Der Krokodilwächter (Hyas aegyptia, aegyptiaca und aegyptiacus, Charadrius aegyptiacus, melanocephalus und africanus, Pluvianus aegyptius, aegyptiacus, melanocephalus und chlorocephalus, Cursorius aegyptius, Cursor und Amoptila charadroides) bildet gewissermaßen ein Uebergangsglied vom Wüstenläufer zu den Regenpfeifern, steht aber jenem viel näher als diesen. Seine Gestalt ist gedrungen, der Kopf mittelgroß, verhältnismäßig kleiner als bei den Regenpfeifern, der Schnabel von mehr als halber Kopflänge und ziemlich kräftig, seitlich zusammengedrückt und an den Schneiden eingezogen, an der Wurzel niedrig, vor ihr und ebenso vom Kinnwinkel an erhöht, auf der Oberseite sanft gegen die Spitze gebogen, am Unterkiefer gerade, das Bein bedeutend niedriger als bei den übrigen Rennvögeln, aber doch noch immer ziemlich hoch, bis weit über die Ferse nackt, der Fuß dreizehig, der Flügel so lang, daß er das Ende des Schwanzes erreicht, in ihm die erste Schwinge die längste, der Schwanz mittellang, sanft abgerundet; die Federn des Hinterkopfes verlängern sich etwas über die anderen, so daß sie eine kurze Holle bilden, die des Mittelrückens aber so weit, daß sie bis zum ersten Drittel des Schwanzes herabreichen, und ebenso sind die Oberarmschwingen so entwickelt, daß sie bei zusammengelegten Flügeln die Handschwingen fast oder ganz bedecken. Oberkopf, ein breiter Zügelstreifen, welcher sich im Genicke vereinigt, Nacken, ein breites Brustband und die verlängerten schmalen Rückenfedern sind schwarz, ein Augenbrauenstreifen, welcher über den Nasenlöchern beginnt und am Hinterkopfe zusammenläuft, Kehle und Gurgel sowie die ganze übrige Unterseite aber weiß, seitlich und an der Brust blaß rothbraun, in der Steißgegend in Bräunlich-Isabellfarben übergehend, die Oberflügeldeck- und die Schulterfedern licht schieferblau oder aschgrau, die Schwingen, mit Ausnahme der ersten, welche nur an der Wurzel der Außenfahne einen lichten Saum zeigt, in ihrer Mitte und an der Spitze schwarz, an der Wurzel und vor der Spitze aber weiß, so daß zwei breite Bänder entstehen, welche den geöffneten Flügeln zum größten Schmucke werden, die Steuerfedern blaugrau, an der Spitze weiß, vor ihr durch ein schwarzes Band gezeichnet.
Das Auge ist lichtbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß lebhaft bleigrau. Die Länge beträgt zweiundzwanzig, die Fittiglänge dreizehn, die Schwanzlänge sieben Centimeter. Das Weibchen ist kaum kleiner als das Männchen.
Der Krokodilwächter, dessen Bild auf den altegyptischen Denkmälern oft dargestellt wurde, da es in dem hieroglyphischen Alphabet das U ausdrückt, ist häufig im ganzen Nilgebiete. Von Kairo an stromaufwärts vermißt man ihn an keiner geeigneten Stelle des Nilufers. Sein Verbreitungskreis reicht soweit nach Süden, als ich selbst gekommen bin; ich habe ihn aber immer nur am Nile selbst gesehen und darf also diesen Strom für den Nordosten Afrikas als seine eigentliche Heimat bezeichnen. An den Strömen Westafrikas und ausnahmsweise in Palästina hat man ihn ebenfalls beobachtet; ob er aber wirklich schon auf europäischem Boden angetroffen wurde, wie man behauptet hat, bleibt noch fraglich. Jedenfalls gehört er weder zu den Zug- noch zu den Strichvögeln. Wenn möglich, wählt er eine Sandbank zu seinem Standorte und hält an diesem fest, so lange ihn der Hochstand des Wassers nicht zum Verlassen desselben zwingt.
Schwerlich dürfte es einen Nilreisenden geben, dem der schmucke, lebendige, gewandte und schreilustige Vogel nicht aufgefallen wäre. Er macht sich bemerklich, wenn er mit der seiner Familie eigenen Eilfertigkeit dahinrennt, und noch bemerklicher, wenn er über dem Wasser wegfliegt und dabei seine volle Schönheit, die weiß und schwarzgebänderten Schwingen, entfaltet. Sein Lauf ist sehr gewandt, geschieht aber nicht ruckweise; der Flug fördert, den spitzigen Schwingen entsprechend, sehr rasch, scheint auch durchaus nicht zu ermüden, wird aber selten weit ausgedehnt. Der Krokodilwächter fliegt höchstens von einer Sandbank zur anderen und dabei stets sehr niedrig über dem Wasser dahin, niemals nach Art unserer Regenpfeifer oder Strandläufer, welche sobald wie möglich eine gewisse, ihnen sicher dünkende Höhe zu erreichen suchen. Während des Fluges vernimmt man regelmäßig seine laute, pfeifende Stimme, welche aus einer Reihe von Tönen besteht und ungefähr wie »Tschip-tschip-hoit« klingt. Aber auch im Sitzen oder Umherlaufen läßt sich der Vogel oft vernehmen; denn er ist ebenso redselig, wie sein Verwandter schweigsam.
