
Zwei Pigmente und ein «Schalter» für alle Fellfarben
Wölfe und Hunde können zwei Arten von Pigmenten bilden, das schwarze Eumelanin und das gelbe Phäomelanin. Durch die genau gesteuerte Produktion dieser beiden Pigmente zur richtigen Zeit und an den richtigen Körperregionen entstehen die sehr verschiedenen Fellfarben. Bei Haushunden waren vor der Studie vier verschiedene Farbmuster bekannt. Als Ursache für diese Muster wurden verschiedene genetische Varianten diskutiert und bei Tausenden von Hunden mit kommerziell angebotenen Gentests untersucht. Die Gentests lieferten jedoch gelegentlich widersprüchliche Ergebnisse, was darauf hindeutete, dass die existierenden Vorstellungen zur Vererbung dieser Farbmuster nicht ganz richtig waren.
Bei der Entstehung der Fellfarbe ist das sogenannte Agouti Signalprotein der körpereigene Hauptschalter für die Produktion des gelben Phäomelanins. Sobald Agouti Signalprotein vorhanden ist, produzieren die pigmentbildenden Zellen das gelbe Phäomelanin. Wenn dagegen kein Agouti Signalprotein vorhanden ist, dann wird das schwarze Eumelanin gebildet. «Uns war daher von Anfang an klar, dass es sich bei den ursächlichen Genvarianten für die verschiedenen Farben um sogenannte regulatorische Varianten handeln musste, die dafür sorgen, dass mehr oder weniger Agouti Signalprotein gebildet wird», erklärt Tosso Leeb.
Fünf statt vier verschiedene Farbmuster
Das Gen für das Agouti Signalprotein weist mehrere Startstellen für das Ablesen der Erbinformation auf, die sogenannten Promotoren. Hunde besitzen einerseits einen sogenannten ventralen Promoter, der dafür sorgt, dass Agouti Signalprotein am Bauch gebildet wird. Zusätzlich haben Hunde auch noch einen Haarzyklus-spezifischen Promoter, der dafür sorgt, dass das Agouti Signalprotein nur in bestimmten Phasen des Haarwachstums gebildet wird, damit gebänderte Haare entstehen können.
Die Forschenden haben nun erstmals diese beiden Promotoren bei Hunderten von Hunden genau charakterisiert. Dabei entdeckten sie zwei verschiedene Varianten für den ventralen Promoter. Die eine Variante sorgt für eine Produktion des Agouti Signalproteins in normaler Menge. Die andere Variante ist überaktiv und bewirkt eine gesteigerte Produktion des Agouti Signalproteins. Beim Haarzyklus-spezifischen Promoter fanden die Forschenden sogar drei unterschiedliche Varianten. Ausgehend von diesen Genvarianten an den beiden einzelnen Promotoren konnten die Forschenden insgesamt fünf verschiedene Kombinationen identifizieren, die für verschiedene Farbmuster bei Hunden verantwortlich sind. «Die Lehrbücher müssen also umgeschrieben werden, da es nicht wie bisher angenommen vier, sondern sogar fünf verschiedene Farbmuster bei Hunden gibt», sagt Leeb.
Überraschende Erkenntnisse zur Evolution von Wölfen
Nachdem inzwischen zahlreiche Genomsequenzen von Wölfen aus unterschiedlichen Regionen der Erde öffentlich zugänglich sind, untersuchten die Forschenden als Nächstes, ob die gefundenen Varianten auch bei Wölfen vorkommen. Dabei zeigte sich, dass bereits vor der Domestikation von Hunden vor ca. 40‘000 Jahren die beiden Varianten für überaktive ventrale und Haarzyklus-spezifische Promotoren im Wolf existierten. Vermutlich führten diese Genvarianten bei Wölfen mit hellem Fell zu einer besseren Anpassung an schneereiche Umgebungen während den vergangenen Kaltzeiten – wie dies heute noch bei den völlig weissen Polarwölfen und den hellen Wölfen aus dem Himalaya der Fall ist.
Weitere Vergleiche der betroffenen Gensequenzen mit anderen Tierarten aus der Familie der Hundeartigen (Canidae) führten zu überraschenden Ergebnissen. Die Forschenden konnten zeigen, dass die überaktive Variante des Haarzyklus-spezifischen Promotors bei hellen Hunden und Wölfen grössere Ähnlichkeiten mit den Sequenzen von weit entfernten Verwandten wie dem Goldschakal oder dem Kojoten als mit dem grauen europäischen Wolf aufwies. «Dies lässt sich nur so erklären, dass diese Variante bereits vor mindestens zwei Millionen Jahren in einem inzwischen ausgestorbenen Verwandten von Wölfen entstanden sein muss», sagt Leeb. Dabei gelangte der Genabschnitt für die helle Fellfarbe vor über zwei Millionen Jahren durch Hybridisierung, das heisst natürliche Kreuzung, mit dem inzwischen ausgestorbenen Verwandten in die Wölfe. Ein kleines Stück der DNA dieser ausgestorbenen Tierart findet sich somit bis zum heutigen Tag in gelben Hunden und weissen Polarwölfen wieder. «Das erinnert an die aufsehenerregende Meldung, dass moderne Menschen einen geringen Anteil von DNA der inzwischen ausgestorbenen Neandertaler in ihrem Erbgut tragen», ergänzt Leeb.
Internationale Zusammenarbeit war Schlüssel zum Erfolg
Die Studie wurde durch einen Gastaufenthalt von Prof. Danika Bannasch an der Universität Bern ermöglicht, wo seit vielen Jahren intensiv über die Genetik von Fellfarben bei verschiedenen Haustieren geforscht wird. Die Genetikprofessorin der University of California Davis filterte die entscheidenden Promotorvarianten aus Tausenden von anderen funktionell neutralen Genvarianten heraus. Die evolutionsbiologischen Analysen wurden von Christopher Kaelin und Gregory Barsh vom HudsonAlpha Institut und der Standford University durchgeführt.
Die Studie wurde finanziell unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds SNF, Maxine Adler Endowed Chair Funds, der Jane and Aatos Erkko Foundation, und der Academy of Finland.
Institut für Genetik
Das Institut für Genetik ist Teil der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern und vereint Lehre und Forschung in den Bereichen Genetik und Tierzucht. Ein langjähriger Forschungsschwerpunkt des Instituts ist die Erforschung von erblichen Merkmalen der Haut. Dazu gehören morphologische Merkmale wie die Fellfarbe und die Haarstruktur, aber auch Erbkrankheiten der Haut.
Originalpublikation:
Danika L. Bannasch, Christopher B. Kaelin, Anna Letko, Robert Loechel, Petra Hug, Vidhya Jagannathan, Jan Henkel, Petra Roosje, Marjo K. Hytönen, Hannes Lohi, Meharji Arumilli, DoGA consortium, Katie M. Minor, James R. Mickelson, Cord Drögemüller, Gregory S. Barsh, Tosso Leeb. Dog color patterns explained by modular promoters of ancient canid origin. Nature Ecology and Evolution, 12. August 2021.
https://www.nature.com/articles/s41559-021-01524-x
12.08.2021, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
CAU-Forschende entschlüsseln zentralen Baustein im Aufbau von Kalkskeletten im Ozean
Seeigel sind ideale Modellorganismen, um den Prozess der Kalzifizierung – die Bildung von Kalkschalen und Skeletten – sowie Anpassungsmechanismen an veränderte Umweltbedingungen im Ozean zu erforschen. Bereits die mikroskopisch kleinen Larvenstadien von Seeigeln bilden Skelette aus Kalziumkarbonat – wie genau ist heute allerdings noch ein weitgehend unbekannter und hochkomplexer physiologischer, chemischer und physikalischer Prozess. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und der Humboldt Universität Berlin ist es nun gelungen, einen wesentlichen funktionalen Baustein in diesem vielschichtigen Prozess zu entschlüsseln: Eine neue, kürzlich entdeckte Familie an Protonenkanälen, sogenannte Otopetrine, sind dafür verantwortlich, dass die Säure (Protonen), die bei der Bildung von Kalk in Zellen entsteht, vom Ort der Kalkbildung entfernt wird. Dieser Schritt ist von entscheidender Bedeutung, da sich sonst der Kalk, der beispielsweise für den Aufbau von Schalen oder Skeletten benötigt wird, auflösen würde und die kalkbildenden Zellen übersäuert. Die Ergebnisse sind kürzlich in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“ erschienen und verdeutlichen zum ersten Mal die physiologische Rolle von Otopetrinen bei der Bildung von Kalziumkarbonat in tierischen Zellen. Die Studie trägt darüber hinaus entscheidend zum besseren Verständnis der pH-Regulierung in kalzifizierenden Systemen bei und zeigt auf, wie die Kalkbildung von Organismen vor dem Hintergrund tiefgreifender Veränderungen im Ökosystem Ozean etwa durch die zunehmende Versauerung beeinflusst wird.