Seinen aus dem Arabischen übersetzten Namen trägt er mit vollstem Rechte, leistet jedoch nicht bloß dem Krokodile, sondern allen übrigen Geschöpfen, welche auf ihn achten wollen, Wächterdienste. Jedes Schiff, jeder nahende Mensch, jedes Säugethier, jeder größere Vogel erregt seine Aufmerksamkeit, und er beeilt sich, durch lebhaftes Geschrei dies männiglich kundzugeben. Anerkennenswerthe List, scharf beurtheilender Verstand und bewunderungswürdiges Gedächtnis sind ihm eigen: es scheint, als fürchte er keine Gefahr, aus dem einfachen Grunde, weil er sie kennt und zu würdigen weiß. Mit dem Krokodile lebt er wirklich in Freundschaft, aber nicht etwa, weil das gefräßige Kriechthier wohlwollende Gefühle für ihn hegt, sondern weil seine Klugheit und Gewandtheit ihn vor böswilligen Gelüsten sichern. Bewohner der Sandbänke, welche das Krokodil zum Schlafen und Sonnen aufsucht, ist er mit diesem Ungeheuer von Jugend auf vertraut geworden und hat gelernt, wie er sich ihm gegenüber benehmen muß. Ohne Besorgnis läuft er auf dem Rücken der Panzerechse auf und nieder, als ob dieser ein Stück grünen Rasens wäre, unbekümmert liest er Kerbthiere und Egel ab, welche das Krokodil schröpfen wollen, wagt sich sogar daran, seinem gewaltigen Freunde die Zähne zu putzen, d.h. buchstäblich Brocken, welche zwischen denselben hängen blieben, oder Thiere, welche sich an den Kinnladen und dem Zahnfleische festsetzten, wegzunehmen: ich habe das gesehen, und zwar zu wiederholten Malen. Wie er mit einem Seeadler umgeht, habe ich bereits (Bd. IV, S. 665) erzählt. In seinem Gebaren zeigte sich bei jener Gelegenheit sicherlich ebensoviel Dreistigkeit und Ueberlegung, wie sie der Sperling bekundet, wenn er gefangene Adler in ihrem Käfige besucht und scheinbar unbekümmert das verlangende Auge dieser Räuber auf sich ruhen sieht. In der Achtsamkeit des Krokodilwächters und in der Würdigung der Umstände und Ereignisse beruhen auch die Dienste, welche er leistet. Das Geschrei, welches er beim Anblicke eines ihm fremdartig oder gefährlich dünkenden Wesens oder Gegenstandes ausstößt, erweckt das schlafende Krokodil und läßt diesem gerathen erscheinen, sich in die sicheren Fluten zurückzuziehen.
Es ist möglich, daß unser Vogel dann und wann ein Samenkorn mit verzehrt; seine gewöhnliche Nahrung aber entnimmt er dem Thierreiche. Er frißt Kerbthiere aller Art, namentlich Sandkäfer, Fliegen, Wasserspinnen, Gewürm, kleine Muscheln, Fische und, wie aus der angegebenen Beobachtung hervorgeht, auch Brocken vom Fleische größerer Wirbelthiere.
Die List des Krokodilwächters zeigt sich deutlich gelegentlich seines Fortpflanzungsgeschäftes. Nur einmal ist es mir gelungen, das Nest des häufigen Vogels aufzufinden, obgleich ich zu allen Jahreszeiten und insbesondere, wenn die Zergliederung der erlegten Stücke mich lehrte, daß die Brutzeit eingetreten war, nach Nestern und Eiern gesucht habe. Ein Zufall ließ mich entdecken, wie es der schlaue Gesell anfängt, seine Eier vor dem Auge eines Feindes zu verbergen. Durch das Fernrohr beobachtete ich längere Zeit ein Pärchen, von dem der eine Gatte auf dem Sande saß, während der andere in seiner gewöhnlichen Weise hin- und herlief. Ich vermuthete, daß der sitzende mit Brüten beschäftigt sein möge, nahm mir die Stelle fest ins Auge und ging langsam auf dieselbe zu. Zu nicht geringem Erstaunen bemerkte ich, daß der Vogel, als ich etwa bis auf hundert Schritte heran gekommen war, mit einer gewissen Vorsicht aufstand, eilfertig scharrte, sodann zum anderen rannte und mit diesem scheinbar gleichgültig sich entfernte. Bei der betreffenden Stelle angekommen, konnte ich zunächst nichts unterscheiden, und mehr zufällig als infolge meines Suchens entdeckte ich endlich eine Unebenheit im Sande, grub nach und hatte zwei Eier in den Händen, welche vollständig mit Sand überdeckt gewesen waren und, wenn die Mutter mehr Zeit gehabt hätte, gewiß so überdeckt worden wären, daß man auch die Mulde nicht wahrgenommen haben würde. Die Eier dieser Vögel gehören zu den schönsten, welche Stelzvögel überhaupt legen. In Gestalt und Korn ähneln sie den Eiern des Wüstenläufers, in der Größe denen der Brachschwalbe. Ihr Längendurchmesser beträgt etwa neunundzwanzig, ihr Querdurchmesser dreiundzwanzig Millimeter; ihre Färbung ist ein röthliches Sandgelb, die Zeichnung ein helleres und tieferes Rothgrau, die Oberzeichnung ein lebhaftes Kastanienbraun, welche mit dem Grau Flecke, Punkte, Striche und Wurmlinien bildet und die Oberfläche ziemlich gleichmäßig bedeckt. Die bräunlichgelb und schwarzgetigerten Jungen, welche nach Heuglins Beobachtungen sehr gut laufen und sich geschickt zwischen Steinen und in Vertiefungen niederdrücken, erhalten mit dem Flüggewerden das Kleid ihrer Eltern; wenigstens erinnere ich mich nicht, jemals abweichend gefärbte Stücke gesehen zu haben.
Ueber Gefangenhaltung des Krokodilwächters kenne ich keinen Bericht.