„Mit unserer Arbeit haben wir einen Schlüsselmechanismus im Mineralisierungsprozess identifiziert, der für viele kalkbildende Arten und ihre Reaktionen auf Veränderungen des pH-Werts in der Umwelt von Bedeutung ist. Otopetrine bilden in kalzifizierenden Zellen der Seeigellarve ein Ventil für Protonen, um die Bildung des Kalkskelettes vor Übersäuerung zu schützen“, sagt Dr. Marian Hu, Leiter der Studie am Physiologischen Institut der CAU. „Da bei Otopetrinen die Richtung des Protonenflusses aus den kalzifizierenden Zellen durch den Umwelt-pH-Wert vorgegeben wird, stellt der pH-Wert des Meeres einen entscheidenden Faktor für den erfolgreichen Aufbau von Kalkschalen mariner Organismen dar“, so Meeresforscher Hu, der mit seiner Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe am Physiologischen Institut der Uni Kiel die zellulären Prozesse der pH-Regulierung bei der Kalkbildung von Seeigeln und anderen marinen Organismen erforscht.
Im Rahmen ihrer Untersuchung an den mikroskopisch kleinen, nur 0,3 Millimeter großen Organismen haben die Forschenden unterschiedliche Methoden wie die zelluläre pH-Messung, molekulare Methoden oder die Heterologen-Charakterisierung vom Seeigel Otopetrin in Xenopus Oocyten angewendet – Verfahren, die besonders an der Kieler Universität durch die langjährige enge Zusammenarbeit von Medizinerinnen und Mediziner am Institut für Physiologie und Meeresforschenden entwickelt wurden. Die Seeigellarve als kleiner und transparenter mariner Organismus ist dabei ideal für alle zellulären Untersuchungen mit molekularen Methoden, mithilfe derer auch komplexe genetische Prozesse erforscht werden können.
Die Ergebnisse der Studie sind auch deshalb von hoher Bedeutung für die Erforschung des Klimawandels, da marine Organismen wie Seeigel oder Korallen in der Lage sind, ein metabolisches Abfallprodukt – in dem Fall CO2, das bei der Stoffwechselproduktion entstanden ist – zu nutzen, um ihre Schalen und Skelette herzustellen. „Ein besseres Verständnis für die zellulären Mechanismen der Biomineralisation könnten daher auch eine Grundlage für lösungsorientierte Technologien zur Bindung und Nutzung von Atmosphärischem CO2 sein. Wir könnten also von der Natur lernen“, resümiert Dr. William Chang, Erstautor der Studie und Postdoc in der Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe an der Uni Kiel.
Originalpublikation
William W. Chang, Ann-Sophie Matt, Marcus Schewe, Marianne Musinszki, Sandra Grüssel, Jonas Brandenburg, David Garfield, Markus Bleich, Thomas Baukrowitz, Marian Y. Hu, An otopetrin family proton channel promotes cellular acid efflux critical for biomineralization in a marine calcifier, Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), Jul 2021, 118 (30) e2101378118; https://doi.org/10.1073/pnas.2101378118
12.08.2021, Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen
Am Meeresboden der Antarktis: Das Ökosystem am Meeresboden ist durch Klimawandel und menschliche Einflüsse bedroht
Senckenberg-Wissenschaftlerinnen Angelika Brandt und Hanieh Saeedi haben gemeinsam mit internationalen Kolleg*innen die wahrscheinlichen Reaktionen des antarktischen Meeresbodens auf Klimawandel, Fischereidruck und andere anthropogene Einflüsse beschrieben. Die Ergebnisse der kürzlich im Fachjournal
„Frontiers in Marine Science“ veröffentlichten Studie decken sich mit denen von Senckenberger Davide di Franco zu den Auswirkungen variierender Meereseisbedeckung und -konzentration auf Krebsgemeinschaften im Südpolarmeer. Die Autor*innen erörtern Strategien, um das Ökosystem am Meeresboden langfristig zu schützen.
Der Meeresboden (Benthal) der Antarktis ist ein hochdiverses und dynamisches Ökosystem. Die marinen Benthosgemeinschaften leben dort seit Millionen von Jahren unter vergleichsweise konstanten, polaren Bedingungen. Im Laufe von vielen Millionen Jahren Evolution haben sie sich speziell an diesen Lebensraum im Südpolarmeer angepasst: Einige barschartige Antarktisfische (Notothenioidea) besitzen beispielsweise „Frostschutzmittel“ in ihrem Gewebe, das ihren Gefrierpunkt senkt; andere wirbellose Arten wiederum entwickelten einen sogenannten polaren Gigantismus, bei dem die niedrigen Stoffwechselraten und die leicht erhöhte Sauerstoffkonzentration im kalten Wasser dazu geführt hat, dass sie größer und langlebiger wurden als verwandte Arten aus wärmeren, nördlicheren Lebensräumen. Viele dieser Arten am Meeresgrund reagieren aufgrund ihrer sehr spezifischen Anpassung an das Südpolarmeer empfindlich auf kleinste Veränderungen ihrer Lebensumwelt.
Steigenden Ozeantemperaturen, Ozeanversauerung, Verlust von Meereis, kommerzielle Fischerei, Tourismus und Plastikverschmutzung bedrohen zunehmend auch den benthischen Lebensraum. „Die Ökosysteme am Meeresboden des Südlichen Ozeans reagieren immer komplexer und oft auf unvorhersehbarer Weise auf Klimaeinflüsse“, erklärt Prof. Dr. Angelika Brandt vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt. Ihre Kollegin Dr. Hanieh Saeedi fährt fort: „Es ist daher schwierig, die Auswirkung von Veränderungen auf die ansässigen Arten zu beurteilen, weil es in der Antarktis zahlreiche regionale Unterschiede gibt“. Das komplexe Zusammenspiel verschiedener Stressoren erschwert somit einfache Prognosen für die Zukunft. Die Forscher*innen konnten dennoch in der aktuellen Studie zeigen, welche Konsequenzen Umweltveränderungen in Bezug auf Tiefe, Nahrungsverfügbarkeit, Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoffverfügbarkeit oder Meereisbedeckung haben können.
Als gesichert gilt, dass der Klimawandel die fragile Zusammensetzung der Ökosysteme und die Überlebensraten der Arten am Meeresboden schneller als erwartet verändern wird. Diese Aussage wird durch die aktuelle Studie von Senckenberger Davide Di Franco untermauert, der kürzlich eine positive Korrelation des Einfluss des Meereises auf benthische Peracariden- Gemeinschaften – brutpflegende Krebse mit direkter Entwicklung – feststellen konnte. Unterschiedliche Meereseisbedeckungen haben einen starken Einfluss auf die Struktur und die Häufigkeit dieser Krebsgemeinschaften aus dem Südlichen Ozean. Die positive Korrelation zwischen dem Meereseis und der Abundanz von Peracariden ist wahrscheinlich auf die durch die saisonale Meereseisschmelze ausgelöste Phytoplanktonblüte zurückzuführen, welche das Nahrungsangebot für das Benthos erhöhen könnte. Der Rückgang oder das völlige Verschwinden des Meereises aufgrund des Klimawandels würde die benthischen Peracariden-Gemeinschaften stark bedrohen – mit negativen Folgen für das gesamte benthische Ökosystem.
Politische Entscheidungsträger*innen haben bisher nur langsam auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ökosysteme des Südlichen Ozeans reagiert – trotz der Dringlichkeit. „Es sind große internationale Anstrengungen nötig, um beispielsweise eine Reduzierung von kommerzieller Fischerei, Plastikmüll und andere anthropogene Störungen durchzusetzen. Generell gesprochen brauchen wir internationale Richtlinien, die benthischen Ökosysteme Schützen und der Fauna helfen sich allmählich an veränderte Bedingungen anzupassen“, appelliert Brandt.
Originalpublikation:
Brasier MJ, Barnes D, Bax N, Brandt A, Christianson AB, Constable AJ, Downey R, Figuerola B, Griffiths H, Gutt J, Lockhart S, Morley SA, Post AL, Van de Putte A, Saeedi H, Stark JS, Sumner M and Waller C (2021) Responses of Southern Ocean Seafloor Habitats and Communities to Global and Local Drivers of Change. Front. Mar. Sci. 8:622721. doi: 10.3389/fmars.2021.622721
Di Franco, D., Linse, K., Griffiths, H., Haas, C., Saeedi, H., and Brandt, A. (2020). Abundance and distributional patterns of benthic peracarid crustaceans from the Atlantic sector of the Southern Ocean and Weddell Sea. Frontiers in Marine Science 7. doi:10.3389/fmars.2020.554663.